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Israel: Gesellschaft und Fundraising

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Spendenboxen (© Daniel Kraft )

Seit 1963 führt die Bundeszentrale für politische Bildung regelmäßig Studienreisen nach Israel durch. Ziel ist, intensive Einblicke in Israels politische und kulturelle Vielfalt vor dem Hintergrund seiner historischen Prägung und seiner multiethnischen Gesellschaft zu vermitteln. In diesem Jahr wurde erstmalig eine Studienreise mit dem Schwerpunkt „Fundraising, Philanthropie und Zivilgesellschaft“ angeboten. Die Struktur einer Gesellschaft spiegelt sich auf besondere Weise in der Kultur des Gebens eines Landes wider. Über die Kultur des Gebens lässt sich andersherum auch die gesellschaftliche Entwicklung eindrücklich nachvollziehen. Diese enge Verzahnung erlebten alle Teilnehmenden auf der 12-tägigen Reise Ende November 2018. Um ein differenziertes Bild der komplexen israelischen Lebenswirklichkeit zu gewinnen, standen persönliche Begegnungen und Gespräche, Besuche von Institutionen sowie Exkursionen im Fokus der Reise.

Gemeinsame Baumpflanzaktion beim „Keren Kayemeth LeIsrael“. Foto: Katharina Reinhold (© Katharina Reinhold)

Die 19 Fundraiserinnen und Fundraiser aus Deutschland (zzgl. Leitungsteam der bpb und Akquisos-Redaktion) trafen auf insgesamt 60 Gesprächspartner/-innen. Dabei waren Vertreter/-innen von 28 NGOs unterschiedlichster Schwerpunkte – Gedenkstätten, Museen, Theater und Film, Umweltschutz und -bildung, Frauenrechtsorganisationen, Denkmalschutz, Zoologischer Garten, Menschenrechte, politische Bildung, Friedensarbeit, Gesundheitseinrichtungen – sowie Aktivist/-innen der Zivilgesellschaften, Fundraising-Berater/-innen, Journalist/-innen und Hochschulvertreter/-innen. Die Begegnungen fanden in abwechslungsreichen Formaten statt: Vorträge, Besuche am Arbeitsplatz, Begegnungen in Kleingruppen, informelle Treffen in den Lieblingsbars von Tel Aviver Gesprächspartner/-innen, Konzert einer jiddischen Kultureinrichtung, Filmvorführung, Exkursionen. Auch die älteste Fundraisingkampagne Israels lernten die Teilnehmenden vor Ort aktiv kennen und pflanzten Bäume (Externer Link: www.jnf-kkl.de/d/baeume_schenken.htm).

So überschaubar die Größe Israels ist, so unterschiedlich sind Bevölkerung und Lebensweisen in den einzelnen Städten und Orten. Um diese Bandbreite und verschiedenen Sichtweisen zu verstehen, bereiste die Gruppe nicht nur das „säkulare“ Tel Aviv und das „religiöse“ Jerusalem, sondern auch die Golan-Höhen (dort fand ein Treffen mit einer drusischen Frauenrechtsaktivistin statt) und Ramallah im Westjordanland im Rahmen eines Studientages in den Palästinensischen Autonomiegebieten.

Kultur des Gebens in Israel

Die ersten Tage führten aus unterschiedlicher Perspektive in die israelische Gesellschaft und Kultur des Gebens ein. Wie in den meisten Religionen gibt es auch im Judentum traditionell eine Verpflichtung zur Unterstützung der Armen. Die „Zedaka“ (= Gerechtigkeit/ Wohltätigkeit) ist ein jüdisches Gebot. Sie ist keine Tugend, sondern eine Pflicht, das von Gott gegebene mit anderen zu teilen. Außerdem sind Krankenbesuche, Gastfreundschaft und Trauervereine eine feste Pflicht („Hesed“ = Liebenswürdigkeit). Orthodoxe Juden berücksichtigen diese Regeln. Im überwiegend säkularen und bis Ende der 1970er-Jahre sozialistisch geprägten Israel spiegelt sich diese Kultur jedoch nicht vollständig wider. „Israelis spenden nicht so gern“, bestätigen viele der Gesprächspartner/-innen. Daher stammt ein Großteil der eingeworbenen Spenden aus dem Ausland, vorwiegend aus den jüdischen Communities in Nordamerika und aus EU-Ländern, wobei Deutschland eine wichtige Rolle spielt. Erst langsam setzt sich das Bewusstsein bei NGOs durch, im eigenen Land systematisch um Spenden zu bitten – und andersherum: erst langsam setzt sich der Gedanke in der israelischen Bevölkerung durch, sich für die Bedürfnisse im eigenen Land auch finanziell selbst einzusetzen. Philippe J. Weil berät reiche Familien im In- und Ausland in Sachen Philanthropie. Er vergleicht die aufstrebenden israelischen Hightech-Millionäre mit „Neureichen, die erst noch verstehen müssen, dass sie plötzlich Geld haben und das ausgeben (und spenden) dürfen.“ Viele haben ihr Geld erst in den letzten 20-25 Jahren verdient. Sie haben es nicht geerbt und entsprechend fehlt die Familientradition des Stiftens und Engagierens. Im Bewusstsein sei noch nicht angekommen, dass Israel mittlerweile ein wohlhabendes OECD-Land ist und es nicht mehr nötig habe, im Ausland um Hilfen zu bitten, so Weil. Einen weiteren Grund sieht er in der eng mit der Staatsgründungszeit Israels verknüpften sozialistischen Kibbuz-Bewegung. Nicht nur, dass Reichtum als negativ angesehen werde, der besser nicht nach außen getragen wird (auch nicht durch ‚reinwaschende‘ Spenden). Verbreitet sei auch die Ansicht, dass der Staat sich stärker kümmern müsse. Mit dem langen Militärdienst, so denken viele Israelis, haben sie ihren Beitrag zum Gemeinwohl bereits geleistet. „Doch welcher Staat soll sich da kümmern, wo der noch immer nicht genau definiert ist?“, fragt Weil. Er setzt seine Hoffnung auf die Millennials. Die junge Generation verstehe langsam, dass es ihnen gut gehe und dass sie Verantwortung übernehmen müssen – und dürfen.

