Sehr geehrte Damen und Herren, ich begrüße Sie ganz herzlich zur Buchvorstellung des „Länderberichts Korea“ und freue mich über das rege Interesse an dieser Veranstaltung. Die Bundeszentrale für politische Bildung unterhält schon seit den 80er Jahren enge Beziehungen zu Bildungseinrichtungen in der Republik Südkorea. Dabei handelt es sich nicht allein um einen Informations- und Gedankenaustausch zu Themen im Bereich der Demokratieerziehung, die beide Seiten interessieren. Eine ganz zentrale Bedeutung haben Fragen der Wiedervereinigung der in der Folge des Zweiten Weltkriegs geteilten Länder: das sind vor allem Fragen zu den Erfahrungen beim Prozess der Vereinigung der beiden deutschen Staaten und deren mögliche Übertragung auf die Bedingungen der koreanischen Halbinsel. Immer wieder sind Delegationen aus Südkorea in der Bundeszentrale für politische Bildung zu Gast. Und auch Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der bpb haben in der Vergangenheit Südkorea besucht. Bei diesen Begegnungen hat sich insbesondere mein leider in diesem Jahr so früh verstorbene Kollege Dr. Bernd Hübinger große Verdienste erworben.
Ich erinnere daran, dass es keine sechs Wochen her ist, dass Bundespräsident Joachim Gauck im Zeichen von 25 Jahren Deutsche Einheit und siebzig Jahren Teilung Koreas in Südkorea zu Besuch war. Dort eröffnete er eine Ausstellung des Koreanischen Nationalmuseums zur Deutschen Einheit in Dorasan, dem nördlichsten und wohl auch modernsten Bahnhof Südkoreas unmittelbar an der innerkoreanischen Grenze. Das gegenseitige Interesse von Koreanern und Deutschen aneinander wächst also.
Und so lag es nahe, dass die Bundeszentrale für politische Bildung das Angebot von Frau Prof. Lee und Herrn Prof. Mosler vom Institut für Koreastudien der Freien Universität Berlin sehr gerne aufgriff, in die Reihe der Länderberichte der bpb einen Band über Korea aufzunehmen. Sehr schnell wurden wir uns einig, eine Publikation herauszugeben, die beide koreanische Staaten umfassen sollte. Ein nach unserer Wahrnehmung in Deutschland erstmaliger Versuch, Unterschiede und Gemeinsamkeiten der historischen, kulturellen, politischen und ökonomischen Entwicklungen im Süden wie im Norden in einem Band gegenüber zu stellen. Ich meine, dieses Experiment ist überzeugend gelungen.
Die deutschen Leserinnen und Leser erhalten eine Fülle von Informationen, wissenschaftlichen Thesen und Einschätzungen, die sie in Erstaunen versetzen werden. Denn nach wie vor gilt die Aussage: „Deutsche wissen wesentlich weniger über das geteilte Korea als Koreaner über Deutschland.“ Allenfalls sind die Namen von Erzeugnissen der Elektronik- und Autoindustrie aus südkoreanischer Produktion den Deutschen ein Begriff. Und nur ausgesprochene Fans von Günter Jauchs Sendung „Wer wird Millionär?“ dürften wissen, dass sich die größte Schiffswerft der Welt in Ulsan im Südosten Koreas befindet. Die jüngere Generation wird sich vielleicht noch an den Welterfolg des südkoreanischen K-Pop-Rappers Psy erinnern: Mit seinem Musikvideo „Gangnam Style“ lieferte er im Jahre 2012 eine Parodie auf den Lebensstil in Gangnam, dem In-Viertel der südkoreanischen Hauptstadt und qualifizierte sich damit als Star des meist angeklickten Musikvideos in der Geschichte von YouTube. Und wären da nicht die sportlichen Großereignisse gewesen, wie die Olympischen Spiele 1988 in Seoul und die von Südkorea und Japan gemeinsam ausgerichtete Fußballweltmeisterschaft 2002 – man hätte Zweifel, ob die meisten Deutschen die koreanische Halbinsel überhaupt auf der Weltkarte verorten könnten.
Nordkorea kann mit solchen Errungenschaften nicht aufwarten. Es ist nach wie vor ein verschlossenes Land, das bislang vorzugsweise durch die Größe seiner Streitkräfte – mit 1,15 Millionen aktiven Soldaten belegt Nordkorea Platz 5 nur knapp nach der Armee Russlands –, seine Atomwaffen und das für uns Europäer eigentümlich wirkende Profil seines Führungspersonals beeindruckt. Gelegentliche Besuche von westlichen Medienvertretern im Reich der Kims helfen wohl auch nicht wirklich dabei, das Land nördlich des 38. Breitengrades besser zu verstehen.
Da dürfte der Länderbericht Korea, den wir heute präsentieren wollen, eine neue Dimension eröffnen. In 47 Beiträgen von – wenn wir richtig gezählt haben – 53 Autorinnen und Autoren, von denen übrigens über 20 aus dem Koreanischen und nicht wenige aus dem Englischen übersetzt wurden, hat das Team um Frau Professor Lee und Herrn Prof. Mosler einen Scheinwerfer auf diese uns Deutschen so ferne und so fremde Region gerichtet. Ich danke den beiden Herausgebern für ihre gigantische Arbeit, den Autorinnen und Autoren für ihre höchst informativen und anregenden Artikel und Herrn Bartel aus unserer Buchredaktion für das umsichtige und geduldige Management dieses Großprojektes. Ich bin sicher, dass der Länderbericht den Wissensstand in Deutschland über Korea heben und das Verständnis zwischen unseren beiden Ländern, die ein ähnliches Schicksal verbindet, fördern wird.
Ich danke Ihnen, meine Damen und Herren, für Ihre Aufmerksamkeit.
- Es gilt das gesprochene Wort -