Einleitung
Die Frage, wie Demokratie und Menschenrechte wirksam durch deutsche Außenpolitik gefördert werden können, hat seit 2011 mit den Rebellionen im arabischen Raum an Aktualität und Brisanz gewonnen. Doch eine Grundorientierung, die Anerkennung universeller Rechte und der Wille, mit gutem Beispiel voranzugehen,
Menschenrechte und Demokratie sind grundlegende Parameter deutscher Außenpolitik. Diese Ausrichtung ist fest im deutschen Grundgesetz (GG) verankert und ergibt sich aus internationalen Verpflichtungen wie dem Pakt über bürgerliche und politische Rechte. So bekennen sich Bundesregierungen unterschiedlicher parteipolitischer Prägung seit den Anfängen der Bonner Republik kontinuierlich zu dieser außenpolitischen Zielsetzung.
Die aktuelle schwarz-gelbe Bundesregierung verschreibt sich in ihrem Koalitionsvertrag einer werteorientierten und interessengeleiteten Außenpolitik. Mit der Betonung auf Werte, die auf der "Idee des Westens" fußen,
Stellenwert der Menschenrechte
Ausgangspunkt deutscher Menschenrechtspolitik ist der Auftrag des GG in Artikel 1 Absatz 2, in dem sich das deutsche Volk zu den unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft, des Friedens und der Gerechtigkeit in der Welt bekennt. Konkretisierend verweist die Regierung auf die in der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte niedergelegten und in einer Reihe von internationalen und regionalen Verträgen rechtsverbindlich ausformulierten Rechte. In der Zusammenarbeit mit anderen Staaten, vor allem in Entwicklungskooperationen, wird auf die Verträge abgestellt, die sowohl Deutschland wie das Partnerland ratifiziert und damit als rechtsverbindlich anerkannt haben.
Ziele und Aufgabe deutscher Menschenrechtspolitik werden seit 2005 in Aktionsplänen festgehalten. An der zeitlichen Unabhängigkeit dieser Pläne von Legislaturperioden wird deutlich, dass Menschenrechten ein hoher Stellenwert zukommt, der unabhängig ist von parteipolitischen Eigenheiten.
Stellenwert der Demokratie
Die Demokratie ist im Gegensatz zu Menschenrechten nicht in internationalen Verträgen kodifiziert. Ob es ein Recht auf Demokratie geben soll, bleibt in der internationalen Debatte streitig. Denn die Herrschaftsform einer Gesellschaft trifft den Kern staatlicher Souveränität. Eingriffe von Seiten Dritter in diesen staatlichen Hoheitsbereich sind nur dann legal, wenn vorherige Absprachen zwischen den Regierungen erfolgt sind. Verbrechen gegen die Menschlichkeit machen internationale Interventionen zwar erforderlich, jedoch dürfen diese aus völkerrechtlicher Perspektive nicht ohne die Zustimmung des betroffenen Landes auf die Veränderung des politischen Regimes, sondern nur auf den Schutz der Bevölkerung abzielen.
Ziele und Aufgaben deutscher Demokratieförderungspolitik ergeben sich aus Konzepten und Strategiepapieren der Bundesregierung.
Die Umsetzung demokratiefördernder und menschenrechtsunterstützender Maßnahmen liegt überwiegend im entwicklungspolitischen Bereich. Staatliche Akteure sind daher vor allem das Bundesministerium für wirtschaftliche Entwicklung und Zusammenarbeit (BMZ) und in Form von Kleinprojekten in einer Größenordnung von derzeit etwa 25 Millionen Euro das Auswärtige Amt (AA). Wichtige deutsche Demokratieförderer sind die sechs politischen Stiftungen, die den im Bundestag vertretenen Parteien nahestehen. Sie unterliegen - anders als die Durchführungsorganisationen GIZ und KfW - nicht den politischen Vorgaben durch das Ministerium. Dieser Spielraum ermöglicht beispielsweise die Etablierung von nachhaltigen Netzwerken mit prodemokratischen, oppositionellen Reformkräften in anderen Staaten, die der bilateralen staatlichen EZ aufgrund ihrer Ausrichtung auf Regierungen nicht zugänglich sind.
Zusammenfassend haben Menschenrechte und Demokratie bislang einen hohen Stellenwert in der Außenpolitik des vereinten Deutschlands eingenommen. Eine stärkere Werteorientierung, die Betonung politischer Konditionalitäten und die Weiterentwicklung des Förderinstrumentariums bilden die Grundlage für die selbstbewusste Formulierung von politischen Forderungen im Bereich der Menschenrechte und Demokratie gegenüber anderen Regierungen. Jedoch reichen Forderungen alleine nicht aus, um eine nachhaltig wirksame Förderung zu erreichen. Wenn die Kombination von Druck und Unterstützung gelingen soll, ist es geraten, den folgenden vier zentralen Herausforderungen Beachtung zu schenken.
