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"Einen Brief schreiben, das kann ja jeder." Im Interview: Andreas Berg berichtet aus der Mailing-Praxis

/ 4 Minuten zu lesen

Andreas Berg ist seit 16 Jahren Fundraiser, davon hat er 12 Jahre Mailing-Erfahrung auf Organisations- und Agenturseite. Seit 2012 ist Andreas Berg unabhängiger Berater für NGOs und spezialisiert auf das Thema "Datenanalyse". Für Akquisos plaudert er aus dem Nähkästchen und gibt Tipps für ein erfolgreiches Mailing.

Andreas Berg (© Andreas Berg )

Mehr Informationen: Externer Link: www.andreasberg.net

Akquisos: Die Welt wird zunehmend digitaler, und alle sprechen nur noch von Online-Fundraising. Warum sollten sich spendensammelnde Organisationen noch Gedanken um ein "analoges" Mailing machen?

Andreas Berg (© privat)

Andreas Berg: Weil das Mailing immer noch das Instrument mit dem höchsten Spendeneinnahmen ist. Die Stärke des Mailings ist: Ich kann viele Leute auf relativ persönlichem Wege auf einen Schlag erreichen. Denn ein Postbrief ist in jedem Fall persönlicher als eine Mail oder eine Facebooknachricht. Der Nachteil des Mailings ist, dass es statisch ist. Wenn man es einmal verschickt hat, dann kann man nichts mehr machen. Ich habe also auch das Risiko, dass es ein richtiger Flop werden kann. Bei einer Telefonaktion kann man aus den ersten Anrufen lernen und überlegen, wie kann ich die besser gestalten. Beim Mailing geht das nicht. Deswegen gilt auch hier die alte Handwerkerregel: Erst grübeln, dann dübeln!

Akquisos: Was müssen besonders kleine Organisationen beachten, die Mailingkampagnen ohne externe Dienstleister planen und durchführen müssen, damit sie keinen "Massen-Flop" landen?

A.B.: Zunächst muss man einfach die sprachliche und grafische Anforderung an ein Mailing erfüllen können. Viele tun sich schwer damit zu sagen dass sie das nicht können. Weil: Einen Brief schreiben, das kann ja jeder. Aber: Ein Mailing zu texten ist ein anderer Anspruch. Wenn man es trotzdem machen möchte, sollte man es unbedingt vorher testen, indem man es anderen Leuten zeigt, die mit der Organisation nichts zu tun haben, und sie um ein ehrliches Feedback bitten. Man hat schnell Ideen, die einem gefallen oder die man originell findet, die andere aber einfach nicht verstehen. Wichtig ist, dass die Testpersonen aus der Zielgruppe sind. Also, wenn die Spender normalerweise über 75 sind und ich zeige den Brief drei 25-Jährigen, dann bringt das nicht viel.

Akquisos: Was sollen Fundraiser machen, wenn sie merken, dass das mit dem Texten nicht gut klappt?

A.B.: Dann sollte man es auch nicht auf Teufel komm raus versuchen. Dann ist es besser, man macht es ganz authentisch und persönlich und schreibt so, wie an die eigene Oma. Wenn die Produktionskosten einen gewissen Grad übersteigen, sollte man sich aber Hilfe holen, bevor man mehrere tausend Euro in den Sand setzt. Man muss ja nicht direkt eine große Agentur beauftragen. Es gibt auch viele Freiberufler, die Text und Grafik machen und nicht übermäßig teuer sind. Wenn ich niemanden mit Fundraising-Erfahrung bekomme, dann sollte es jemand aus dem Direktmarketing sein, der es gewohnt ist Briefe zu texten. Vielleicht kann man jemanden aus dem Direktmarketing einer Werbeagentur auch ehrenamtlich gewinnen. Noch ein Tipp: Am besten das Dankesschreiben immer gleich mittexten lassen, egal ob man es selbst macht oder in Auftrag gibt. Dann ist es aus einem Guss. Und man hat den Text schon, wenn die ersten Spenden eintreffen. Das wird gerne vergessen und dann will man danken und muss erst noch anfangen zu texten. Solche hektisch geschriebenen Texte werden meist nicht gut.

Akquisos: Der Text ist also eine wichtige Hürde. Was gibt es sonst noch zu beachten?

A.B.: Ansonsten – und das gilt nicht nur für kleinere Organisationen – muss man sich klarmachen, dass die meisten Briefe, die verschickt werden, gar nicht erst gelesen werden. Also ist die größte Herausforderung nicht, jemanden dazu zu bringen zu spenden, sondern ihn überhaupt dazu zu bringen, den Brief zu lesen. Und dazu muss er – und das ist der erste Filter – den Brief erst mal öffnen. Das heißt, die Briefhülle selbst, also der Umschlag, hat eine immense Bedeutung. Wichtig ist, dass der Absender klar ist. Wer schreibt mir? Die hohe Kunst ist es dann, bereits auf der Briefhülle die Geschichte zu erzählen, um die es geht. Am besten mit einem Bild und einem(!) Satz.

Akquisos: Wann geht ein Mailing aus Ihrer Erfahrung heraus "schief"?

A.B.: Es geht immer dann schief, wenn der Empfänger nicht weiß, was er machen soll. D.h. man braucht eine klare Botschaft, die man konsequent durch das Mailing verfolgt. Das gilt insbesondere auch bei dem Ziel, das man hat. Man kann, wenn man nach einer Einzelspende fragt, auch noch die Möglichkeit einer Dauerspende anbieten. Aber was man nicht tun sollte, ist, um eine Einzelspende zu bitten, dann noch einen Flyer beizulegen, der das eigene Seminarprogramm bewirbt und nebenbei auf eine Veranstaltung aufmerksam machen. Das sind drei völlig verschiedene Sachen. Man kann in Untersuchungen gut nachverfolgen, wie das dazu führt, dass auf alle drei Punkte weniger reagiert wird. Immer nur eine Botschaft und eine Sache, nach der man fragt!

Akquisos: Haben Sie selbst schon einmal ein Mailing verantwortet, das nicht funktioniert hat?

A.B.: Oh ja, ich habe tatsächlich mal ein Mailing mit einer Responsequote von 0% produziert. Ich war neu bei einer NGO, jung und voller Elan und wollte der Chefin zeigen, dass ich ein super Mailing machen kann. Ich hätte besser aber mal darüber nachgedacht, wem ich das Mailing schicke, und ob es überhaupt der richtige Weg ist. War es bei der Zielgruppe (Firmenspender) und dem gegebenen Anlass nicht… Und das hat mich geärgert, denn ich hätte vorher wissen können. Aber ich einfach drauflosgelegt. Doch ich sage gern: Ein 0%-Mailing braucht man mal, sonst hat man nicht genug riskiert.

Akquisos: Vielen Dank für das informative Gespräch.

Fussnoten