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Journalisten im Klimakrieg - Essay | Klimadiskurse | bpb.de

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Journalisten im Klimakrieg - Essay

Axel Bojanowski

/ 10 Minuten zu lesen

In den Medien wird der Wissensstand über den Klimawandel häufig verzerrt dargestellt. Ein Blick auf die hinter den Unstimmigkeiten liegenden kulturellen, politischen und pragmatischen Motivationen offenbaren strukturelle Probleme des Journalismus.

Wer sich als Wissenschaftsjournalist länger mit dem Thema Klimawandel befasst, kommt um eine Erfahrung nicht herum: Neugieriges Nachfragen zum Thema gibt es selten, Aufregung hingegen im Übermaß – für die Ergebnisse der Klimaforschung interessiert sich kaum jemand, für deren Deutung fast jeder. Die Folge ist, dass weniger Fakten die Klimadebatte bestimmen als eher politische Gesinnung.

Sich im rechten Spektrum Verortende tendieren zur Beschwichtigung des Klimawandels. Sie mögen keinen Dirigismus, also schon gar keine staatlichen Eingriffe im Rahmen internationaler Bemühungen für Klimaschutz. Sich links Wähnende wollen einen Ausgleich zwischen Arm und Reich; sie tendieren zu einer Dramatisierung des Klimawandels, um ihrem politischen Credo Nachdruck zu verleihen. Forschungsergebnisse, die nicht ins Weltbild passen, werden von beiden Seiten gerne ignoriert und häufig bekämpft.

Auf dem Rücken der Wissenschaft wird ein regelrechter Kulturkampf ausgetragen, dem Fakten zum Opfer fallen. Je nach politischer Haltung werden entweder die erheblichen Unsicherheiten der Ergebnisse der Klimaforschung oder die großen Risiken des Klimawandels außer Acht gelassen. Beides geht fehl: Bei der Klimatologie handelt es sich um "postnormale Wissenschaft", hohe Risiken gehen unweigerlich einher mit großen Unsicherheiten.

Umgekehrte Wahrheitsfindung

Klimaforscher haben eine überzeugende und beängstigende Diagnose präsentiert: Der Mensch erwärmt mit seinen Abgasen das Klima. Die Belege dafür sind vielfältig und gefährliche Folgen messbar: Gletscher schmelzen, der Meeresspiegel steigt, Hitzewellen werden häufiger. Eine weitere globale Erwärmung von mehreren Grad birgt massive Risiken, das Thema findet sich zu Recht oben auf der Agenda der Vereinten Nationen. Das ist die eine Seite der Wahrheit.

Die andere: Es lässt sich in den meisten Fällen nicht bestimmen, wie wahrscheinlich die Risiken sind. Die Unsicherheiten durchziehen nahezu alle Ergebnisse der Klimaforschung. Robuste Klimaszenarien für einzelne Regionen etwa sind bislang nicht möglich, weshalb sich konkrete Folgen der Erwärmung nur ungenau bestimmen lassen. Dass Extremwetterphänomene vielfach noch keinen Trend zeigen, bleibt oft unerwähnt.

Der Klimawandel demonstriert, was geschieht, wenn hochkomplexe Wissenschaft mit ihren Tausenden multikausalen Wechselwirkungen, mit ihren Widersprüchen und Wissenslücken in die öffentliche Debatte gerät: Sie wird Opfer von politischem Dualismus. Es bilden sich Lager, denen jeder Debattenteilnehmer zugeordnet wird. Wer sich nicht selbst zuordnet, wird zugeordnet.

Die Wahrheitsfindung wird umgedreht: Nicht mehr Fakten bestimmen die Position, sondern die Position wird zum Faktum. Entweder man ist "Leugner", also Risiken-Verschweiger, oder "Alarmist", also Unsicherheiten-Verschweiger. Gefährlicher Meeresspiegelanstieg? – Wer das korrekt feststellt, muss Alarmist sein, also Unsicherheiten-Verschweiger. Weniger Waldbrände? – Wer das korrekt konstatiert, muss Klimaleugner sein, also Risiken-Verschweiger. Beide Seiten nähren sich gegenseitig. Sie entlarven jeweils die Tendenziösität der anderen, was ihnen Applaus ihrer Gruppe sichert und ihre Strahlkraft vergrößert. Es entwickelt sich ein emotionaler Kampf, bis kaum noch jemand es wagt, sich eigenständig zu äußern, aus Sorge, aus der Gruppe verbannt zu werden.

