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Eröffnung der Konferenz "Formate des Politischen – Medien und Politik im Wandel" im Haus der Bundespressekonferenz, Berlin (26. und 27. 11. 2015) | Presse | bpb.de

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Eröffnung der Konferenz "Formate des Politischen – Medien und Politik im Wandel" im Haus der Bundespressekonferenz, Berlin (26. und 27. 11. 2015)

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Sehr geehrte Damen und Herren,

Als die Vorbereitungen zu dieser Konferenz anliefen, bestimmte der Begriff der „Lügenpresse“ die Schlagzeilen der Medienlandschaft. Er diente und dient als Parole der sogenannten Pegida-Bewegung. Als diffuses Konglomerat verschiedener Interessen und Gruppen eint die Pegida-Bewegung im Kern die Ablehnung der sogenannten Eliten - gleichwohl politische, wirtschaftliche oder mediale.

Pegida kann als Beispiel einer antipolitischen Bewegung gelesen werden, die laut dem französischen Politikwissenschaftler Jacques de St. Victor „eine Art moralische Entrüstung und Rebellion vonseiten wachsender Randgruppen der Öffentlichkeit darstellen, die bestrebt sind, sich von der alten Politik zu befreien, vor allem durch die ‚Tugenden‘ des Netzes“.

Wie wirken sich der Vertrauensverlust in die etablierten Institutionen gepaart mit dem Wandel der medialen Formate und Räume auf den politischen Diskurs aus?

Eine These lautet, dass der Journalismus nicht schlechter, sondern die Leser kritischer geworden seien. Verstärkt werde das durch den Druck durch das Internet: je freier eine Gesellschaft ist und je mehr Informationsmöglichkeiten es gibt, desto geringer ist das Vertrauen in die Medien. Der Zusammenhang ist klar, denn auch Fehler fallen schneller und häufiger auf. Und wenn jemand auf Fehler stößt, kann er sehr einfach öffentlich darauf hinweisen – im Internet. Dadurch werden Debatten über Fehler der Medien verstärkt.

Eine weitere Beobachtung ist die Zunahme von Hate Speech in der digitalen Kommunikation. In Online-Netzwerken werden offen rassistische Hetze und rechtsradikales Gedankengut verbreitet. Es sei, so Nils Markwardt, eine „kommunikative Enthemmung“ im Netz zu beobachten: Rassistische, sexistische und homophobe Ausfälle seien dort zum Dauerzustand geworden. Auch deutsche Leitmedien wie Spiegel Online, tagesschau.de oder Welt online sind täglich damit konfrontiert – so sehr, dass beispielweise auf Spiegel Online mittlerweile bei bestimmten Themen, wie etwa bei der Flüchtlingsthematik, die Kommentarfunktion ausgeschaltet wird. Die hasserfüllte Debatte im Netz kann als Katalysator für reale Gewalt wirken.

Wie soll also die Gesellschaft damit umgehen? Wir müssen …

  • … Hate Speech und ihre Codes identifizieren, Widerspruch einlegen und Zivilcourage zeigen.

  • … Fakten und Orientierungswissen vermitteln, das ganze Meinungsspektrum zeigen und Differenzierungen vornehmen.

  • … Transparenz zeigen, das heißt auch Fehler offenlegen, Quellen offenlegen, Interessenlagen der Quellen offenlegen und Rechercheprobleme darstellen;

  • … den Lokaljournalismus stärken – wie die bpb das zum Beispiel durch ihr Lokaljournalistenprogramm tut: Lokaljournalismus ist gefragter denn je, wenn es darum geht, gesellschaftliche Konflikte, die sich ja vor Ort ganz konkret ausdrücken, zu diskutieren und zu hinterfragen;

Auch muss sich gesellschaftliche Vielfalt in den Redaktionen abbilden: Der Anteil von Journalistinnen und Journalisten mit Migrationshintergrund in den Redaktionen lag Schätzungen aus dem Jahr 2012 zufolge bei etwa 1-3%. In der Gesamtbevölkerung liegt der Anteil der Menschen mit Migrationshintergrund bei etwa 20%. Lebenswelten, Problemlagen, Interessen und Diskurse in den verschiedenen Communities und Milieus können zwar auch von Menschen ohne Migrationshintergrund widergespiegelt werden – ja müssen es sogar. Aber noch sind wir als Gesamtgesellschaft weit davon entfernt, einen multiperspektiven Blick verinnerlicht zu haben. Deswegen brauchen wir mehr Diversität in den Redaktionen, und die mit der Diversität verbundene Multiperspektivität und das Erfahrungswissen von Menschen mit Migrationshintergrund.

Wir müssen mehr politische Sensibilität in der Berichterstattung zeigen; dafür sind eigene Sensoren und Seismografen in den Tiefen der Gesellschaft wichtig. Ein Beispiel dafür, dass Seismografen fehlen, ist die Nominierung von Xavier Naidoo als Deutschland-Vertreter beim Eurovision Song Contest: Wie konnte das Malheur passieren? Dabei geht es mir nicht um die Frage, ob er als Künstler geeignet ist oder nicht – sondern darum, dass die Entscheider überrascht waren über die Heftigkeit der öffentlichen Reaktionen auf diese Entscheidung. Nun ist niemand Prophet. Aber spätestens seit dem Auftritt des Soulsängers am 3. Oktober 2014 bei den rechtsextremistischen „Reichsbürgern“ in Berlin und der daraufhin losgetretenen Debatte ist klar, dass er heftigst polarisiert.

Wir sollten uns die entscheidende Frage stellen, welchen Arbeitsauftrag wir aus diesen Erkenntnissen für die politische Bildung gemeinsam mit Medien und Politik mitnehmen können?

Politische Bildung, aber auch Medien, Politik, Zivilgesellschaft insgesamt, werden pausenlos dazu angehalten, Sorgen und Ängste der Bürger ernst zu nehmen. Natürlich müssen Sorgen und Ängste in der Bevölkerung ernst genommen werden; dabei kann es aber nicht bleiben. Noch wichtiger ist es, den Bürgerinnen und Bürgern diese Ängste auch zu nehmen und Alternativen aufzuzeigen.

Auch müssen Sorgen und Ängste in den Teilen der Bevölkerung aufgegriffen werden, die sich durch zunehmende Hate Speech bedroht fühlen oder im Visier rechtspopulistischer Hass-Propaganda stehen: Flüchtlinge, Menschen mit Migrationshintergrund, neue Deutsche.

Grundsätzlich sind politische Bildung und der Journalismus natürliche Verbündete: Beiden geht es darum, politische Sachverhalte zu erklären, Kontroversen aufzuzeigen und letztendlich das demokratische Bewusstsein und die aktive Mitarbeit zu stärken. Lassen Sie uns gemeinsam daran weiterarbeiten!

Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

- Es gilt das gesprochene Wort -

Fussnoten