Mehr und mehr Menschen entscheiden sich dafür, einen Teil ihres Vermögens – oder auch alles – einem gemeinnützigen Zweck zu vermachen. Die Gründe dafür sind vielfältig: Sie möchten zum Beispiel die Zukunftsaussichten jüngerer Generationen verbessern, der Gesellschaft etwas zurückgeben, eine Herzensangelegenheit unterstützen, die Verbundenheit zu einer Organisation und ihren Zielen ausdrücken oder einfach in Erinnerung bleiben. Die Gesamthöhe vererbter Vermögen ist in Deutschland in den zurückliegenden Jahrzehnten deutlich gestiegen und sie wird laut Studien auch noch bis in die 2020er-Jahre weiter ansteigen.
Das Nachlass- oder Erbschaftsfundraising (die Begriffe werden in dieser Akquisos-Ausgabe synonym verwendet) umfasst das systematische Planen und Durchführen von Aktivitäten zur Mittelakquise durch Nachlässe. Zu unterscheiden sind dabei Erbschaften und Vermächtnisse (auch: Legate). Bei einer Erbschaft wird die Organisation Rechtsnachfolgerin des Erblassers – mit allen Rechten und Pflichten. Dazu kann zum Beispiel gehören, dass man sich um Immobilien, Tiere, Geschäftsbetriebe, Schulden und dergleichen kümmern muss bzw. darf. Bei einem Vermächtnis werden die Erben im Testament verpflichtet, der Organisation einen definierten Erbteil zu überlassen. Es kann passieren, dass ein Vermächtnis bei den Erben eingeklagt werden muss
Einige Organisationen haben sich zusammengeschlossen in der Initiative "Mein Erbe tut Gutes. Das Prinzip Apfelbaum". Diese informiert und betreibt Öffentlichkeitsarbeit unter anderem mit Veranstaltungen, einer Ausstellung und einer Website (Externer Link: www.mein-erbe-tut-gutes.de).
Mit Tabus umgehen
Nach wie vor sträuben sich viele Verantwortliche – von der Geschäftsführung bis zur Fundraising-Abteilung – dagegen, sich mit ihrer Organisation gezielt um Nachlässe und Erbschaften zu bemühen. Einerseits wünschen sie sich große Spenden, andererseits ist das Thema Sterben und Tod ein gesellschaftliches Tabuthema und moralisch stark aufgeladen. Viele Organisationen möchten nicht in Verruf geraten, sich Erbschaften zu erschleichen oder unlauter zu handeln. Für viele Menschen – auch Fundraiser/-innen – ist es unangenehm, über so persönliche Dinge wie den Tod und Familienverhältnisse mit ihren Förderinnen und Förderern zu sprechen.
Doch das Verfassen eines Testaments ist meist eine rationale Sache und verfolgt viele praktische Erwägungen. In diesem Sinne sollte auch in der Organisation gehandelt werden. Viele Menschen sind dankbar, wenn jemand sie dabei unterstützt, mit ihrem Vermögen nach ihrem Tod etwas Sinnvolles und Gutes zu bewirken. Dies gilt insbesondere für Menschen, die keine direkten Erbinnen und Erben haben.
Wie funktioniert Erbschaftsfundraising?
Am erfolgversprechendsten ist Erbschaftsfundraising bei Personen, die einen persönlichen Bezug zur Organisation oder ihren Zielen haben, sowie bei bestehenden Spenderinnen und Spendern. Viele Organisationen bieten Informationsbroschüren zum Thema Testamente und Erbschaften an, in denen sie rechtliche und formelle Rahmenbedingungen erklären. Diese werden meist auf der Internetseite oder in Mailings vorgestellt und können dann bestellt werden. So werden Interessierte namentlich bekannt und die Organisation kann (bzw. sollte!) später Kontakt aufnehmen. Dass Informationsbroschüren jedoch kein Erfolgsgarant dafür sind, tatsächlich Erbschaften zu erhalten, betont Monika Willich im
Ein oft genutztes Format sind zudem Informationsveranstaltungen mit Fachleuten zum Thema Erbrecht, zu denen Spenderinnen und Spender eingeladen werden. Dort wird üblicherweise nicht direkt dafür geworben, die Organisation im Testament zu bedenken, doch auf die Möglichkeit wird aufmerksam gemacht.
