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"Energiewende": Wohin führt der Weg? | Ende des Atomzeitalters? | bpb.de

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"Energiewende": Wohin führt der Weg?

Hardo Bruhns Martin Keilhacker Martin Keilhacker Hardo Bruhns /

/ 17 Minuten zu lesen

Die "Energiewende" ist nicht nur notwendig, sondern möglich. Allerdings wird sie durch den Ausbau fossiler Energieerzeugung verlangsamt. Insbesondere beim Netzausbau ist ein gemeinsames europäisches Vorgehen erforderlich.

Einleitung

In Deutschland und Westeuropa wird seit Jahrzehnten eine gesicherte und bezahlbare Energieversorgung als selbstverständlicher Standard betrachtet. Nun gilt es, zur Abschwächung des Klimawandels die Emissionen von Kohlenstoffdioxid (CO2) so weit wie möglich zu reduzieren. Für die dafür erforderliche "Energiewende" muss gefragt werden, ob der in Deutschland eingeschlagene Weg zum Ziel führen kann und ob er hinreichend zweckmäßig verfolgt wird. Nicht hinterfragt werden muss die Notwendigkeit einer Energiewende selbst. Das Ziel muss sein, die Verwendung fossiler Brennstoffe ohne CO2-Abscheidung weitestgehend zu vermeiden.

Bei der Energiewende strebt Deutschland eine Vorreiterrolle an mit dem Ziel, bis 2020 eine Reduzierung der CO2-Freisetzung um 40 Prozent und bis 2050 sogar um mindestens 80 Prozent gegenüber dem Jahr 1990 zu erreichen. Dafür sind enorme Anstrengungen erforderlich. Sie werden von der Politik höchst unterschiedlich gefördert, vielfach weitab vom Pfad marktwirtschaftlicher Tugend durch selektive direkte oder verdeckte Subvention und Begünstigung bestimmter - und nicht immer der am besten geeigneten - Technologien.

Klimaschutz ergibt nur als weltweites Unterfangen Sinn. 2005 wurde in Europa der CO2-Emissionsrechtehandel für Stromerzeugung und gewisse Industrien eingeführt, bei dem die Berechtigung für den Ausstoß jeder Tonne CO2 erworben werden muss und eine Gesamtobergrenze definiert wird. Damit erzeugen CO2-Emissionen Kosten, die bei Übergang auf emissionsfreie (oder -arme) Technologien nicht anfallen, und erworbene Zertifikate können gehandelt werden. Obwohl im Kyoto-Protokoll verankert, hat sich dieses marktwirtschaftliche System leider bislang keineswegs weltweit durchgesetzt. Überdies müssten Maßnahmen wie das deutsche Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) darauf abgestimmt werden. Für die mit teurer Wind- und Solarförderung geschaffenen CO2-freien Strommengen sollten in gleichem Umfang Zertifikate aus dem Markt genommen werden, was aber bisher nicht geschehen ist. So ändert der deutsche Ausbau von Wind- und Solarenergie bisher viel zu wenig am Volumen der gesamten Verschmutzungsrechte und der damit verbundenen CO2-Emissionen.

Energiebedarf und Sparpotenzial

Der deutsche Anteil am Weltprimärenergieverbrauch liegt bei 3,5 Prozent und beträgt rund 4000 Terawattstunden (TWh). Deutschland (mit etwa 1,2 Prozent der Weltbevölkerung) hat gegenwärtig einen jährlichen Pro-Kopf-Verbrauch von gut vier Tonnen Öläquivalent (toe). Das ist etwa die Hälfte des Pro-Kopf-Verbrauchs der Spitzengruppe (unter anderem Kuwait, Vereinigte Arabische Emirate, USA, Kanada), aber deutlich mehr als das Doppelte des Weltdurchschnitts, der unter zwei toe pro Kopf liegt.

Etwa 35 Prozent der benötigten Primärenergie gehen in unserem Energieversorgungssystem verloren. Verluste bei der Stromerzeugung sind daran wesentlich beteiligt. Bei der Nutzung der verbleibenden Endenergie stehen mechanische Energie in Industrie und Transport (37 Prozent) sowie Raumwärme und Warmwasser (35 Prozent) an den ersten Stellen. Bei den privaten Haushalten macht die Wärmebereitstellung sogar fast 90 Prozent des Endenergieverbrauchs aus. Beleuchtung, wegen des Glühlampenverbots viel diskutiert, benötigt gerade einmal knapp drei Prozent.

