Bei vielen etablierten Organisationen hat digitales Fundraising nach wie vor nicht den gleichen Stellenwert, den "klassisches", d. h. Offline-Fundraising hat. Junge Vereine hingegen, die mit dem Fundraising erst beginnen, setzen immer häufiger von vornherein und komplett auf online-basiertes Fundraising.
Der Grund für die unterschiedlichen Strategien liegt meist in der Datenlage: Wer schon länger Fundraising betreibt, hat im Laufe der Jahr(zehnt)e vorwiegend postalische Adressen gesammelt und kann im Vergleich dazu auf keinen oder nur einen kleinen Pool an E-Mailadressen zurückgreifen. Jungen Vereinen, die noch keine Adressen/Kontakte haben, fällt es meist leichter, diese online aufzubauen, weil dies auch den privaten Kommunikationspräferenzen ihrer Mitglieder entgegenkommt.
Kreislauf des Online-Fundraisings
Die Hausaufgaben, die jede Organisation zum Start des Fundraisings machen muss, unterscheiden sich nicht – egal ob offline oder online. In beiden Fällen stellen sich die folgenden entscheidenden Fragen:
1. Wie erreiche ich Menschen?
Bevor eine Adresse in die Datenbank aufgenommen werden kann, lautet die erste Frage: Wie kommen die Menschen zu mir? Die bloße Existenz einer Website bringt noch keine Besucherinnen oder Besucher. Die eigene Online-Präsenz muss beworben werden, zum Beispiel durch Suchmaschinenoptimierung, Online-Anzeigen wie Google-Ads, Social-Media-Kampagnen, klassische Papierflyer oder auf Präsenzveranstaltungen.
2. Was überzeugt Menschen?
Warum sollen Menschen für Ihre Bildungsarbeit spenden? Was verändern Sie mit Ihrer Arbeit? Was nützt die Spende den Menschen, die sie tätigen? Und was genau unterscheidet Ihre Arbeit von der anderer Träger oder Vereine der politischen Bildung? Nur wer auf diese Fragen eine adäquate, zielgruppenspezifische Antwort hat, kann online überzeugen.
3. Wie wandele ich den Spendenwillen in eine Spende um?
Onlinespenden setzen funktionierende und idealerweise responsive, das heißt mobil-optimierte Spendenformulare voraus. Ebenso wichtig sind mehrere Bezahloptionen (Paypal, Lastschrift via Formular, Kreditkarte etc). Wer mit Online-Fundraising startet, kümmert sich oft zuerst um diese Technikfragen, denn die sind vermeintlich einfach zu lösen. Ein Spendenformular auf der Website bringt aber keine einzige Spende, wenn nicht Schritt 1 und 2 erfolgreich durchlaufen wurden.
4. Wie behalte ich die Spenderinnen und Spender?
Auch online ist Spenderbindung Pflicht! Dazu gehört ebenso eine Dankstrategie (eine automatisiert versandte Spendeneingangsbestätigung ist kein Spenderdank!) wie kontinuierliche Rückmeldungen zum Projektstatus. Online-Spender/-innen sind meist jünger und damit fordernder, was Updates angeht.
Für ein erfolgreiches Online-Fundraising sind die Schritte 1–4 als Kreislauf zu verstehen, der immer wieder von vorne beginnt und Optimierungen erfordert. In der schnellen digitalen Welt ist nichts in Stein gemeißelt, schon gar nicht die technischen Anforderungen und Möglichkeiten.
Online-Fundraising in der Praxis
Online-Fundraising ist also nichts anderes als eine gut geplante Fundraisingstrategie, die ins Digitale verlagert wurde. Innerhalb dieses Online-Universums gibt es verschiedene Fundraisinginstrumente, die je nach Bedarf eingesetzt werden, um die gesteckten Fundraisingziele zu erreichen. Was im Offline-Fundraising Spendenbriefe, Spendenläufe, Face-to-Face-Fundraising, Basare und Tombolas oder Bußgeldfundraising sind, sind in der digitalen Welt E-Mails, Social Media, Influencer-Marketing, online-basiertes Peer-to-Peer-Fundraising, Crowdfunding oder Online-Events und YouTube-Kanäle. Genauso wenig wie eine kleine oder mittlere Organisation alle Offline-Instrumente bedienen kann, wird es für sie schwer möglich sein, alle digitalen Kanäle zu bespielen. Hier gilt es, sich auf diejenigen zu fokussieren, die am besten zur Organisation und Ressourcenlage passen.
Denn jedes Instrument – egal ob online oder offline – hat seine Eigenarten und eigenständigen Zielgruppen. Allen ist gemein, dass sowohl die Eigenarten als auch die Zielgruppen individuell berücksichtigt werden müssen und dass es immer(!) einer intensiven Planung und eines langen Atems braucht, um ans Ziel zu kommen. Der vermeintlich größte Vorteil des Online-Fundraisings ist in Wahrheit sein größtes Vorurteil: Digitale Medien sind zwar schnell und schnelllebig, Online-Fundraising ist aber genauso zeitintensiv wie der "große Offline-Bruder". Eine in Sekunden versandte E-Mail ist noch lange keine geöffnete E-Mail. Und mit fünf Social Media Posts im Monat, die aus der letzten Pressemeldung generiert wurden, ist es noch lange nicht getan.
Auch die Kosten des Online-Fundraisings werden gern unterschätzt. Zwar entfallen Layout, Druck und Porto, doch die digitale Infrastruktur, wie Website, Spendenformular, Zahlungsanbieter oder ein professionelles und datenschutzkonformes E-Mail-Versandprogramm, sowie das Erstellen von Videos kosten Geld. Zudem bindet die höhere Kommunikationsschlagzahl, ggf. angepasst an unterschiedliche Zielgruppen, viele Ressourcen.
Spaß macht es trotzdem, denn noch ist es eine große Spielweise, auf der sich viele NGOs ausprobieren müssen, aber auch dürfen. Online ist es viel einfacher, Varianten zu testen, daraus zu lernen und die Kommunikation zu optimieren. Wer sich intensiv damit auseinandersetzt, viel probiert, lernt was geht und was nicht funktioniert, am Ball bleibt und stetig optimiert, gewinnt einen großen Vorsprung. Denn online finden sich die Spenderinnen und Spender der Zukunft. Wer deren Mechanismen jetzt versteht, ist schon bald im Vorteil.