Aufgaben des Verbandes reichen von der politischen Einflussnahme im Feld zivilgesellschaftlichen Engagements bis zur Unterstützung ihrer Mitgliedsorganisationen bei der Einführung von Fundraising und Capacity Building.
Über die Fundraising-Kultur in Lettland sprach Akquisos mit Rasma Pipike, Geschäftsführerin von CAL
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Akquisos: Fundraising als Akquise von Spendeneinnahmen, Mitgliedsbeiträgen, ehrenamtlichem Engagement usw.: Welchen Stellenwert haben diese Aktivitäten im Finanzierungsmix gemeinnütziger Organisationen in Ihrem Land?
Rasma Pipike: Nach den Jahresberichten gemeinnütziger Organisationen Lettlands besteht die Einnahmebasis ungefähr zu gleichen Teilen aus Mitgliedsbeiträgen, Spenden, Fördermitteln und Einnahmen aus Dienstleistungen. 2009 hat die ABLV Charitable Foundation [eine bankennahe Stiftung in Lettland, www.ablvfoundation.org, d.R.] eine Studie zu den verschiedenen Einnahmearten durchgeführt, die das Ergebnis bestätigte. Verglichen mit 2008 sind die Spenden 2009 jedoch um ca. 10% gesunken. Expert/innen erwarten hier für 2010 eine weitere Reduzierung.
Trotz der Tatsache, dass viele gemeinnützige Organisationen eine breite Einnahmebasis haben, gibt es weiterhin zahlreiche NGOs, die auf Projektförderung angewiesen sind. Dabei gibt es verschiedene Quellen: Staatliche Förderung, EU-Förderung und auch Stiftungen. Lettische NGOs erhielten leichter EU-Förderung als es noch das staatliche Ko-Finanzierungsprogramm gab [Die EU fördert Projekte nicht vollständig, Träger müssen stets einen Teil der Kosten selbst aufbringen – hierfür gab es wiederum nationale Zuschüsse vom lettischen Staat. d.R.]. Das wurde jedoch wegen der Finanzkrise beendet. Dank dieses Programmes konnten NGOs – mit geringer staatlicher Hilfe – über eine Million Lati (700.000 Euro) Fördermittel nach Lettland holen. So bald wie möglich werden die NGOs sich für eine Neuauflage dieses Ko-Finanzierungsprogrammes einsetzen.
Insbesondere Lobby-Organisationen haben regelmäßig Schwierigkeiten, eine langfristige Finanzierung sicherzustellen. Oft haben sie nur eine kleine Mitgliederschaft – und auch häufig strittige Inhalte, mit denen sie sich auseinandersetzen. Da ihre Arbeit oft langfristig angelegt ist, um Änderungen in gesetzgeberischen Zusammenhängen zu erreichen, steht gerade diese Gruppe häufig vor Finanzierungsschwierigkeiten.
Akquisos: Wie ist die Spendenbereitschaft in Lettland ausgeprägt? Und wie zeigt sich diese Unterstützung konkret?
R.P.: Zwar ist die Zahl der Spender/innen gestiegen, deren Spendenbetrag ist auf Grund der Finanzkrise jedoch zurückgegangen. Besonders zugenommen haben Spenden in der humanitären (Not-)hilfe und in den Feldern Kultur und Geschichte. Das „Latvian Occupation Museum” z.B. hat eine beträchtliche Einzelspende eines australischen Gebers erhalten. Zugenommen haben auch die Spenden von Familien – gerade in 2010 sind mehrere Familienstiftungen neu gegründet worden, die in den Feldern Bildung und Kultur fördern.
Abgenommen hat dagegen – auch aufgrund der Finanzkrise – die Spendenbereitschaft bei Unternehmen. Viele versuchen, in die Gewinnzone zurückzukehren und geben daher weniger.
Auch wurden nur wenige kommunale Fonds durch Geberorganisationen neu eingerichtet. Darunter jedoch z.B. der Fond “Glābjot Latgali” für die wirtschaftlich am wenigsten entwickelte Region Lettlands. Gleichzeitig gibt es eine interessante Entwicklungen im ländlichen Raum, wo Menschen, partnerschaftlich organisiert, vermehrt Sachspenden bereitstellen oder auch bereit sind, Spenden für einen guten Zweck ohne NGO-Kontext zu geben. In kleinen NGOs spielt freiwilliges Engagement eine große Rolle, da diese kaum Mitarbeiter/innen bezahlen können.
Angesichts geringer Rücklagen war die Finanzierung gemeinnütziger Organisationen und ihrer Tätigkeit 2010 insgesamt durchaus schwierig. Teilweise mussten sich Organisationen auch mit Hilfe von Entlassungen konsolidieren.
Akquisos: Wer sind die wichtigsten Akteure bei der Unterstützung zivilgesellschaftlichen Engagements in Lettland? Und wie zeigt sich deren Rolle in der Professionalisierung von Fundraising?