Interessen versus Werte:
Der hohe außenpolitische Stellenwert von Werten verliert in der Regel an Gewicht, wenn Menschenrechte und Demokratie auf vitale, widerstreitende Interessen Deutschlands stoßen. An dieser Stelle entsteht ein natürliches Spannungsfeld mit anderen politischen Zielsetzungen.
Dennoch gibt die deutsche Außenwirtschaftspolitik regelmäßig Anlass zur Kritik. Beispielsweise gilt unabhängig von der Couleur einer Regierungskoalition der Vorwurf, die deutsche Politik stelle wirtschaftliche Interessen über die offene und bestimmte Kritik an Menschenrechtsverletzungen in China.
Demokratie und Menschenrechte lassen sich dort wirksam fördern, wo sie auf Resonanz stoßen. Autokratien, die aufgrund ihres wirtschaftlichen Gewichts oder ihres Ressourcenreichtums (wie China, Saudi-Arabien oder jüngst Angola und Kasachstan) wichtige Handels- und Wirtschaftspartner Deutschlands sind, bieten kurzfristig geringe Chancen für eine erfolgreiche Demokratie- und Menschenrechtsförderung. Zielkonflikte werden hier vorerst bestehen bleiben und nur durch eine offene Abstimmung zwischen Außenwirtschafts- und Entwicklungspolitik sowie Unternehmen und in Zusammenarbeit mit relevanten Reformkräften in anderen Staaten langfristig eingehegt werden können.
Wertewandel braucht Zeit:
Ausgangspunkt für die weitere Analyse der deutschen Förderung von Werten im Ausland ist zunächst die Auffassung, dass der gegenwärtige Standard an Menschenrechten in Westeuropa das Resultat eines langwierigen soziokulturellen Wertewandels ist.
Mag dieser Fall Geschichte sein, das Fortleben "unmoralischer" Straftatbestände beschäftigt Deutschland auch noch in der Gegenwart: Nach Artikel 173 Absatz 2 Satz 2 StGB ist der Beischlaf unter erwachsenen Geschwistern strafbar. Dessen Verfassungsmäßigkeit wurde noch 2008 vom Bundesverfassungsgericht bestätigt.
Die obigen Absätze sollen verdeutlichen, dass universelle Menschenrechte zumeist so formuliert oder ausgelegt werden, dass sie mit dem Wertesystem einer Gesellschaft auf "Tuchfühlung" bleiben. Sie mögen dem gesellschaftlichen Wertewandel ein Stück vorausgehen, ihn unterstützen oder beschleunigen, sie bleiben aber immer im Bezug zum Wertesystem. Nur so lässt sich die soziale Akzeptanz der Menschenrechte gewährleisten. Fehlt dieser Bezug, drohen Menschenrechte als exogene Produkte verstanden und nicht substanziell und nachhaltig umgesetzt zu werden. Von einer außen- und entwicklungspolitischen Perspektive betrachtet, bedeutet dies, dass Prozesse soziokulturellen Wandels nicht abgekürzt werden können. Oft werden Menschenrechte niedergeschrieben, um äußeren Erwartungen von Geberländern zu entsprechen und Bedingungen für den Transfer von Hilfs- und Entwicklungsgeldern zu gewährleisten. Eine wirksame und nachhaltige Umsetzung ist aber selten möglich, wenn darin gesellschaftlich legitimierte Werte nicht gespiegelt sind.
Universelle versus kontextabhängige Werte:
Erkennen wir anhand deutscher Erfahrungen die prozesshafte Entwicklung von Menschenrechtsstandards als notwendig an, bleibt die Frage nach dem Umgang mit dieser Erfahrung in der Außen- und Entwicklungspolitik. Prozesse fördern und Produkte fordern - wie schwierig und ambivalent diese Wahl ist, zeigt beispielsweise der Umgang mit dem Gesetzesentwurf zur Verschärfung der Strafbarkeit der Homosexualität in Uganda.
Der Menschenrechtsbegriff in der deutschen Entwicklungspolitik konkretisiert sich auf die von Deutschland und seinen Partnerländern ratifizierten Menschenrechtsabkommen.
