Globalisierung ist stets auch ein Perspektivwechsel. Ob die Globalisierung von einem Menschen als positiv erachtet wird oder er darin eher Risiken als Chancen erkennt, ist von seinen konkreten Erfahrungen abhängig und davon, wo er lebt und was er besitzt. Im Folgenden wird deshalb eine Perspektive eingenommen, die Unterschiede zwischen einzelnen Regionen unser Welt erkennen lässt. Die Darstellungen basieren dem Bericht der ILO-Weltkommission für die soziale Dimension der Globalisierung.
Die ILO-Kommission befragte insgesamt mehr als 2000 mit Globalisierungsfragen befasste Entscheidungsträger und Sozialakteure, unter ihnen Regierungsmitglieder, Abgeordnete, Kommunalpolitiker, Führungskräfte von Arbeitgeberverbänden, Vertreter der Zivilgesellschaft und religiöse Führer, Organisationen von Frauen und eingeborenen Völkern, Wissenschaftler und Journalisten. Trotz der großen Unterschiede zwischen den einzelnen Regionen haben die Konsultationen der ILO-Kommission für die soziale Dimension der Globalisierung dennoch einige gemeinsame Wahrnehmungen der Menschen aufgezeigt.
Hier ein Panorama der geteilten Wahrnehmungen:
"Fast überall wird die Gewalt der Globalisierung empfunden, unabhängig davon, ob ihr Antrieb die Technologie, die Wirtschaft oder die Politik ist. "Wir schliefen am Ufer, als eine große Welle kam", meinte ein Teilnehmer am Dialog in Ägypten."
"Es verstärkt sich das Gefühl, dass wir in einer Welt leben, die höchst empfindsam auf Veränderungen reagiert, auf die wir keinen Einfluss ausüben können; das Empfinden bei einfachen Menschen, in einzelnen Ländern und in ganzen Regionen, dass sie bedroht sind". (Teilnehmer aus Costa Rica)."
"Unstabile globale Finanzsysteme hätten katastrophale Auswirkungen. In allen Teilen der Welt werden deshalb zuverlässigere Systeme des sozialen Schutzes und der Einkommenssicherheit gefordert."
"In allen Teilen der Welt wird die regionale Integration als Weg zu einer faireren und umfassenderen Globalisierung betrachtet. (z.B. EU, Mercosur, SADC) "
Auswirkungen der Globalisierung auf Kultur und Identität
"Ein weiteres gemeinsames Anliegen waren die Auswirkungen der Globalisierung auf Kultur und Identität. Einige sehen in ihr eine "Bedrohung traditioneller Institutionen wie der Familie und der Schule" oder gar eine Bedrohung der Lebensweise ganzer Gemeinwesen."
Beschäftigung und Lebensunterhalt, globaler Handel
"Zwar begrüßen die Menschen weitgehend die größere Offenheit und die vermehrten Kontakte zwischen Gesellschaften, doch ist ihre Haltung weit weniger positiv, wenn sie nach den Auswirkungen auf ihre Arbeitsplätze und ihr Einkommen gefragt werden. Ein Teilnehmer an dem Dialog auf den Philippinen erklärte: "Eine Globalisierung, die Kinderschuhe billiger macht, aber den Vater seinen Arbeitsplatz kostet, ist sinnlos." Häufig wurden die Schwierigkeiten kleiner Unternehmen erwähnt, die Vorteile der Globalisierung zu nutzen – und dennoch werden gerade in diesen Unternehmen die meisten Beschäftigungsmöglichkeiten geschaffen."
"Dabei wird immer wieder argumentiert, dass Fortschritte durch die unfairen Regeln der globalen Wirtschaft behindert würden. Diese Regeln begünstigten die Reichen und Mächtigen und ließen die sozialen Auswirkungen wirtschaftspolitischer Maßnahmen unberücksichtigt."
"So wird beispielsweise über den durch Landwirtschaftssubventionen bewirkten Schaden völlig gleiche Klagen in den Dialogen in Brasilien und Tansania vorgetragen – dass nämlich die Einfuhr von europäischem Milchpulver die Nachfrage nach inländischer Milch vermindere und gleichzeitig den Marktauftritt eines minderwertigen Produktes bedeute."
"In bezug auf die derzeitige Agenda wird die Ansicht vertreten, dass sie sei zu stark auf Handel und Investitionen und nicht genug auf Menschenrechte und die Umwelt ausgerichtet."
Aus: Eine Faire Globalisierung – Chancen für alle schaffen,
Abschlussbericht der ILO-Weltkommission für die soziale Dimension der Globalisierung, 2004, S. 14 ff.