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Das NetzDG ist gut gemeint, aber schlecht gemacht | Debatte Netzwerkdurchsetzungsgesetz (NetzDG) | bpb.de

Debatte Debatte Netzwerkdurchsetzungsgesetz (NetzDG)

Contra Netzwerkdurchsetzungsgesetz

Das NetzDG ist gut gemeint, aber schlecht gemacht

Christian Mihr

/ 3 Minuten zu lesen

Trotz berechtigter Kritik an den Sozialen Netzwerken dürfen wir nicht vergessen, dass Regulierung auch immer Freiheit einschränkt, sagt Christian Mihr von Reporter ohne Grenzen.

Christian Mihr (© Dietmar Gust)

Seit über einem Jahrzehnt haben Menschen auf der gesamten Welt die Möglichkeit, sich in Sozialen Netzwerken zu informieren, zu äußern und zu vernetzen. Facebook, Google und Twitter kennen keine nationalen Grenzen und haben globale Kommunikationsinfrastrukturen geschaffen, die ein enormes Freiheitspotenzial bieten. Das kann für Menschen, die in repressiven Staaten leben eine Chance sein, sich frei zu äußern oder als Journalist frei zu berichten. Bei aller Kritik, die heute den globalen Netzwerken (in einigen Fällen zu Recht) entgegengebracht wird, sollten wir diese Potenziale nicht vergessen. Und grundsätzlich gilt: Jede Regulierung schränkt Freiheit zwangsweise ein.

Dennoch ist es zwingend, nach Lösungen für einige Probleme zu suchen, die im Zusammenhang mit den Sozialen Netzwerken aktuell bestehen. Die sogenannte Hasskriminalität und "Fake News" soll das Netzwerkdurchsetzungsgesetz (NetzDG) bekämpfen. Der Deutsche Bundestag hat es im Juni 2017 mit den Stimmen aus Union und SPD verabschiedet. Das Gesetz ist gut gemeint, aber schlecht gemacht. Damit ist es eine Gefahr für die Presse- und Meinungsfreiheit in Deutschland.

Probleme bekämpfen, die wir nicht verstehen

Richtig ist, dass Soziale Netzwerke in Zukunft regelmäßig melden müssen, wie sie mit Löschungen von Meinungsäußerungen auf ihren Plattformen umgehen. Solche Transparenzberichte sind die notwendige Grundlage, um Probleme wie "Hate Speech" oder die bewusste Verbreitung falscher Nachrichten besser zu verstehen. Das NetzDG hingegen wurde aus gesellschaftlichen Stimmungen heraus initiiert, etwa der unterstellten Beeinflussung der US-Wahl durch "Fake News". Bei der Entstehung des Gesetzes im Frühjahr 2017 gab es allerdings kaum Erkenntnisse über Verbreitung, Wirkung und Bekämpfung von "Fake News" in Deutschland. Heute wissen wir, dass die in der Gesetzesbegründung unterstellte Befürchtungen nach der Wahl Donald Trumps Externer Link: wohl übertrieben waren, weil es eine "Fake News"-Schwemme im Bundestagswahlkampf schlichtweg Externer Link: nicht gegeben hat. Wir haben also ein Gesetz bekommen, das Probleme bekämpfen soll, die wir nicht richtig verstanden haben.

Richtig ist ferner auch, dass Soziale Netzwerke in Zukunft einen Ansprechpartner für Strafverfolgungsbehörden in Deutschland haben müssen. Es ist nicht hinnehmbar, dass die globalen Technologie-Riesen den deutschen Markt dominieren, aber deutsche Staatsanwälte Briefe in die USA schicken müssen. Die Ansprechpartner in Deutschland ermöglichen, das Verfahren zur Löschung von Inhalten an rechtsstaatliche Prinzipien zu binden, etwa eine Anhörung vor Gericht. Hier liegt jedoch das Kernproblem des NetzDG: Solche rechtstaatlichen Verfahren sollen der Ausnahmefall werden. Im Grundsatz verpflichtet das Gesetz Soziale Netzwerke dazu, unter Zeitdruck juristische Abwägungen zu treffen, ohne den Rechtstaat einzubinden. Denn wenn sie systematisch falsch entscheiden und eigentlich zu löschende Inhalte nicht löschen, müssen sie hohe Strafen zahlen. So hoch, dass diese profitorientierten Netzwerke einen wirtschaftlichen Anreiz erhalten, zu löschen. Dieses Risiko des sogenannten Over-Blockings wird nicht mit einem Recht auf Widerspruch ausgeglichen: Wer meint, dass seine Äußerungen unrechtmäßig entfernt worden sind, kann sich also nicht dagegen wehren. Hinzu kommt, dass das gesamte Lösch-Verfahren nicht von einer unabhängigen Aufsicht begleitet wird.

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Regulierung löst nicht das eigentliche Problem

Notwendiger als ein Gesetz, das den Plattformbetreibern Anreize zur Löschung von Inhalten schafft, ist eher eine Prüfung, inwiefern Algorithmen von Sozialen Netzwerken oder Suchmaschinen die öffentliche Meinungsbildung beeinflussen und ob diese Algorithmen reguliert werden müssen. Nur so könnte man genau verstehen, wie sich "Hate Speech" und "Fake News" verbreiten, was Grundlage für eine Regulierung sein müsste, in der das bekämpft werden sollte.

Das NetzDG hingegen wird zu Kollateralschäden wie der Einschränkung der Meinungsfreiheit führen, während die eigentlichen Probleme nicht durch eine harte Regulierung gelöst werden. Vieles von dem, was widerwärtig und abstoßend ist, wird nicht gelöscht werden können, weil sich Kommentatoren "geschickt" an der Grenze des Legalen bewegen. Vor allem aber hören Menschen nicht auf zu hassen, nur weil ihre Kommentare gelöscht werden. Was hilft, wäre eine nicht von den Plattformen, sondern von rechtsstaatlichen Institutionen forcierte Verfolgung von Straftätern, welche die Meinungsäußerungsfreiheit für illegale Hetze missbrauchen. Diese fördert das NetzDG jedoch nicht, sondern verhindert sie eher.

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