Israelis werden von vielen Gesprächspartner/-innen als „sehr impulsiv“ beschrieben. Es sei ein Volk des Machens, Ausprobierens und der ‚Fehlerfreundlichkeit‘, sagt etwa Anita Haviv, Bildungsexpertin und Publizistin. Nichts müsse perfekt sein, Improvisation gehöre dazu. Dies schlägt sich ebenfalls in der Kultur des Gebens nieder. Spenden von privaten Haushalten erfolgen oft impulsiv, auf eine konkrete Spendenaufforderung hin. Dauerspenden finden sich selten. Gespendet wird vor allem für soziale Einrichtungen, für religiöse Zwecke und für Bildung und Forschung.

Jonathan Ben-Dor von der Online-Spendenplattform „IsraelGives“ beantwortet Fragen zur Kultur des Gebens in Israel. Foto: Daniel Kraft (© Daniel Kraft )

Jonathan Ben-Dor macht sich das Impulsive und den geberfreundlichen Geist der jüngeren Generation beim Spenden zunutze. Er ist Gründer der größten israelischen Online-Plattform „IsraelGives“ (Externer Link: www.israelgives.org). „Ich wollte alle Menschen zu Spendern machen“, sagt Ben-Dor. „2009 war das noch relativ revolutionär. Damals gab es kaum Kleinspender. Israel war überhaupt kein Spendenland. Ich wollte aber, dass sich die Menschen nicht nur ehrenamtlich engagieren, sondern auch Geld spenden.“ Er schaffte eine Plattform, die „die vielen tollen israelischen NGOs vorstellt und die Menschen begeistert.“ Wer Ben-Dor zuhört, wie er übers Online-Spenden redet und was die Erfolgsrezepte sind, merkt: Es unterscheidet sich wenig von den Lehren des deutschen Online-Fundraisings. Auch in Israel ist laut Ben-Dor eine Verschiebung der Fundraising-Sprache nötig: „Es darf keine Webseite mehr geben, die das WIR betont. Statt zu schreiben Wir sind eine tolle Organisation, muss das DU in den Vordergrund: Du machst den Unterschied, dein Geld bewirkt etwas.“ Ben-Dor betont den Wunsch nach Beteiligung und Einbeziehung statt permanenter Spendenbitten. Das Weiterverbreiten von emotionalen Videos der NGOs via Social Media ist ein einfaches Beispiel dafür. Ben-Dor hat das Spenden in Israel vorangebracht. Aber auch IsraelGives bezieht den Großteil seiner Spenden (noch) aus dem Ausland.

Großes Entwicklungspotenzial besteht zudem noch bei Unternehmensspenden. Nur 3% der israelischen Unternehmen spenden. Alle Gesprächspartner/-innen bestätigten uns, dass Firmenspenden für sie fast keine Rolle spielen. Corporate Social Responsibility (CSR) ist auf dem Vormarsch, aber CSR und Marketing werden meist getrennt betrachtet. Viele Unternehmen sehen den Zusammenhang zwischen Spenden und Imagearbeit nicht. Die Organisation Maala (Externer Link: www.maala-en.org.il) wirbt für die Implementierung von CSR-Strategien bei israelischen Unternehmen. Sie entwickelt Standards und vergibt Zertifikate. „Soziale Ungleichheit, das Wohlergehen der Älteren und Bildung sind wichtige Themen in Israel. Unternehmen spenden am ehesten in diesen Bereichen“, sagt Momo Mahadav, Geschäftsführer von Maala. „High-Tech-Unternehmen arbeiten zum Beispiel zunehmend mit Schulen zusammen und fördern technologische Bildung“.

Eine interessante Entwicklung ist, dass einige der neuen „Hightech-Millionäre“ nun eigene Stiftungen gründen, mit denen sie bestimmte Ziele verfolgen – die sich oft nicht sehr von den Zielen bestehender Organisationen unterscheiden. Damit tragen sie weiter zum Anwachsen der NGO-Dichte in Israel bei.