Jung sein in Zeiten der Corona-Pandemie fühlt sich an, wie "Mensch ärgere Dich nicht" zu spielen: Kaum erlauben sich Jugendliche, wieder etwas für die Zukunft zu planen, kommt die nächste Welle, und es geht zurück auf Anfang. In Interviews berichten Jugendliche von Geburtstagen und ihrem Schulabschluss, die sie gerne gefeiert hätten und nicht konnten, von Praktika, Reisen und Auslandsaufenthalten, die ersatzlos ausgefallen sind, und von einer psychischen Belastung, der viele nicht mehr ohne professionelle Hilfe standhalten. Hier wächst eine "Generation Reset" heran: Einerseits leben Jugendliche mit frustrierender Planungsunsicherheit und verbauten Chancen, andererseits beweisen sie angesichts der epochalen Herausforderung Anpassungsfähigkeit und Kreativität, um sich Freiheiten und Perspektiven zurückzuerobern.
Im Folgenden gehen wir der Frage nach, wie sich diese Situation auf das Verhältnis der jungen Generation zur Politik auswirkt. Fühlen sich die Jugendlichen von der Politik ungerecht behandelt? Wie groß ist ihr Protestpotenzial? Wurde es durch die Corona-Pandemie verändert, abgeschwächt oder verstärkt? Anschließend geht es um die Frage, welche Wünsche und Forderungen die Angehörigen der jungen Generation artikulieren, wenn es um ihren Part bei der Mitgestaltung des gesellschaftlichen Lebens geht – welche Erwartungen sie also mit eigener politischer Beteiligung verknüpfen.
Lebensgefühl Kontrollverlust
Die Corona-Pandemie dauert nun schon anderthalb Jahre. Im Leben eines Teenagers oder jungen Erwachsenen ist dies eine sehr lange Zeit. Es geht um anderthalb Jahre in einer Lebensphase, von der viele Ältere sagen, es sei die beste Zeit ihres Lebens gewesen. Für die heutigen Jugendlichen geht es um anderthalb Jahre, in denen sie in der Schule, auf dem Uni-Campus, bei der Arbeit oder in der Freizeit ihre Freunde nicht einfach treffen oder sich unkompliziert verlieben konnten, in denen es ihnen nicht möglich war, ihren Hobbys wie gewohnt nachzugehen oder sich zu engagieren.
Von vielen älteren Menschen ist bisweilen zu hören, dass die Jungen "sich nicht so anstellen" sollen, es gehe ihnen doch trotz allem gut. Im Vergleich zur Kriegsgeneration mag das stimmen, doch die Jugendlichen vergleichen sich mit älteren Freunden oder Geschwistern, denen es in ihrer Lebensphase besser ging. Zudem zählt die Jugendzeit zu den wichtigsten Phasen, was die Entwicklung der Persönlichkeit und die berufliche Orientierung angeht. Während die Älteren bereits "angekommen" sind, sind die Jungen noch auf der Suche – nach ihrer Identität, ihrer sexuellen Orientierung, einem Partner oder einer Partnerin, nach Freundinnen und Freunden fürs Leben, nach einem Ort, an dem sie leben und einer Aufgabe, der sie sich widmen wollen. Diese Suche findet für die Angehörigen der sogenannten Generation Z (ungefähr zwischen 1995 und 2010 geboren) durch die Corona-Pandemie unter erschwerten Bedingungen statt, weil Räume des sozialen Miteinanders und Kennenlernens wie Feste, Ausbildungsmessen oder Praktika häufig nicht oder ersatzweise nur digital stattfinden.
