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Sterbehilfe – eine Debatte um Moral, Selbstbestimmung und sozialen Druck

Lydia Meyer

/ 4 Minuten zu lesen

Wir alle wollen selbstbestimmt und lange leben. Doch was ist selbstbestimmtes Sterben? Ein selbstbestimmter Tod kann angesichts einer Medizin, die ein Leben um viele Jahre verlängern kann, eine wünschenswerte Option sein. Aber wer entscheidet, welche Leiden ertragbar sind und welche nicht? Wie sieht ein würdevolles Lebensende aus? Und was heißt eigentlich "selbstbestimmt"?

Sterbehilfe: Ein heikles Thema (© picture-alliance)

Um all diese Fragen kreist die kontroverse Debatte zur Sterbehilfe. Es geht um Leben und Tod, Selbstbestimmung und sozialen Druck, Würde, Religion, Ethik und Moral. Sterbehilfe ist ein so polarisierendes wie emotionales Thema. Doch wovon reden wir überhaupt, wenn wir von "Sterbehilfe" sprechen? Heißt "Sterbehilfe" Hilfe zum Sterben oder Hilfe beim Sterben? Während es sich bei aktiver und passiver Sterbehilfe sowie dem assistierten Suizid um Hilfe zum Sterben handelt, kümmern sich Palliativmedizin und Hospizbewegung darum, das Lebensende möglichst angenehm zu gestalten – sie helfen Menschen beim Sterben. All diese Maßnahmen – ob lebensverlängernd oder -verkürzend – werden unter dem Begriff „Sterbehilfe“ diskutiert. Dabei unterscheiden sie sich stark voneinander.

Hilfe zum Sterben – aktive, passive & indirekte Sterbehilfe

Als aktive Sterbehilfe bezeichnet man die Tötung durch Dritte: Hier verabreicht ein Arzt dem Betroffenen auf Wunsch ein Mittel, das zum Tod führt. Die aktive Sterbehilfe ist weltweit lediglich im US-Bundesstaat Oregon, den Niederlanden, Belgien sowie Luxemburg erlaubt. Bei der sogenannten passiven Sterbehilfe hingegen führt der Arzt den Tod nicht durch die Verabreichung eines Mittels aktiv herbei, sondern lässt den Patienten sterben, indem er auf lebensverlängernde Maßnahmen wie z.B. künstliche Ernährung, Dialyse oder künstliche Beatmung verzichtet. Statt von passiver Sterbehilfe spricht man auch vom „Sterbenlassen“. Als indirekte Sterbehilfe wird das Verabreichen von (schmerzlindernden) Medikamenten bezeichnet, die möglicherweise lebensverkürzend wirken. Der Begriff der indirekten (aktiven) Sterbehilfe ist jedoch umstritten, da die Intention des/der Arzt/Ärztin bei palliativmedizinischen Maßnahmen, die derartige Nebenwirkungen haben können, nicht auf das vorzeitige Sterben gerichtet ist, sondern auf die Verbesserung der Lebensqualität des Sterbenden.

Beihilfe zur Selbsttötung – eine rechtliche Grauzone

Beim assistierten Suizid hingegen reichen Angehörige oder Freund/-innen dem/der Betroffenen auf dessen/deren Wunsch hin ein Medikament, das zum Tod führt. Die Betroffenen müssen es eigenständig einnehmen. Genau wie der Suizid selbst ist auch die Beihilfe zur Selbsttötung in Deutschland nicht verboten – sofern die Betroffenen noch in der Lage sind, den letzten Schritt eigenständig auszuführen und solange es Angehörige und Freund/-innen sind, die diese Beihilfe leisten. Die so genannte ärztliche Musterberufsordnung, die von der Bundesärztekammer formuliert wird, verbietet Ärzt/-innen in Deutschland die Beihilife zum Suizid. Jedoch ist die Berufsordnung nicht verbindlich und so haben einigen Landesärztekammern sie nicht in das Standesrecht ihrer jeweiligen Länder übernommen. Gesetzlich zugelassen ist die ärztliche Suizidbeihilfe zum Beispiel in den US-Bundesstaaten Washington und Oregon. In Europa ist sie in einigen Ländern nicht strafbar, solange bestimmte Bedingungen erfüllt werden: in der Schweiz ist sie beispielsweise nur dann strafbar, wenn beim Arzt oder der Ärztin egoistische Motive vorliegen, in den Beneluxstaaten ist sie nur unter Einhaltung bestimmter Kriterien erlaubt – wie aussichtsloser Krankheit und der Bestätigung durch eine zweite Ärztin oder einen zweiten Arzt.

  • Unsere Infografik gibt einen Überblick über die unterschiedlichen Rechtsprechungen zum Thema Sterbehilfe in Europa. (in Kürze)

Hilfe beim Sterben – Hospizbewegung und Palliativmedizin

Im Gegensatz zu den oben aufgeführten Formen der Hilfe zum Sterben geht es der Hospizbewegung um Sterbebegleitung. Sie beschäftigt sich mit der Verbesserung der Situation Sterbender und ihrer Angehörigen. Dabei werden Methoden der Palliativmedizin genutzt, bei der nicht die Lebensverlängerung im Vordergrund steht, sondern die Verbesserung der Lebensqualität von Menschen an ihrem Lebensende. Laut einer Externer Link: Definition der Weltgesundheitsorganisation und der Deutschen Gesellschaft für Palliativmedizin geht es dabei um "die aktive ganzheitliche Behandlung von Patienten mit einer voranschreitenden, weit fortgeschrittenen Erkrankung und einer begrenzten Lebenserwartung zu der Zeit, in der die Erkrankung nicht mehr auf eine kurative Behandlung anspricht." Diese Behandlung schließt sowohl körperliche als auch – sofern vom Patienten oder der Patientin gewünscht – soziale, psychische und spirituelle Aspekte mit ein.

  • Auch bei verschiedenen Religionsvertreter/-innen haben wir nachgefragt und Ihre Standpunkte zur Sterbehilfe in einem Interner Link: Videomosaik zusammengefasst. 


Weitgehende Akzeptanz in der Bevölkerung, Unklarheit in der Politik

Vier Fünftel der Deutschen stehen laut einer Externer Link: Umfragevon infratest dimap aus dem vergangen Jahr, der Sterbehilfe offen gegenüber. Ein Drittel könnte sich sogar vorstellen, die aktive Sterbehilfe zur erlauben. Nur 12 % sind für ein generelles Verbot der Sterbehilfe. In der deutschen Politik ist das Verbot der aktiven Sterbehilfe relativ unstrittig, die Diskussionen konzentrieren sich hier vor allem auf die Rolle der Ärztinnen und Ärzte. Sie bewegen sich bei der Suizidbeihilfe in einer rechtlichen Grauzone. Seit Ende 2014 berät der deutsche Bundestag über eine gesetzliche Neuregelung der Sterbehilfe. Geplant ist noch in diesem Jahr ein neues Gesetz zu verabschieden, dass die Sterbehilfe in Deutschland klarer regelt. Netzdebatte wird zeigen, welche unterschiedliche Ansätze hier verfolgt werden und die aktuelle Bundestagsdebatte begleiten.

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Lydia Meyer, Communitymanagerin und Redakteurin, liebt Island. Wenn sie nicht Kulturwissenschaften in Leipzig studiert, für Netzmusikjournale bloggt oder für Radiosender über digitale Kultur nachdenkt, reist sie nach Island, um Musikfestivals zu planen.