Betrachtet man die leitenden Themen, an denen entlang populäre Sachbücher, Dokumentarfilme und Zeitschriften von den zwei längsten Flüssen Afrikas erzählen, so sticht ein greller Kontrast ins Auge. Mit dem Nil verbindet sich gewöhnlich das Bild einer sagenumwobenen "Lebensader", die die Kultivierung gewaltiger Wüsten und die Entstehung komplexer Gesellschaften im Alten Ägypten und Nubien ermöglicht hat.
In der Geschichtsforschung ziehen Großflüsse als "fließende Räume" vermehrt das Interesse von Historikerinnen und Historikern auf sich, die den Bedeutungen solcher Gewässer für die Konstituierung von Regionen nachspüren.
Anregungen dafür finden sich in der poetischen Literatur, etwa beim kongolesisch-österreichischen Schriftsteller Fiston Mwanza Mujila. Mäandernd und aufwühlend wie der Kongo selbst windet sich sein Langgedicht "Der Fluss im Bauch" durch persönliche und politische, gesellschaftliche und geschichtliche Angelegenheiten.
Das Wasser und der Wald
Eine Flussbiografie, die diese Bezeichnung ernst nähme, müsste mit der Geburt des Gewässers beginnen. Zurück bis ins Pleistozän soll es hier aber nicht gehen, zumal auch eine solche Biografie nicht vom Kongo allein erzählen würde, sondern von den Beziehungen zwischen ihm und den Menschen, die an und mit ihm lebten. Wann begannen diese Beziehungen? Genau lässt sich das nicht datieren, weil Knochen, Kanus und andere archäologische Überreste in den immergrünen Tropenwäldern, die das gewaltige Einzugsgebiet des Flusses überwiegend bedecken, nicht überdauern. Funde von Steinwerkzeugen und Keramik bezeugen eine menschliche Präsenz ab dem 4. Jahrtausend v. Chr. Wahrscheinlich migrierten die frühen Bewohnerinnen und Bewohner nach und nach von den östlichen Randgebieten des Waldlands ins Kongobecken, so legen es historisch-linguistische Untersuchungen nahe. Über weitere Einwanderer und Einwanderinnen erreichten spätestens ab dem 4. Jahrhundert v. Chr. Bantu-Sprachen und Techniken der Eisenverarbeitung das Gebiet. An den Kongo gelangten sie vom Norden her, womöglich in Kanus über den Nebenfluss Sangha.
Und dann? "dann knarrten die Jahrhunderte/von der Quelle bis zum Meer/kamen vom Himmel und der Erde/rollten Jahrhunderte und Jahrhunderte lang", so ein weiterer dichtender Biograf des Flusses, Tchicaya U Tam’si.
Paradoxerweise formierte sich das Kongobecken trotz seiner kulturellen Diversität früh zu einer Großregion. Ihre äußeren Konturen und inneren Verknüpfungen verdankte sie weniger einer politischen oder wirtschaftlichen Integration als einem Zusammenhang, der sich als "archipelagisch" beschreiben lässt: Die Fülle von Gewässern – Flüsse und Bäche, Seen und Sümpfe, Marsche und Moore – brachte verbindende, gewissermaßen aquatische Lebensweisen hervor, geprägt etwa durch das Fischen, das Sammeln von Sumpfpflanzen oder das saisonale Migrieren mit wandernden Fischarten.
Staatenbildung am unteren Flusslauf
Wie der Jangtse oder Euphrat und Tigris hat der Kongo vorteilhafte Voraussetzungen für die Bildung von Staaten geschaffen. Im westlichen Zentralafrika formierten sich die frühesten von ihnen, soweit bekannt, als Föderationen von Siedlungsgruppen in den fruchtbaren Tiefebenen des Kongos und seiner Zuflüsse. Wohl ab der Zeit des europäischen Spätmittelalters bildeten sich am unteren Stromlauf die zentralistischen Königtümer Kongo, Loango und Tio heraus. Loango, das sich nördlich der Mündung entlang der Küste bis Cap Lopez erstreckte, brachte Meereserzeugnisse ins Landesinnere und bezog von dort Walderzeugnisse und Kupfer. Im Hinterland grenzte Tio rechtsseitig an das Malebo-Becken an, eine seeartige Ausbuchtung des Flusses vor den heutigen Hauptstädten Kinshasa und Brazzaville.
