Mit dem Bericht des Club of Rome zur Lage der Menschheit "Grenzen des Wachstums" aus dem Jahr 1972
Die Erdsysteme und die Biosphären können sich wahrscheinlich an einen Klimakollaps und eine für uns vergiftete Atmosphäre, vergiftete Ozeane und Böden anpassen. Die Erhaltung der menschlichen Zivilisation setzt aber Ökosysteme voraus, die den derzeitigen weitgehend ähneln. Ohne einen grundlegenden Pfadwechsel droht die Zerstörung der Lebensgrundlagen der Menschen. Wie aber ist diese ökologische Krise der menschlichen Produktionsweise zu überwinden?
Es gibt dazu zwei Ansätze. Die eine Richtung ist die des Postwachstum und Degrowth. Die andere ist das Konzept der ökologischen Wirtschaftsentwicklung, ein Ansatz, den auch ich vertrete. Zu dieser Richtung gehören verschiedene Varianten des Green New Deal
Beide Ansätze setzen sich kritisch mit dem ökonomischen Mainstream des marktgetriebenen technischen Fortschritts und zwanghaften Wirtschaftswachstums auseinander und streben eine Transformation des Wirtschaftssystems an. Der ökonomische Mainstream hielt lange Zeit einen grundlegenden ökologischen Umbau der kapitalistischen Produktionsweise für nicht notwendig. Dadurch wurden im Ergebnis mehr als drei Jahrzehnte verschenkt. Derzeit wankt das neoklassische Wachstumsmodell unter dem Druck der ökologischen und sozialen Krisen und neuer politischer Bewegungen wie Fridays for Future.
Inzwischen wird die Notwendigkeit einer ökologischen Neuausrichtung auch im ökonomischen Mainstream anerkannt, wenigstens punktuell. Die Auseinandersetzung zwischen den drei Grundrichtungen – (1) Weiter so mit einzelnen ökologischen Korrekturen (Mainstream), (2) Postwachstum oder (3) ökologischer Umbau durch ein anderes Modell wirtschaftlicher Entwicklung – betrifft vor allem die Methoden. Der Mainstream setzt auf einzelne Marktinstrumente wie einen CO2-Preis. Degrowth und Postwachstum meinen, geringere Wachstumsraten, Nullwachstum oder negative Wachstumsraten des BIP seien die entscheidende Lösung. Ein verändertes Regime wirtschaftlicher Entwicklung, eine gelenkte Marktwirtschaft mit ökologischer Regulation generiert hingegen andere Richtungen wirtschaftlicher Entwicklung. Die italienisch-amerikanische Ökonomin Mariana Mazzucato spricht diesbezüglich von einem missionsorientierten Ansatz.
Warum weniger oder kein Wachstum keine Lösung ist
Die Postwachstums-Bewegung hat sich seit den 1960er Jahren stark ausdifferenziert. Ein Höhepunkt war die internationale Degrowth-Konferenz 2014 in Leipzig.
Für die Postwachstumstheorie ist der kapitalistischen Produktions- und Wirtschaftsweise ein Wachstumszwang immanent, da er in den Produktionsverhältnissen und der Sozialstruktur begründet sei. Die heutigen ökologischen Probleme seien Folge dieses Wachstumszwangs.
Sinkende oder negative Wachstumsraten scheinen allerdings nur auf den ersten Blick eine plausible Antwort. Ein genauerer Blick zeigt, dass damit keine Lösung der ökologischen Probleme verbunden ist. Geringeres Wachstum oder Nullwachstum würden den laufenden Ressourcenverbrauch nicht reduzieren. Der Verbrauch an Ressourcen, die CO2-Emissionen und die Menge an Abprodukten und Schadstoffen, die die Ökosysteme sowie die Biodiversität zerstören, sie würden zwar nicht mehr wachsen, aber auf dem gegenwärtigen Niveau bleiben. Der Klimawandel verlangt aber, die CO2-Emissionen binnen 20 oder maximal 30 Jahren auf null zu reduzieren. Etwas Schrumpfung würde kaum nutzen, und eine Halbierung des BIP würde eine schwere wirtschaftliche und soziale Krise auslösen, die ökologische Krise aber nur herauszögern.