Am Pranger

Journalisten geraten unter Druck – in Deutschland, der Schweiz und Österreich vor allem von einer Seite: Wer den Verdacht auslöst, Risiken des Klimawandels relativieren zu wollen, zieht Kritik auf sich; mancher findet sich gar als namentlich genannter Klimawandelskeptiker in einer Broschüre des Bundesumweltministeriums wieder. Wer hingegen Unsicherheiten der Forschungsergebnisse ignoriert, hat nichts zu befürchten, Protestpost in dieser Hinsicht gilt in Redaktionen meist als reputationsfördernd. Kritische Journalisten hingegen müssen Internetpranger, Online-Petitionen für ihre Entlassung und Beschwerden bei Chefredaktionen über sich ergehen lassen. Einige haben sich deshalb vom Klimathema abgewandt, anderen wurde von Redaktionen das Vertrauen entzogen, sodass sich die Berichterstattung übers Klima zunehmend homogenisiert.

Als Rechtfertigungsmuster für die Anfeindungen dient ein "Gut gegen Böse"-Narrativ: Beide Seiten wähnen sich moralisch im Kampf gegen das Übel. Das schafft positive Gruppenerlebnisse und vertieft die Polarisierung. Die Verschweiger der Risiken des Klimawandels sehen sich als Kämpfer gegen eine korrumpierte Wissenschaft. Die Verschweiger der wissenschaftlichen Unsicherheiten sehen sich als Kämpfer für die überfällige Weltrettung. Selbst der langjährige britische Regierungsberater Nicholas Stern erklärte Gegner seiner ambitionierten Klimaagenda, die den Fokus der Öffentlichkeit von britischen Problemen im Irak-Krieg ablenkte, zu "Forces of Darkness".

Die Polarisierung hat nicht nur Gesellschaft und Medien entzweit, sondern auch die Wissenschaft. Forscher, die früh eindringlich vor dem Klimawandel warnten, wurden von der "Klimaleugner"-Lobby, die in den 1990er Jahren von Energiefirmen gesponsert wurde, über Jahre als Lügner gebrandmarkt, gar als vermeintliche Kriminelle verfolgt. Seither beschwören die Angegriffenen zusammen mit verbündeten Kollegen einen "Klimakrieg", was ihren Status in der eigenen Referenzgruppe, zu der viele Journalisten gehören, deutlich aufgewertet, die Polarisierung der Debatte aber verschärft hat. Ihr Furor richtet sich längst auch gegen Klimaforscherkollegen, die plausible Kritik äußern. Manche von ihnen wurden dabei auf gründliche Weise diskreditiert, sie wechselten das Fach oder zogen sich zurück.

Wenige Quellen

Moralisierung wissenschaftlicher Konflikte bietet den Vorteil, dass sie die Auseinandersetzung erspart – mit dem Bösen redet man nicht, über das Gute lässt sich nicht verhandeln. Soziologen sprechen von der "Noble Cause Corruption", wenn für die Überzeugung von als wichtig empfundenen Zielen Dinge verschwiegen werden, die die eigene Argumentation schwächen könnten. Ob es um die Bewahrung des Vaterlandes in Kriegszeiten oder um den Schutz der Umwelt in Klimawandelzeiten geht – stets glaubt eine Mehrheit von Journalisten, aus noblem Grund die Berichterstattung korrumpieren zu müssen. Was die Berichte dann sicher nicht liefern, ist ein Abbild der Wirklichkeit.

Auch journalistische Berichte über den Klimawandel ergründen häufig nicht den komplexen Sachstand, sondern spiegeln die Lagerzugehörigkeit der Autoren wider. In Deutschland sehen sich die meisten Journalisten in der Pflicht, vor allem über die Risiken des Klimawandels zu berichten. In einer Befragung von 2014 gab die Mehrheit der Journalisten an, weniger über die Unsicherheiten der Forschungsergebnisse informieren zu wollen. Knapp zwei Drittel der Befragten wollten mit ihrer Berichterstattung die Notwendigkeit ökologischer Reformen in Politik und Wirtschaft hervorheben.

Das sogenannte Indexing verstärkt diese Tendenz: Bei komplexen, verästelten Themen wie dem Klimawandel, die sich nicht in ein paar Tagen zu Genüge recherchieren lassen, erleichtert es die Arbeit, sich auf bewährte, "indizierte" Quellen verlassen zu können. Journalisten wissen bei erprobten Experten, was sie bekommen, die Berichte lassen sich anhand dieser Quellen risikolos planen. Der Nachteil: Viele Facetten bleiben außen vor, und das Thema wird mit der Zeit immer schmaler dargestellt.