Die Kommunikation der Politik in Richtung der Jugend beschränkte sich in den zurückliegenden anderthalb Jahren im Wesentlichen auf die zentralen Forderungen: Nehmt Rücksicht, haltet euch an die Regeln und wartet ab. Die Botschaft ist angekommen. Das zeigt unsere Studie "Jugend und Corona in Deutschland" mit Erhebungen im Herbst 2020 und im Sommer 2021:
Hier liegen die Hauptgründe für die erschwerte Situation: in der Ungewissheit darüber, wie es weitergeht, in dem Gefühl, keine Kontrolle über wichtige Entscheidungen der Lebensgestaltung zu haben. Jugendliche wissen in der Pandemie-Situation nicht, wie sie sich motivieren sollen, weil gefühlt alles, was Spaß macht – wie Ausgehen, Feste feiern, Festivals besuchen oder Verreisen –, nicht oder nur eingeschränkt erlaubt ist; weil sie vergeblich darauf gewartet haben, vonseiten der Politik Verständnis und Unterstützung für ihre schwierige Lage zu bekommen; und weil nur die Eltern und die Freunde noch zu ihnen halten, die aber jetzt selbst völlig erschöpft und mit ihren Unterstützungsmöglichkeiten am Ende sind.
Die jungen Deutschen haben seit Beginn der Pandemie erstaunlich viel Geduld mit der Politik bewiesen. Sie haben Verständnis dafür gezeigt, wie langsam und schlecht die Bildungssysteme der verschiedenen Bundesländer die Digitalisierung von Unterricht und Prüfungen für Schülerinnen und Schüler, Auszubildende und Studierende umgesetzt haben. Sie haben achselzuckend zur Kenntnis genommen, dass alle politischen Weichen zur Abfederung der negativen Folgen der Pandemie vor allem zugunsten der mittleren und der älteren Generation gestellt wurden. Sie haben sich in ihren vier Wänden eingerichtet und Struktur in den durch Online-Termine getakteten Tag gebracht, obwohl sie Kopfschmerzen von Online-Unterricht und Online-Lerngruppen hatten. Sie haben die Einsamkeit akzeptiert, weil es ihnen ja grundsätzlich gut ging, es zumindest nicht an einem Dach überm Kopf und etwas zu Essen mangelte – weil sie offenbar alles Lebensnotwendige hatten.
Pandemiebedingte Freiheitsberaubung
Doch sie hatten nur scheinbar alles, denn eines hatten sie nicht: die Freiheit, zu tun, was sie wollten. Diese Freiheit aber, das wurde in der öffentlichen Diskussion oft übersehen, ist für die Lebensphase Jugend eine Lebensnotwendigkeit. Ohne diese Freiheit ist der Aufbau einer selbstständigen Persönlichkeit nicht möglich. Und das ist unserer Auffassung nach der entscheidende Punkt, der zum Auslöser für den politischen Protest der jungen Generation werden könnte.
Im Sommer 2021 schreiben Medien in allen Teilen Deutschlands über Jugendliche, die in Parks feiern, Alkohol trinken und sich nicht an Hygienevorschriften halten. Es sind junge Menschen, die sehen, wie ältere, bereits geimpfte Menschen wieder Freiheiten genießen, die ihnen weiterhin verwehrt sind. 60 Prozent der 14- bis 29-Jährigen wollen unbedingt geimpft werden, weitere 20 Prozent unter bestimmten Voraussetzungen (bestimmter Impfstoff, zu erwartende Vorteile, mehr Kenntnis über mögliche Nebenwirkungen).
Jugendliche haben in Zeiten der Corona-Pandemie kaum alternative Rückzugsräume. Alle Locations des sozialen Miteinanders junger Menschen, von Schulen und Vereinen bis zu Clubs und Bars, sind nur mit Einschränkungen oder gar nicht zugänglich. In dieser Situation der fehlenden Alternativen riskiert die Politik durch eine harte Antwort auf die Feiernden in Parks, Jugendliche zu radikalisieren und zu kriminalisieren.