Als größter der drei Staaten schloss das Königreich Kongo linksseitig an den unteren Flusslauf an. Zum größten Teil lag es damit im Gebiet des heutigen Angola, wo sich auch sein politisches Zentrum befand, die heutige Welterbestätte M’banza-Kongo. Von dort aus waltete das Herrscherhaus der Mwissikongo über den Handel mit land- und forstwirtschaftlichen sowie handwerklichen Erzeugnissen. Bei Eroberungszügen in benachbarte Gebiete nahm der Staat Gefangene, die man als Sklavinnen und Sklaven zur Landarbeit in die Gegend von M’banza-Kongo verschleppte.
Da sich das Kongo-Reich im späten 15. Jahrhundert das Mündungsgebiet einverleibte – als Provinz Soyo –, war es der erste Staat, von dem portugiesische Seefahrer Kenntnis erlangten, als sie 1483 den Fluss erreichten. In der Annahme, über den Kongo das Reich des mythischen Priesterkönigs Johannes erreichen zu können, segelten die Karavellen flussaufwärts. Nach rund 135 Flusskilometern endete die Fahrt an den Stromschnellen von Yellala. Noch in den nachfolgenden drei Jahrhunderten sollten diese ein Vordringen von Europäern ins Landesinnere verhindern. Eine Flussbiografie müsste neben den verbindenden Qualitäten des Gewässers auch solchen diskonnektiven Gesichtspunkten nachgehen: Welche Umwege verlangte der Kongo den Menschen ab? Für welche Mobilitäten eröffnete er Chancen, wem machte er einen Strich durch die Rechnung?
Ungehindert schiffbar ist allein der mittlere Abschnitt des Kongos, der sich vom Malebo-Becken über mehr als 1500 Kilometer bis zu den Stromschnellen von Boyoma windet. Diente der mittlere Kongo schon zur Zeit der frühen Königtümer als Verkehrsweg? Wahrscheinlich ja. Archäologische Funde deuten auf einen kettenartigen Fernhandel hin, der den Austausch von Sandelholz, Kupfer und Tonpfeifen umfasste. Da sich in den dichten Wäldern weder Wagen noch Lasttiere einsetzen ließen – die dort verbreitete Tsetsefliege überträgt die Tierseuche Nagana –, wurde wohl gerade schwere Ware mit Kanus transportiert und nur entlang der nicht schiffbaren Abschnitte von Trägern übernommen. Von den Ufern des Ubangis aus, des zweitgrößten Nebenflusses des Kongos, spezialisierte sich die Fischereigesellschaft der Bobangi früh auf den Kanutransport von Handelswaren.
Portalgewässer der atlantischen Welt
Da an der Westküste Zentralafrikas nur wenige geschützte Buchten und Inseln liegen, nutzten die Portugiesen bevorzugt abgeschirmte Uferstellen im Mündungsgebiet als Handelsplätze.
Ab etwa 1500 wurden auch Sklavinnen und Sklaven gehandelt, die die Portugiesen zur Plantagenarbeit auf ihre Inselkolonie São Tomé deportierten. Die Regenten der Küstenprovinz oder auch Zwischenhändler nutzten dies zum eigenen Vorteil. Doch als sich der Abnahmemarkt für Versklavte ab den 1520er Jahren um den amerikanischen Doppelkontinent erweiterte, zeigten sich schon bald die zerstörerischen Effekte, die dieser Handel nicht nur für die jährlich mehreren Tausend leidvoll Verschleppten selbst hatte: innenpolitische Erosionen, Abwanderungsbewegungen und Verlust von Arbeitskraft – um nur einige zu nennen.
Weil das Herrscherhaus des Kongo-Reichs diesen Handel in Anbetracht der inneren Erschütterungen mehr und mehr einschränkte, verlagerten die Portugiesen ihre Präsenz ab Mitte des 16. Jahrhunderts nach Süden.
An der Flussmündung sagte sich die Provinz Soyo vom Königreich los. Zwischen Soyo und Loango formierten sich zwei weitere Küstenstaaten, die ihre Konsolidierung dem Ausfuhrhandel verdankten: Ngoyo um den Hafen Cabinda und Kakongo um den Hafen Malemba. Diesen Handelskorridor steuerten ab dem späten 17. Jahrhundert vermehrt Schiffe von niederländischen, britischen, spanischen und französischen Kompanien an und brachen so die portugiesische Vormachtstellung. In den Häfen verstanden es die afrikanischen Mittelsmänner, ihre Machtposition gegenüber der des jeweils nominellen Staatsoberhaupts auszubauen.