Damit müssen Verbesserungen der Umwandlungseffizienz in Kraftwerken, Raffinerien und Antriebsaggregaten sowie wesentlich wirksamere Wärmeisolierung von Gebäuden im Vordergrund der Energiesparbemühungen stehen. In vielen Bereichen hat sich die Energieeffizienz über die vergangenen Jahrzehnte bereits erheblich verbessert, allerdings wirken Komfort- und Leistungsansprüche Einsparungen entgegen. Es muss also ein Umdenken bewirkt werden, wenn tatsächlich deutliche Einsparungen erreicht werden sollen - der Energiepreis wird das wesentliche Stimulans dafür sein.

Bei der Wärmedämmung zeigt sich, dass Verbesserungen bei Neubauten gut zu erzielen sind, wenngleich durchaus mögliche Ziele von 40 bis 60 Kilowattstunden pro Quadratmeter und Jahr (kWh/m2a) und weniger noch viel zu selten erreicht werden. Ein Großteil der Altbauten kann aber kaum bzw. nur mit großem finanziellen Aufwand und auch Einbußen bei Wohnqualität und Fassadenoptik auf Niedrigenergiestandards saniert werden. Für Heizungen ist besonders bei gut gedämmtem Wohnraum Einsparpotenzial vorhanden. Gerade bei für Einzelhäuser typischen Anlagegrößen könnten statt Brennwertkesseln oder Kraft-Wärme-Kopplung (KWK) noch vorteilhafter Wärmepumpen eingesetzt werden.

Der oft prognostizierten Senkung des Stromverbrauchs (2010 lag er in Deutschland brutto bei 606 TWh) steht eine Flut neuer elektrischer Anwendungen entgegen (Elektrifizierung nahezu aller Funktionen im Haushalt, im Handel und in der Industrie, Informations- und Kommunikationstechnologien, Elektrofahrzeuge). Auch liefern Wind- und Wasserkraft wie auch Photovoltaik von vornherein Energie in Form von Strom, der sich damit zunehmend auch für Anwendungen anbietet, die heute mit fossilen Brennstoffen arbeiten. So könnten sich auf Dauer zum Beispiel elektrische Speicherheizungen wieder durchsetzen, die mit CO2-frei erzeugter Elektrizität unter Klimaschutzaspekten jeder Erdgasheizung vorzuziehen wären. Insgesamt wäre die Politik gut beraten, sich auf die Fortsetzung von Steigerungen beim Stromverbrauch und einen Bruttostrombedarf im Jahr 2050 von mindestens 700 TWh einzustellen.

Wie viel Primärenergie kann in Deutschland tatsächlich eingespart werden? In den meisten Szenarien wird von 20 Prozent bis 45 Prozent über die nächsten 40 Jahre ausgegangen. Das wird beachtliche Anstrengungen erfordern. Deswegen sollte so effizient und kostengünstig wie möglich vorgegangen werden.

Stromerzeugung aus fossilen Energieträgern

Zur Deckung unseres Energieverbrauchs tragen derzeit noch mit 78 Prozent fossile Energieträger bei. Erneuerbare Energiesysteme liefern mittlerweile rund zehn Prozent - hauptsächlich mit konventionellen biogenen Brennstoffen, sowie, besonders für die Stromerzeugung, Wasser- und zunehmend Windkraft, dazu ein wenig Solarstrom. Durch die fluktuierende Einspeisung aus Wind und Sonne entstehen neuartige Probleme: back-up-Leistung aus anderen Kraftwerken muss für wind- bzw. sonnenschwache Zeiten die Versorgungssicherheit garantieren.

Auch unsere derzeitige Stromversorgung wird von fossilen Kraftwerken dominiert (2010: 56 Prozent) und dies wird sich noch verstärken: Um den Wegfall der Kernkraft (Stromanteil 2010: 22,5 Prozent) zu kompensieren, müssen zusätzliche Kohle- und Gaskraftwerke gebaut werden. Dass die Bundesregierung sogar plant, den Neubau von Gas- und Kohlekraftwerken aus dem Ökofonds zu subventionieren, ist kein gutes Zeichen für den Klimaschutz.

Kohle - insbesondere auch Braunkohle - wird aus Kostengründen eine große Rolle spielen (ihr Anteil könnte bis zum Jahr 2020 von 43 Prozent auf 47 Prozent anwachsen ). Erdgas GuD-Kraftwerke (Gas- und Dampf-Kraftwerke) sind wegen ihres schnellen Lastwechselverhaltens besonders geeignet, die fluktuierende Stromerzeugung aus Wind und Sonne auszugleichen - und ihr CO2-Ausstoß ist nur etwa halb so groß wie bei Braunkohle oder sogar günstiger, auch weil sie Wirkungsgrade bis zu 60 Prozent erreichen, Kohlekraftwerke dagegen maximal 45 Prozent. Diese Werte gelten allerdings nur für den Grundlastbetrieb. Bei der hauptsächlich geforderten Regellast muss man für den CO2-Ausstoß mit ungünstigeren Werten rechnen.

