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"Bußgeld-Fundraising ist eine Langzeitinvestition" Im Interview: Meron Mendel, Direktor der Bildungsstätte Anne Frank

/ 4 Minuten zu lesen

Meron Mendel (© Meron Mendel)

Die Bildungsstätte Anne Frank liegt in dem Stadtteil Frankfurts, in dem das jüdische Mädchen aufgewachsen ist. Sie bietet ein breites Angebot zu den Schwerpunktthemen historisches Lernen, Menschenrechtsbildung und Zusammenleben in der Migrationsgesellschaft. Es werden mit Workshops, Fortbildungen, Ausstellungen und Veranstaltungen vielfältige Zielgruppen angesprochen. Seit über 11 Jahren engagiert sich die Bildungsstätte im Bereich Bußgeld-Fundraising – mit großem Erfolg.

Mehr unter: Externer Link: www.bs-anne-frank.de

Meron Mendel (© Meron Mendel)

Akquisos: Wie sehen Ihre Fundraising-Aktivitäten für Bußgelder konkret aus?

M. Mendel: Wir haben die Aufgaben verteilt: Wir als Bildungsstätte sind für die Inhalte zuständig, aber den ständigen Kontakt zu den Richtern und Staatsanwälten hält für uns eine externe, selbstständige Fundraiserin. Etwa alle zwei-drei Monate bereiten wir einen Brief an die Richter und Staatsanwälte vor. Das Material geben wir an die Fundraiserin und sie verschickt es an die Staatsanwälte und Richter. Sie pflegt die Kontakte, vor allem zu denen, die uns regelmäßig Gelder zuweisen. Sie ruft bei ihnen an und fragt nach, ob die Briefe angekommen sind, und sie geht auch mal persönlich vorbei...

In den ersten zwei bis drei Jahren der Bußgeld-Fundraising-Aktivitäten haben wir da mehr investiert als Gelder eingenommen. Es dauert eine gewisse Zeit, bis genügend Staatsanwälte und Richter die Einrichtung kennen und ihre Gelder zuweisen. Es ist eine Langzeitinvestition.

Akquisos: Hängen die Bußgelddelikte, aus denen Sie Zuweisungen erhalten, thematisch mit der Arbeit Ihrer Einrichtung zusammen?

Zum Teil schon, zum Beispiel bei Geldauflagen aus rechtsextremistisch motivierten Straftaten. Dabei handelt es sich jedoch oft um sehr geringe Bußgelder. Die großen Beträge kommen von Finanzdelikten, die thematisch weniger mit unserer Arbeit zu tun haben. Da gibt es schon mal Auflagen in Höhe von 250.000 Euro. Diese Summe wird an 10-15 Träger verteilt und das ist natürlich erheblich mehr, als wenn fünf rechtsextreme Jugendliche jeweils 70 Euro zahlen müssen.

Akquisos: Werben Sie die Gelder für bestimmte Projekte ein?

In den Briefen stellen wir einzelne Projekte vor und was dort geleistet wird und wir sagen, wofür uns noch Geld fehlt und wie wir es einsetzen würden. Wir setzen das Geld auch für die Projektarbeit ein, aber das funktioniert nicht eins zu eins. Denn Zuweisungen sind nicht gleich Eingänge. Wir wissen nicht genau, wann das Geld kommt. Manchmal ist das Projekt schon vorbei, wenn das Geld eingeht. Es gibt keine Zweckbindung der Gelder.

Akquisos: Wie hoch sind die Einnahmen aus Bußgeld-Auflagen?

Das Gesamtbudget unserer Einrichtung liegt bei jährlich etwas mehr als 1 Mio. Euro und die Einnahmen aus Bußgeldern machen dabei etwas mehr als 10 Prozent aus. Es ist jedoch schwer zu kalkulieren. Manchmal kommt sehr lange nichts und dann wieder viel auf einmal. Ein großer Vorteil ist, dass es freie Mittel sind. Wir können sie als Eigenmittel einsetzen, um wieder Drittmittel für neue Projekte einzuwerben. Für unsere Jahresplanung kalkulieren wir immer mit 60 Prozent der Bußgeldeinnahmen aus dem Vorjahr und wir freuen uns dann, wenn es mehr wird.

Akquisos: Wissen Sie, von wem das Geld kommt und um welche Delikte es sich handelt?

Wir erhalten Bescheid mit dem Namen und dem zu zahlenden Betrag, doch das Delikt wird nicht erwähnt. Manchmal weiß man aber zum Beispiel aus der Presse, um welchen Fall es geht.

Akquisos: Haben Sie das Gefühl, dass es für Projekte aus dem Bildungsbereich schwieriger ist, die Richter und Staatsanwälte zu überzeugen als für andere Organisationen?

Unsere Fundraiserin hat uns aus ihren Erfahrungen zurückgemeldet, dass es wesentlich einfacher ist, zum Beispiel für hilfsbedürftige Kinder Geldauflagen einzuwerben. Das ist jedem sofort zugänglich und weniger voraussetzungsreich.

Bildungseinrichtungen haben aber auch Schätze, mit denen sie punkten können. Unsere Bildungsstätte arbeitet unter anderem mit Ausstellungen. Vor kurzem haben wir mit unserer Wanderausstellung „Mensch, du hast Rechte“ drei Wochen Station im Landgericht in Kassel gemacht. Viele Schulklassen kamen in die Ausstellung. Die Richter und Staatsanwälte vor Ort haben so gesehen, was wir machen. Wir haben dann sofort gemerkt, dass von dort Zuweisungen kamen. Nicht jede Bildungsstätte macht Ausstellungen, aber wenn doch und man die Möglichkeit hat, sie in Gerichtsgebäuden zu zeigen, ist das auf jeden Fall eine gute Sache.

Akquisos: Welche Tipps würden Sie Neulingen auf dem Gebiet des Bußgeld-Marketings geben?

Türöffner: Bei den Richtern und Staatsanwälten liegen lange Listen von Organisationen, die auf Zuweisungen hoffen. Deshalb muss man klar machen, warum ausgerechnet das eigene Projekt, die eigene Arbeit so wichtig ist und warum es gut investiertes Geld ist.

Unsere Einrichtung hat dabei einige Vorteile: Wir machen Bußgeld-Fundraising schon seit über 11 Jahren und viele Richter kennen uns. Außerdem haben wir den Namen Anne Frank, den kennt jeder und verbindet damit etwas. Es kann natürlich auch irreführend sein, denn wenn wir Projekte vorstellen, die nichts mit dem Thema Holocaust zu tun haben, ist es manchmal schwerer zu vermitteln. Und doch ist der Name Anne Frank ein Türöffner.

So muss jede Einrichtung überlegen, was ihr Türöffner, ihr Alleinstellungsmerkmal, ihre Spezialität ist, mit der sie Aufmerksamkeit bekommen kann.

Standort: Nicht in allen Städten und Regionen werden gleich viele oder hohe Bußgeldstrafen verhängt. Man muss sich vorher gut informieren, wie die Situation vor Ort ist. Der Vorteil unseres Standorts Frankfurt am Main ist, dass es hier viele Finanzdelikte gibt, bei denen hohe Bußgeldsummen gezahlt werden müssen. Ich weiß zum Beispiel, dass es in Berlin wesentlich schwieriger ist, hohe Einnahmen aus Bußgeldzuweisungen zu erhalten. Der hohe Aufwand lohnt sich für Organisationen dort oft gar nicht. Außerdem kann es sehr unterschiedlich sein, wie groß die regionale Konkurrenz um die Bußgelder ist.

Fussnoten