Die Lieferketten aus dem Landesinnern lebten von der Beteiligung vieler unterschiedlicher Akteure und der Nutzung diverser Transportverfahren. Den Stoßzahn eines Elefanten beispielsweise übergaben die Jäger – häufig sogenannte Pygmäen, also Angehörige kleiner Jäger- und Sammlergemeinschaften in den Wäldern – zunächst an Männer aus den umliegenden Dörfern, die ihn ans Ufer eines Nebenflusses trugen. Von dort gelangte er auf der Piroge eines Fischers an den Kongo, dann auf den Kanus wechselnder Zwischenhändler zu einem der Umschlagplätze am Malebo-Becken und schließlich mit einer Trägerkarawane in einen der Häfen.
Komplizenhafte Wasserstraße
Umgekehrt bewirkte die rasch wachsende Nachfrage in den Amerikas in den 1780er Jahren eine Erweiterung des Sklavenhandels bis an den mittleren und oberen Kongo. Unweit der Mündung avancierte die Flusssiedlung Boma zu einem bedeutenden Sklavenmarkt. Ungewiss bleibt allerdings, wie viele der mehr als fünf Millionen Menschen, die von Anfang des 16. bis Ende des 19. Jahrhunderts von der Westküste Zentralafrikas über den Atlantik verschleppt wurden, aus der Flussregion selbst kamen.
Zunehmende Preiskonkurrenz begünstigte es, die Lieferketten in wenige lange statt in viele kurze Glieder aufzuteilen, um die Zahl der mitverdienenden Zwischenhändler zu verringern. Auf solche Ferntransporte spezialisierten sich die Bobangi. Sie ruderten die Gefangenen ab etwa 1800 vom oberen Flusslauf direkt zu Umschlagplätzen in Tio. Weil Versklavte aus dem Landesinnern gewöhnlich nicht schwimmen konnten, nutzten die Bobangi Flussinseln für die Nachtlager und unterbanden damit Fluchtversuche.
Das Verbot des Sklavenhandels im britischen Imperium 1808 und die nachfolgenden Bestrebungen, dieses auf die übrigen Kolonialmächte auszuweiten, führten im Umland der Mündung zunächst zu einer Intensivierung jenes Handels. Denn weil die mächtigen Mittelsmänner die Entstehung europäischer Kolonialexklaven unterbunden hatten, fanden gerade brasilianische und spanisch-kubanische Sklavenschiffe in Boma und Cabinda verlässliche Alternativen zu den nun gesperrten Häfen.
Als dieser Schmuggel in den 1870er Jahren wegen des steigenden Geschäftsrisikos zusammenbrach, war ein neuer, vor allem auf Elfenbein, Palmöl und Kautschuk fokussierter Ausfuhrhandel bereits im Entstehen begriffen. Dafür setzten europäische Unternehmen auf eigene Handelsniederlassungen ("Faktoreien") und Bootsflotten, was zu einem Umbruch der Macht- und Logistikstrukturen am unteren Kongo führte.
Koloniales Grenzwasser
Für die Flussregion erwies sich die 1884/85 in Berlin ausgerichtete "Kongokonferenz" als Zäsur. Unter anderem verständigten sich die Regierungsvertreter von 13 europäischen Kolonialmächten sowie der Vereinigten Staaten darauf, die Souveränität der International Association of the Congo – einer Kapitalgesellschaft des belgischen Königs Leopold II. – über weite Teile des Kongobeckens anzuerkennen. Die Gesellschaft willigte im Gegenzug ein, das rohstoffreiche Gebiet als Freihandelskolonie für die Ausbeutung durch Unternehmen aller Nationen zu öffnen und dafür eine zollfreie Schifffahrt im gesamten Flusssystem zu gewährleisten. Der Kongo avancierte zu einem kolonialen Grenzwasser, über das sich ein Netz von Handels-, Militär- und Missionsstationen immer tiefer ins Landesinnere ausweiten sollte – und mit ihm ein System unreglementierter Raubwirtschaft.
Dampfboote waren in dieser Frontier-Konstellation eine Schlüsseltechnologie. Auf dem mittleren Kongo kamen sie erstmals 1881 zum Einsatz; die belgische "En Avant" war zu diesem Zweck über Land ans Malebo-Becken geschleppt worden. Begünstigt durch eine von Zwangsarbeitern errichtete Bahnverbindung von der Küste zum Handelsposten Léopoldville erhöhte sich die Zahl der Dampfboote auf diesem Flussabschnitt bis zur Jahrhundertwende auf 103.