Für die Klimaziele ist unumgänglich, in den Kohle- und Gaskraftwerken (und in anderen großen Industrieanlagen wie Stahl-, Zement- und Chemiewerken) das CO2 abzuscheiden und im Untergrund zu speichern (Carbon Capture and Storage, CCS). Dieses Verfahren hat aber einen erheblichen Preis: Der zusätzliche Energieaufwand für CO2-Abscheidung, Kompression und Transport reduziert den Kraftwerkswirkungsgrad um acht bis 14 Prozentpunkte, bzw. steigert den Brennstoffverbrauch um 20 bis 35 Prozent. Ein Hauptziel der Forschung ist deshalb, diesen Wirkungsgradverlust zu minimieren.

Das abgeschiedene CO2 soll in nach oben dichten geologischen Formationen, zum Beispiel sogenannten Aquiferen, gespeichert werden. Deren Speicherkapazität wird in Deutschland allerdings nur auf 30 bis 80 Jahre des jetzigen CO2-Anfalls in Kraftwerken geschätzt. Die Sicherheit und langfristige Wirksamkeit dieser Speicherung muss noch wesentlich umfänglicher untersucht werden, da ohne deren Nachweis die Zustimmung der Politik und vor allem der Bevölkerung wohl nicht zu gewinnen ist. Insgesamt könnte CCS allenfalls für eine Übergangsphase von einigen Jahrzehnten hilfreich sein; für eine Dauerlösung müssten andere Speichermöglichkeiten entwickelt werden. Dezentral (das heißt bei Gebäudeheizung, kleinen KWK-Anlagen, Verkehr) kann CCS nicht eingesetzt werden. Darum sollte hier mit hoher Priorität auf nichtfossile Alternativen wie etwa die Wärmepumpe gesetzt werden.

Ein beliebtes Streitthema ist "Peak Oil" bzw. die Reichweite fossiler Ressourcen. Für die Energiewende sind solche Diskussionen müßig, denn auch wenn CCS in Industrie und Großkraftwerken eine zeitlich begrenzte Rolle spielen kann, erfordert der Klimaschutz längerfristig eine möglichst umfassende Abkehr von fossilen Brennstoffen, unabhängig von deren mehr oder weniger knappen Verfügbarkeit.

Stromerzeugung aus erneuerbaren Energieträgern

Langfristig werden erneuerbare Energien hoffentlich die von ihnen erwartete Rolle spielen und den Großteil unserer Energieversorgung abdecken. Die Versorgung mit Treibstoff, Wärme bzw. Strom stellt dabei unterschiedliche Anforderungen. Beim Verkehr kommt nur die Umstellung der Verbrennungsmotoren von fossilen auf biogene Treibstoffe oder die Einführung von Brennstoffzellen bzw. Elektroantrieb in Frage. Bis 2020 sollen nach Wunsch der Bundesregierung eine Million Elektroautos auf deutschen Straßen fahren. Vermutlich könnten sie gerade einmal ein Prozent des heutigen PKW-Kraftstoffverbrauchs durch Strom ersetzen. Damit aber Elektrofahrzeuge einen Beitrag zum Klimaschutz liefern können, muss der Strom CO2-frei erzeugt werden. Bislang ist in Deutschland eine elektrische Kilowattstunde noch mit 565 Gramm CO2 belastet und bis auf weiteres bleiben sparsame Diesel- und Hybridfahrzeuge wesentlich vorteilhafter für die Klimabilanz als Elektroautos.

Bei der Wärmeerzeugung interessiert vor allem der energetisch große Bereich der Gebäudeheizung. Hier ist es für die Erzielung von 22 Grad Celsius Raumtemperatur wenig sinnvoll, Erdgas bei vielen Hundert Grad zu verbrennen. Stattdessen können bei ausreichender Isolierung und mit geeigneten, das heißt großflächigen Heizkörpern (Fußbodenheizung) mittels Wärmepumpen 65 bis 75 Prozent der Energie aus der Umgebung (Erdreich oder Luft) gewonnen werden, so dass nur der Rest als elektrisch bereitzustellende Energie anfällt. Wärmepumpen sind für den Klimaschutz der KWK oder Brennwertkesseln schon dann klar überlegen, wenn etwa drei Viertel des Stroms aus erneuerbaren oder anderen CO2-armen Quellen erzeugt werden. Derzeit werden aber Wärmepumpen sowohl bei Steuern und Abgaben als auch bei der Förderung massiv gegenüber KWK benachteiligt.

