Das Erstarken rechtspopulistischer und auch rechtsextremer Kräfte, das zuvor bereits in vielen europäischen Nachbarländern beobachtet werden konnte, hat in Deutschland zu einer Verschärfung gesellschaftlicher und politischer Debatten geführt. Diese Entwicklung macht auch vor Schulen nicht halt. Als Orte der gesellschaftlich-politischen Bildung, Erziehung und Wertevermittlung stehen diese nicht abseits gesellschaftlicher Kontroversen, sondern mitten darin.
Kontroversen haben auch in verschiedenen Bundesländern eingerichtete Online-Meldeportale der AfD mit dem Titel "Neutrale Schulen" ausgelöst. Dort sollen Schüler*innen und Eltern angeblich AfD-feindliche Äußerungen oder Aktionen von Lehrkräften oder andere "Missstände" an Schulen anzeigen. Der Staatsrechtler Christoph Degenhart sprach in diesem Zusammenhang von einem "Pranger" für Lehrkräfte, die Baden-Württembergische Kultusministerin Susanne Eisenmann (CDU) – ähnlich wie andere Minister*innen auf Bundes- und Landesebene – von einer "Denunziationsplattform". Die AfD selbst will den Vorwurf der Einschüchterung nicht gelten lassen. Vielmehr sieht sie sich von vielen Pädagog*innen zu Unrecht einseitig angegriffen und ihr Recht auf chancengleiche Teilhabe am politischen Prozess verletzt. In Hamburg soll die Schulbehörde auf Hinweis der AfD sogar in einigen Schulen "interveniert" haben. Das schafft Verunsicherung.
Vor diesem Hintergrund ist es umso wichtiger, dass sich Lehrkräfte und Pädagog*innen gerade mit Blick auf die Gefährdung von Demokratie und Menschenrechten nicht politisch indifferent verhalten, sondern sich mit verstärkter Aufmerksamkeit der politischen Bildung und Demokratieerziehung widmen. Um gegen Einschüchterungen, welcher Art auch immer, gewappnet zu sein, müssen sie sich auf einen rechtlichen Handlungsrahmen verlassen können, der ihnen eine möglichst klare Orientierung bietet. Dabei muss eine politische Werbung oder gar Indoktrinierung in der Schule, vor allem mit Blick auf populistische und extremistische Positionen, ausgeschlossen sein. Gerade in der politischen Bildung ist ein weiter Spielraum eröffnet, um das Eintreten für Menschenrechtsbildung und gegen rassistische und (rechts)populistische Tendenzen in Gesellschaft und Politik zu ermöglichen. Wie gezeigt werden soll, ist dies ein zentrales, durch den staatlichen Bildungs- und Erziehungsauftrag im Sinne von Artikel 7 Absatz 1 Grundgesetz (GG) vorgegebenes Ziel schulischer Bildung. Die Frage, wie politisch Lehrende in Schule sein dürfen, wird in diesem Beitrag auf Grundlage der geltenden Regelungen und Rechtsprechung diskutiert.
Gebot politischer Neutralität
Ein Gebot vollständiger politischer Neutralität von Lehrer*innen (oder auch anderen pädagogisch Mitarbeitenden) in der Schule gibt es nicht. Der Rechtswissenschaftler Joachim Wieland spricht mit Recht von einem "Mythos". Im Beamtenrecht verankert ist vielmehr der Grundsatz, dass Beamt*innen "bei politischer Betätigung diejenige Mäßigung und Zurückhaltung zu wahren [haben], die sich aus ihrer Stellung gegenüber der Allgemeinheit und aus der Rücksicht auf die Pflichten ihres Amtes ergibt" (§33 Abs. 2 Beamtenstatusgesetz, BeamtStG). Dieses Gebot gilt in gleicher Weise für angestellte Lehrpersonen.
Die Pflicht zur Wahrung politischer Zurückhaltung durch Lehrkräfte ist ein wichtiges Prinzip. Es ergibt sich rechtlich aus dem Bildungs- und Erziehungsauftrag des Staates, der in Art. 7 Abs. 1 GG seine Grundlage findet. Wenn der Staat neben den Eltern – wie es die Rechtsprechung formuliert – "gleichgeordnet" eine Verantwortung für die Bildung und Erziehung von Kindern und Jugendlichen übernimmt, muss er sicherstellen, dass die unterschiedlichen gesellschaftlichen, religiösen, ethischen und politischen Anschauungen in der Schule gleichermaßen respektiert werden und keine einseitige Beeinflussung der Schüler*innen stattfindet. Da Lehrkräfte diesen Bildungs- und Erziehungsauftrag umsetzen, sind sie in diesem Sinne zur Zurückhaltung und Mäßigung verpflichtet.