Eine künftige Wirtschaft muss also ganz ohne Entnahme sich erschöpfender Rohstoffe und ohne Emission schädlicher Abprodukte auskommen. Es geht nicht um Nullwachstum, sondern um eine grundsätzlich umweltkompatible Produktions- und Konsumtionsweise. Diese ist nicht durch Wachstumsbeschränkungen, sondern nur durch grundsätzlich andere, umweltkompatible Verfahren und Produkte zu erreichen, durch einen Umbau des Wirtschaftssystems, durch technologische Innovationen, durch verändertes Konsumverhalten und eine andere sozialökonomische und politische Regulation wirtschaftlicher Entwicklung.
Der Abbau von Luxuskonsum und unnötigem Ressourcenverbrauch ist ein zu unterstützender Vorschlag. Immerhin verursacht der Konsum der Superreichen global fast 16 Prozent der Klimagasemissionen. Damit schädigen sie "das Klima mehr als die ärmsten 50 Prozent der Weltbevölkerung".
Ökologischer Umbau und evolutorische Ökonomie
Nötig ist ein ökologischer Umbau der Produktions- und Lebensweise, der einerseits zu einem absolut sinkenden Ressourcenverbrauch und andererseits zu wachsenden Einkommen der einkommensschwachen Bevölkerungsmehrheit führt. Eine evolutorische Ökonomie muss und kann diesen Entwicklungspfad aufzeigen.
Er erfordert den Umbau der gesamten Produktion, Konsumtion und Infrastruktur binnen zwei oder drei Generationen, also innerhalb von 50 bis 75 Jahren – einem Zeitraum, in dem auch in der Vergangenheit alle Produktionsmittel, Infrastrukturen, Gebäude und Konsumstrukturen mindestens einmal ersetzt oder transformiert wurden. Es geht also um mittel- und langfristig veränderte Entwicklungsrichtungen, nicht um einen Umsturz von heute auf morgen. Ökologischer Umbau bedeutet, Innovationen primär unter ökologischen Kriterien zu selektieren und alle Verfahren, Produkte und Infrastrukturen unter ökologischen und sozialen Gesichtspunkten zu erneuern.
Unter ökologischen Gesichtspunkten müssen Innovationen zuallererst umweltkompatibel sein. Das heißt, alle neuen Produkte und Verfahren dürfen bei der Herstellung, Anwendung und bei der Entsorgung die Ökosysteme der Erde nicht schädigen. Alle Energiesysteme sind auf erneuerbare Energien umzustellen, ohne Rohstoffe zu verbrauchen oder schädliche Abprodukte zu emittieren. Künftige Verkehrssysteme müssen auf Verfahren aufbauen, die keine Klimagase emittieren, umweltkompatibel und komplett recyclingfähig sind.
Regulation des ökologischen Umbaus
Die skizzierten Entwicklungsrichtungen des ökologischen Umbaus erfordern eine gelenkte Marktwirtschaft. So geht etwa Mariana Mazzucato davon aus, dass der Staat nicht nur wirtschaftliche Rahmenbedingungen sicherstellen soll, sondern durch Wissenschaft, Forschung und Entwicklung, durch öffentliche Investitionen und Innovationen wirtschaftliche Entwicklung aktiv gestalten muss. Wie es gehen könnte, zeigt sie am Beispiel des Apollo-Programms der Kennedy-Regierung in den 1960er Jahren.
Schon John Maynard Keynes hatte ausführlich begründet, warum eine Marktwirtschaft keine stabile wirtschaftliche Entwicklung generiert, sondern einer makroökonomischen Regulation bedarf, insbesondere der Löhne, der öffentlichen Ausgaben, des Welthandels und der Währungssysteme. Ihm ging es um Stabilität und Vollbeschäftigung. Das Konzept der gelenkten Marktwirtschaft geht darüber hinaus: Es geht um die Lenkung der Entwicklungsrichtungen.
Ressourcenbewirtschaftung
Das wichtigste ökologische Instrumentarium ist die Bewirtschaftung aller prekären ökologischen Ressourcen. Für jede bewirtschaftete Ressource, seien es Böden, Gewässer, Senken oder Rohstoffe, muss ein Verfahren und eine öffentlich kontrollierte Verwaltung aufgebaut werden, je nach Charakter der Ressource lokal, regional, national oder multinational. Auf wissenschaftlicher Grundlage werden eine Tragfähigkeitsgrenze und, wenn diese überschritten ist, ein Absenkungspfad (jährliche Verringerung der Nutzung) festgelegt. Die Nutzung bewirtschafteter Ressourcen setzt dann den Erwerb von Nutzungsrechten voraus. Im Rahmen des gesetzten Nutzungsvolumens und der Nachfrage nach Nutzungsrechten wird ein Preis gebildet. Die Preisbildung muss politisch kontrolliert werden, Spekulationen und der Handel mit Nutzungsrechten sind auszuschließen. Nutzungsrechte dürfen nur an die ausgebende Stelle zurückgegeben werden, bei Nichtnutzung darf nur der Ausgabepreis erstattet werden. Entscheidend ist nicht die Bepreisung, wie neoliberale Deutungen gern nahelegen, sondern die strikte Begrenzung der Nutzungsvolumina. Der gesetzte Gesamtrahmen darf nicht überschritten und die Nutzung muss öffentlich überwacht werden.