Biomasse.

Sie wird nicht nur aus dem Anbau in der Forst- und Landwirtschaft gewonnen, sondern fällt auch als Reststoff bzw. als organischer Abfall an. Obwohl fast die Hälfte der Gesamtfläche landwirtschaftlich genutzt wird, ist Deutschland ein Nettoimporteur für Agrargüter und Lebensmittel. Weltweit könnte Biomasse um das Jahr 2050 einen wesentlichen Teil des (Primär-)Energiebedarfs abdecken. Für Deutschland werden derzeit Zahlen zwischen nur fünf Prozent und acht Prozent genannt, Biomasse wird nur als Import eine größere Rolle spielen.

Energieerzeugung aus Biomasse wirft Fragen nach Nachhaltigkeit und Konkurrenz zur Lebensmittelproduktion auf; dies gilt auch für die Länder, aus denen Biomasse importiert wird. Für eine nachhaltige Biomassestrategie ist deshalb die vermehrte und verbesserte Nutzung von Reststoffen wichtig: Von neuen Aufschluss- und Verarbeitungsverfahren der "2. Generation" wird hier eine wesentliche Erweiterung des Potenzials erwartet.

Geothermie.

Erdwärme aus oberflächennahen Bohrungen eignet sich hervorragend für Niedrigtemperaturheizung. Heißere, das heißt in der Regel tiefere Schichten können für die Stromerzeugung genutzt werden: Weltweit werden bereits über zehn Gigawatt (GW) Stromleistung erzeugt. Geothermie ist attraktiv, da Leistung ohne Fluktuationen rund um das Jahr Tag und Nacht zur Verfügung steht. Die Risiken sind gering und sollten sich wie die Kosten durch verbesserte Explorations- und Bohrverfahren noch deutlich verringern lassen.

Windkraft.

Windenergie liefert den größten und am schnellsten wachsenden Beitrag zum erneuerbaren Stromangebot. In Deutschland trug sie 2010 mit sechs Prozent zur Stromerzeugung bei, was aber nur 16 Prozent der nominalen installierten Kapazität entsprach. Für den weiteren Ausbau setzt die Bundesregierung deshalb hauptsächlich auf Offshore-Anlagen in der Nord- und Ostsee, die einen mindestens doppelt so hohen Nutzungsgrad erwarten lassen. Hier sollen bis 2030 eine Nominalleistung von 25GW und bis 2050 von rund 40GW (und eine ähnlich große Onshore-Leistung) installiert sein. Der vielfach betriebene (weil durch das EEG gut geförderte) Ausbau in küstenfernen Schwachwindregionen ist wenig sinnvoll.

Das große Problem der Windenergie (und noch mehr der Photovoltaik) liegt in den starken Fluktuationen der Leistungsverfügbarkeit: Es müssen große, schnell regelbare Reservekapazitäten vorgehalten werden, die dann aber nur zeitlich begrenzt und damit ineffektiv und teuer eingesetzt werden. Bei der Windkraft sind Reservekraftwerke für mindestens 90 Prozent, bei der Photovoltaik sogar für mindestens 97 Prozent der nominalen Leistung erforderlich.

Solare Energieerzeugung.

Solarenergie sollte zweckmäßigerweise dort gewonnen werden, wo die Sonne scheint, also im Süden, wo der Jahresgang solarer Stromerzeugung zudem wesentlich ausgeglichener ist. Überdies kann die dort vorwiegend direkte Strahlung fokussiert werden, was bei Photovoltaik Vorteile bringt, aber vor allem solarthermische Kraftwerke ermöglicht, die Sonnenwärme über einen Dampfkreislauf in Strom wandeln. Dabei kann Wärme gespeichert werden, sodass die Stromerzeugung in die Nachtstunden ausgedehnt werden kann - und wenn einmal die Sonne nicht scheint, kann zum Beispiel mit Biomasse zugefeuert werden. Solarstrom aus südlichen Regionen Europas oder Nordafrikas wäre wesentlich günstiger als der deutsche. Er erfordert ein geeignetes Stromnetz, das aber ohnehin notwendig werden wird.