Beim Klima fragen Journalisten häufig nur noch nach katastrophalen Folgen der Erwärmung, weil solche Berichte erfahrungsgemäß keinen Rechtfertigungsdruck generieren. Unsicherheiten und Grenzen des Wissens und der Weg zur Erkenntnis werden für die Berichterstattung meist nicht abgefragt, weil Geschichten fokussiert auf Klimarisiken angesichts der Dramatik des Themas plausibel genug erscheinen. Das Indexing hat auch die Anzahl der Klimaforscher, die öffentlich zu Wort kommen, erheblich eingeschränkt: Deutsche Medien fragen zumeist die immer gleichen vier Klimaforscher. Die meisten anderen bleiben der öffentlichen Debatte fern.

Gutes Umfeld für Lobbyisten

Der Publizistikforscher Mike Schäfer hat diesen Tatbestand empirisch für die Schweiz belegt: Seinen Zählungen zufolge sind es immer dieselben wenigen Wissenschaftler, die in den Massenmedien vorkommen. Die überwältigende Mehrheit der Professoren, rund 96 Prozent, erhält so gut wie keine Medienaufmerksamkeit. Ihre Abwesenheit sorgt für Verzerrung, denn in die Öffentlichkeit drängen nicht unbedingt jene Gelehrten mit ausgleichendem Gemüt. Vielmehr sind es häufig Forscher mit Sendungsbewusstsein oder Karriereinstinkt, die mit starken Thesen den journalistischen Opportunismus füttern.

Diese "Media Scientists", man könnte sie auch "Spindoktoren" nennen, beherrschen die Klimadebatte. Ihr Status als Wissenschaftler sichert ihnen Glaubwürdigkeit. Auch Wissenschaftler sind aber weder interessenlos noch fehlerlos. Und so prägen Media Scientists nicht selten einen Spin, der den Stand der Wissenschaft verzerren kann, beispielsweise indem sie selektiv zitieren: Media Scientists sagen wenig Falsches, lassen jedoch gelegentlich Fakten außen vor, die ihre These nicht stützen. Wissenschaftler indes, die der Komplexität ihres Fachgebietes gerecht werden wollen, haben es schwer in der öffentlichen Debatte. Die omnipräsenten Spindoktoren mit ihren medienaffinen Stellungnahmen lassen Forscher mit differenzierten Aussagen aussehen wie Quertreiber. Unterschiedliche Thesen von Wissenschaftlern kritisch abzuwägen, wäre eigentlich die Aufgabe von Journalisten.

Diese wird allerdings erschwert durch ein hohes Aufkommen von Lobbyisten und Interessenverbänden beim Thema Klimawandel – das gut berechenbare Umfeld bietet der Einflussnahme gute Bedingungen. Bei kaum einem Thema ist es so leicht, mit PR in die Massenmedien zu kommen, wie beim Klima: Ob die "Greenpeace-Studie", oder die "Schlimmer-als-gedacht"-Pressemitteilung – der Opportunismus in den Redaktionen zeitigt oft genug dankbare Abnehmer. Pressestellen von Forschungsinstituten wissen die Lage auf unterschiedliche Weise zu nutzen. Manche verschicken Einladungen zu Pressekonferenzen gezielt nur an Journalisten, auf deren Kooperationsbereitschaft sie sich verlassen können – das Vorgehen bringt Vorteile für beide Seiten: Der Journalist genießt Vorzugsbehandlung, die Pressestelle muss keine Kritik fürchten. Manchmal erreicht nach der Veranstaltung die lobende E-Mail eines Klimaforschers die Journalisten: Der Artikel sei ja "ganz schön geworden, herzlichen Glückwunsch!". So geht der Gegenseitigkeitsverein gestärkt aus der Sache hervor, denn kritische Journalisten – eine Last für beide Seiten, für die anderen Journalisten und die Wissenschaftsinstitute – werden auf diese Weise ausgebootet.

Starke "Co-Orientierung"

Dass es in Deutschland kaum Konflikte zwischen Wissenschaftsjournalisten und Klimaforschern gibt, haben die Soziologen Hans Peter Peters und Harald Heinrichs bereits 2005 herausgefunden. Zwar beschwerten sich Wissenschaftler gelegentlich über die begrenzte Fachkompetenz der Journalisten. Aber diesen Makel glichen Wissenschaftsjournalisten aus durch eine starke "Co-Orientierung" und eine "geteilte Kultur" mit den Klimaforschern. Die Interessen von Klimaexperten und Journalisten stimmen offenkundig überein, lautete das Resümee. Aufgrund der Polarisierung des Klimathemas hat sich die Allianz in den vergangenen Jahren weiter gefestigt.

