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Alles neu in der nächsten Generation?

Danielle Böhle

/ 4 Minuten zu lesen

Sozialisationseffekt bei Spendern

Mit dem Mauerfall vor 25 Jahren änderte sich für Ostdeutschland auch das Spendenwesen. Gilt das professionelle "Fundraising" generell als junge Disziplin in Deutschland, mussten die Vereine in Ostdeutschland erst einmal eine Basis schaffen. Denn spendensammelnde Organisationen gab es in der DDR kaum. Sämtliche Fürsorgepflichten übernahm der Staat. Das Arbeitsfeld karitativer Einrichtungen war stark eingeschränkt und staatliche Unterstützung erhielt nur, wer "auf Linie" war. Dennoch gab es jährliche große Spendenaktionen für das Ausland. Organisiert wurden sie durch das Solidaritätskomitee der DDR, welches direkt abhängig vom Zentralkomitee der SED war. Ziel war nicht nur konkrete Entwicklungshilfe, z.B. durch den Bau von Krankenhäusern oder Wasserversorgungsanlagen. Die Völker sollten zudem in ihrem Kampf gegen Imperialismus und (Neo)Kolonialismus unterstützt werden. Die Spendenbereitschaft war groß, jedoch nicht immer freiwillig. Betrieblichen Spendenaktionen konnten sich die Angestellten nur mit beruflichen Einbußen entziehen.

Die Übernahme aller Pflichten durch den Staat, mangelnde Transparenz bei der Verwendung der staatlich gesammelten Gelder und die fehlende Spendenkultur für Anliegen außerhalb der Entwicklungshilfe haben noch heute Auswirkungen auf die ostdeutschen Bürger/-innen. Ein Vergleich der Spenderquote in Ost- und Westdeutschland zeigt, dass erstere stets niedriger ausfällt. Eine Ausnahme bildet 2002, das Jahr des Oderhochwassers. Hier waren die Spenderquoten in beiden Landesteilen gleich hoch. Ein weiterer Grund für die niedrigere Spendenquote ist die geringere kirchliche Bindung in Ostdeutschland. Denn Kirchen nehmen nicht nur Spenden ein, sie machen Nächstenhilfe zum Programm. So spenden kirchengebundene Personen in Ost und West gleich häufig, ihr Anteil an der Bevölkerung ist in Ostdeutschland jedoch weitaus geringer.

Die stark auf den Staat fokussierte Sozialisation und geringere kirchliche Verwurzelung zu DDR-Zeiten wirken sich auf das Spendenverhalten aus. Dies betrifft sowohl die Spenderquote als auch die Spendenzwecke. Der aktuelle Verdienstunterschied in Ost und West begründet zudem die geringere Durchschnittsspende in Ostdeutschland. Doch neben diesen Unterschieden gibt es viele Gemeinsamkeiten: In Bezug auf soziodemografische Merkmale (Geschlecht, Alter, Erwerbsphase) lassen sich keine Unterschiede ausmachen. Und zu spenden ist unterm Strich in beiden deutschen Teilen für viele Menschen eine Selbstverständlichkeit. Im Westen für gut 40%, im Osten für rund jede(n) Dritte(n).* Regionale Ereignisse (z.B. das Oderhochwasser) oder Projekte zeigen das Potenzial auf, welches in der ostdeutschen Spendenlandschaft steckt. Und: Fundraiser bestätigen, dass die ostdeutschen Spender/-innen zwar in der Akquisition schwerer zu überzeugen seien, sich dann aber als treue Seelen entpuppten. Die Spenderbindung sei deutlich höher. Die aufwändigere Ansprache zahlt sich langfristig aus.

