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IRRESISTIBLE? / BESTECHEND? (Berlin, 16. Juni 2017) | Presse | bpb.de

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IRRESISTIBLE? / BESTECHEND? (Berlin, 16. Juni 2017) Grußwort zur Eröffnung des Symposium zum Phänomen Korruption (vom 16. bis 18.6.2017)

/ 4 Minuten zu lesen

Sehr geehrte Damen und Herren,
lieber Herr Ebert,
lieber Herr Eigen,

welches Bild fällt Ihnen ein, wenn Sie das Wort Korruption hören? Ihnen als Expertinnen und Experten kommt zugegebenermaßen wahrscheinlich ein recht differenziertes Bild in den Sinn. Aber was, wenn man die Frage den Passanten hier in Berlin Mitte stellen würde? Deren Kopfkino zum Thema "KORRUPTION" würde sich wahrscheinlich ungefähr mit der Google Bildersuche decken: gesichtslose Männer in Anzügen, die einander klammheimlich Geldbündel zuschieben. Anzüge, aalglattes Haar, Al Pacino. Vielleicht taucht auch noch ein Fußball vorm Schweizer Alpenpanorama auf, wer weiß. Sicher ist aber: Das ist –wenn überhaupt – ein kleiner Ausschnitt des hochkomplexen Phänomens Korruption.

Liebe Gäste, ich begrüße Sie recht herzlich zur Eröffnung des interdisziplinären Symposiums "IRRESISTIBLE?". Dieser Abend ist der Auftakt zu zwei Tagen voller spannender Diskurse, dem Austausch mit internationalen Expertinnen und Experten und vielen Möglichkeiten zum Netzwerken.

Gleichzeitig ist das Symposium auch der Auftakt zum Kulturprogramm unseres Kooperationspartners Goethe Institut Ukraine. Ausschnitte daraus werden wir in den kommenden Tagen ebenfalls genießen dürfen, worauf ich mich sehr freue.

Das Symposium, das ich also hier und heute eröffnen darf, zeigt unser Anliegen, Korruption als vielschichtiges Phänomen zu begreifen. Die Reduzierung auf ökonomische oder politische Aspekte greift bei dem Thema einfach zu kurz. Es lohnt sich, hinter den Vorhang der ersten Assoziationen zu schauen und zu fragen: "Was sind die sozialen Rahmenbedingungen von Korruption?", "Wo liegen ihre historischen Wurzeln?", "Mit welchen Formen, Strukturen und Mustern haben wir es zu tun?". Diskutiert wird auch, welche Auswirkungen Nepotismus, Klientelismus und andere Facetten von Korruption auf unsere Gesellschaften haben und welchen Gefahren wir in Zukunft gegenüber stehen. Welche Instrumente haben wir im Kampf gegen die Korruption und wie effektiv sind diese?

Der Grund, aus dem wir näher hinsehen müssen, ist der: Korruption bedeutet immer eine Manipulation von Entwicklungen. Oft verhindert Korruption Weiterentwicklung durch den Erhalt alter Machtstrukturen und des Status Quos. Den Erhalt von scheinbaren "gesellschaftlichen Gesetzmäßigkeiten". Manchmal lenkt Korruption die Entwicklung und erwirkt die Besserstellung von Positionen, die durch Sachgründe nicht überzeugen können. Und auch, wenn man gerade allerorts beobachten kann, wie Veränderungen Menschen Angst machen und der Erhalt tradierter Strukturen großen Reiz ausübt, so sind es doch Wandel, Transformation und Modernisierung, die unsere Welt antreiben. Wandel mag manchmal holprig sein, manchmal vielleicht sogar ein bisschen schmerzhaft – aber er ist notwendig und wir müssen ihn gestalten – konstruktiv und gerecht. Korruption hemmt und manipuliert diese Entwicklungen. Allerorts und auf vielfältige Weise.