Aber was bedeutet das konkret? Die Rechtsprechung hat hierzu jedenfalls wiederholt betont, dass damit jedenfalls nicht gemeint ist, Lehrer*innen dürften eigene politische Überzeugungen im Unterricht nicht äußern oder müssten sie gar verbergen. Sie können sich vielmehr auch in der Schule und im Unterricht auf ihr Recht auf Meinungsfreiheit nach Art. 5 Abs. 1 GG berufen. In der politikdidaktischen Diskussion wird darauf hingewiesen, dass die "strikte Neutralität" einer Lehrperson im Sinne von gesellschaftspolitischer Indifferenz im Gegenteil ein fatales Signal an die Schüler*innen in Form eines "Sich-Heraushaltens" und des "Nicht-Flagge-Zeigens" senden könnte. Es ist daher nicht nur zulässig, sondern im Sinne des politischen Bildungs- und Erziehungsauftrags sinnvoll, dass Pädagog*innen in Diskussionen auch eigene Positionen vertreten, soweit sie die Schüler*innen damit nicht einseitig beeinflussen. Die hohen Anforderungen, welche die Rechtsprechung an die parteipolitischen Neutralitätspflichten von Amtsträger*innen in Ministerien und Verwaltungen gestellt hat, lassen sich vor diesem Hintergrund nicht auf das Mäßigungsgebot für Lehrpersonen in der Schule übertragen.
Das Gebot politischer Neutralität wird dann verletzt, wenn Lehrkräfte gegenüber den Schüler*innen einseitig oder provokativ für eine bestimmte politische Auffassung oder eine Partei werben. Denn dann nutzen sie ihre Position zur aktiven Durchsetzung eigener Anschauungen. Das gilt auch dann, wenn sie Anti-Werbung gegenüber Parteien betreiben, die dem demokratischen Spektrum angehören, oder diese gezielt diffamieren. Das Mäßigungsgebot aus §33 Abs. 2 BeamtStG stellt insofern ein allgemeines Gesetz als Schranke der Meinungsausübung nach Art. 5 Abs. 2 GG dar, die durch ein solches Verhalten überschritten wird.
In deutlich abgeschwächter Form gilt das Mäßigungsgebot auch außerhalb der Schule. Es wird verletzt, wenn Lehrkräfte menschenverachtende und verfassungsfeindliche Positionen vertreten oder demokratische Institutionen verunglimpfen. Ein solches Verhalten hat, auch wenn es außerhalb des Dienstes stattfindet, disziplinar- beziehungsweise arbeitsrechtliche Folgen und führt in der Regel zur Kündigung beziehungsweise Entfernung aus dem Dienst.
Bildungs- und Erziehungsauftrag
Eine kritische Auseinandersetzung mit politischen Positionen hingegen ist nicht nur zulässig, sondern wird durch den Bildungsauftrag der Schule nach den Landesschulgesetzen ausdrücklich gefordert. Das gilt zweifellos auch und besonders für die Beschäftigung mit rechtspopulistischen, diskriminierenden und mitunter rassistischen Positionen, die teilweise auf simplen, aber wirkmächtigen Parolen fußen, etwa vor einer "Überfremdung" Deutschlands warnen, türkischstämmigen Menschen einen geringeren "Intelligenz-Quotienten" zusprechen oder "den" Islam pauschal für mit einer "deutschen Kultur" nicht vereinbar erklären.
Der staatliche Bildungs- und Erziehungsauftrag fordert ausdrücklich eine Erziehung im Sinne demokratischer Grundsätze und der Werte des Grundgesetzes. So heißt es beispielsweise im Niedersächsischen Schulgesetz (NSchG), Schüler*innen sollen unter anderem "fähig werden, die Grundrechte für sich und jeden anderen wirksam werden zu lassen, die sich daraus ergebende staatsbürgerliche Verantwortung zu verstehen und zur demokratischen Gestaltung der Gesellschaft beizutragen, (…) religiöse und kulturelle Werte zu erkennen und zu achten, (…) ihre Beziehungen zu anderen Menschen nach den Grundsätzen der Gerechtigkeit, der Solidarität und der Toleranz sowie der Gleichberechtigung der Geschlechter zu gestalten, den Gedanken der Völkerverständigung (…) zu erfassen und zu unterstützen und mit Menschen anderer Nationen und Kulturkreise zusammenzuleben" sowie "sich umfassend zu informieren und die Informationen kritisch zu nutzen" (§2 NSchG). Diese rechtlich bindenden Bildungs- und Erziehungsziele finden sich in ähnlicher Form in den Schulgesetzen aller Bundesländer. Sie sind die Grundlage entsprechender Beschlüsse der Kultusministerkonferenz (KMK) zur Demokratieerziehung und zur Menschenrechtsbildung in der Schule.
