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Mit dem E-Auto in die Zukunft? Chancen und Herausforderungen der Elektromobilität

Birgit Priemer

/ 16 Minuten zu lesen

Die E-Mobilität bietet Chancen für den Klimaschutz und interessante digitale Geschäftsmodelle. Der Markt für E-Autos springt gerade an. Die Automobilindustrie kann davon durchaus profitieren, zunächst allerdings nur in der Rolle des Hardware-Herstellers.

Deutschland ist immer noch auch Autoland: Rund 1,8 Millionen Arbeitsplätze hängen direkt oder indirekt von der Automobilproduktion ab. Über die Rolle des Autos wird jedoch immer kontroverser diskutiert. Vor allem die staugeplagten Großstädter haben trotz immer schärferer Luftreinhaltegesetze buchstäblich die Nase voll von den Verbrennern. Die Automobilindustrie steht dabei vor der Herausforderung, strenger werdende CO2-Grenzwerte einhalten zu müssen – was allein mit Benzin und Diesel nicht möglich sein wird. Sichert also das lokal emissionsfreie Elektroauto die Zukunft der Automobilindustrie? Und können wir uns darauf verlassen, dass diese Technologie tatsächlich "sauber" ist – vor allem sauberer als Autos, die von klassischen Verbrennungsmotoren angetrieben werden? Im Folgenden werde ich einen Überblick über die aktuelle Lage geben und dabei Chancen und Herausforderungen der Elektromobilität aufzeigen.

Angebot und Nachfrage

Seit rund 20 Jahren wird in Deutschland über die Zukunft der Elektromobilität diskutiert. Und obwohl das Angebot seit Jahren wächst, bleibt die Nachfrage verhalten. Doch allmählich scheint sich etwas zu bewegen: Im ersten Halbjahr 2019 lagen die Zulassungszahlen für Elektroautos und Plug-in-Hybride über denen von Norwegen, das als Vorzeigeland in Sachen E-Mobilität gilt. Allerdings beträgt der Marktanteil der Stromer dort bereits sieben Prozent, in Deutschland gerade einmal 0,26 Prozent – und das, obwohl sich der BMW i3 oder auch das Tesla Model S bereits seit sechs Jahren im Angebot befinden. Die Lage könnte sich jedoch schon bald dramatisch ändern: Laut Kraftfahrt-Bundesamt wurden in den ersten acht Monaten 2019 über 42.000 E-Autos angemeldet – 89 Prozent mehr als im Vorjahreszeitraum. Bestverkauftes Modell ist der Renault Zoe, gefolgt vom Tesla Model 3. Ein deutsches E-Auto rangiert erst auf Rang 3 der Verkaufsstatistik – ungewöhnlich, wenn man sich im Vergleich dazu die Liste der bestverkauften Verbrenner in Deutschland anschaut: Die wird seit Langem von VW, Mercedes, BMW, Audi, Opel und Ford dominiert.

Und damit kommen wir zu einem Kardinalproblem der deutschen Automobilindustrie: Die Umstellung auf die E-Mobilität erfolgt viel zu spät: Nissan Leaf, Kia e-Soul und Renault Zoe sind als vergleichsweise günstige Modelle seit Jahren auf dem Markt. Deutsche Marken müssen ihre Stromer dagegen in den nächsten Monaten mit Hochdruck in den Handel pressen, weil sie sonst die ab 2020 in der EU für Neuwagen geltenden CO2-Grenzwerte von 95 Gramm pro Kilometer (g/km) nicht einhalten. Es wird so oder so ein dramatischer Wettkampf mit der Zeit, denn noch liegen einzelne Hersteller um die 20g/km über dem vorgeschriebenen Zielkorridor. Drohende Milliardenstrafen erklären also, warum ein Volumenhersteller wie Volkswagen scheinbar alles auf eine Karte setzt und im Planungszeitraum von 2018 bis 2022 über 30 Milliarden Euro in die Elektromobilität investiert. Im Sommer 2020 startet mit dem VW ID.3 ein E-Auto im Preissegment eines Golfs, dem in schneller Reihenfolge die Limousine ID.4, ein Crossover-Modell und ein per Strom angetriebener Nachfolger des legendären Bullis folgen sollen. Aktuell überschlagen sich alle deutschen Hersteller mit Neuankündigungen und Produktvorstellungen wie dem Porsche Taycan, der für das erste Produktionsjahr genauso ausverkauft sein soll wie der VW ID.3 oder eben auch die E-Version des Minis, die ebenfalls für 2020 geplant ist.