Der wichtigste Aspekt beim Erbschaftsfundraising ist jedoch der persönliche Kontakt zu den Fördernden und potenziellen Nachlassgeber/-innen. Menschen, die sich bei der Organisation als potenzielle Erblasser/-in melden, werden intensiver betreut. Die Fundraiserin oder der Fundraiser führt regelmäßige Gespräche am Telefon oder besucht die Person zu Hause, so entwickelt sich eine persönliche, vertrauensvolle Beziehung. Dafür muss die Fundraiserin oder der Fundraiser bereit und offen sein und es wirklich selbst wollen (und nicht etwa "aufgedrückt bekommen"). Almuth Wenta, Fundraiserin beim BUND e.V. empfiehlt jedoch, dabei die Nähe nicht zu groß werden zu lassen und z.B. stets eine zweite Person zu Besuchen mitzunehmen. Man müsse als Fundraiser/-in "eigene Grenzen und Befindlichkeiten klar transportieren".
Motivation der Nachlassgeber/-innen
Ausschlaggebend für den Schritt, eine gemeinnützige Organisation im Testament zu bedenken, sind meist sehr persönliche Gründe. Zum einen spielt die Familiensituation eine wichtige Rolle. Gibt es Verwandte und in welchem Verhältnis steht der Nachlassgeber oder die Nachlassgeberin zu ihnen? Wie hoch ist das Vermögen? Für die Wahl der Organisation sind meist biografische Bezüge entscheidend, entweder zur Organisation selbst oder zu den Zielen, die sie verfolgt sowie großes Vertrauen. Davon ist auch Martin Dodenhoeft vom Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge e.V. überzeugt: "Eine Erbschaft erhält die Organisation nicht wegen ihres mehr oder weniger professionellen Erbschaftsmarketings! Wenn überhaupt, dann wird sie wegen der Relevanz ihrer Ziele und ihrer Arbeit für den Förderer und vor allem wegen seines Vertrauens in die Organisation bedacht".
Auch für kleinere Organisationen gilt: Vorbereitet sein für den Fall…
Testamente, Nachlässe und Erbschaften sind nicht nur ein Thema für die "Großen". Jede gemeinnützige Organisation sollte sich damit auseinandersetzen: Immer wieder werden Geschichten von unverhofft eingetretenen Erbfällen bekannt, die einen Verein vor große Herausforderungen gestellt haben – vor allem, wenn man als Erbe Rechtsnachfolger eines Verstorbenen wird. Da kann es passieren, dass man sich plötzlich um zwei Hunde und ein Mehrfamilienhaus kümmern muss. Auch kleinere Organisationen sollten vorbereitet sein und wissen, was im Falle des Falles zu tun ist. Dafür sollten sich Fundraiser/-in, Vorstand, ggf. Geschäftsführung und weitere relevante Personen zusammensetzen und fachlichen Rat einholen. Sie sollten ein Standardverfahren entwickeln und eine/-n Verantwortliche/-n benennen, Fragenkataloge anlegen (z.B. zur Familiensituation, Schulden), eine Liste mit Kontaktdaten relevanter Fachleute zusammenstellen (z.B. Bestattungsunternehmen, Tierheim) und einen Überblick über einzuhaltende Fristen haben. Am besten legt man einen Ordner mit allen relevanten Unterlagen an und hat ihn stets griffbereit.
Ob eine Organisation strategisches Erbschaftsfundraising im oben beschriebenen Sinne leisten will und kann, sollte gut abgewogen werden. Ob es aussichtsreich ist und welche Instrumente sich eignen, hängt stark von der Zusammensetzung und Zahl der eigenen Spender/-innen und Mitglieder und dem Themenfeld und den Zielen der Organisation ab, erklärt