Es kann kein Zweifel bestehen, dass ein klares Bekenntnis gegen Rechtsextremismus, Rassismus und Fremdenfeindlichkeit in unserer Gesellschaft einer solchen Erziehung im Sinne der Werteordnung des Grundgesetzes sowie der Landesverfassungen und Schulgesetze entspricht. Würden sich die Lehrkräfte etwa gegenüber Hass, Ausgrenzung, Diskriminierung und Hetze indifferent verhalten, so gäbe dies mit Blick auf die genannten verfassungsmäßigen Werte Anlass zu erheblicher Sorge. Dann müsste gefragt werden, ob der Bildungs- und Erziehungsauftrag (noch) ausreichend verwirklicht und gelebt wird. Es ist daher geboten, die Gefahren von populistischen und nationalistischen Bewegungen, von Rassismus, gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit und Diskriminierung im Unterricht zu thematisieren. Insoweit formuliert der Politikdidaktiker Bernd Overwien treffend, dass politische Bildung in der Schule nicht "neutral" ist – und es nicht sein darf.
In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass Demokratie- und Menschenrechtserziehung nicht auf den Unterricht in gesellschaftswissenschaftlichen Fächern beschränkt bleiben dürfen, sondern als "Querschnittsaufgabe" das gesamte Schulleben betreffen. So ist es nach Maßgabe der KMK-Beschlüsse Aufgabe der Schule insgesamt, "zu einer menschenrechtssensiblen und -fördernden Haltung zu erziehen, das erforderliche Wissen und geeignete Urteils-, Handlungs- und Gestaltungskompetenzen zu vermitteln sowie zu offenem und aktivem Engagement zu ermutigen". Der Politikunterricht hat dabei allerdings eine hervorgehobene Aufgabe, die "Schülerinnen und Schüler zur politischen Mündigkeit zu befähigen".
Thematisierung von Rechtspopulismus, Rassismus und Diskriminierung
Für die Bildungsarbeit in den Schulen ist vor diesem Hintergrund nicht ein Prinzip der Neutralität im Sinne der Nicht-Thematisierung politischer Positionen durch Pädagog*innen das Leitbild – eine Laizität in Bildungsfragen sozusagen, die versucht, politische Fragen aus der Schule auszuklammern. Vielmehr ist der wichtigste Prüfungsmaßstab das Prinzip der Gleichbehandlung und Chancengleichheit der politischen Parteien und Strömungen. Lehrkräfte müssen politische Sachverhalte ausgewogen und sachlich behandeln. Es wurde bereits darauf hingewiesen, dass sie dabei ihre eigenen Überzeugungen nicht zu verbergen brauchen – und dies auch nicht sollen. Sie dürfen diese jedoch den Schüler*innen nicht aufdrängen, und sie haben dafür Sorge zu tragen, dass andere Auffassungen ausreichend zur Geltung kommen: "Das Klassenzimmer darf nicht zur Arena politischer Auseinandersetzungen umfunktioniert werden."
Eine kritische Auseinandersetzung mit politischen Inhalten und Positionen, wie sie nach dem Bildungsauftrag geboten ist, kann indes zu Feststellungen oder Einschätzungen führen, die für bestimmte politische Richtungen oder Parteien nachteilig sind. Das Gebot der (partei)politischen Zurückhaltung und Chancengleichheit bedeutet nämlich nicht, dass alle im demokratischen Parteienspektrum vertretenen Auffassungen bis zur Grenze der Verfassungsfeindlichkeit im Sinne des Art. 21 Abs. 2 GG gleichermaßen als legitim darzustellen sind. Das gilt insbesondere in der Auseinandersetzung mit rechtspopulistischen Parteien wie der AfD.