Kreditfinanzierte Investitionen
Gleichzeitig mit der Ressourcenbewirtschaftung oder sogar im Vorlauf dazu müssen Alternativen zur bisherigen Nutzung prekärer Ressourcen entwickelt und angeboten werden. Nur dann haben potenzielle Nachfrager die Möglichkeit, auf Substitute zu wechseln, andere Verfahren oder Materialien anzuwenden, neue umweltkompatible Produkte zu entwickeln und auf Ressourcen zu verzichten, statt für deren Nutzung zu bezahlen. Ressourcenbewirtschaftung ohne breit angelegte Erforschung und Entwicklung neuer umweltkompatibler Technologien und Unternehmensstrategien würde keinen neuen Entwicklungspfad, sondern eine Wirtschaftskrise zur Folge haben. Zu einer missionsorientierten Entwicklung gehört daher die umfassende Finanzierung von Innovationen und Investitionen.
Interventionen
Hinzu kommen weitere Instrumente einer gelenkten Marktwirtschaft, die nicht nur im ökologischen Kontext relevant sind. Eine stärkere Regulierung der Finanzmärkte ist nötig, damit die inhaltlich gesetzten Entwicklungsziele nicht durch Selektionen auf steigende Marktwerte von Finanzanlagen konterkariert werden, die zudem zu Blasen und Finanzkrisen führen können. Die Geldpolitik muss sicherstellen, dass die kreditfinanzierten Innovations- und Investitionsprogramme mit einem stabilen Konjunkturverlauf einhergehen. Die Lohnpolitik muss sicherstellen, dass die Löhne im Maße der Produktivität plus der Zielinflationsrate steigen und keine anhaltenden Handelsbilanzdivergenzen auftreten. Zudem geht es darum, dass steigende Einkommen mindestens die Preissteigerungen für ökologische Ressourcen ausgleichen – soweit dies Verbraucherpreise betrifft. In der Finanzpolitik müssen alle staatlichen Ausgaben als kompatibel mit dem ökologischen Umbau gestaltet werden – quasi durch einen "ökologischen Vorbehalt" in der Haushaltspolitik. Die Wechselkurspolitik muss sicherstellen, dass kooperatives Verhalten der Handelspartner im Hinblick auf den ökologischen Umbau begünstigt wird, keine Trittbrettfahrerei erfolgt und ungleiche Lasten ausgeglichen werden. Es bietet sich an, eine Reihe wichtiger ökologischer Programme multinational zu organisieren.
Es ist in diesem Rahmen nicht möglich, alle möglichen Instrumente einer gelenkten Marktwirtschaft darzustellen. Es geht um das Prinzip: Geteilte, gesellschaftlich gesetzte wirtschaftliche Entwicklungsziele sollen durch entsprechende politische Instrumente im Rahmen der Marktwirtschaft umgesetzt werden. Dabei muss es eine demokratische öffentliche Kontrolle und Teilhabe der Zivilgesellschaft geben, damit neue ökologische Lenkungsorgane nicht zu Mitteln des Ausbaus verselbstständigter Macht des Staates, der Parteien, einzelner Lobbyorganisationen oder Unternehmen werden. Mit einer ökologisch ausgerichteten gelenkten Marktwirtschaft ist es möglich, den Verbrauch von Naturressourcen, insbesondere die Emissionen von Klimagasen, Abwassern und Müll sowie den Abbau endlicher Rohstoffe absolut und, wo es erforderlich ist, auf null oder unter wissenschaftlich begründete Tragfähigkeitsgrenzen abzusenken.