Der Markt springt also an, das Interesse der Kunden wächst – womit wir beim nächsten Problem wären: den Lieferzeiten. Selbst die teuren Premiumprodukte wie Mercedes EQC und Audi e-tron, beides Modelle im SUV-Segment, sind in nennenswerter Stückzahl nicht kurzfristig zu haben. Eine Umfrage von "Moove", der Elektroauto-Zeitschrift von "Auto Motor und Sport", hat ergeben, dass Kunden sich teilweise bis zu einem Jahr gedulden müssen, wenn sie einen der Stromer erwerben möchten. Und, noch viel schlimmer: dass die Händler gar nicht darauf eingestellt sind oder kein Interesse daran haben, E-Autos zu verkaufen. Die Marge fällt geringer aus, der Umsatz in der Werkstatt sinkt, weil E-Autos weder einen Ölwechsel benötigen, noch so einen hohen Bremsenabrieb aufweisen. Um 30 Prozent, so haben VW-Experten durch die Erfahrungen mit dem E-Golf in Norwegen bereits ermittelt, sinkt der Umsatz in der Werkstatt. Warum sollte also der Händler Interesse haben, Stromer zu verkaufen?

Die Folgen der E-Mobilität für den Standort Deutschland sind erheblich – das sehen wir bereits an den zahlreichen Gewinnwarnungen, die Zulieferer wie Bosch, Continental und Schaeffler in den vergangenen Monaten herausgegeben haben. Auf einer Diskussionsveranstaltung im Februar 2019 wies Bosch-Chef Volkmar Denner darauf hin, dass man für die Fertigung einer E-Achse nur ein Zehntel der Belegschaft braucht, die für den Bau eines Diesels benötigt wird. Droht also der Verlust von Arbeitsplätzen? Es kommt darauf an, ließe sich salomonisch formulieren. "Wenn wir Zeit für den Wandel bekommen, dann ist es machbar", so Denner weiter. Bei Bosch ginge in Deutschland bis 2030 die Hälfte der Belegschaft in Rente – auf diese Weise könnten Arbeitsplätze sozialverträglich abgebaut werden. Auch der ehemalige Daimler-Chef Dieter Zetsche hat früh vor den Folgen des Wandels gewarnt und für die Weiterbildung jener Mitarbeiter plädiert, die noch mit dem Bau klassischer Motoren beschäftigt sind. Wie gravierend der bevorstehende Wandel für die Automobilindustrie wird, verdeutlichte er auf dem Mobile World Congress 2019 in Barcelona: "Es ist kein Naturgesetz, dass Daimler ewig besteht."

Technik und Infrastruktur

Das Elektroauto steht wie kaum ein anderer Antriebstyp in einem Zielkonflikt. Weil die Kunden auf den gewohnten Reichweitenkomfort der Verbrenner nicht verzichten wollen, brauchen E-Autos einen großen Akku. Dadurch steigen aber Kosten und Gewicht. Das Ergebnis sind 2,6-Tonnen-Kolosse wie der Audi e-tron 55 Quattro. Seine Reichweite beläuft sich unter realen Testbedingungen zwar immerhin auf 380 Kilometer, aber der SUV verbraucht auch 24,8 Kilowattstunden (kWh) pro 100 Kilometer – das entspricht fast dem Doppelten eines Kleinwagens wie dem Renault Zoe R110. Der kommt auf nur 12,8 kWh/100km und mit einer Akkuladung trotzdem 300 Kilometer weit. Solche Distanzen mögen Langstrecken-Dieselfahrer belächeln, doch in Sachen CO2-Bilanz macht den BEV (battery electric vehicles) so schnell keiner etwas vor – weder die aktuellen Diesel noch die für Effizienz gerühmten Gasantriebe. Selbst der E-Audi oder der Jaguar I-Pace, die beide dank ihrer über 400 PS starken E-Maschinen und des deutschen Strommix indirekt üppige 131 und 137g/km CO2 emittieren, liegen circa 30 Gramm unter den Werten eines Mercedes B 200 d mit Euro-6-Diesel.