Während in der Gründungszeit der AfD um das Jahr 2013 in ihrer Programmatik vor allem europaskeptische Positionen vorherrschend waren, rückten kritische Positionen gegenüber Zuwanderung, Integration und Diversität immer mehr in den Vordergrund. Die ursprünglich als eher "gemäßigt" einzustufende Parteiführung verlor immer mehr an Rückhalt bei der Mehrheit der Funktionäre und Mitglieder. Gleichzeitig gewannen Strömungen "mit Ausläufern in den Rechtsextremismus" in der AfD zunehmend an Einfluss. Teile der Partei stehen heute aufgrund von migrations- und muslimfeindlichen Positionierungen im Fokus des Verfassungsschutzes. Die AfD-Teilorganisation "Der Flügel" wird von diesem als "gesichert rechtsextremistische Bestrebung" eingestuft. Nach einer Analyse von Hendrik Cremer vom Deutschen Institut für Menschenrechte sind "rassistische Positionierungen Bestandteil ihres Programms, ihrer Strategie sowie von Positionierungen durch Führungspersonen und Mandatsträger_innen bis hin zu offen ausgesprochenen Drohungen, in denen sie einer gewaltsamen Machtergreifung zur Erreichung ihrer politischen Ziele das Wort reden".
Diese Positionierungen innerhalb der AfD und anderen rechtspopulistischen Parteien können und sollten von Lehrkräften thematisiert und mit den Schüler*innen kritisch reflektiert werden. Darin liegt nach der Rechtsprechung keine Verletzung der Chancengleichheit nach Art. 21 GG und somit des beamten- beziehungsweise arbeitsrechtlichen Zurückhaltungsgebots. Es muss allerdings die Sachlichkeit der Diskussion gewahrt werden und jegliche direkte Beeinflussung der Schüler*innen unterbleiben. Pädagog*innen können ihre Haltung deutlich machen, indem sie sich auch auf einer persönlichen Ebene klar gegen Rassismus und gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit und damit zugleich gegen bestimmte Parteien oder Bewegungen wie Pegida ("Patriotische Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes"), von beziehungsweise in denen derartige Inhalte vertreten werden, aussprechen. Ein Satz wie: "Aus meiner Sicht sind rechtspopulistische Parteien wie die AfD rassistisch und nicht wählbar" würde folglich trotz seines stark wertenden Charakters den Spielraum zulässiger Meinungsäußerungen durch Lehrkräfte nicht überschreiten und den Grundsatz der parteipolitischen Chancengleichheit nicht verletzen.
Beutelsbacher Konsens aus rechtlicher Perspektive
Wo aber verläuft genau die Grenze zwischen einer notwendigen kritischen Auseinandersetzung mit fremdenfeindlichen, diskriminierenden oder rassistischen Positionen, die im demokratischen Spektrum vertreten werden, und einer unzulässigen (partei)politischen Einflussnahme?
Im "Beutelsbacher Konsens", der auf eine Tagung von Politikdidaktiker*innen 1976 im Ort Beutelsbach zurückgeht, wurden vom Politikwissenschaftler Hans-Georg Wehling drei Prinzipien formuliert, die heute als didaktische Leitgedanken politischer Bildung weitestgehend etabliert sind und auch von der KMK übernommen wurden: Das Überwältigungsverbot, das es nicht erlaubt, Schüler*innen "im Sinne erwünschter Meinungen zu überrumpeln und damit an der ‚Gewinnung eines selbstständigen Urteils‘ zu hindern", das Kontroversitätsgebot, nach dem auch im Unterricht kontrovers erscheinen muss, was "in Wissenschaft und Politik kontrovers ist", und die Lernendenorientierung, nach der Schüler*innen in die Lage versetzt werden sollen, "eine politische Situation und [die] eigene Interessenslage zu analysieren, sowie nach Mitteln und Wegen zu suchen, die vorgefundene politische Lage im Sinne [eigener] Interessen zu beeinflussen".
Zwar hat die Rechtsprechung bislang nicht unmittelbar auf die genannten drei Grundsätze des Beutelsbacher Konsenses Bezug genommen. Allerdings lässt sich anhand der vorliegenden Entscheidungen die folgende Regel aufstellen: Je weniger die genannten Prinzipien beachtet werden, desto sicherer kann von einer einseitigen Beeinflussung und damit von einer Verletzung des Gebots der politischen Mäßigung und Zurückhaltung im Rechtssinn ausgegangen werden.
Das ist zum Beispiel für das Überwältigungsverbot einleuchtend. So wurde es von der Rechtsprechung als Verstoß gegen das Zurückhaltungsgebot bewertet, wenn Lehrkräfte im Unterricht Ansteck-Buttons mit eindeutigen politischen Aussagen zu gesellschaftlich umstrittenen Themen tragen. Die grundlegende Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts stammt aus dem Jahr 1982 und betraf die Plakette "Atomkraft: nein danke!". Die friedliche Nutzung der Atomenergie war damals ein politisch hochumstrittenes Thema, und die Plakette wurde vom Gericht als einseitiges "politisches Propagandamittel" bewertet. Dies erscheint mit Blick auf das Überwältigungsverbot plausibel, auch wenn sich der politische Mainstream zu diesem Thema grundlegend geändert hat und heute – nach beschlossenem Atomausstieg – wohl kaum mehr von einer hochumstrittenen Frage der Tagespolitik auszugehen ist. Überzeugend aber ist die Wertung des Gerichts, wonach die Plakette ein "betontes und ständiges Herausstellen der eigenen politischen Auffassung" darstellt, dem die Schüler*innen unausweichlich ausgesetzt sind.