Derweil sicherte sich Frankreich rechtsseitig des unteren Flusslaufs die Souveränität über Gebiete, die es ab 1910 in die neu geschaffene Großkolonie "Französisch-Äquatorialafrika" eingliederte. Erstmals fiel dem Kongo damit die Funktion einer Territorialgrenze zu. Um den "Freistaat" in eine profitable Unternehmung zu verwandeln, zwangen die Obrigkeiten mittels Naturalsteuern und oft gnadenloser Gewalt die Bevölkerung im Umland der Flüsse zur Beschaffung des stark nachgefragten Naturkautschuks. Durch Zwangsarbeit und Gewaltexzesse sowie durch indirekte Effekte des Ausbeutungsregimes starben bis zu zehn Millionen Menschen, etwa die Hälfte der Bevölkerung des Kongobeckens.
Unter dem Druck wachsender Proteste in den Vereinigten Staaten und Europa gegen diese "Kongogräuel" trat Leopold II. die Kolonie 1908 an den belgischen Staat ab. Dieser ließ großflächige Plantagen- und Bergbaugebiete erschließen und für deren infrastrukturelle Anbindung weitere Bahnstrecken zur Umgehung von Stromschnellen anlegen. Die Neuordnung des "Congo Belge" nach den Maßgaben einer kolonialen Modernisierung stützte sich wesentlich auf Zwangsarbeit; in vielen Gebieten zerfielen infolge der Verschleppung von Männern zum Eisenbahnbau oder Armeedienst althergebrachte Sozialstrukturen.
Träger enttäuschter Hoffnungen
Da viele der Minen, die nach dem Ersten Weltkrieg das Rückgrat der Exportproduktion bildeten, im Süden der Kolonie weitab von schiffbaren Flüssen lagen, erweiterte die Administration die Verkehrsinfrastruktur um zusätzliche Bahnstrecken und ab den 1920er Jahren auch um Straßen und Flugplätze.
Neben den Arbeitersiedlungen in der Montanregion wuchs auch Léopoldville zusehends, nachdem es die belgische Exilregierung in London 1941 zur Hauptstadt erklärt hatte. Ausgehend von den Bars der durch westafrikanische Einwanderer geprägten Arbeiterviertel entwickelte sich eine neue Musikkultur, die afrikanische Einflüsse mit Jazz-Elementen und afro-kubanischen Stilrichtungen verband. Junge Musiker wie Wendo Kolosoy oder Henri Bowane, bald auch international rezipiert, begründeten den bis heute währenden Ruf der Flussmetropole als Schmelztiegel kultureller Kreativität.
Wie in anderen Teilen Afrikas nahm in "Congo Belge" der Widerstand gegen die Kolonialherrschaft zu, als der Zweite Weltkrieg die Verletzlichkeit der Kolonialmächte offenbarte. Erste massive Proteste ereigneten sich in der Montanregion und kulminierten 1941 im Streik von Élisabethville. Als 1959 auch Léopoldville von Unruhen erfasst wurde – angetrieben von der neuen Unabhängigkeitspartei Mouvement National Congolais, aufbegehrenden Jugendszenen und randalierenden Fußballfans –, sah sich die belgische Regierung zur Zusicherung der Unabhängigkeit innerhalb weniger Monate gezwungen.
Die überhastete, kaum vorbereitete Dekolonisation sollte einen desaströsen Verlauf nehmen. Unmittelbar nach der Regierungsübernahme durch den gewählten Premierminister Patrice Lumumba am 30. Juni 1960 kam es zu Meutereien im Militär und zur Flucht des belgischen Verwaltungspersonals. Die Dynamik der so entfachten "Kongo-Krise" ist oft beschrieben worden; sie endete mit dem von westlichen Geheimdiensten unterstützten Staatsstreich des Offiziers Mobutu und der Ermordung Lumumbas.
Welche Bedeutung trug in all dem der Fluss? Kongolesische Schriftsteller wie Maxime N’Debeka oder Sylvain Bemba beschworen sein verbindendes Potenzial als Bezugspunkt einer gemeinsamen Vergangenheit und Zukunft
Als Schritte einer dekolonialen retour à l’authenticité benannte Mobutu 1971 den Staat in Republik Zaïre und den Fluss in Zaïre um.