Eine Art Nichtangriffspakt zwischen Klimaforschern und Journalisten hat sich etabliert. Der offenbart sich vor allem, wenn doch mal jemand ausschert – wie am 27. September 2013 um kurz nach 10 Uhr: Klimaforscher des UN-Klimarates IPCC stellten auf einer Pressekonferenz in Stockholm gerade den neuen UN-Klimabericht vor, da meldete sich überraschend ein Journalist mit einer kritischen Frage – die Situation kennen Klimaforscher auf Pressekonferenzen kaum. Der Reporter einer britischen Zeitung wollte wissen, warum nahezu sämtliche Computersimulationen das Stocken des globalen Temperaturanstiegs in den vorherigen 15 Jahren nicht abgebildet hätten. Die Antwort des Chefs der Weltorganisation für Meteorologie fiel ungeübt aus: "Ihre Frage ist falsch gestellt", rüffelte er missmutig den Reporter, ohne dessen Frage zu beantworten.

Medienforscher nahmen sich dem seltenen Ereignis an und resümierten im Fachblatt "Nature Climate Change", die Frage sei zu Unrecht abgewiesen worden. Klimaforscher sollten ihre Unsicherheiten deutlicher hervorheben, rügten sie zudem und warnten: Die Ratgebersprache der Wissenschaftler gegenüber der Öffentlichkeit verführe zu Übertreibungen. Die Mahnung verpuffte allerdings, so wie bedauerlicherweise die meisten Studien von Sozialforschern über die Klimadebatte. Auf Pressekonferenzen von Klimatagungen zeigen die Veranstalter den Journalisten zur Einstimmung weiterhin gerne Filme von Wetterkatastrophen. Journalisten würden von Klimaforschern als "willfährige Sekretäre betrachtet, die aufschreiben und massentauglich zu drucken haben", hat der Ethnologe Werner Krauß beobachtet, der die Klimadebatte seit Langem analysiert.

Verödete Debatte

Dass die unkritischen Berichte nicht herausgefordert werden, liegt auch am "Insider-Syndrom": Medien orientieren sich vor allem an anderen Medien. Omnipräsente Fehler werden kaum je problematisiert, weil sie die Redaktionen unter Rechtfertigungsdruck setzen. Selbst grobe Fehler zum Klimawandel werden selten angesprochen, denn solange andere Medien das Gleiche berichten, entsteht kein Handlungsdruck. Korrekturwünsche aus der Wissenschaft erreichen die Redaktionen selten wegen sachlicher Fehler, sondern eigentlich nur, wenn Wissenschaftler sich aufgrund eines Berichts in unpassendes Licht gerückt wähnen oder ihnen die Tendenz eines Artikels nicht passt. Hingegen können gerade korrekte Berichte am Pranger landen. Wenn etwa zahlreiche Medien gleichzeitig Falsches berichten, wie etwa im Sommer 2018, als viele einen Zusammenhang zwischen aktuellen Waldbränden und dem Klimawandel herstellten, geraten ausgerechnet Berichte unter Druck, die sauber den kontraintuitiven Stand der Forschung zitieren, der dokumentiert, dass Waldbrände in den vergangenen Jahrzehnten weniger geworden sind.

Folge ist eine Homogenisierung der Klimaberichterstattung, der es an kritischen Fragen hinsichtlich der Klimaszenarien und auch an Selbstkritik mangelt. Fast jedes noch so abseitige Katastrophenszenario findet den Weg in die Massenmedien, auch zahlreiche falsche Behauptungen. So bleibt die Sorge vor dem Klimawandel in der Bevölkerung zwar präsent, Bedeutung und Konsequenzen jedoch nebulös. Dabei würde es nur eine genaue Kenntnis der Fakten der Bevölkerung ermöglichen, sich vernünftig auf den Klimawandel vorzubereiten.

Erkenntnisse aus der Medienforschung legen nahe, dass die Sorge ums Klima abermals abflauen dürfte, ähnlich wie nach den anderen Phasen großer Aufmerksamkeit 2007, 2009 und 2015: Dramatisierung rüttelt Menschen auf Dauer nicht auf, haben Soziologen herausgefunden. Je auswegloser der Klimawandel dargestellt werde, desto eher wenden sich Leute von dem Thema ab. Immer neue Horrorszenarien schaden demnach dem Klimaschutz.

Die Polarisierung des Themas hat die Klimadebatte auf riskante Weise verödet: Dilemmatisches, das mit der Klimafrage einhergeht, wird erstickt, ein offener Diskurs zum Thema erschwert. Das Klimathema aber erfordert eine Debatte über grundlegende Eingriffe in die Gesellschaft. Gelingt es nicht, zwischen den "Kulturkämpfern" journalistisch zu vermitteln, dürfte sich der Klimakrieg ausweiten und auf weitere gesellschaftliche Milieus übergreifen.

ist Diplom-Geologe und Wissenschaftsjournalist. Seit Oktober 2019 ist er Chefredakteur bei "Bild der Wissenschaft" und "Natur". axelbojanowski.de