Der in Uganda im Februar 2012 erneut eingereichte und weithin identische Gesetzesentwurf hat als Strafmaß die Todesstrafe nicht mehr aufgeführt. Ändert sich dadurch die Grundlage für menschen- und entwicklungspolitische Maßnahmen? Unbestritten ist zunächst, dass die sexuelle Orientierung in keinem Menschenrechtsvertrag der Vereinten Nationen (VN) explizit in den Katalog der Diskriminierungsverbote aufgenommen wurde. In verschiedenen Abkommen ist dieser Katalog aber nicht abschließend formuliert. Stellungnahmen und Empfehlungen verschiedener Institutionen und Gremien wie die VN-Menschenrechtskommission postulieren, die sexuelle Orientierung in den Katalog mit hineinzulesen. Unter den Staaten wird dies heftig debattiert, und einer formalen Vertragsergänzung würde gegenwärtig wohl kaum eine Mehrheit der Vertragsstaaten zustimmen. Im Jahr 2008 brachten Frankreich und die Niederlande in der VN-Generalversammlung den Entwurf einer Erklärung ein (für eine Resolution war keine erforderliche Mehrheit erwartet worden), der die sexuelle Orientierung als Teil des Diskriminierungsverbotes anerkannte. Als unmittelbare Reaktion darauf wurde eine Gegenerklärung ausgearbeitet. Erstgenannte wird gegenwärtig von 85 Staaten unterstützt, die zweite von 57 Ländern. Dies zeigt, dass ein Diskriminierungsverbot in Bezug auf sexuelle Orientierung noch kein universeller Wert ist. Wie lässt sich vor diesem Hintergrund das Ziel einer nachhaltigen Menschenrechtsförderung in Uganda im Bezug auf den erneuten Gesetzesentwurf am besten erreichen?
Menschenrechte versus Demokratie:
Es besteht kein zwingender Automatismus zwischen der Entwicklung demokratischer Verfahren und der Existenz liberaler Werte. Nicht nur der ugandische Fall, sondern auch die Wahlen in Palästina von 2006 oder der Gesetzesentwurf für ein neues Zivilrecht in Mali von 2009 zeigen, dass demokratische Prozesse ergebnisoffen sind. Sie befördern Werte, die zwar Teile der Bevölkerung repräsentieren, aber nicht den Normen eines Großteils der OECD-Gesellschaften entsprechen. In Palästina kam die radikale Hamas-Bewegung mit einer eindeutigen Stimmenmehrheit an die Macht und in Mali sollten traditionelle Praktiken wie die Wiederverheiratung einer verwitweten Frau mit dem nächsten Verwandten ihres Ehemanns legalisiert werden. In Uganda repräsentiert die Gesetzesinitiative homophobe Teile der Gesellschaft. Was können außenpolitische Akteure tun, wenn die von ihnen geförderten demokratischen Prozesse illiberale und menschenrechtsfeindliche Werte auf die politische Tagesordnung bringen? Die einfache Antwort lautet: Menschenrechtsverletzungen anmahnen und demokratische Prozesse respektieren.
Im Falle der Todesstrafe für Delikte von Homosexuellen können sich Geber auf universelle Menschenrechte beziehen und deren Einhaltung energisch einfordern. Dies ist im ugandischen Fall gegenüber der Regierung des Landes mit Nachdruck geschehen. Die internationalen und nationalen Proteste haben aber nicht verhindern können, dass das Thema in der neuen Legislaturperiode abermals auf der parlamentarischen Agenda steht. Dies spricht dafür, dass die Intervention von Geberländern über die Exekutive eine relevante parlamentarische und gesellschaftliche Debatte unterbunden hat. Dadurch wurde die Rolle des ohnehin starken ugandischen Präsidenten weiter gestärkt und hat seine Einmischung in die Arbeit des Parlamentes unterstützt. Damit haben Geber den demokratischen Prozess unterminiert, dessen Förderung sie sich zugleich selbst aufgegeben haben.
Wie an der Geschichte Deutschlands bereits deutlich wurde, braucht es Zeit, wenn Menschenrechte aus sich heraus in einer Gesellschaft wachsen sollen. Im Hinblick auf die neue ugandische Gesetzesinitiative ohne Todesstrafe darf der Zeitfaktor nicht außer Acht gelassen werden. Geber sind zwar ihrer eigenen Bevölkerung Rechenschaft schuldig, wie sie die ihnen anvertrauten Steuergelder ausgeben, doch darf dies weder auf Kosten soziokultureller Entwicklung in der ugandischen Gesellschaft gehen, noch die Rechenschaftspflicht der ugandischen Regierung gegenüber ihrer eigenen Bevölkerung beschädigen. Dies kann umgangen werden, indem der Fokus stärker auf die Dynamik politischer Prozesse und nicht primär auf die vermeintlichen Ergebnisse gelegt wird.
Die Debatte über Rechte Homosexueller in der ugandischen Gesellschaft kann nur in derselben ausgetragen werden.