Problem der Stromspeicherung

Energiespeicherung von fossilen oder Biobrennstoffen ist üblicherweise ohne Schwierigkeiten möglich - ein Problem stellt sich nur beim Strom. Batterien und Kondensatoren bieten keine wesentlichen Großspeichermöglichkeiten. Pumpspeicherwasserkraftwerke und Druckluftspeicher (mit deutlich höheren Verlusten) haben derzeit nur Kurzzeitspeicherkapazität. Ob es gelingen kann, für den deutschen (und europäischen) Langzeitspeicherbedarf in Norwegen ausreichend (Pump-)Speicherkraftwerke zu bauen, ist angesichts der bereits jetzt weitgehenden Nutzung des nach derzeitigen Bestimmungen möglichen Potenzials und von zu erwartenden Bürgerprotesten nicht leicht zu beantworten.

Aus Wind und Sonne gewonnene überschüssige elektrische Energie kann mit Elektrolyse zur Herstellung von speicherbarem Wasserstoff (bzw. anschließend Methan ) genutzt werden. In das Erdgasnetz eingespeist, kann damit Wärme erzeugt werden. Allerdings ist diese Möglichkeit zu teuer, solange auf Grund des EEG die hohen Wind- und noch viel höheren Photovoltaikstromkosten anfallen. Dieser Weg ist aber ohnehin keine echte Stromspeicherung, denn die Rückverwandlung in Strom in Gaskraftwerken ist wegen hoher Verluste wenig sinnvoll. Vielleicht kann bei Nutzung in mobilen Brennstoffzellen eine günstigere Rechnung im Vergleich zu Diesel- oder Benzinantrieben aufgemacht werden.

Batterien von Elektroautos werden gern als zukünftig im Netz relevante Stromspeicher dargestellt. De facto dürfte ihr Einfluss zumindest in den nächsten zwei bis drei Jahrzehnten eher bescheiden sein; von den 20 bis 25 Gigawattstunden (GWh) Kapazität der für 2020 geplanten eine Million E-Fahrzeuge dürfte in der Praxis nur ein Bruchteil als Lastspeicher nutzbar sein, wenn der Fahrbetrieb im Vordergrund stehen soll. Damit werden diese teuren Batterien kaum mehr als zehn bis 20 Prozent der schon heute verfügbaren Pumpspeicherkapazität von 50 GWh bringen.

Energietransport - europäisches Stromnetz gefragt

Auch beim Energietransport konzentrieren sich die Probleme auf den Strom. Das heutige Netz stößt bereits jetzt an seine Grenzen, etwa bei der Übertragung küstennaher Windenergie nach Süddeutschland. Der Netzausbau muss in europäischem Maßstab erfolgen, denn nur dann ist es möglich, durch Nutzung der optimalen Erzeugungsregionen zu deutlich kostengünstigerem Wind- und Sonnenstrom zu kommen als es bei einer auf Deutschland begrenzten Strategie je möglich sein wird. Ohnehin verlangt der europäische Energiebinnenmarkt in Zukunft einen echten, nicht durch (verdeckte) Subventionen verzerrten Preiswettbewerb, dem Anlagen in wind- und sonnenschwachen Regionen nicht werden standhalten können. Auch wird ein solches Netz ermöglichen, dass nur europaweit und nicht in jedem Land einzeln eine vollständige Reserveleistung für dort wind- und sonnenschwache Zeiten vorgehalten werden muss.

Technisch erfordert Stromtransport über große Strecken eine Hochspannungs-Gleichstrom-Übertragung (HGÜ) mit zum Beispiel 600 Kilovolt (kV), die in vielen Regionen der Welt bereits seit langem erfolgreich eingesetzt wird. Dieses Netz muss das Rückgrat für einen europäischen Netzausbau werden, dessen Kosten die EU-Kommission auf 200 Milliarden Euro veranschlagt. Bei Freileitungen werden die Masten für HGÜ beträchtlich höher sein als für die bisherigen 240/380-kV-Überlandleitungen. Ob die Bevölkerung das akzeptieren oder wesentlich teurere Erdkabel erzwingen wird, ist offen.

Bisher wird die Stromerzeugung an den Bedarf angepasst. Mit wachsenden Anteilen an schlecht vorausberechenbarem, fluktuierendem Strom wird künftig die Stromnachfrage an die aktuellen Erzeugungsmöglichkeiten angepasst werden müssen. Ein intelligentes Netz wird elektrische Verbraucher an- und abschalten. Mit sogenannten Smart Meters, die eine flexible Tarifgestaltung in Abhängigkeit von Stromangebot und -nachfrage ermöglichen, wird eine Entwicklung beginnen, die letztlich zu vom Stromversorger weitgehend fernsteuerbaren Geräten in Industrie, Handel und privaten Haushalten führen soll. Das wirft viele Fragen auf - nicht zuletzt nach persönlichem Datenschutz.

