Sehr geehrte Frau Dr. Bulmahn, sehr geehrte Frau Brantner, sehr geehrte Abgeordnete des Deutschen Bundestages, sehr geehrte Gäste,
wenn man die Ausstellung "Frieden machen"mit einem Zitat beginnen wollte, dann mit dem vom indischen Rechtsanwalt, Politiker und Pazifisten Mahatma Gandhi: "Es gibt keinen Weg zum Frieden, Frieden ist der Weg."
Für Gandhi wurde diese Überzeugung zu einer Grundhaltung des gewaltfreien Widerstandes, als er sich zu Beginn des 20. Jahrhunderts für die Rassentrennung in Südafrika einsetzte, die indische Unabhängigkeitsbewegung anführte und die universellen Menschenrechte einforderte. Sowohl damals wie auch heute stehen Gandhis Worte in ihrer Bedeutsamkeit für eine politische und gesellschaftliche Richtungsentscheidung, die unsere Welt friedlicher machen soll.
Doch neben unserem Bedürfnis und dem Streben nach Frieden, werden wir täglich mit Krieg und Konflikten konfrontiert. Die Forschung stellt fest, dass es heute weniger Kriege zwischen Staaten gibt als noch vor 20 Jahren – dafür aber haben die Konflikte innerhalb einzelner Länder zugenommen. Im 21. Jahrhundert reden wir nicht nur über ferne Kriege und Konflikte, die Folgen dieser Konflikte sind auch in Europa zu spüren. Die Schaffung und Bewahrung des Friedens ist eine der wichtigsten Aufgaben der internationalen Politik und sie lässt sich politisch-ethisch begründen wie auch pragmatisch: Wohlfahrt, politische Freiheit und Selbstentfaltung lassen sich nur in einem friedlichen globalen Umfeld verwirklichen. Seit der Wiedervereinigung und der Erlangung der vollen staatlichen Souveränität gilt es auch für die Bundesrepublik, an einer friedlicheren Sicherheits- und Weltwirtschaftspolitik mitzuarbeiten und Aufgaben bei der weltweiten Friedenssicherung zu übernehmen. Doch so klar das Ziel – ein positiver Friede – beschrieben werden kann, so unklar und schwierig zu bewerten sind die Mittel, die angewendet werden können, um in weit entlegenen Weltregionen Frieden zu schaffen, ihn zu sichern und Krisen zu verhindern. Hinzu kommt, dass Friedensmissionen zuhause vor der eigenen Bevölkerung begründet und gerechtfertigt werden müssen, was angesichts der komplexen Konfliktursachen und -verläufe nicht immer einfach ist.
Um Schülerinnen und Schülern ein besseres Verständnis davon zu geben, wie die Begriffe Frieden und Krieg zu verstehen sind, haben wir auf Anregung des Unterausschusses für Zivile Krisenprävention, Konfliktbearbeitung und vernetztes Handeln im Auswärtigen Ausschuss des Deutschen Bundestages diese Wanderausstellung zum Thema "Frieden machen" entwickelt. Wir möchten der jungen Generation Möglichkeiten der zivilen Konfliktbearbeitung und Friedensförderung aufzeigen, die nicht nur fernab von Deutschland eine Rolle spielen, sondern auch ganz konkret auf ihren Alltag und ihre Lebensrealität bezogen werden können. Die Bundeszentrale für politische Bildung macht damit dieses noch junge und globale Tätigkeitsfeld zum Thema einer Wanderausstellung. Ein Ziel ist es, die zivile Friedensarbeit sichtbar zu machen, die in der Öffentlichkeit gerade dann wenig wahrgenommen wird, wenn sie gelingt. Die Schau, die sich insbesondere an Schülerinnen und Schüler ab der Klasse neun richtet, stellt die zentralen Instrumente und Prinzipien ziviler Friedensarbeit vor, setzt sich aber auch mit ihren Kontroversen auseinander: Soll man sich überhaupt in Konflikte anderer Länder und Gesellschaften einmischen? Wie könnte ein Eingreifen aussehen und wann ist es erfolgreich? Wie ist das Verhältnis zu militärischen Operationen? Wichtig ist dabei die grundsätzliche Frage, was Frieden überhaupt ist und ob man Frieden wirklich "machen" kann?
