Meine Merkliste Geteilte Merkliste PDF oder EPUB erstellen

Praxisbeispiel: Quartiermeister | Fördermittel und Fundraising für die politische Bildung | bpb.de

Akquisos - Fundraising Akquisos Wissen Fundraising-Grundlagen Schlusspunkt Social Entrepreneurship Spenden für politische Bildung Ethisches Fundraising Danken! Covid-19: Finanzierung in Krisenzeiten Klimafreundliches Fundraising Datenschutz im Fundraising Online-Fundraising Fundraising für Felder der politischen Bildung Projekte gegen Rechtsextremismus Inklusive politische Bildung Bildung für nachhaltige Entwicklung Senioren-Bildungsprojekte Projekte für Geflüchtete Community Organizing Radikalisierungsprävention Gedenkstättenfahrten Kulturelle Bildung Stärkung von Kinderrechten Fundraising-Zielgruppen Fundraising in Ostdeutschland Ehemalige und Alumni als Ressource Generation Babyboomer Projekte im ländlichen Raum Unternehmensfundraising Fundraising International Fundraising und Zivilgesellschaft in Israel Fundraising in Europa Akquisos Service Aktuelles: Nachrichten und Termine Fördermittel Praxistipps Glossar Redaktion und Kontakt Archiv

Praxisbeispiel: Quartiermeister

/ 4 Minuten zu lesen

„Bier für hier!“ lautet die Werbung von „Quartiermeister“, denn die Erlöse fließen an lokale und gemeinnützige Projekte. Gefördert werden beispielsweise das Neuköllner Netzwerk „Schülerhilfe“, der Flüchtlingsrat Berlin oder andere lokale Initiativen.

Quartiermeister bietet das Bier in Zusammenarbeit mit lokalen Brauereien zum Verkauf an, pro Kasten gehen etwa 3 Euro an die ausgewählten Projekte. In Berlin gestartet, wird das Modell derzeit auf andere Städte übertragen.
Weitere Informationen: Externer Link: www.quartiermeister.org.

Akquisos: Was war Ihre Idee für die Gründung des „Quartiermeisters“?
Sebastian Jacob (SJ): Im Wesentlichen motivieren uns drei Aspekte:
Erstens, wir wollen eine neue Finanzierungsquelle für lokale soziale Projekte erschließen: den Getränkekonsum in Nachbarschaftskneipen. Das, was uns an Quartiermeister fasziniert, ist die Tatsache, dass es ganz lokale Gelder sind, die wieder ganz lokalen sozialen Nutzen stiften. Durch ein regionales Produkt fördert lokaler Konsum mitten in der Nachbarschaft lokale Initiativen im direkten Umfeld!
Zweitens, wollen wir gemeinsam mit allen Konsumentinnen und Konsumenten über eine neue Art des Konsums nachdenken. Das Verständnis von Konsum greift zu kurz, wenn man im Konsum lediglich die Befriedigung von individuellen Bedürfnissen sieht. Mit einer gezielt gestalteten Produktalternative kann Konsum zur Bewältigung sozialer Herausforderungen beitragen. Wir wollen mit Quartiermeister eine solche Alternative anbieten.
Drittens, wollen wir ein Beispiel eines neuartigen Unternehmenstyps durch die Verbindung unternehmerischen Handelns und ehrenamtlichen Engagements anbieten. Quartiermeister ist das Bier für hier. Einerseits, weil wir unsere Gewinne sozial in der Nachbarschaft verwenden, andererseits, weil wir lokale soziale Akteure tief in unsere Prozesse einbinden. Da Quartiermeister ein Produkt ist, dass allen zugutekommt und weil die Weltrettung durch Bier Riesenspaß macht, gelingt es, ehrenamtliche Unterstützerinnen und Unterstützer für unsere Idee zu begeistern. Wir kooperieren in allen Städten, in denen wir mittlerweile aktiv sind mit ehrenamtlichen Vereinen, die durch ein vollständiges Buchsichtungsrecht die Kontrolle unseres sozialen Versprechens übernehmen, und die Gelder, die wir einnehmen, an soziale Projekte in ihrer Nachbarschaft zuweisen. Das bietet den Boden der gesellschaftlichen Verankerung auf dem Quartiermeister gedeihen kann.

Akquisos: Wo ist Ihre Rechnung aufgegangen? Und wo haben Sie unerwartete Schwierigkeiten erfahren?
SJ: Hier ist die Rechnung aufgegangen:

  • Sozialer Erlös: Wir haben gleich von Anfang an so viel Bier verkauft, dass sichtbare Förderbeträge zustande kamen. Allein im Jahr 2011 haben wir über 10.000,- Euro für soziale Projekte erwirtschaftet.