Während etwa in Stuttgart bei Demonstrationen von Corona-Leugnern mit 5000 Teilnehmenden ohne Maske von der Polizei aus "taktischen Gründen" nicht eingeschritten wird, erhält zeitgleich ein 17-Jähriger, der mit sechs Freunden beim Feierabendbierchen am Neckar sitzt, einen Ordnungswidrigkeitsbescheid über 185 Euro, weil er sich vorschriftsgemäß ja nur mit Personen aus zwei Haushalten treffen dürfte. Und das, obwohl die Jugendlichen bewusst ins Freie gegangen sind und sich vorher getestet haben, nachdem sie den Schultag zu zwanzigst in geschlossenen Räumen ohne Luftfilter verbracht haben. Diese Jugendlichen ziehen nicht los, um Krawall zu machen, sondern weil sie sich wieder mit Freunden treffen wollen. Kommt es zu Krawallen, dann gibt es spezifische Auslöser dafür. Der Mix aus Einsamkeit, Enttäuschung, gefühlter Ungerechtigkeit und Kontrollverlust führt gepaart mit der realen Freiheitsberaubung zur Reaktion: "Jetzt reicht’s!" Diese Reaktion ist als ein Hilferuf an die Politik zu verstehen, da Jugendliche seit nunmehr anderthalb Jahren vergeblich auf eine Perspektive für ihre sozialen Bedürfnisse warten.
Am Ende der Geduld
Wann immer junge Menschen sich über den großen Schuldenberg, zu hohe Mieten in den Städten oder umwelt- und klimaschädliche Politik beschweren, wird als Gegenargument das erreichte und zu wahrende hohe Wohlstandsniveau herangezogen, um die Diskussion zu beenden. Seit dem Aufkommen der weltweiten Fridays-for-Future-Bewegung ist dieses Argument ins Wanken geraten, weil immer klarer wird, in welchem Ausmaß der Wohlstand von morgen von einer intakten Umwelt und der Eindämmung des Klimawandels heute abhängt. Zu den zentralen politischen Erfahrungen von Jugendlichen, die vor Beginn der Pandemie während der Unterrichtszeit für Klimaschutz demonstrierten, zählt: (Nur) wenn wir uns engagieren und gegen Regeln verstoßen (Schule schwänzen), bekommen wir Aufmerksamkeit vonseiten der Politik und Medien.
Eine weitere wichtige Erfahrung dieser jungen Menschen ist, dass sie erleben, wie die Politik die Interessen der jungen und künftigen Generationen aus eigenem Antrieb nicht ausreichend berücksichtigt. Beispielhaft dafür sind die erfolgreichen Verfassungsbeschwerden von neun Jugendlichen und jungen Erwachsenen gegen das 2019 verabschiedete Klimaschutzgesetz: Das Bundesverfassungsgericht stufte das Gesetz im Frühjahr 2021 als verfassungswidrig ein, weil es die Lasten der erforderlichen Minderung der Treibhausgasemissionen zu sehr auf die Zeit nach 2030 verschiebe und damit die Freiheitsrechte der jüngeren Generation verletze.
Im Vorfeld der Europawahlen im Mai 2019 hatten viele junge Menschen zudem ein kommunikatives Schlüsselerlebnis, das die heutige Bedeutung der Social-Media-Kanäle für die junge Generation unterstreicht. Der Youtuber Rezo veröffentlichte mit dem Video "Die Zerstörung der CDU" einen umfassend recherchierten Verriss der CDU, mit der klaren Handlungsempfehlung, diese Partei nicht zu wählen. Sein Video verbreitete sich viral im Netz, wurde von sämtlichen Leitmedien aufgegriffen und innerhalb weniger Wochen über zehn Millionen Mal aufgerufen. Die zum Teil unbeholfen wirkenden Versuche der CDU, auf Youtube dagegenzuhalten, führten vor Augen, welche Macht Social-Media-Influencer mittlerweile haben, um die öffentliche Meinung politisch zu beeinflussen. Ein Grund für diesen Erfolg liegt sicherlich auch darin, dass die "klassischen" Wege der Politikvermittlung nicht mehr wie früher funktionieren und Parteien und Medien es bislang offenbar verpasst haben, das große Interesse junger Menschen an politischen Themen zielgruppengerecht zu bedienen. Immer mehr Jugendliche füllen diese Lücke mit ihren eigenen Wegen der digitalen Kommunikation.