Gegen den Dogmatismus des Mobutu-Regimes, das der Bevölkerung auch eine postkoloniale Einheitskleidung vorschrieb, trugen in Kinshasa – so der neue Name des vormaligen Léopoldville – ab den 1970er Jahren die Sapeurs Designermode und elegante Frisuren zur Schau. Beeinflusst von der Big Band "Zaïko Langa Langa" untermauerte diese Stilkultur den Ruf von Kinshasa als "Trendmeile" Zentralafrikas.
Aufgrund der oft grausamen Repression gegenüber Oppositionellen und einer dramatischen Verarmung der Bevölkerungsmehrheit verlor das kleptokratische Regime in den 1980er Jahren rapide an Rückhalt. Als Mobutu mit dem Ende des Kalten Kriegs auch die Unterstützung des Westens einbüßte, drängten eine zivilgesellschaftliche Demokratiebewegung sowie kirchliche, militärische und regionalistische Kräfte auf seinen Sturz. Diesen vollbrachte 1997 eine von Ruanda und Uganda unterstützte Rebellenallianz unter Führung des alten Mobutu-Rivalen Laurent-Désiré Kabila. Der Fluss erhielt den Namen Kongo zurück, und der Staat heißt seither Demokratische Republik Kongo. Demokratisierung und wirtschaftliche Erholung blieben jedoch aus. Schon 1998 wurden weite Teile des Kongobeckens erneut zum Kriegsschauplatz, als Milizen aus den östlichen und nördlichen Provinzen gegen die Regierung Kabilas rebellierten. In rascher Folge intervenierten Ruanda und Uganda – diesmal gegen Kabila –, dann Angola, Simbabwe und zahlreiche weitere afrikanische Staaten auf Regierungsseite. Erst nach einem Attentat auf Kabila gelang 2002 die Durchsetzung eines Friedensabkommens.
Teilnehmender Zeuge
"was für ein Fluch/nur dabei zu sein/ohne zu altern/im Mief der Zeit", kommentiert Mujila die "Einsamkeit" des Kongos.
Neben diesen Fragen müsste eine Flussbiografie auch das von Mujila bezweifelte Altern und den Tod des Kongos behandeln. Für einen Nachruf ist es erfreulicherweise zu früh. Doch aktuelle Entwicklungen drohen zumindest das Leben im Fluss zu gefährden, allen voran die Planungen für das Wasserkraftwerk "Inga III". Sollte das seit den 1990er Jahren vorbereitete Mega-Infrastrukturprojekt Wirklichkeit werden, käme es einem Todesurteil für viele wandernde Fischarten gleich – und dies wäre nur eine von vielen zerstörerischen Folgen.
Auf den Fluss wirkt sich heute auch das anhaltend hohe Bevölkerungswachstum aus, das weithin als strukturell bedeutendste Entwicklung im Kongobecken gilt – statistisch bringt jede Frau sechs Kinder zur Welt. Da sich die rasch wachsenden Städte über das dünne Straßennetz kaum versorgen lassen, nimmt der Flussverkehr mit Pirogen, dieselbetriebenen Schubbooten und Walbooten (Baleinières) zu. Letztere füllen die Lücke, die der korruptionsbedingte Niedergang der staatlichen Postschifffahrt in den 1990er Jahren hinterlassen hat.
Mit Blick auf die Zukunft verdient in Anbetracht der Covid-19-Pandemie ein weiteres Problem Aufmerksamkeit: Ähnlich wie am Amazonas oder am Jangtse erhöht das demografiebedingte Vordringen der Bevölkerung in tropische Urwälder das Risiko von Zoonosen, also Übertragungen von bislang unter Wildtieren verbreiteten Krankheitserregern auf Menschen. In den vergangenen Jahrzehnten sind die meisten Epidemien und Pandemien neuartiger Infektionskrankheiten solchen Konstellationen entsprungen, neben Covid-19 oder HIV auch das zuerst an einem Nebenfluss des Kongos identifizierte Ebola-Fieber. Immerhin: Mit der Beendigung der Ebola-Epidemien in den östlichen und zentralen Regionen gelang der Demokratischen Republik Kongo 2020 einer der größten Erfolge ihrer jüngeren Geschichte. Und doch ist es wahrscheinlich, dass der Konnex zwischen Waldzerstörung, Artensterben und neuen Seuchen im Kongobecken weitere Krisen hervorbringen wird. Anzunehmen ist auch jenseits von Worst-Case-Szenarien jedenfalls eines: Die Lebensumstände in Zentralafrika werden auch zukünftig eng mit dem Fluss verwoben bleiben.