  • Soziale Verankerung: Quartiermeister ist in Berlin mittlerweile fest in seinem sozialen Umfeld verankert. Wir haben vor über einem Jahr den Quartiermeister e.V. gegründet, der das Unternehmen in Berlin flankiert und die Fördergeldvergabe organisiert. Im vergangenen April haben wir außerdem die Förderkommission ins Leben gerufen. Diese Expertengruppe aus Vertretern von lokalen sozialen Initiativen und Organisationen aus dem sozialen Sektor berät den Verein bei der Mittelvergabe.

  • Überregionale Verbreitung: Mittlerweile haben wir einen Kriterienrahmen aufgestellt, der es uns ermöglicht, unser Konzept in andere Städte weiter zu tragen. Seit einem Jahr gibt es Quartiermeister auch in Frankfurt a.M., ab Juni auch in München. Weitere Städte sind in Planung. Dabei bleibt es wie gehabt: Ein regionales Produkt aus einer jeweils regionalen Brauerei sorgt durch seinen lokalen Konsum für Mehrwert in lokalen Projekten.

  • Offene Diskussion: Wir teilen unsere Idee offen mit Interessierten und diskutieren gerne über unsere Vision. Wir waren u.a. Gäste auf Veranstaltungen an der HU Berlin, der Leuphana Uni Lüneburg und dem Vision Summit im letzten Jahr.

  • Mediale Verbreitung: Die Medien haben unser innovatives Konzept erkannt und berichten gerne über Quartiermeister. Das ist sehr hilfreich für die Verbreitung unseres sozialen Gedankens.

  • Anerkennung unserer Idee: Die innovative Kraft unserer Idee wird gesehen und anerkannt. Letztes Jahr wurde Quartiermeister von der Robert Bosch Stiftung für sein „zukunftsweisendes Engagement“ ausgezeichnet. Seit letztem Herbst sind wir Stipendiat im Social Enterprise Program von SAP.

Daran müssen wir noch arbeiten:

  • Fortschreitende Professionalisierung: Quartiermeister lief lange Zeit als Hobby-Betrieb neben meinem Referendariat. Seit März bin ich mit meiner Ausbildung fertig. Seitdem sind wir intensiv mit der Verstetigung von Prozessen befasst, um effektiver arbeiten zu können.

  • Tiefere Marktdurchdringung: Die Verbreitung auf unseren lokalen Märkten ist dauerhafte Arbeit, der wir uns nun mit angemessenen Ressourcen zuwenden wollen. Denn: Je mehr Bier wir verkaufen, desto mehr bleibt für alle übrig


Akquisos: Was würden Sie Organisationen oder Projekten, die ein Einnahmemodell entwickeln wollen, als Tipps mit auf den Weg geben?
SJ: Bindet Eure Konsumenten mit ein, seid transparent und lasst Eure Konsumenten verstehen, warum sie sich gerade für Euer Produkt entscheiden sollen.

Akquisos: Wie sieht Ihre Geschäftsentwicklung in den nächsten Jahren aus und wie profitieren davon nachbarschaftliche Projekte?
SJ: Aktuell verbessern wir unsere Transparenz und die Möglichkeiten der Teilhabe an unseren internen Prozessen. Im Juli werden wir zum ersten Mal gemeinsam mit allen interessierten Bierfreunden im Rahmen einer Online-Abstimmung über die Verwendung unserer Fördergelder entscheiden. Gleichzeitig wollen wir durch gemeinsame Veranstaltungen unsere Kontakte zu lokalen, sozialen Organisationen intensivieren. Mittelfristig planen wir, unser überregionales Netzwerk auszuweiten, um die Idee vom sozialen Biertrinken auf weitere Regionen auszuweiten. Insgesamt hoffen wir natürlich, durch unsere Aktivitäten mehr Bier verkaufen zu können. Denn das ist die Grundlage unseres Konzeptes. Je mehr wir verkaufen, desto mehr bleibt auch für soziale Projekte übrig. Im ersten Quartal 2012 lag unser sozialer Erlös pro Kasten bei 2,85 Euro.

Akquisos: Herzlichen Dank für das Gespräch.

Anmerkung der Redaktion: Die alkoholfreie Alternative: Ein ähnliches Geschäftsmodell (mit überregionalem Bezug) hat der Verein „Lemonaid & Charitea e.V.“ entwickelt; pro verkaufter Flasche werden hier ausgewählte Projekte der Entwicklungszusammenarbeit mit 5 Cent unterstützt. Weitere Informationen: Externer Link: www.lemonaid-charitea-ev.org.

Fussnoten