Was hindert Kunden also daran, den staatlich geförderten "Umweltbonus" von bis zu 4.000 Euro in Anspruch zu nehmen, Sorgen über Fahrverbote anderen zu überlassen und direkt zu einem Stromer zu greifen? Zum einen sind die Anschaffungskosten für E-Autos im Vergleich trotzdem noch höher als für Autos mit Verbrennungsmotoren, zum anderen ist da die Sache mit der Lade-Infrastruktur: Hier hängen die etablierten Konzepte das E-Auto noch immer ab. Denn obwohl es schon rund 17.000 öffentliche Ladeplätze gibt und das Schnellladenetz wächst, ist die Versorgung noch unzureichend. Auch die an einer Schnellladesäule in 30 Minuten mögliche 80-prozentige Ladung der 95-kWh-Batterie des Audi e-tron ändert nichts daran. Spätestens hier wird deutlich: Das E-Auto ist eine Antwort auf die Mobilitätsfrage, aber eben nur eine von mehreren. Denn ebenso wenig, wie der Diesel je die Lösung für die Stadt war, so ist das E-Auto heute die Lösung für die Langstrecke – auch wenn der Hyundai Kona Elektro oder das Tesla Model 3 unter realen Testbedingungen bereits die 400-Kilometer-Marke knacken.

Wäre das Wasserstoffauto möglicherweise die bessere Alternative? Auch diese Fahrzeuge haben Akkus, jedoch kleinere als reine E-Autos. Denn in wasserstoffbetriebenen Autos dienen sie nur als Pufferspeicher für den Strom, den die Brennstoffzelle beim Verbrennen von Wasserstoff und Sauerstoff produziert, um anschließend die E-Maschine anzutreiben. Hierzulande gibt es neben dem 2014 vorgestellten Toyota Mirai allerdings nur den Hyundai Nexo, in den USA und Japan hat Honda zudem den Clarity für Leasing-Kunden im Angebot. Das Brennstoffzellen-plug-in-Hybridfahrzeug von Mercedes, der GLC F-Cell, wird nur an ausgewählte Kunden verleast. Dabei hat die Technik großes Potenzial, denn die Autos fahren lokal emissionsfrei und lassen sich schnell betanken. Wie bei den Elektroautos sind aber auch hier Infrastruktur und Preis bislang entscheidende Hemmfaktoren: In Deutschland gibt es aktuell nur 75 Wasserstofftankstellen, und Mirai und Nexo kosten stolze 78.600 beziehungsweise 69.000 Euro.

Umweltfreundlich und fair?

In der Werbung fahren E-Autos flüsterleise durch intakte Landschaften oder Städte, in denen Menschen keine Abgase mehr einatmen müssen. Zugleich wird häufig betont, wie klima- und ressourcenschonend E-Autos sind: Denn auch bei ganzheitlicher Betrachtung verursachen sie weniger CO2 als Verbrenner, und wichtige Rohstoffe werden nur einmalig für die Herstellung benötigt, nicht fortlaufend durch den Betrieb verbraucht. Doch das ist nur die eine Seite der Medaille. Zur Realität gehört auch die andere Seite, die Rohstoffgewinnung: Kobalt etwa, wichtiger Rohstoff für die Batterieproduktion, kommt zu über 60 Prozent aus dem Kongo, wo zum Teil skandalöse Arbeits- und Sicherheitsbedingungen herrschen. Vielfach wird das kobalthaltige Erz von Jugendlichen mit bloßen Händen aus einsturzgefährdeten Erdlöchern geholt. Das meiste Erz wird nach China verkauft, sowohl auf dem freien Markt unter korrupter staatlicher Kontrolle als auch auf dem Schwarzmarkt – von nicht in Minen angestellten, sondern selbstständig arbeitenden Bergleuten, denen etwa sechs Prozent des erzielten Preises bleiben. Die Wertschöpfung der Weiterverarbeitung findet ohnehin größtenteils außerhalb des Landes statt.