Lange waren Influencer vor allem mit Fitness- und Beauty-Themen, Comedy oder Tipps für einen erfolgreichen Lifestyle erfolgreich. Doch Plattformen wie Youtube oder Tiktok fördern die Sichtbarkeit von Accounts, die sich mit Themen wie Bildung, Demokratie oder Berufsorientierung beschäftigen. In den Pandemie-Monaten hatten junge Menschen zudem viel Zeit und haben diese scharenweise in ihren Social-Media-Erfolg investiert. Innerhalb weniger Monate haben Creators wie Tobias Jost ("Der Karriereguru") oder Nina Poppel ("Nini_erklärt_Politik") auf Tiktok ein junges Publikum von weit über Hunderttausend Followerinnen und Followern aufgebaut. Das sind nur zwei von vielen jungen Akteuren, die innerhalb kürzester Zeit enorm an Reichweite und Meinungsmacht gewonnen haben.
Bei Rezo war es das Gefühl von "Jetzt reicht’s", das ihn zu seinem "Zerstörungs-Video" motivierte. Dasselbe Gefühl beobachten wir im Sommer 2021 bei vielen Jugendlichen, die in Parks feiern. Größere organisierte Proteste oder politisch motivierte Krawalle von Jugendlichen gegen ihre Benachteiligung in der Corona-Pandemie gab es bislang noch nicht. Doch der Druck im Kessel steigt. Die Demonstrationen der Fridays-for-Future-Bewegung konzentrieren sich auf klimapolitische Ziele. Aber das könnte sich schnell ändern, wenn das drängendste Problem der Jugend nicht mehr allein das Klima ist, sondern ihre anhaltend eingeschränkten Freiheitsrechte.
Protestszenarien
Es stellt sich nunmehr die Frage, ob die junge Generation neben kreativen neuen und digitalen Protestformen auch auf traditionelle Formen wie klassische Straßendemonstrationen zurückgreifen wird, so wie es die Fridays-for-Future-Bewegung getan hat. Denn nur, wenn sie das tut, kann sie in das etablierte, von den politischen Parteien getragene Machtgefüge des politischen Prozesses wirkungsvoll eingreifen. Wegen der Einschränkungen infolge der Corona-Pandemie hat es solche Protestformen in den vergangenen anderthalb Jahren kaum gegeben. Die Mehrheit der Jugendlichen hat sich diszipliniert an die Kontaktbeschränkungen und andere Restriktionen gehalten. Was der Jugend nun fehlt, ist eine "Zielscheibe" oder ein politisches "Feindbild". So groß die Frustration mit der Politik ist, so ungeklärt ist die Frage nach den verantwortlichen "Schuldigen". Auf die Frage, wer sich konkret hinter "der Politik" verbirgt, wissen in unseren Interviews viele spontan keine Antwort und suchen sie irgendwo zwischen Rathaus, Kultusministerium und Bundestag.
Es ist deswegen durchaus ein konstruktives Szenario denkbar, in dem Jugendliche ihre politischen Forderungen zur Aufhebung der Einschränkungen ihrer Freiheitsrechte im Dialog mit der Politik äußern und nicht in Form eines offenen Konflikts. Eine Voraussetzung dafür wäre, dass Politikerinnen und Politiker in sämtlichen Landesteilen junge Menschen auf verschiedenen Ebenen beteiligen, ihnen Perspektiven für ihre Bedürfnisse aufzeigen und sie dadurch von einem Aufbegehren oder einer Radikalisierung ihrer Forderungen abhalten. Hierfür ist es notwendig, dass sie aktiv auf junge Menschen zugehen und sich für deren Interessen einsetzen. Das heißt allerdings auch, dass bestehende Reibungspunkte auf den Tisch kommen und gewisse Fronten geklärt werden müssten. Für eine solche konstruktive Variante der Konfliktaustragung spricht, dass
Jugendliche eine institutionalisierte Form der Beteiligung vermissen, sich also ein Sprachrohr wünschen, durch das ihre Forderungen in der Pandemie klar formuliert an die Politik getragen werden;
der Jugend junge Führungspersönlichkeiten fehlen, die bereit wären, den Protest als "Kampf gegen das System" anzuführen;
junge Menschen häufig nachgeben, wenn sie sich im Kreis ihrer Familie gegen das Argument behaupten müssen, dass es ihnen doch "eigentlich gut" geht und sie nur noch ein wenig Geduld haben müssen;
die junge Generation überwiegend im Geist der Kooperation mit ihren Eltern aufgewachsen ist und Konflikte eher scheut.