Die Ausstellung beinhaltet ungewöhnliche, partizipative und interaktive Formen und Fragestellungen. Ausgehend von sieben grundlegenden Fragen zur zivilen Konfliktbearbeitung ermöglicht sie Besucherinnen und Besuchern einen Zugang zu diesem komplexen wie politisch relevanten Thema.
Dabei soll die Ausstellung nicht nur Wissen vermitteln. Ihr Anspruch ist vielmehr, einen grundlegenden Zugang zu den Kernfragen des Themas zu eröffnen, indem sie zu Austausch und Reflexion über aktuelle politische Fragen anregt. Trotz der vermeintlichen Schwere des Themas kann hier gespielt, geraten, kontrovers diskutiert und ausprobiert werden.
Auch die Blickwinkel von Menschen, die sich international oder lokal in der Friedensarbeit engagieren, bilden ein durchgehendes Thema der Ausstellung. Denn Friedensarbeit ist nur multiperspektivisch möglich.
Interaktive Stationen bieten viel Raum für Diskussion und Partizipation: Die Besucherinnen und Besucher können in Plan- und Geschicklichkeitsspielen die eigenen friedensstiftenden Fähigkeiten testen. Sie sind aufgefordert, aktuelle politische Entscheidungen zu reflektieren, etwa die Entscheidungskriterien für Friedenseinsätze zu diskutieren und gemeinsam zu entscheiden, in welchen Regionen sie eingreifen würden. Immer wieder fordert die Ausstellung ihr Publikum auf, die Stationen um eigene Gedanken und Vorschläge zu ergänzen.
Lassen Sie mich Ihnen die Ausstellung an dieser Stelle ein bisschen genauer vorstellen:
Eingreifen oder nicht? Mit dieser Grundsatzentscheidung, ob überhaupt in gewalttätige Konflikte eingegriffen werden soll, muss oder darf, beginnt der Besuch der Ausstellung "Frieden machen“. Die Auseinandersetzung mit dieser Leitfrage wird mit Informationen über Grundprinzipien der zivilen Friedensarbeit und einer Übersicht aktueller Konflikte verbunden.
Im nächsten Teil wird die Frage "Mit oder ohne Waffen?"gestellt. Zivile Friedensarbeit ist nicht nur historisch aus den klassischen "Blauhelm-Einsätzen" hervorgegangen, sondern wird bis heute oft vom Militär flankiert. Die Abteilung greift deshalb die Assoziation zu militärischen Interventionen und dem Bild bewaffneter Blauhelmtruppen auf. An acht Audiostationen können sich die Besucherinnen und Besucher mit unterschiedlichen Perspektiven auf zivile und militärische Friedensinterventionen beschäftigen und anhand einer Statistik die große Personalausstattung von Friedenseinsätzen weltweit vergleichend untersuchen.
Die Akteure der zivilen Friedensarbeit lernen wir in der nächsten Abteilung mit dem Titel "wer soll handeln?" näher kennen. Die Vielfalt der in der Friedensarbeit Engagierten reicht von den Vereinten Nationen über Regierungen, NGOs, private Stiftungen bis hin zu lokalen Aktivistinnen und Aktivisten. Für den Frieden kann sich einsetzen, wer motiviert ist und die entsprechenden Ressourcen hat. Aber die Frage nach den Friedens-Akteuren ist auch politisch relevant. Wer ist völkerrechtlich legitimiert? Welche Prinzipien sind grundlegend? Wer trifft die Entscheidungen? Die Ausstellung stellt eine Auswahl dieser Akteure mit ihren Projekten am Beispiel Afghanistan vor. In einem eigens für die Ausstellung entwickelten Strategiespiel können die Besucher ihr Geschick beim Friedenstiften unter Beweis stellen.