Evolution statt Wachstum
Die Ökosysteme der Erde funktionieren seit mehr als drei Milliarden Jahren mit einer konstanten Stoffmenge (Wasser, Minerale, Kohlenstoff) und einem weitgehend konstanten Zu- und Abstrom von Energie (der Sonne). Alle Stoffe werden in geologischen oder biologischen Kreisläufen laufend umgewälzt, ihre Menge wächst dabei nicht. Trotzdem war und ist die Evolution einer unbegrenzten Vielfalt biologischer Arten, Populationen und Lebewesen möglich – ohne eine wachsende Stoffmenge und bei konstantem Energiestrom. Auf einem endlichen Planeten ist kein endloses Wachstum möglich, aber sehr wohl endlose Evolution. An diesem Modell sollte sich auch die Entwicklung der menschlichen Gesellschaften und ihrer Wirtschaftssysteme orientieren: endlose Entwicklung bei endlichen Stoffkreisläufen und Energieströmen. Es ist fatal, wenn man Entwicklung mit Wachstum gleichsetzt.
Die Bewirtschaftung aller prekären ökologischen Ressourcen limitiert den Verbrauch unterhalb von Tragfähigkeitsgrenzen. Die zweite Komponente, ein kreditfinanziertes Programm für Innovationen und Investitionen, erzeugt das Reservoir, auf dem die Selektion neuer umweltkompatibler Produkte und Verfahren aufbauen kann. Beides zusammen ermöglicht wirtschaftliche Entwicklung bei absolut sinkendem Verbrauch von Naturressourcen. Zumindest theoretisch könnte auf diesem Weg eine umweltkompatible Produktionsweise entstehen. Auch bei absolut sinkendem Verbrauch von Naturressourcen würde der wirtschaftliche Wert der Weltproduktion beziehungsweise die Preissumme aller von allen Volkswirtschaften erzeugten Produkte und Leistungen aus drei Gründen wachsen.
Erstens wären die steigenden Innovationsleistungen und die Produktion der Investitionsgüter für den ökologischen Umbau Teil der Wertschöpfung und würden den Wert der nationalen BIP erhöhen. Dabei wäre darauf zu achten, dass diese neue zusätzliche Produktion weitgehend und möglichst bald vollständig mit erneuerbaren Energien und umweltkompatiblen Produkten, Investitionsgütern und Materialien in geschlossenen oder offenen Stoffströmen hergestellt wird, weil nur dann ein steigendes BIP mit sinkendem Ressourcenverbrauch erreicht werden kann.
Zweitens würde der Wert des BIP steigen, weil die Weltbevölkerung noch einige Jahre weiterwachsen wird, also mehr Nahrung, Kleidung, Wohnungen, Bildung und so weiter produziert werden müssen.
Drittens kann der Wert des Produktionsoutputs auch steigen, wenn die neuen Produkte aufgrund von Qualitätsverbesserungen einen höheren Wert haben.
Ist ökologischer Umbau politisch machbar?
Das skizzierte Modell eines evolutorischen ökologischen Umbaus mit konsensualen Zielen, Selektionskriterien und Instrumenten wirtschaftlicher Entwicklung ist ein zu diskutierendes Konzept, das Möglichkeiten, Entwicklungspfade und Grenzen aufzeigen soll. Es gibt keinen politischen Akteur, der dies in Gänze umsetzen könnte. Vor allem fehlt der für eine gelenkte Marktwirtschaft erforderliche gesellschaftliche Grundkonsens. Wir haben es mit gegeneinander agierenden Akteursgruppen zu tun, die ihre Interessen häufig auf Kosten anderer durchzusetzen versuchen und sich keinen Gemeininteressen unterordnen. Die heute übliche Beschwörung gemeinsamer Werte hilft nicht. Abstrakte Werte sind keine geteilten Entwicklungsziele, sondern auf Abgrenzung und Gefolgschaft zielende Ideologie.
Trotzdem ist eine ökologische Entwicklung nicht chancenlos. Es wäre denkbar, dass über mehrere Schritte, beginnend mit einer von der Klimabewegung erzwungenen Anpassung der Energiesysteme, nach und nach neue Entwicklungen beginnen. Ansätze gibt es. Mit solchen noch unzureichenden Schritten könnten Verbesserungen der sozialen Lage und der Lebenswelt einhergehen, die soziale Spaltungen verringern. Dann wäre ein neuer ökologischer und sozialer Grundkonsens denkbar. Es besteht aber auch ein Risiko. Wenn die zu erwartenden ökologischen Probleme, vor allem der Klimawandel, zur Verschlechterung der sozialen Lage großer Bevölkerungsteile und zu wachsenden Flüchtlingsströmen führte, dann ist ein Kollaps wahrscheinlich.