Akquisos: Sie prüfen beim IBB Förderanträge für nicht-schulische Gedenkstättenfahrten. Was sollten Organisationen bei der Antragstellung beachten?
Olga Rensch: Zunächst einmal müssen die Externer Link: Förderrichtlinien beachtet werden. Bei uns bedeutet das zum Beispiel, dass eine Gedenkstättenfahrt zwischen 4 und 8 Tagen dauert und dass 80% des Programms am Ort der Gedenkstätte stattfinden müssen. Das bedeutet nicht unbedingt in der Gedenkstätte selbst, aber eben in dem Ort – also beispielsweise in Oświęcim (Auschwitz), und nicht etwa in der nahegelegenen Stadt Krakau. Im Antrag müssen neben dem geplanten Programm auch die Vor- und Nachbereitung erläutert werden, dazu gehören Motivation und Ziele, die Methoden und Mittel und die Einbeziehung der Teilnehmenden in Vorbereitung und Gestaltung des Projekts. Auch die Form der Dokumentation ist uns wichtig.
Worauf achten Sie bei der Bewertung eines Antrags? Was fällt positiv auf?
Wir schauen zum Beispiel darauf, ob im Programm genügend Zeit für die Vor- und Nachbereitung eingeplant wird. Außerdem finde ich es sehr wichtig, dass vor Ort nach den Programmpunkten in der Gedenkstätte, den Besuchen von Ausstellungen oder Stadtführungen am Abend stets Zeit zur Reflexion ist. Oft ist man während der Programmpunkte unter Zeitdruck, und später kommen viele Fragen und Gedanken auf. Die Teilnehmenden brauchen abends Zeit und Raum, um diese zu besprechen und das Erlebte nachzubereiten, und um sich auf den folgenden Tag vorzubereiten.
Außerdem sollten die einzelnen Programmteile aufeinander aufbauen. Es ist zum Beispiel gut, sich am ersten Tag zunächst mit dem Ort und der Umgebung zu befassen, bevor man dann das Lager bzw. die Gedenkstätte selbst besucht und sich anschließend vertieft mit bestimmten Themen beschäftigt. Und eine Brücke zur Gegenwart darf nicht fehlen, zum Beispiel zur Frage: Wie sehen jüdisches Leben und jüdische Kultur heute aus? Es ist außerdem gut, wenn die Nachbereitung und Form der Dokumentation von vornherein mitgedacht werden. Einige Gruppen arbeiten zum Beispiel mit Tagebüchern, andere fertigen Zeichnungen und Fotos an, die dann später ausgestellt oder in einer Broschüre veröffentlicht werden.
Wo sehen Sie die wesentlichen Schwierigkeiten bei den Anträgen, die bei Ihnen eingereicht werden?
Manchmal werden die Förderrichtlinien nicht beachtet oder nicht genau genug gelesen. In den Richtlinien des BMFSFJ ist vorgesehen, dass nur eine Gedenkstätte besucht wird und dass man sich intensiv mit der Geschichte dieses Ortes befasst. Einige Träger möchten lieber mehrere Orte besuchen, das ist bei uns derzeit jedoch nicht möglich. Andere möchten zum Beispiel lieber in Krakau übernachten statt in Oświęcim – weil dies für die Jugendlichen möglicherweise interessanter ist.
Dann sitzen sie allerdings morgens und abends je 1,5 Stunden im Bus und verlieren wertvolle Zeit für eine ruhige Reflexion und Freiräume. Besuche von anderen Orten können laut unseren Richtlinien im Rahmen von 20% des Programms stattfinden, beispielsweise ist eine Programmgestaltung von drei Tagen in Oświęcim und einem Tag in Krakau denkbar. Wir beraten die Antragstellenden aber gern und geben ihnen Tipps und Erfahrungswerte mit.
Welche Tipps haben Sie für Organisationen, die eine Gedenkstättenfahrt durchführen wollen im Hinblick auf die Finanzierung?
Bei unserer Förderung handelt es sich um eine Festbetrags-Förderung und die Pauschalen sind gut bemessen. Die restlichen Kosten werden meist durch Teilnehmendenbeiträge abgedeckt, es gibt jedoch auch weitere Möglichkeiten, um Fördermittel oder Spenden einzuwerben. In manchen Bundesländern ist es möglich, Landesmittel mit der Förderung aus dem KJP des Bundes und dem Bundesprogramm "Jugend erinnert" zu kombinieren. Manche Organisationen erhalten auch Mittel von ihrer Stadt, zum Beispiel wenn sie mit bestimmten Zielgruppen arbeiten. Es gibt häufiger Spenden von den örtlichen Sparkassen, aber auch von regional oder überregional aktiven Stiftungen. Ich rate den Antragstellenden, sich in ihrer Umgebung nach geeigneten Unterstützern umzuschauen. Es ist immer gut, bestehende Kontakte persönlich anzusprechen.
Wie wirken sich die Maßnahmen zur Eindämmung der Corona-Pandemie auf Ihre Arbeit aus?
Im Frühjahr 2020 konnten wegen der Corona-Pandemie gar keine Fahrten durchgeführt werden, alles wurde abgesagt. Derzeit (September 2020) finden wieder Fahrten statt, doch nach wie vor kommen viele Absagen, einige auch schon für das Jahr 2021. Das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend hat die Richtlinien für Gedenkstättenfahrten befristet bis zum 31.12.2020 angepasst. Bis Ende dieses Jahres sind demnach auch kürzere Fahrten zu Erinnerungsorten mit Gruppen-Aufteilung sowie digitale Formate wie Video-Konferenzen, digitale Seminare und Online-Zeitzeugengespräche förderungsfähig. Wie es 2021 weitergeht, entscheidet sich im Oktober.
Wir entwickeln derzeit Konzepte für kürzere Fahrten als Blended-Learning Maßnahmen an Gedenkstätten innerhalb Deutschlands, die digitale und Präsenz-Formate verknüpfen. Diese können auch alternativ durchgeführt werden, falls eine geplante Fahrt zum Beispiel nach Auschwitz oder Treblinka wegen der aktuellen Situation nicht stattfinden kann. So müssen die Träger sich das nicht mühsam selbst erarbeiten.
Vielen Dank für das Gespräch!
Weitere Informationen: Externer Link: https://kjp-gedenkstaettenfahrten.de/