Folgerichtig wäre der Fall anders zu bewerten, wenn die Lehrperson die Plakette lediglich temporär dafür eingesetzt hätte, eine Diskussion mit den Schüler*innen zu initiieren. Ebenso zulässig wäre es, wenn eine Plakette das Bekenntnis zu Auffassungen und Wertungen wiedergeben würde, die den (verfassungs)rechtlich verankerten Erziehungs- und Bildungszielen entsprechen und insoweit nicht als "kontrovers" zu betrachten sind. Davon ist auszugehen, wenn Pädagog*innen Plaketten oder Sticker tragen, die sich in allgemeiner Form gegen Rassismus, Diskriminierung und Fremdenfeindlichkeit aussprechen. Auch hier ist klar: Pädagog*innen müssen mit ihrer eigenen Auffassung nicht hinter den Berg halten, sofern sie die Schüler*innen nicht einseitig überwältigen und zu einer kontroversen Auseinandersetzung mit einem Thema anregen (wollen).
Es muss auf der anderen Seite ebenso klar sein, dass Schüler*innen durch die Äußerung bestimmter politischer Meinungen, soweit diese sich im Rahmen der verfassungsmäßigen Ordnung halten, keine Nachteile – zum Beispiel bei der Leistungsbewertung – erleiden dürfen. Das ergibt sich bereits aus Art. 3 Abs. 3 GG, der eine Benachteiligung oder Bevorzugung aufgrund politischer Anschauungen verbietet. Rechtspopulistische, fremdenfeindliche oder sonst diskriminierende Auffassungen müssen allerdings im Unterricht nicht toleriert, sondern sollten von Lehrkräften – gegebenenfalls unter Verweis auf die demokratischen Werte und die Menschenrechte – kritisch thematisiert werden. Ein unmissverständliches Einschreiten ist seitens der Pädagog*innen geboten, wenn Rechtsgüter und grundlegende Werte verletzt werden, etwa diskriminierende oder rassistische Äußerungen getätigt werden.
Das Kontroversitätsgebot darf auch nicht im Sinne einer meinungsmäßigen Laissez-fair-Haltung missverstanden werden. Im demokratischen Spektrum gibt es mittlerweile eine Reihe von Vertreter*innen, deren Aussagen auch unter Wahrung des Sachlichkeits- und Rationalitätsgebots als rassistisch oder fremdenfeindlich bewertet werden können oder sogar müssen. So gelangt man bei der Analyse der Schriften des ehemaligen Berliner Finanzsenators Thilo Sarrazin unter Zugrundelegung unterschiedlicher in der Wissenschaft vertretener Rassismusdefinitionen zu dem Ergebnis, dass einige von ihm vertretenen Thesen als rassistisch einzustufen sind. Ein Umstand, auf den unter anderem auch der UN-Ausschuss zur Überwachung der Antirassismuskonvention hingewiesen hat. Dass Sarrazins Thesen in der öffentlichen Debatte kontrovers diskutiert wurden und teilweise auch viel Zuspruch erhalten haben, ändert nichts an einer solchen wissenschaftlich gestützten Einordung.
Natürlich ist über die adäquate Definition von Rassismus zu diskutieren. Doch genau dafür braucht es die Schulen als offene und vielfältige Orte der Meinungsbildung und Diskussion – und nicht als Orte der "Neutralität", in denen die kritische Auseinandersetzung mit den für unsere Gesellschaft wichtigen Themen keinen Platz hat. Schüler*innen sollten nicht einseitig mit vorgegebenen Haltungen konfrontiert, sondern zur kritischen Reflexion und Auseinandersetzung befähigt werden. Dabei muss es primäres Ziel sein, durch gute Bildung, die Förderung eines differenzierten Einschätzungsvermögens und die Vermittlung grundlegender Werte wie Toleranz und gegenseitige Achtung zu erreichen, dass junge Menschen gegen die Einflussnahme antidemokratischer und populistischer Bewegungen gewappnet sind. Das wird sich allein auf einer kognitiven Ebene nicht erreichen lassen. Ebenso wichtig bleiben das Vorleben und das gemeinsame Verwirklichen demokratischer und menschenrechtlicher Werte im gesamten schulischen Alltag.