Das schwedische Fundraising blickt auf eine lange Tradition zurück: Der Schwedische Fundraising Rat (Frivilligorganisationernas Insamlingsråd, FRII) wurde 1991 gegründet. Doch bereits ab 1962 gab es eine Vorgängerorganisation namens DFHS. Deren Ziel war die Fundraising-Kampagnen von verschiedenen Organisationen zu koordinieren. Maria Ros Jernberg, Generalsekretärin des jetzigen FRII, sieht aber nach wie vor noch viele Herausforderungen und Entwicklungspotenzial im schwedischen Fundraising. Mehr Infos unter: Externer Link: www.frii.se
Akquisos: Wie würden Sie die Schweden in Bezug auf ihre Spendenwilligkeit charakterisieren?
Knapp zwei Drittel der Erwachsenen in Schweden spenden Geld für wohltätige Zwecke. Jeder Vierte spendet dauerhaft per Bankeinzug. Während der Prozentsatz der Spender in der Bevölkerung schon lange bei rund 64-70% liegt, ist der Anteil an Dauerspendern angestiegen. Fast die Hälfte der Bevölkerung (48%) engagiert sich in irgendeiner Art von Freiwilligenarbeit. Im Durchschnitt arbeitet jede Schwedin und jeder Schwede 16 Stunden ehrenamtlich im Monat!
Akquisos: Wie kam es zur Gründung des FRII?
In den 80er-Jahren forderten mehrere Organisationen gemeinsame ethische Richtlinien für das Fundraising. Zudem wollten sie stärker bei der politischen Lobbyarbeit, Ausbildung und anderen Bereichen, die ihre Fundraisingarbeit beeinflussen, zusammenarbeiten. Das war der Start des Schwedischen Fundraising Rats.
Akquisos: Wie hat sich das Fundraising in Schweden seit der Gründung 1991 verändert, was ist der größte Unterschied?
Es gibt heute viel mehr Organisationen, die aktiv Fundraising betreiben. Zudem ist das Fundraising heute viel stärker und bewusster in den Organisationen verankert. Organisationen, die sich heute für Fundraising entscheiden, tun das viel professioneller als früher. Der Professionalisierungsgrad ist stark angestiegen: Fundraising ist heute ein Beruf.
Akquisos: Wenn sich schwedische Fundraiser heute begegnen, über welche Themen, Trends und Herausforderungen reden sie dann?
Vertrauen ist ein wichtiges Thema. Es wird sehr stark über das öffentliche Vertrauen in NGOs und Wohltätigkeitsorganisationen diskutiert. Spenderforschung hat ergeben, dass das Vertrauen der Öffentlichkeit sinkt. Wir konzentrieren unsere Anstrengungen nun darauf dies zu ändern. Ein großer Trend ist sicher „mobil und digital“. Viele Wohltätigkeitsorganisationen kämpfen mit der Tatsache, dass sich die Art zu spenden sehr verändert. Es gibt so viele neue Möglichkeiten, seine Spende zu tätigen und eine Menge von Unternehmen entwickeln diesbezüglich neue Dienstleistungen. In ein paar Jahren werden uns die Spender hoffentlich gezeigt haben, welche Methoden sie bevorzugen. Aber bis dahin ist es ein bisschen wie in einem Dschungel. Eine weitere Herausforderung sind Großspenden - oder vielleicht sollten wir besser HNWI (High Net Worth Individuals) sagen. Es gibt 48.000 Dollar-Millionäre in Schweden, aber nur wenige Hilfsorganisationen haben es geschafft, dieses Potenzial zu erschließen. Die, die es tun, sind sehr erfolgreich, aber es liegt noch Potenzial für viel mehr NGOs brach. Wir arbeiten daran, den besten Weg zu finden, um diese Art der Mittelbeschaffung weiter zu entwickeln. Dabei soll es sowohl im schwedischen Kontext funktionieren als auch die interne Kultur einer Organisation widerspiegeln.
Akquisos: Wo sehen Sie für die Zukunft das größte Potenzial im schwedischen Fundraising?
Ich sehe insgesamt noch viel Potenzial. Zunächst einmal kann die Durchschnittsspende noch gesteigert werden. Vor allem die monatliche Spende per Bankeinzug. Das würde einen großen Unterschied machen. Eine weitere Möglichkeit ist die Entwicklung von mehr Mid-Level-Geberprogrammen. Viele Organisationen konzentrieren sich auf eher geringe Beträge. Ich bin aber überzeugt, dass es Spender im mittleren Segment gibt, die nur darauf warten angesprochen zu werden. Des Weiteren sehe ich, wie bereits erwähnt, Potenzial bei den Großspenden (HNWI), aber auch bei Unternehmenspartnerschaften. Der Aufbau von Großspendenprogrammen und stabilen Unternehmenspatenschaften benötigt viel Zeit und Ressourcen. Aber für einige Organisationen wird es definitiv die Mühe wert sein.
Vielen Dank für das Gespräch und viel Erfolg bei all Ihren Vorhaben!