Energiewende: ja, aber effizient und wirtschaftlich

Der Klimaschutz macht eine Energiewende unerlässlich, und sie muss mit Einsparung, Effizienzsteigerung und Vermeidung fossiler Brennstoffe auf die Reduzierung von CO2-Freisetzung zielen. Knappere Öl- und Gasvorräte bedeuten noch lange nicht, dass die klimanotwendige Eindämmung von Öl-, Gas- und Kohleverbrennung von selbst rechtzeitig und in ausreichendem Maß erfolgen würde. Fossile Energieträger dürfen nur akzeptabel bleiben, wenn es gelingt, den Eintrag von CO2 in die Atmosphäre zu vermeiden, das heißt CCS wirtschaftlich und sicher einzusetzen.

Welche Rolle Kernspaltung international langfristig spielen wird, kann heute noch nicht abgeschätzt werden. Auf Fragen nach Sicherheit vor Katastrophen und, für die Öffentlichkeit kaum weniger wichtig, nach zuverlässiger Entsorgung müssen Antworten gefunden werden, die der Politik und Gesellschaft dauerhafte Entscheidungen in Abwägung mit Risiken anderer Optionen der Energieversorgung ermöglichen. Wünschenswert wäre, dass die Kernfusion in der zweiten Hälfte dieses Jahrhunderts einen wichtigen CO2-freien Beitrag zur Stromversorgung leistet. Aus grundsätzlichen physikalischen Gegebenheiten heraus sind hier keine nuklearen Katastrophen denkbar und auch die Abfallfrage ist wesentlich günstiger zu beantworten.

So sicher die Energiewende kommen muss, so offen sind noch viele Fragen, insbesondere die nach dem zukünftigen Strommix. Klar ist, dass erneuerbare Energien in Zukunft einen wesentlich größeren Anteil der Energieversorgung bereitstellen werden. Derzeit läuft die Entwicklung bis 2050 darauf hinaus, national mit 80 GW Wind und 65 GW Photovoltaik extreme Überkapazitäten aufzubauen, damit bei Schwachwind und Wolken die Stromversorgung noch einigermaßen möglich ist. Bei Starkwind und Sonne wird dann aber viel zu viel Leistung in das Netz gedrückt, die sich schon beim heutigen Ausbaustand gelegentlich nur unter Zuzahlung "verkaufen" lässt. Ob Stromspeicher, einschließlich des Konzepts, den überschüssigen Strom zur Elektrolyse von Wasserstoff zu verwenden, in der notwendigen Größenordnung realisierbar sein werden, ist noch unklar.

Deshalb muss Stromaustausch mit anderen EU-Ländern und angrenzenden Regionen eine zunehmend wichtige Rolle spielen, denn nur so können Wind-, Sonnen- und anderer Strom in den zweckmäßigen Regionen erzeugt werden, nur so lassen sich Fluktuationen optimal ausgleichen und nur so die teure Regel- und Reserveleistung minimieren. Nach den Szenarien der Bundesregierung für 2050 soll der Nettostromimport interessanterweise in der Größenordnung des Beitrags der bisherigen Kernkraft liegen. Vernünftigerweise aber sollte der Stromaustausch noch wesentlich stärker forciert werden, um die wirtschaftlich günstigsten Bedingungen für die Erzeugung erneuerbaren Stroms möglichst umfassend nutzen zu können. Der europaweite Netzausbau mit HGÜ ist damit für Deutschland extrem wichtig, wichtiger als der Aufbau wenig wirtschaftlicher heimischer erneuerbarer Energieerzeugung. Eine mit Blick auf Europa gestaltete Strategie für die deutsche Energieversorgung würde auch stärker in die Nachbarländer und vielleicht auch in andere Weltregionen wirken.

Die heimischen Anstrengungen sollten sich vorrangig darauf konzentrieren, unseren Energiebedarf zu senken, beispielsweise die Wärmedämmung bei Gebäuden und die Reduzierung von Treibstoffverbrauch im Verkehr voranzutreiben und die erforderliche Akzeptanz in der Bevölkerung herbeizuführen. Sodann sollte die Energie- und Stromerzeugung aus zuverlässig verfügbaren Quellen verstärkt werden. Wind- und Wasserkraft wie auch Photovoltaik liefern unmittelbar Strom, womit elektrische Energie noch mehr an Bedeutung gewinnen wird. Da aber Wind und Sonne uns nur nach Lust und Laune helfen und die Anlagen sehr teuer sind, wird die Frage nach gesicherter Verfügbarkeit ebenso vordringlich wie die nach den Kosten. Zuverlässig liefern Biomasse und Geothermie rund um die Uhr und das ganze Jahr hindurch Strom: Es werden keine teuren Reserve-Kraftwerke benötigt. Das mit der Photovoltaik vergleichbare geothermische Stromerzeugungspotenzial in Deutschland sollte deshalb entsprechend genutzt werden.