Sozialisationseffekt bei Organisationen

Nicht allein das Spenden will erlernt bzw. von früh an erlebt sein, sondern ebenso das Spenden sammeln. Auf Organisationsebene muss sich noch stärker das Selbstverständnis festigen, dass dies kein Betteln ist. Die Organisation übernimmt vielmehr wichtige Teilbereiche, die der Staat nicht leisten kann. Dafür benötigt sie die Unterstützung aller Bürger/-innen. Viele ostdeutsche Organisationen greifen bei der Finanzierung lieber auf staatliche Zuschüsse zurück. "Generell ist die Finanzierung durch Privatpersonen in Deutschland deutlich geringer ausgeprägt als in den angelsächsischen Ländern. Hierzulande setzt man vermehrt auf Zuschüsse und Leistungsentgelte, z.B. Firmen-Sponsoring. Meiner Erfahrung nach ist der Finanzierungsanteil durch staatliche Zuschüsse in Ostdeutschland nochmals höher. Das Potenzial der Philanthropie wird bisher wenig genutzt", berichtet Dr. Thomas Kreuzer, Geschäftsführer der Fundraising-Akademie. Gleichzeitig verweist er auf Fundraising-Leuchttürme, die viele westdeutsche Aktionen abhängen, wie z.B. die Sammlung für die Dresdner Frauenkirche.

Wie viele ostdeutsche gemeinnützige Vereine bzw. spendensammelnde Organisationen es gibt, ist nicht bekannt. Genaue Zahlen existieren nicht einmal für Gesamtdeutschland, da es keine Meldepflichten gibt. Ebenso wenig lassen sich verlässliche Daten zur Anzahl von professionell (geschweige denn ehrenamtlichen) Fundraiser/-innen erheben. Dieses Berufsbild ist zum einen nicht als solches anerkannt, zum anderen sind viele Mitarbeiter/-innen, die Fundraising betreiben, häufig als "Marketing-Spezialisten" oder "Öffentlichkeitsarbeiter/-innen" angestellt. Einen Eindruck zum Verhältnis von Fundraisern/-innen in Ost und West gibt die Mitgliederliste des Deutschen Fundraisingverbands: 82% der Mitglieder kommen aus den alten Bundesländern, 12% sind in Berlin ansässig. Gerade einmal 3,5% der im Verband organisierten Mitglieder sind ostdeutsch. (Rest: Ausland)

40 Jahre ohne weitgreifende Spendenkultur lassen sich nicht auf einen Schlag aufholen. Da besteht Gesamtdeutschland den Vergleich mit den angelsächsischen Ländern ebenfalls nicht. Doch die ostdeutschen Vereine sind auf dem besten Wege, den innerdeutschen Anschluss zu erreichen. "Auf Projektseite ist dank staatlicher Zuschüsse viel passiert. Auf der strukturellen Seite besteht noch Nachholbedarf", weiß Matthias Daberstiel, Ausrichter vieler regionaler Fundraisingtage sowohl in Ost- als auch in Westdeutschland. "Erst seit gut fünf Jahren werden reine Fundraisingstellen geschaffen. Bei den ostdeutschen Fundraisingtagen gibt es eine entsprechend hohe Anfängerquote. Allerdings: Viele Organisationen betreiben gutes, engagiertes Fundraising. Sie nennen es nur nicht so und reden nicht drüber. Fundraising findet im Osten oft noch zu sehr im Verborgenen statt."

Erst mit einem Generationenwechsel wird der Faktor Sozialisation aufgehoben. Und der ist 25 Jahre nach der Wiedervereinigung in vollem Gange: Aktuell starten junge Fundraiser/-innen ins Berufsleben. Die Vereine stellen sich langsam, aber immer häufiger strukturell professioneller auf. Demnächst findet bei den Spender/-innen ebenfalls ein Umschwung statt. Die aktuelle Spendergeneration (70+) ist schwerer zu überzeugen. Sie benötigt eine informativere und transparentere Ansprache. Die heutigen ostdeutschen Senioren konnten sich 40 Jahre lang nicht sicher sein, was mit ihrem Geld geschieht. Die nächste Generation wird empfänglicher für die emotionale Ansprache sein, die am Ende mehr Wirkung erzeugt. Eine hoffnungsfrohe Aussicht, denn staatliche Zuschüsse werden weniger.

*Durchschnittliche Spenderquote 1995-2011 laut Spendenmonitor 2011.
Download unter: Externer Link: www.tns-infratest.com/presse/presseinformation.asp?prID=832

Fussnoten