Am Beispiel von vier Konflikten – nämlich Afghanistan, Kolumbien, Liberia und Ukraine – diskutieren die jungen Protagonisten einer Comic-Erzählung, wo sich Friedensmaßnahmen lohnen. Eine interaktive Weltkarte lädt dazu ein, eigene Kriterien zu entwickeln, in der Gruppe zu diskutieren und Antworten auf die Frage zu finden "wo man eingreifen soll/darf oder muss".
Was tun, wenn man eingreifen darf? Was sind die Instrumente der zivilen Friedensarbeit? Mit dieser Frage beschäftigt sich ein weiterer Teil der Ausstellung. Der zivilen Friedensarbeit kann man ein komplexes, fast unüberschaubares Arsenal von Methoden zurechnen. Interaktive Comics stellen dieses Instrumentarium der zivilen Friedensarbeit – und die damit verbundenen Probleme – vor. Filmporträts von acht Menschen, die sich in ihrem oder in einem anderen Land für den Frieden engagieren, geben persönliche Einblicke in ihre konkrete Projektarbeit vor Ort.
Wenn wir von Frieden reden, stellen wir auch die Frage, was eigentlich Frieden ist. Friedensvorstellungen sind historisch und kulturell gewachsen. Eine weitere Abteilung zeigt mittels unterschiedlicher Medien, darunter eine interaktive Installation, historische und zeitgenössische Friedensvorstellungen und regt zur Auseinandersetzung über kontroverse Friedensdefinitionen an.
Die abschließende Station stellt Kriterien vor, anhand derer sich der Erfolg von ziviler Friedensarbeit messen lässt. In Videointerviews diskutieren Fachleute über die politischen, finanziellen und persönlichen Gründe für einen Rückzug. Wann ist es Zeit, eine Maßnahme oder eine ganze Friedensmission zu beenden? Als grundsätzliches Dilemma von Friedensarbeit gilt, dass nachhaltige, zeitintensive Ansätze zum Aufbau friedlicher Gesellschaften oft im Widerspruch stehen zu konkreten Evaluationsmechanismen und kurzfristigen politischen Entscheidungen.
Wie Sie hinter mir sehen, haben die Gestalter der Ausstellung mit Gitterboxen gearbeitet, die aus Baustellen- und Transportboxen entwickelt wurden. Sie sind gleichzeitig feingliedrig und robust, weisen einerseits Transparenz und doch Undurchsichtigkeit auf, sind beweglich und zugleich schwer: ein Bild, das sich gut eignet für die komplexe und prozesshafte "Baustelle Frieden". An der wir gemeinsam mit viel Engagement weiterarbeiten sollten.
Ich möchte mich an dieser Stelle herzlich bedanken bei dem Unterausschuss für Zivile Krisenprävention, Konfliktbearbeitung und vernetztes Handeln, der mit dieser Idee an uns herangetreten ist und auch beim Deutschen Bundestag, dass wir diese Ausstellung an einem so prominenten Ort eröffnen dürfen. Danke auch an Nicole Birtsch, die die Arbeit an der Ausstellung wissenschaftlich begleitet hat und natürlich an meine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der bpb. Ein großes Dankeschön geht außerdem an die Kolleginnen und Kollegen des Politikmuseum e.V., die diese Ausstellung kuratiert haben und auch darüber hinaus an alle, die an der Ausstellung mitgewirkt haben.
Last but not least möchte ich Sie auf den Falter Aktuell "Frieden machen"der Bundeszentrale für politische Bildung aufmerksam machen. Der Falter Aktuell ist als Unterrichtsmaterial entwickelt worden, das eng mit der Ausstellung korrespondiert. Er enthält fünf verschiedene, kopierfähige Arbeitsblätter zu diesem wichtigen Thema.
Freuen Sie sich also auf eine Ausstellung der etwas anderen Art und empfehlen Sie sie gerne weiter, denn sie ist als Wanderausstellung gedacht und soll an vielen weiteren Orten gezeigt werden.
- Es gilt das gesprochene Wort. -