Es ist offensichtlich, dass fossile Energieerzeugung noch für lange Zeit eine große Rolle spielen wird. Deshalb ist es wichtig, die Frage nach den Möglichkeiten der CO2-Speicherung zu beantworten. Obwohl teuer, könnte sie ein wirtschaftlich gangbarer Weg sein, wenn sich Emissionshandel und Energiewende international durchsetzen - ein weiteres Argument für eine europaorientierte deutsche Energiepolitik. Da CCS nach jetziger Kenntnis allenfalls nur in großen Kraftwerken und Industrieanlagen eingesetzt werden kann, sollte der dezentrale Einsatz fossiler Brennstoffe - insbesondere für Wohnraumheizung - möglichst reduziert werden, also etwa der Einsatz von Wärmepumpen statt dezentraler KWK verstärkt gefördert werden.

Zusammenfassend lassen sich die beiden eingangs aufgeworfenen Fragen beantworten. Erstens: Ja, die Energiewende ist nicht nur notwendig, sondern möglich. Allerdings wird sie bei noch weiterem Ausbau fossiler Energieerzeugung (auch in Zusammenhang mit dem Ausstieg aus der Kernenergie bis 2022) verlangsamt.

Zweitens: Die mit dem EEG und anderer Unterstützung in Deutschland verfolgte Bevorzugung heimischer dezentraler Stromerzeugung ist vielfach wenig zweckmäßig, da teuer, voraussichtlich nicht bestandsfähig in einem liberalisierten europäischen Strommarkt und wenig effizient für den Klimaschutz. Viel wichtiger und wesentlich kostengünstiger wäre es, den ohnehin notwendigen transeuropäischen Netzausbau massiv zu forcieren, um nationalen Reserveleistungsaufwand zu reduzieren und wesentlich effektivere erneuerbare Stromerzeugung in geeigneteren EU- und angrenzenden Regionen für Deutschland nutzbar zu machen und dort vielleicht auch großvolumige Stromspeicherung zu ermöglichen.

Insgesamt ist ein gemeinsames europäisches Vorgehen von größter Bedeutung, nicht zuletzt auch dafür, eine Energiewende in den anderen großen Industrienationen der Welt zu bewirken. Denn für das Klima zählt nur die globale Verminderung der CO2-Emissionen.

Dieser Artikel gibt ausschließlich die Meinung der Autoren und nicht die Auffassungen der Europäischen Kommission, des JET Joint Undertaking, der Deutschen Physikalischen Gesellschaft oder einer anderen Organisation wieder.

Fussnoten

Fußnoten

  1. Dadurch sind die Zertifikate sehr preiswert geworden, was die kostengünstigsten CO2-Einsparungsmaßnahmen, nämlich die Optimierung konventioneller Kraftwerke und Industrieprozesse, wenig interessant macht, wohingegen die kostenträchtigsten CO2-Einsparungsmaßnahmen durch das EEG besonders attraktiv sind. Erst im Zeitraum von 2013 bis 2020 soll das Zertifikatvolumen stärker - aber wohl immer noch nicht ausreichend - angepasst werden.

  2. Vgl. Deutsche Physikalische Gesellschaft (DPG), Elektrizität: Schlüssel zu einem nachhaltigen und klimaverträglichen Energiesystem, Bad Honnef 2010, S. 73ff.

  3. Vgl. zum Beispiel Studien des Verbands der Elektrotechnik Elektronik Informationstechnik (2008) und der DPG (2010).

  4. Vgl. Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung, Energietechnologien 2050 - Schwerpunkte für Forschung und Entwicklung, Karlsruhe 2010; "Leitstudie 2010" im Auftrag des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit, Berlin, Dezember 2010; EWI/Prognos-Studie, Die Entwicklung der Energiemärkte bis zum Jahr 2030 (Energiereport IV), im Auftrag des Bundesministeriums für Wirtschaft und Arbeit, Berlin 2005.

  5. Alle Energieangaben, soweit nicht anders erwähnt, nach AG Energiebilanzen, Stand: Sommer 2011.

  6. Der Anteil der erneuerbaren Energien an der Stromerzeugung liegt bei 17 Prozent.

  7. Vgl. Stephan Kohler, Chef der Deutschen Energieagentur (dena), spricht in diesem Zusammenhang von einem Bedarf von bis zu 12000 Megawatt.

