Dr. Günther Lutschinger ist seit 2007 Geschäftsführer des Fundraising Verband Austria (FVA). In dieser Zeit hat sich das Spendenaufkommen in Österreich jährlich gesteigert und erhöhte sich selbst im großkatastrophenlosen Jahr 2012 erstmals auf eine halbe Milliarde Euro
Weitere Informationen: Externer Link: www.fundraising.at
Akquisos: Herr Dr. Lutschinger, die Österreicher sind (noch) keine Spendenweltmeister, aber sie haben das Spenden anscheinend für sich entdeckt. Was sind aus Ihrer Sicht die Gründe dafür?
Günther Lutschinger: Wir holen jetzt auf, was wir zuvor versäumt haben. Einen Hauptanteil hat die Spendenabsetzbarkeit, die für die wesentlichen gemeinnützigen Zwecke 2009 eingeführt worden ist. Davor gab es die Absetzbarkeit nur ganz eingeschränkt. Seitdem haben zwar nicht mehr Leute gespendet, aber die Durchschnittspende ist gestiegen. Als zweites sind leider die vielen internationalen Katastrophen zu nennen. Auch sie spiegeln sich im Spendenaufkommen wider. Positiv sehen wir aber, dass das gesteigerte Volumen im Jahr darauf gehalten werden konnte. Eine Katastrophe, wie z.B. in Haiti, hat Spender mobilisiert und das Spendenniveau blieb für andere Zwecke erhalten. Die Spenderbindung hat funktioniert. Der dritte Faktor ist, dass die Professionalisierung des Fundraisings deutlich zugenommen hat. Sei es in den Instrumenten oder in der Ausbildung der Leute. Wir haben in Österreich immer mehr Organisationen, die professionelles Fundraising betreiben. Das ist ein wesentlicher Effekt für die Spendensteigerung. Mehr Organisationen bedeuten zwar mehr Konkurrenz, aber es sind auch neue Felder, z.B. die Hochschulen, dazugekommen. Die sprechen eine neue Spenderklientel an.
Akquisos: Ist das Ende der Spendenfahnenstange schon erreicht? Falls nein, wo sehen Sie noch Potenzial im Fundraising?
GL: Wir sind nach wie vor – auch verglichen mit Deutschland und der Schweiz, ein Land der Kleinspender. Es spendet zwar ein recht hoher Anteil der Bevölkerung, aber eben sehr kleine Beträge. Das Großspenderfundraising ist in Österreich wenig bis kaum entwickelt und entsprechend gibt es kaum Großspenden. Dort ist sicher das Potenzial für die Zukunft. Zwei medienträchtige Großspenden der letzten Jahre, die jeweils zu ihrem Zeitpunkt die größte Spende waren, die es in Österreich gegeben hat, haben ein nachhaltiges Signal gesetzt. Sie haben gezeigt, was auch bei uns möglich ist.
Akquisos: Sie sind auch Präsident der European Fundraising Association (EFA), kennen sich also im europäischen Fundraising gut aus. Was können andere Länder, speziell Deutschland, im Fundraising vom „kleinen“ Österreich lernen?
GL: Es steht mir natürlich nicht an, den deutschen Kollegen Ratschläge zu geben! Ich glaube aber, dass wir genauere Mailings setzen als in Deutschland, wo die Menge noch da ist. 8 oder 80 Mio. Menschen machen einen Unterschied. Die Dichte des österreichischen Marktes hat zu einer höheren Spezifizierung geführt. Unsere Organisationen müssen die Zielgruppen genauer auswählen und angehen. Daneben ist in Österreich der Fokus auf Dauerspender stärker ausgeprägt als in Deutschland. Das macht dann gerade in der Krise die Organisationen stabiler. In Richtung Spender muss generell mehr gemacht werden. Dazu müssen die Organisationen Synergieeffekte nutzen und sich zusammenschließen. Das ist in einem kleinen Land wie Österreich einfacher, wo die meisten Organisationen in Wien sitzen. Aber letztlich müssen alle Länder verstärkt in übergeordnete Kampagnen zur Spenderaufklärung und -mobilisierung investieren. Das einzelne Instrument wird langfristig nicht mehr ausreichen. Meine Botschaft ist: Kooperationen sind die Zukunft. Und die, die damit anfangen, werden die Erfolgreichen sein.
Akquisos: Eine Woche nach der deutschen Bundestagswahl finden in Österreich die Nationalratswahlen statt. Welchen Stellenwert hat Fundraising für die politischen Parteien in Österreich?
GL: Fundraising im eigentlichen Sinne machen die österreichischen Parteien nicht. Österreich hat eines der am stärksten ausgebauten Parteienfinanzierungssysteme. Wählerspendenmobilisierung findet also nicht statt. Sie werden keinen Spendenbrief finden, der zur finanziellen Unterstützung aufruft. Ich kenne auch in den Parteizentralen niemanden, der mit dem Thema beschäftigt wäre. Parteispenden gibt es dennoch. Das wissen wir aus allen möglichen Skandalen. Man wendet sich aber nur an Großspender und Unternehmen. Das wird aktiv, aber fern der Öffentlichkeit betrieben. Es ist eben ein staatlich finanziertes System. Ich hielte es jedoch für demokratiepolitisch vernünftiger, dass mehr Leute sich auch finanziell engagieren, um die Parteien unabhängiger von staatlicher Finanzierung zu machen. Da ist zu viel Nähe, denn das Parteienfinanzierungsgesetz beschließen ja die Parteien wieder selber.
Akquisos: Herr Dr. Lutschinger, vielen Dank für das Gespräch!