Sehr geehrter Herr Staatssekretär Krings,
sehr geehrter Herr Dr. Bartels,
sehr geehrte Abgeordnete,
lieber Herr Glatz, lieber Herr Tophoven,
dass wir in diesem noch jungen 21. Jahrhundert über Auslandseinsätze der Bundeswehr am Hindukusch und vielleicht darüber hinaus diskutieren, hätte ich mir in den 1970er Jahren, als ich begann, politisch zu denken, nicht vorstellen können. Damals in der DDR galt ja der Spruch von der Nationalen Volksarmee als erste und wahrhaftige deutsche Friedensstreitmacht. Und in Westdeutschland erschütterte die Debatte um die sogenannte Nachrüstung der NATO die Republik.
Dabei schienen die Koordinaten der europäischen und deutschen Geopolitik in Stein gemeißelt. Es war ja durchaus behaglich, gewissermaßen aus einem Krähwinkel heraus die Weltpolitik zu beobachten – umfangen von der scheinbaren Sicherheit der eingefrorenen Systemauseinandersetzung. Diese gebar zwar mannigfaltige, durchaus „heiße“ Stellvertreterkonflikte in aller Welt, aber in der Bundesrepublik (alt) konnte sich die deutsche Beteiligung an dieser Auseinandersetzung immer wieder im Zücken des Scheckbuchs erschöpfen.
Natürlich haben wir keinen Anlass, jenen vermeintlich so seligen Zeiten des Kalten Krieges nachzutrauern – zumal sich ein neuer entwickelt hat, mit unabsehbaren Folgen für die Sicherheitsordnung in Europa.
Seit dem Ende des Ostblocks und der deutschen Vereinigung sowie auf ganz fundamentale Weise nach den Terroranschlägen in den USA im September 2001 ist es für die deutsche Politik nicht mehr möglich, sich globalen geopolitischen Herausforderungen unter bloßem Verweis auf die fürchterliche Geschichte Deutschlands zu entziehen. Unsere Partner in der NATO und in der EU verlangen geradezu danach, dass Deutschland „mehr Verantwortung“ übernehmen müsse – was immer das im Einzelnen heißen mag.
Diese neuen Koordinaten einer multipolaren, vielleicht sogar apolaren Welt des 21. Jahrhunderts spiegeln sich, wie ich finde, noch nicht in ausreichendem Maße in der gesellschaftlichen Debatte wider. Dabei ist es durchaus verständlich, ja überaus honorig, dass außenpolitische und auch militärstrategische Zumutungen in einer zivilen und zivilisierten Gesellschaft auf tiefes Befremden stoßen, die bis heute durch das blutige 20. Jahrhundert und dem von Deutschen im Zuge des von ihnen entfesselten Zweiten Weltkriegs begangenen Menschheitsverbrechen der Shoa tief geprägt ist.
Aber es hilft ja nichts. Es geht ja nicht um Kriegseinsätze um ihrer selbst willen oder gar um das Wiedererstehen eines fatalen Militarismus. Wir haben eine Parlamentsarmee; das ist ein Glück. Es bedeutet, dass die demokratisch legitimierten Volksvertreterinnen und –vertreter es jungen Männern und Frauen zumuten, unter der Ägide von UNO oder NATO und in dem vom Grundgesetz gegebenen Rechtsrahmen in fremden Ländern und Weltregionen ihr Leben einsetzen. Und zwar in humanitären Einsätzen, aber auch veritablen Kriegen, ein Unwort, das erst nach quälenden Debatten benutzt wird und die Dinge beim Namen nennt.
Unsere Soldatinnen und Soldaten haben einen Anspruch darauf, dass ihr Einsatz von einer breiten gesellschaftlichen Debatte begleitet wird. Dazu soll das heute hier vorzustellende Buch nachhaltig beitragen. Es handelt sich um eine Eigenproduktion, ein Sammelband, der auf dem Buchmarkt seinesgleichen sucht.
Es ist uns gelungen, mit General a.D. Rainer Glatz und dem Terrorismusexperten Rolf Tophoven nicht nur sozusagen „ideale“ Herausgeber zu finden, nein, beide haben alles aufgeboten, was in der Debatte um Auslandseinsätze der Bundeswehr Rang und Namen hat, Militärangehörige, Wissenschaftler und Journalisten. Wir möchten mit diesem Band die gesellschaftliche Debatte anregen und notwendiges Basiswissen liefern. Es handelt sich also um politische Bildung at its best.
Eine besondere Ehre ist es für mich, dass der künftige Wehrbeauftragte des Deutschen Bundestages, Dr. Bartels, gleich das Wort ergreifen wird. Mein tiefer Dank gebührt den beiden Herausgebern. Selten ist ein großes Buchprojekt - das haben mir meine Mitarbeiter im Printbereich begeistert berichtet – mit so viel Verve und Umsicht und dazu noch völlig termingerecht zum Druck gebracht worden. Und ich möchte ausdrücklich der umsichtigen Managerin auch dieses Projektes, Hildegard Bremer aus unserer Buchredaktion danken. In Frau Filius-Jehne hat sie eine kongeniale Lektorin für das Werk gewinnen können.
Ich wünsche Ihnen und mir nun eine aufschlussreiche Mittagsstunde hier am historischen Checkpoint Charlie, am Schauplatz eines fast schon vergessen scheinenden Kalten Krieges vor über 50 Jahren.
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
- Es gilt das gesprochene Wort -