Alternativ wäre ein destruktives Szenario denkbar, wenn im Zuge von Bundestagswahl und gegebenenfalls Koalitionsverhandlungen die Interessen der jungen Generation bewusst hintangestellt werden, weil den Kandidatinnen und Kandidaten ihr Anteil an der wahlberechtigten Bevölkerung zu unwichtig erscheint. Wenn sich die Zukunftsperspektiven der Jungen daraufhin soweit verschlechtern, dass bei ihnen ein Gefühl von "wir haben eh nichts mehr zu verlieren" eintritt, könnte es zu einer Verhärtung der Fronten kommen. Verschärfend könnte wirken, wenn der Jugend weiterhin sämtliche Rückzugsräume genommen werden. Aus einer solchen Lage, wenn Jugendliche keinen anderen Weg mehr sehen, um ihren Interessen Gehör zu verschaffen, könnte sich politischer Protest entwickeln, der auch gewaltsam ausgetragen wird. Für ein solches destruktives Szenario spricht,
dass die bisherigen Antworten der Kommunen auf die feiernden Jugendlichen in Parks konsequent hart waren und die Jugend selbst in keiner Weise einbezogen wurde;
dass sich trotz intensiver Berichterstattung über die alarmierenden Auswirkungen der Corona-Pandemie auf die junge Generation bislang wenig bis nichts getan hat, um ihre Situation grundlegend zu verbessern.
Es ist aber durchaus auch möglich, dass die Szenarien 1 und 2 parallel eintreten, weil verschiedene Gruppierungen unabhängig voneinander ihren Protest auf unterschiedliche Weise austragen. Je nachdem, wie verzweifelt jemand ist, wird auch die Wahl der Protestform ausfallen. In unseren Studien zur Lage der Jugend in der Pandemie haben wir untersucht, bei welchen Gruppen innerhalb der jungen Generation der Frust besonders hoch ist.
Die wahrscheinlichsten Hauptakteure in einem konstruktiven Konflikt sind Studierende sowie Schülerinnen und Schüler. Es ist die "Generation Greta",
Beteiligung aktivieren
Ein oft genannter Grund, warum junge Menschen nicht häufiger beteiligt werden, ist die Vermutung der Überforderung oder dass junge Menschen nicht bereit wären, sich zu beteiligen. Dass dieses Vorurteil nicht zutrifft und die Partizipation eher an der mangelnden Kompetenz der Organisatoren als am Willen der Jugend scheitert, haben zahlreiche erfolgreiche Beteiligungsprojekte eindrucksvoll bewiesen.
Junge Menschen stört in der Corona-Pandemie, dass sie bei politischen Entscheidungen, die sie betreffen, häufig nicht befragt werden. Da sie das Ergebnis dieser Entscheidungen überwiegend als mangelhaft und unbefriedigend wahrnehmen, bringen viele Jugendliche in den Interviews für unsere "Jugend und Corona"-Studie zunehmende Verärgerung sowie den Wunsch nach mehr Beteiligung zum Ausdruck.
