Sehr geehrte Frau Ministerin Schwesig,
Sehr geehrte Frau von Platen,
Sehr geehrte Damen und Herren,
dass die Bundeszentrale für politische Bildung Schwerpunktpartner der Kampagne zum Equal Pay Day 2016 geworden ist, freut mich sehr. Gleichstellung liegt mir persönlich am Herzen; für die politische Bildung ist sie ein zentrales Thema, als Teil unseres Leitbilds, in unseren Veröffentlichungen und auf unseren Veranstaltungen.
Artikel 3 Absatz 2 des Grundgesetzes verspricht: "Männer und Frauen sind gleichberechtigt." Dieser Satz, das wissen wir alle, ist noch immer nicht Realität. Rein rechtlich betrachtet sind Benachteiligungen abgeschafft worden, sind mit dem kürzlich novellierten Bundesgleichstellungsgesetz und dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz, das 2016 zehn Jahre besteht, gesetzliche Grundlagen vorhanden, die darauf zielen, bestehende Nachteile zu beseitigen und Diskriminierung zu verhindern – so, wie es der Nachsatz in Artikel 3 Absatz 2 bestimmt, der 1994 ergänzt wurde. Damit erhielt die "tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern" den Rang einer Staatszielbestimmung.
Doch wann der Staat, wann unsere Gesellschaft dieses Ziel erreichen wird, wage ich nicht zu vorauszusagen. Ich befürchte: Es wird noch lange dauern. Denn der Abbau von Privilegien, das Teilen von Macht, von Geld, von Einfluss schmeckt nicht jedem und jeder – besonders nicht denjenigen, die mächtig, reich, einflussreich, privilegiert sind. Und das sind in der Mehrzahl immer noch Männer. Wenn am 19. März 2016 der Equal Pay Day begangen wird, werden die Männer schon fast drei Monate für ihre Arbeit bezahlt worden sein, bevor die Frauen nachziehen. Ein solcher Gender Pay Gap ist einer europäischen Demokratie im 21. Jahrhundert unwürdig.
Gleichheit und Ungleichheit in der Demokratie ist eines der Schwerpunktthemen der bpb in diesem und auch im nächsten Jahr, insofern passt die Kooperation zum Equal Pay Day sehr gut. Über die strukturelle Diskriminierung der Hälfte der Menschheit zu informieren, ist und bleibt aber Daueraufgabe der politischen Bildung – auch wenn manche meinen, Gleichstellung von Männern und Frauen sei privat und nicht politisch. Das Grundgesetz beweist das Gegenteil. Die bpb ist in der Pflicht, über den Themenkomplex aufzuklären, Diskussionen zu führen, Diskurse abzubilden, Bewusstsein zu schaffen, um so ihren Teil zur „tatsächlichen Durchsetzung der Gleichberechtigung“ zu leisten.
Wie machen wir das konkret?
Erstens mit den klassischen Mitteln der politischen Bildung: mit Print-Publikationen und Veranstaltungen. Erst kürzlich ist beispielsweise das Buch "Frauen in Deutschland" erschienen, das die Geschichte der Frauen in Bildern, Quellen und Kommentaren nachzeichnet. Das Jugendmagazin der bpb, der fluter, wird sich in der nächsten Ausgabe ganz dem Thema Gender widmen.
Zweitens bieten wir vielfältige Informationen auf unsere Internetseite an – das Online-Dossier zur Geschichte der Frauenbewegung kann ich Ihnen ganz besonders empfehlen.
Drittens streuen wir Informationen auf sozialen Netzwerken wie Facebook – hier hat in diesem Jahr ein Artikel zur sogenannten Rushhour des Lebens, ein Thema, das sowohl Frauen als auch Männer beschäftigt, einen Nerv getroffen – mit über 50.000 erreichten Personen, fast 400 Likes, 97 Shares und vielen Kommentaren.
Viertens gehen wir auch ungewöhnliche Wege, um ein jüngeres und auch ein bildungsbenachteiligtes Publikum zu erreichen. Zum Beispiel kooperieren wir bei dem Format "Zeit für Helden" mit dem Fernsehsender RTL 2. In dieser Sendung werden Menschen mit Vorurteilen, mit Rassismus, Homophobie, Sexismus und Frauenfeindlichkeit konfrontiert.
Nicht zuletzt fördern wir zahlreiche anerkannte Träger der politischen Bildung, wie etwa den Deutschen Frauenring und andere, die Veranstaltungen zum Thema anbieten. Wichtig ist mir immer, zweigleisig zu fahren, das heißt zum einen die Gleichstellung der Geschlechter als Thema eigenständig zu setzen, zum einzigen Schwerpunkt von Veröffentlichungen oder Veranstaltungen zu machen, zum anderen, es als Querschnittsthema in anderen Feldern der politischen Bildung mitzudenken.
So berührt die Frage "Was ist meine Arbeit wert?" als Teil des Mottos 2016 natürlich die Organisation und Funktionsweise der Ökonomie als Ganzes – muss doch die Antwort vieler Frauen auf diese Frage "nichts" lauten. Was unbezahlte und unterbezahlte Arbeit angeht, liegen die Frauen ganz vorn. Die Tätigkeiten in der Reproduktionssphäre unserer Gesellschaft, die Care- oder Sorgearbeit wird größtenteils nicht oder nur schlecht bezahlt. Immer noch schultern Frauen die Hauptlast, wenn es um Haushalt, um Kinder, um Pflege geht. Ob es nun der eigene Haushalt, die eigene Familie ist, oder aber ein fremder Haushalt, in dem frau tätig ist – "Frauen, die Frauen ersetzen, die Frauen ersetzen", hat das die Süddeutsche Zeitung formuliert. Dieses Thema wird uns, wird die Politik und die politische Bildung in den nächsten Jahren stark beschäftigen. In einer alternden Gesellschaft wird die Nachfrage nach pflegerischen und haushaltsnahen Dienstleistungen enorm steigen – vielleicht bietet das aber auch die Chance, die Bezahlung in diesen Berufen zu verbessern.
Politische Bildung ist keine Berufsberatung, aber sie kann zeigen, inwiefern geschlechtstypische Sozialisationsprozesse die Berufswahl beeinflussen, wie Berufe zu "Frauenberufen" und "Männerberufen" geworden sind und gemacht werden, ob man in "Frauenberufen" deshalb schlechter verdient, weil viele Frauen diese ergreifen oder aber weil der Beruf als "Frauenberuf" konnotiert ist, welche Ungleichheiten auf dem Arbeitsmarkt bestehen und welche auf Diskriminierung aufgrund des Geschlecht beruhen.
Im Zuge der Kampagne zum Equal Pay Day 2016, aber auch anlässlich des zehnjährigen Bestehens des AGG werden wir unser Angebot bündeln und ausbauen. Ich lade Sie herzlich ein, sich auf unserer Homepage zu informieren, im Shop zu stöbern und Veranstaltungen zu besuchen. Nun bleibt mir nur, uns eine erfolgreiche Kampagne zu wünschen – vielleicht können wir den Equal Pay Day 2017 ein wenig früher begehen, weil der Gender Pay Gap schmaler geworden ist.
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
- Es gilt das gesprochene Wort -