Sehr geehrter Herr Minister, sehr geehrter Herr Staatssekretär, liebe internationale Gäste aus den USA, aus Großbritannien, dem Irak, Tunesien und Ägypten, ganz besonders begrüßen möchte ich Colin Crouch, den Redner des Keynote-Vortrags, sehr geehrter Herr Prof. Lange, sehr geehrter Herr Harles, sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete, meine sehr verehrten Damen und Herren,
herzlich Willkommen hier im Friedrichstadtpalast zur Eröffnung des 12. Bundeskongresses Politische Bildung.
Der 12. Bundeskongress Politische Bildung ist etwas besonderes, denn in diesem Jahr stellt er gleichzeitig den Höhepunkt der Aktionstage Politische Bildung dar und wir wollen den Kongress zum Anlass nehmen, auf das 60-jährige Bestehen der Bundeszentrale für politische Bildung hinzuweisen und ihn schon vorzufeiern. Daher möchte ich Sie ganz kurz in deren Anfangsjahre entführen und in die fünfziger Jahre hineinhorchen. Das hört sich dann zum Beispiel so an:
"Ein Bürger, der nur resigniert, muss dulden, dass man ihm diktiert.“
oder:
"So wie wir ihn gestalten, wird der Staat sich entfalten."
"Hilf Dir, uns allen und dem Staat durch Deinen Rat und Deine Tat."
Mit diesen und ähnlichen Sinnsprüchen, die auf Poststempeln verbreitet wurden, hat die Bundeszentrale für politische Bildung – damals noch unter dem Namen Bundeszentrale für Heimatdienst – bereits in den fünfziger Jahren um die demokratische Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger geworben.
Auch wenn sich die Sprüche für uns heute sehr altbacken und paternalistisch anhören, verweisen sie doch darauf, dass sich die bpb seit ihren Anfängen mit dem Thema Partizipation befasst und seitdem in der Tat einen weiten Weg zurück gelegt hat.
Natürlich haben sich die Vorstellungen darüber, was unter Partizipation und Teilhabe zu verstehen ist, seit den fünfziger Jahren erheblich verändert und mit ihnen jeweils auch das Selbstverständnis der politischen Bildung. Ich denke, man kann sagen, dass in den Anfängen der Bundesrepublik politische Beteiligung sehr eng mit Parteien und Wahlen, mit institutionalisierten Prozessen verbunden war. In alten Tätigkeitsberichten der bpb sind wir zum Beispiel auf den Hinweis gestoßen, dass im Jahr 1953 20.000 Tanzschallplatten vertrieben wurden mit dem Refrain:
"Ich steh nicht abseits und bin gleich dabei, ich wähl mir die Frau genau wie ´ne Partei.“
Zugegeben: Heute sticht in erster Linie die "political incorrectness“ was das Geschlechterverhältnis angeht ins Auge – aber der Refrain verdeutlicht auch das Bemühen, mit originellen Mitteln darauf hinzuwirken, dass Parteien als wichtige Form der Partizipation wahrgenommen wurden. Auch wenn diese Botschaft auf diese Weise vermutlich vornehmlich die Männer erreicht hat.
Dieses sehr enge Verständnis von Partizipation änderte sich in den sechziger Jahren mit dem Aufkommen der neuen sozialen Bewegungen, im Zuge derer sich neue Formen der Beteiligung und Meinungsäußerung etablierten. Das hat damals auch die politische Bildung nicht unberührt gelassen. Es kam zu tiefgreifenden Auseinandersetzungen innerhalb der Profession über das eigene Selbstverständnis. Kurz gefasst, kann man wohl sagen, dass sich der Konflikt insbesondere aus der Frage nährte, ob politische Bildung emanzipatorischen oder eher affirmativen Charakter haben müsse, ob sie systemstabilisierend oder systemverändernd wirken soll. Mit dem "Beutelsbacher Konsens“ gelang es dann im Jahr 1976 einen Minimalkonsens zu formulieren, der bis heute Gewicht hat und beiden Komponenten Rechnung trägt und eine Diskussion über Anpassung und Aktualisierung natürlich nie ausgeschlossen hat.
Etwa in dieser Zeit – in der Mitte der 70er Jahre – hat das Zentralorgan der DDR-Singebewegung "Der Oktoberklub“ gedichtet: "Hoppsa, hoppsa rüber und nümber, jetzt gehen wir zum Kommunismus über.“ Und macht damit den entscheidenden Unterschied zur politischen Bildung in der DDR deutlich: Es war Agitation und Propaganda und in keinster Weise eine freie politische Meinungsbildung. Das drückte sich zum Beispiel auch darin aus, dass der für politische Bildung Zuständige nicht der Präsident einer nachgeordneten Behörde des Bundesinnenministeriums war, sondern gleich seinen Sitz im Politbüro fand.
Jetzt befinden wir uns erneut an einem Punkt, an dem sich die Praxis von Partizipation erweitert, an dem sich neue Formen von Partizipation entwickeln und wir müssen uns fragen – und dazu sind wir ja in diesen Tagen zusammen gekommen – was das für die politische Bildung bedeutet.
Vorstellungen erweiterter und vertiefter Partizipation wurden in den letzten Jahren in vielfacher Form diskutiert und auch bereits erprobt. Stichworte sind u.a. E-Partizipation, Global Participation, Bürgerkonvente, Sozialforen oder Bürgerhaushalte. Es geht also um mögliche Weiterentwicklungen demokratischer Beteiligungsprozesse aber auch um die Frage der Legitimität und Wünschbarkeit dieser Entwicklungen.
Was bedeutet das alles für die Politik und die politische Bildung. Das ist die Master-Frage, die in den kommenden Tagen hier diskutiert wird. Ich heiße Sie dazu herzlich Willkommen und wünsche Ihnen und uns allen spannende Tage und interessante Einsichten.
Vielen Dank.
- Es gilt das gesprochene Wort -