Doch es braucht gar nicht immer professionelle Workshops oder aufwändige Entwicklungsveranstaltungen: Der einfachste und wichtigste Schritt, um junge Menschen zu Zukunftsgestalterinnen und -gestaltern zu machen, besteht darin, ihnen zuzuhören und ihre Bedürfnisse ernst zu nehmen – zwei einfache Dinge, die viele Jugendliche in der Pandemie vermisst haben. Und deshalb ist die Forderung genau danach die wichtigste, die sich an "die Politik" beziehungsweise an die Politikerinnen und Politiker von der kommunalen bis zur Bundesebene richtet.
Im Rahmen unserer Studie "Junge Deutsche 2021" haben wir über 1600 14- bis 39-Jährige in Deutschland befragt, welche Wünsche sie an Politik in Deutschland haben beziehungsweise was ihre Vertreterinnern und Vertreter unbedingt tun sollten. Die Antworten geben eine klare inhaltliche Orientierung.
In unserem Ermessen ist das erstrebenswerte Szenario die Form des konstruktiven Konflikts, in dessen Rahmen in kooperativer Weise die wichtigen Zukunftsbaustellen definiert und auch aus Sicht der jungen Generation beleuchtet werden. Um Politik nachhaltig zu gestalten und die Akzeptanz durch künftige Generationen zu sichern, ist es in dieser Krisensituation und gesellschaftlichen Umbruchphase wichtig, dass die Interessen junger Menschen in der Politik Berücksichtigung finden. Am Ende geht es nicht darum, dass eine jüngere Generation gegen eine ältere ausgespielt wird, sondern dass die legitimen Interessen aller Generationen berücksichtigt werden. Gerade die Jungen sehen hier aktuell ein großes Defizit und erwarten nach der langen Phase der Rücksichtnahme auf die Älteren, dass es nun an der Gesellschaft wäre, ihnen etwas zurückzugeben.
Fazit
Unsere Studien zeigen, dass die größten Belastungen infolge der Corona-Pandemie für die junge Generation in Deutschland in der Ungewissheit der künftigen Lebensplanung und im Gefühl eines umfassenden und allgemeinen Kontrollverlustes liegen. Diese psychischen und sozialen Belastungen wiegen weit schwerer als die finanziellen Einschränkungen und Wohlstandseinbußen, die Jugendliche ebenfalls hinzunehmen haben. Die Mehrheit der Jugendlichen hat sich trotz dieser schwierigen Lage solidarisch mit den Belastungen der mittleren und der älteren Generationen durch die Pandemie gezeigt, sich in anderthalb Pandemie-Jahren sehr diszipliniert an die Abstands- und Hygieneregeln gehalten und Einschränkungen ihrer Freiheiten hingenommen.
Angesichts dessen haben wir die Frage aufgeworfen, ob mit einem politischen Protest der jungen Generation zu rechnen ist, der darauf abzielt, sich größere Freiheitsspielräume für ein lebenswertes Leben und die persönliche Entfaltung (wieder) zu erobern. Wir kommen zu dem Schluss, dass der Eintritt des destruktiven Konfliktszenarios eher unwahrscheinlich ist. Auflehnungen gegen Polizeieinsätze, die in einigen Städten mit krawallartigen Aktionen verbunden waren, sind von ihrem Charakter her nicht als politische Demonstrationen aufzufassen, sondern eher als ohnmächtiger Protest sozial benachteiligter junger Leute. Diese Gruppe der jungen Generation hat es ebenso wie die Mehrheit der gut gebildeten, sozial integrierten und angepassten jungen Leute verdient, mit ihren Bedürfnissen und Interessen endlich in den politischen Diskurs einbezogen zu werden. Unter ihnen sind viele, die sich bereits bei Fridays for Future engagiert haben und über auffällig gute Fähigkeiten verfügen, sich inhaltlich zu artikulieren und auch politisch-gestalterisch durchzusetzen. Das Ziel aller Bemühungen seitens "der Politik" und ihrer Vertreterinnen und Vertreter sollte es deshalb sein, das latente Protestpotenzial in der jungen Generation konstruktiv aufzunehmen und durch ernstgemeinte Angebote in konstruktive politische Partizipation umzuwandeln.