  8. Laut Rheinisch-westfälischem Institut für Wirtschaftsforschung (RWI).

  9. Entsprechend wird zum Beispiel der Wirkungsgrad eines modernen GuD-Kraftwerks mit CCS von 60 Prozent auf unter 50 Prozent sinken, das heißt, die mit Hilfe modernster Hochtechnologie erzielten Verbesserungen gehen wieder verloren.

  10. Vgl. DPG-Studie (Anm. 2), S. 9.

  11. Vgl. ebd., S. 52ff.

  12. Erfahrungen mit der Speicherung von CO2 in Aquiferen wurden unter anderem bei norwegischen Gasfeldern (zum Beispiel Sleipner) gewonnen, wobei sich zeigt, dass bisher nur ein geringer Teil der nominellen Reservoirvolumina ohne Probleme nutzbar ist.

  13. Wie steinig dieser Weg ist, zeigt der Gesetzgebungsprozess zur unterirdischen CO2-Speicherung, der am 23. September 2011 durch das Veto der betroffenen Bundesländer im Bundesrat vorläufig gestoppt worden ist.

  14. Wie viele Elektrofahrzeuge Zweit- oder Drittwagen sein werden, bleibt abzuwarten. Heute gibt es 55,5 Millionen zugelassene Fahrzeuge, davon 46,6 Millionen PKW mit einer Fahrleistung von rund 15000 Kilometer pro Jahr und Person, die bei Elektroautos bei etwa der Hälfte liegen könnte.

  15. Vgl. DPG-Studie (Anm. 2), S. 144ff.

  16. Vgl. Gerhard Luther, Anforderungen an einen Wärmepumpentarif, in: HLH, 62 (2011) 9, S. 120-125.

  17. 30 bis 70 Prozent. Vgl. Verband der Chemischen Industrie, Biomasse - Rohstoff für die chemische Industrie, Frankfurt/M. 2007. Siehe auch online: www.iea.org/papers/2011/biofuels_insights.pdf (28.9.2011).

  18. Vgl. Martin Kaltschmitt/Volker Lenz/Daniela Thrän, Zur energetischen Nutzung von Biomasse in Deutschland, in: Lifis online, 25.4.2008, online: http://leibniz-institut.de/archiv/kaltschmitt_25_04_08.pdf (28.9.2011).

  19. Ende 2010 waren laut Bundesverband Windenergie 21561 Onshore-Windenergieanlagen mit einer nominalen installierten Leistung von 27088 Megawatt im Einsatz.

  20. Dieser Wert schwankte in den vergangenen zehn Jahren zwischen 14 Prozent und 20 Prozent.

  21. Vgl. "Leitstudie 2010" (Anm. 4).

  22. Vgl. DPG-Studie (Anm. 2), S. 110ff. Die dena beziffert den Beitrag der Photovoltaik zur gesicherten Leistung in ihrer Kurzanalyse der Kraftwerks- und Netzplanung (2008) sogar auf nur ein Prozent.

  23. Für die Entwicklung eines entsprechenden Verfahrens verlieh die deutsche Gaswirtschaft 2010 ihren Preis für Innovation und Klimaschutz.

  24. Der über Erdgas gedeckte Energieverbrauch ist etwa doppelt so groß wie der Stromverbrauch. Eine Umwandlung von einigen -zig Prozent der Stromerzeugung in Wasserstoff lässt sich also leicht durch Speicherung bzw. Reduzierung des Imports von Erdgas auffangen.

  25. Vgl. etwa Oettinger: Netzausbau treibt Strompreise, 9.2.2011, online: www.zeit.de/news-022011/9/iptc-bdt-20110209-26-28616662xml (11.10.2011).

  26. Vgl. "Leitstudie 2010" (Anm. 4).

  27. Zu den Auswirkungen des Ausstiegs aus der Kernkraft auf die Erreichbarkeit der deutschen Klimaschutzziele siehe den nachfolgenden Beitrag von Konrad Kleinknecht.

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Prof. Dr. rer. nat., geb. 1945; Physiker, ehemaliger Referatsleiter und Berater in der Generaldirektion Forschung der EU-Kommission; stellvertretender Vorsitzender des Arbeitskreises Energie der Deutschen Physikalischen Gesellschaft; Meliesallee 5, 40597 Düsseldorf. E-Mail Link: ake@bruhns.info

Prof. Dr.-Ing., geb. 1934; Physiker, ehemaliger Direktor des JET Joint Undertaking in Culham/UK; Vorsitzender des Arbeitskreises Energie der Deutschen Physikalischen Gesellschaft; Kapellengartenstraße 11, 81247 München. E-Mail Link: martin.keilhacker@softdesign.de