R.P.: Die schon erwähnte ABLV Charitable Foundation hat in jüngerer Vergangenheit Projekte finanziert, mit deren Hilfe Fundraising in NGOs implementiert und eine Anschubfinanzierung für Fundraising-Aktivitäten gewährt wurde. 2009 war hierbei das Verhältnis 1:9 – also mit einem investierten Lats konnten 9 Lati akquiriert werden. Dieses Verhältnis lag 2010 bei 1:4.
Auch die Unterstützung von Unternehmen, besonders der privaten Medien, ist immernoch maßgeblich für große Kampagnen – wobei es schwerfällt zu unterscheiden, wo eine explizite Förderung durch die Medien gegeben ist und wo es sich einfach um eine gute PR-Kampagne anderer Unterstützer handelt.
Akquisos: Was ist aus Ihrer Sicht die erfolgreichste Fundraising-Kampagne der letzten drei Jahre und warum?
R.P.: Die Bindung über langfristige Kommunikation und lokal geteilte Werte und Traditionen ist beim Fundraising von wesentlicher Bedeutung. So wurde in der Stadt Talsi dreimal so viel für öffentliche Projekte gespendet wie in Ventspils, obwohl Ventspils aufgrund der geografischen Lage als Ölumschlagplatz ökonomisch eine der reicheren Städte Lettlands ist.
Auf der Suche nach Geld haben einige Organisationen ihre Expertise in ungewöhnlicher Weise genutzt, um Einnahmen zu generieren: Beispielsweise ist der Lettische Fonds für ländliche Entwicklung recht erfahren im Event-Management und hat für Air-Baltic [größte regionale Fluglinie, d.R.] eine Konferenz organisiert. Einige Organisationen haben sich auf Dienstleistungen spezialisiert, die unabhängig von ihrem Kerngeschäft sind, wie z.B. Fortbildungen, und damit eine Finanzierungsbasis aufgebaut.
Akquisos: Welche politischen, rechtlichen oder gesellschaftlichen Rahmenbedingungen unterstützen das Fundraising besonders – welche behindern es?
R.P.: Die meisten Organisation arbeiten in Übereinkunft mit den formalen Rahmenbedingungen und übermitteln einen finanziellen und inhaltlichen Jahresbericht an das Finanzamt [„State Revenue Service“]; die wenigsten Organisationen veröffentlichen ihre Berichte jedoch.
Alle Spenden an NGOs sind für diese steuerfrei. Private Geber können 25% der Spenden gegen Beleg bei der jährlichen Einkommenssteuer geltend machen. Unternehmen können ebenfalls Spenden an gemeinnützige Organisationen steuerlich absetzen. Von dieser Möglichkeit wird allerdings – möglicherweise auch weil der Prozess vielen Unternehmen zu kompliziert ist – wenig Gebrauch gemacht. So wurden 2009 NGOs zwar 57 Millionen Euro gespendet, jedoch nur ca. 16 Million Euro davon steuerrechtlich angegeben. Die Möglichkeit der Steuerersparnis ist also offenbar kein primäres Motiv für Unternehmensspenden in Lettland, sondern der Wille einen bestimmten Zweck zu unterstützen.
In Lettland können gemeinnützige Organisationen auch gewerbliche Dienstleistungen anbieten [siehe auch das Beispiel in der vorherigen Antwort, d.R.]. 2010 wurde vom Finanzministerium eine Gesetzesinitiative angeregt, die die Rollen und Aufgaben gemeinnütziger NGOs genauer beschreiben und so ihr Marktengagement einschränken sollte. CAL hat die NGOs darüber informiert und 40 NGOs kamen zu einer Konsultation mit dem betreffenden Ministerium. Schließlich sind diese Gesetzesänderungen nicht eingeführt worden.
Eine kurze Frage zum Schluss: Wie wichtig sind Soziale Netzwerke und Online-Fundraising-Tools in Lettland?
R.P.: Soziale Netzwerke spielen eine wichtige Rolle in Lettland. Gerade gibt es z.B. eine neue und interessante Plattform, www.labdaribasfaktors.lv, [„Charity Faktor“, Informationen tweilweise auch in Englisch d.R.] über die mit Hilfe von Foto-Geschichten direkt Projekte unterstützt werden können und gespendet werden kann. Für diese Seite werden noch Partner gesucht.
Akquisos: Herzlichen Dank für das Interview!
Lettland: ”Oft entscheiden geteilte Werte und Traditionen über die Spendenbereitschaft.” Rasma Pipike, Geschäftsführerin von „Civic Alliance Latvia“
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Mit 127 Mitgliedern ist die Civic Alliance Latvia einer der größten Dachverbände gemeinnütziger Organisationen in Lettland.
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