"Allerorts und auf vielfältige Weise" ist ein gutes Stichwort, auf das ich kurz näher eingehen will. Schaut man auf gängige Messinstrumente von Korruption in der Welt, so genannte Korruptionsindexe, so mag sich mancher fragen, warum wir eigentlich heute ausgerechnet HIER sind. In Berlin, in Deutschland – einem Land, dass laut Transparency International unter den 12 Ländern mit der am niedrigsten wahrgenommenen Korruption liegt. In Westeuropa, in Skandinavien, – hier scheint man sich über Korruption keine Gedanken machen zu müssen. Die Probleme liegen doch wohl eher in Afrika, in Osteuropa und diktatorisch regierten Kleinstaaten, oder? Nein, Korruption ist ein weltweites Problem. Denn diese Indexe sprechen kein Land FREI von Korruption. Sie können immer nur bestimmte Aspekte des so vielschichtigen Phänomens "Korruption" beleuchten und fragen lediglich die Korruptionswahrnehmung ab. Außerdem ist es schwierig, etwas zu messen, das gelernt hat, im Dunkel zu agieren.

Zudem tragen wir eine gemeinsame Verantwortung. In Zeiten globaler Verflechtung – wirtschaftlich, politisch, sozial, moralisch – in diesen Zeiten können wir ein Phänomen wie Korruption nicht mehr als "Problem der anderen" verhandeln. Die Bundeszentrale für politische Bildung ist dieser Grundhaltung verstärkt in den letzten Jahren gefolgt. Viele Themen, die die politische Bildung maßgeblich betreffen und beeinflussen, lassen sich nicht ohne den Blick über den Tellerrand verstehen, geschweige denn gestaltend beeinflussen. Das ist lange vernachlässigt worden, ganz besonders auch im Austausch mit den Ländern Mittel- und Osteuropas. Dabei ist es der transnationale Diskurs, der uns weiterbringt und den wir durchaus kontrovers führen sollten. So entstehen gemeinsame Projekte und stetiger konstruktiver Austausch, aus dem jeder so viel mitnehmen kann.

Den Blick über den Tellerrand möchten wir auch in diesen kommenden zwei Tagen wagen. Im Austausch mit Ihnen allen, meine Damen und Herren, die sie aus über 40 Ländern angereist sind, um sich diesem spannenden Thema zu widmen. Unter Ihnen und unseren spannenden Diskussionsgästen sind Journalistinnen und Journalisten, Kulturschaffende, Vertreterinnen und Vertreter aus Wissenschaft, Wirtschaft und Politik, Kriminologinnen und Kriminologen, Experten aus Philosophie, Gesellschaftswissenschaften und vielen anderen Feldern, die uns ganz neue Blickwinkel auf das Thema eröffnen werden.

Darüber hinaus werden uns Künstlerinnen und Künstler wichtige Einsichten in die kulturelle Rezeption des Themas liefern. Die Ergebnisse der heutigen "Pre-Conference" werden zweifelsfrei unsere Diskussion bereichern. Hier wurde Korruption schlaglichtartig aus den Blickwinkeln verschiedenster Disziplinen beleuchtet. Da kamen interessante Fragen auf wie die nach zivilgesellschaftlicher Einflussnahme im Anti-Korruptionskampf, nach korrupten Strukturen innerhalb der Europäischen Union und der Rolle digitaler Medien und Big Data bei der Korruptionsbekämpfung.

Sie sehen, das Thema ist so vielfältig, dass die kommenden zwei Tage nur der Startschuss zu einem nachhaltigen Diskurs sein können. Darauf freue ich mich und wünsche Ihnen ein bereicherndes Symposium! Zuletzt geht mein Dank in Richtung des gesamten Teams, das für die Konzeption und Durchführung der Konferenz verantwortlich ist. Dank gebührt ebenfalls unserem Partner – dem Goethe Institut Ukraine – für die angenehme und überaus gewinnbringende Kooperation und dem Auswärtigen Amt als Förderer dieses besonderen Projekts. Eins ist sicher: Sie haben alle dazu beigetragen, dass wir am Sonntag gemeinsam ein deutlich facettenreicheres Bild von Korruption vermitteln können als die Google Bildersuche.

- Es gilt das gesprochene Wort. -

Fussnoten