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Erfahrungsbericht: Neue Wege finden | Fördermittel und Fundraising für die politische Bildung | bpb.de

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Erfahrungsbericht: Neue Wege finden

/ 4 Minuten zu lesen

"Die Krise ist eine Chance für digitale Bildungsformate, aber die finanziellen Folgen werden uns noch lange beschäftigen"

(© Bildungsstätte Anne Frank)

Die pädagogische Leiterin der Bildungsstätte Anne Frank in Frankfurt, Saba-Nur Cheema, berichtet über die Auswirkungen der Corona-Pandemie auf ihre Arbeit und die Finanzierung der Projekte. Mit ihrem Team hat Cheema in kurzer Zeit ein umfangreiches Programm mit digitalen Formaten für die politische Bildung zusammengestellt.
Mehr unter: Externer Link: www.bs-anne-frank.de

Akquisos: Inwiefern haben die Maßnahmen zur Bekämpfung der Ausbreitung des neuartigen Corona-Virus die Arbeit der Bildungsstätte Anne Frank verändert?

S.-N. Cheema: Normalerweise findet unsere Bildungsarbeit fast ausschließlich offline statt. All unsere unterschiedlichen Präsenz-Formate sind in den vergangenen Wochen ausgefallen, beziehungsweise wurden viele Veranstaltungen verschoben. Wir haben dann sehr schnell begonnen, Online-Formate auszubauen und zu entwickeln, die sehr gut angenommen werden.

Wie haben Sie es in so kurzer Zeit geschafft, ein großes Angebot an Webinaren und Online-Formaten auf die Beine zu stellen?

(© Felix Schmitt)

Wir beschäftigen uns seit zwei Jahren verstärkt mit digitalen Formaten in der politischen Bildung, haben auch in unserem interaktiven Lernlabor "Anne Frank. Morgen mehr" digitale Lerntools. Nach dem rassistischen Anschlag von Hanau im Februar 2020 fragten uns viele Lehrkräfte aus dem gesamten Bundesgebiet, wie sie mit ihren Schülerinnen und Schülern darüber reden können. Wir haben daraufhin ein Webinar zu dem Thema entwickelt, was großen Anklang fand. Auf dieser Erfahrung konnten wir dann aufbauen, als einige Wochen später die Corona-Maßnahmen in Kraft traten. Wir haben Konzepte entwickelt, unser Team intern geschult, die nötige Technik angeschafft und einfach losgelegt – dabei am Anfang auch noch Fehler gemacht, aber das gehört dazu. Wir behandeln verschiedene Themen, es geht zum Beispiel um Antisemitismus, Rassismus und Verschwörungstheorien. Wir führen Zeitzeugengespräche und laden externe Gäste zu unserem "Tuesday Talk" ein. Jugendliche und junge Erwachsene erreichen wir eher auf Instagram, dort sind wir zum Beispiel mit Live-Talks mit Influencerinnen und Influencern präsent.

Wie sind die Reaktionen auf die neuen Formate?

Die Nachfrage ist sehr groß und die Resonanz ist beeindruckend. Für unsere ersten Webinare meldeten sich binnen weniger Tage 800 Interessierte per E-Mail an, was eine große Herausforderung für die Verwaltung bedeutete. Inzwischen haben wir unser Anmeldesystem umgestellt. Wir bekommen sehr viel positives Feedback und holen systematisch Rückmeldungen ein. Die Evaluation läuft parallel. Die Leute freuen sich, dass unsere Arbeit weitergeht und dass sie daran teilhaben können. Wir erreichen sogar neue Zielgruppen: Zum Beispiel Menschen, die früher nicht an unseren Angeboten teilnehmen konnten, weil die Anreise zu weit war, weil sie im ländlichen Raum leben und/oder aus familiären Gründen zeitlich nicht so flexibel sind. In den virtuellen Kleingruppen arbeiten nun Menschen zusammen, die sich ansonsten vielleicht nie begegnet wären. Das ist doch toll! Webinare werden bei uns auch zukünftig fester Bestandteil des Bildungsangebots sein.

Wie finanzieren Sie die neuen Formate?

Wir erhalten für das Projekt "Ab ins #netz - digitale Formate für die politische Bildung" nun Fördermittel von der bpb, darüber sind wir sehr froh. Das ging wirklich schnell und unkompliziert – gerade in diesen Zeiten war das für uns unglaublich hilfreich. Die Webinare und Streams sind dadurch für die Teilnehmerinnen und Teilnehmer kostenfrei.

Was bedeuten die Corona-Maßnahmen in finanzieller Hinsicht generell für Ihre Bildungsstätte?

Die Arbeit unseres gemeinnützigen Vereins finanziert sich ja aus vielen verschiedenen Quellen, durch öffentliche Fördermittel, Stiftungen, Spenden von der freien Wirtschaft, von Privatpersonen und Mitgliedsbeiträge. Hinzu kommen Honorar-Einnahmen zum Beispiel für Vorträge auf Konferenzen oder Beiträge auf Fachtagungen. Letztere fallen derzeit natürlich weg. Unsere Geldgeber haben sich sehr verständnisvoll gezeigt, dass Projekte nicht wie ursprünglich geplant stattfinden können. Wir schauen jeweils in Absprache mit den Geldgebern für die einzelnen Projekte, wie wir trotzdem weiterarbeiten und die Ziele verfolgen können, sodass die Fördermittel effektiv eingesetzt werden. Viele Veranstaltungen haben wir in den Herbst verschoben. Das bereitet uns natürlich auch Sorgen, weil sich in dieser Zeit die Tagungen und Seminare ballen werden und wir noch nicht einschätzen können, wie sich die Corona-Lage weiter entwickelt.

Am härtesten trifft es aktuell unsere freiberuflichen Honorarkräfte wie Trainerinnen und Trainer, die normalerweise Workshops mit Jugendlichen durchführen. Wir können ihnen derzeit keine Aufträge erteilen, dadurch haben sie keine Einnahmen. Und wie es im Herbst weitergeht, ist noch unklar.

Wie sieht es mit privaten Geldgebern aus?

Einige private Spenderinnen und Spender und Unternehmen haben sich bei uns gemeldet und uns bereits signalisiert, dass sie nun stärker im Bereich Gesundheit spenden werden oder dass sie nicht sicher sind, ob sie uns auch im nächsten Jahr in der gleichen Form werden unterstützen können. Letztlich werden wir erst Ende des Jahres oder noch später sagen können, wie sich die Corona-Krise finanziell auf unsere Arbeit auswirkt, und die finanziellen Folgen der Krise werden uns sicher noch einige Zeit beschäftigen. Eine Spendenkampagne mussten wir bisher noch nicht starten. Wir wollen uns aber um eine Erhöhung der Mitgliederzahlen bemühen und diskutieren über weitere Einnahmequellen. Die Nachfrage nach Webinaren ist aktuell sehr groß, durch die Förderung können wir aber nur eine begrenzte Anzahl finanzieren. Es wäre zum Beispiel denkbar, zusätzliche Webinar-Angebote für geschlossene Gruppen gegen Teilnahmegebühr zu ermöglichen. Solche Überlegungen beschäftigen uns derzeit. Allerdings bleiben wir optimistisch. Wir haben schon andere Krisen überwunden und haben es immer geschafft, daraus zu lernen und besser zu werden.

Liebe Frau Cheema, vielen Dank für das Gespräch!

Fussnoten