Besonders gerecht geht es auch bei der Förderung von vor allem in Südamerika vorkommendem Lithium nicht zu. Lithiumsalze kommen dort im Grundwasser in mehreren hundert Metern Tiefe vor und müssen in oberirdische Verdunstungsbecken gepumpt werden. Chemikalien zur Ausfällung störender Mineralien kommen hinzu, später braucht es Lösungsmittel wie Kerosin und Salzsäure. Nicht alle eingesetzten Chemikalien landen auf Deponien, viele belasten als Schadstoffe Mensch und Natur. Die Gewinnung schlägt tiefe Wunden in die chilenische Atacama-Wüste und lässt die indigene Bevölkerung dort arm und ohne Grundwasser, aber mit verseuchten Böden zurück. Den Erlös für das "weiße Gold" schöpfen in erster Linie ausländische Konzerne ab.

BMW hat inzwischen angekündigt, kein Kobalt mehr aus dem Kongo beziehen zu wollen. Und auch andere Hersteller haben Maßnahmen eingeleitet, um ihre Lieferketten besser zu kontrollieren. "Wir wollen sicherstellen, dass in unseren Autos nur Rohstoffe enthalten sind, die nicht mit der Verletzung von Menschenrechten, zum Beispiel mit Kinderarbeit, in Berührung gekommen sind", sagt etwa Daimlers Rechtsvorständin Renata Jungo Brüngger. Auch VW hat seine Richtlinien für die Zulieferer verschärft, doch bei der Reduktion des Kobaltbedarfs hinkt der Konzern hinterher: Die Batterien des ersten ID.3-Modells haben einen Kobalt-Anteil von 12 bis 14 Prozent. In Teslas Model 3 soll er hingegen bei nur 2,8 Prozent liegen und könnte in naher Zukunft auf null zurückgehen.

Bei der Massenproduktion von Auto-Akkus kommen also die gleichen Methoden der kapitalistischen Industriegesellschaft zur Anwendung wie bisher in anderen Bereichen – und die sind oft weit von Nachhaltigkeit entfernt. Der Vorteil von E-Autos beziehungsweise die Chance, die sich hier (noch) bietet: Die Herstellungsprozesse stehen stark im Fokus und wären vor dem großen Boom noch formbar – hin zu mehr Gerechtigkeit und Umweltverträglichkeit, wie die Werbung sie dem E-Auto zuschreibt.

Sauber unterwegs?

Die Fragen sind so alt wie das Elektroauto selbst: Fahren Stromer wirklich sauberer, oder handelt es sich um rollende Mogelpackungen, bei denen die Abgase lediglich woanders herauskommen – aus dem Kraftwerksschlot statt aus dem Auspuff? Und entsteht bei der Produktion von Batterien nicht so viel CO2, dass das Auto diese Vorbelastung im Fahrbetrieb nie mehr wettmachen kann?

Um bei der Bewertung der Umweltbilanz der verschiedenen Antriebsarten zu einem differenzierten Urteil zu kommen, ist es wichtig, zwischen den einzelnen Bestandteilen der Emissionen zu unterscheiden. Während Schadstoffe wie Stickoxide (NOX) oder Feinstaub für Menschen und Tiere schädlich sind, macht das Treibhausgas CO2 Lebewesen nichts aus, dafür gilt es als Hauptverursacher des Klimawandels. Was die Schadstoffe angeht, bringen E-Autos tatsächlich Linderung. Stickoxide entstehen zwar auch bei der Stromerzeugung, aber in geringerem Ausmaß als in vielen Verbrennungsmotoren. Laut Umweltbundesamt fallen im deutschen Strommix durchschnittlich 0,42 Gramm Stickstoffdioxid pro erzeugter Kilowattstunde an. Ein E-Auto, das 18 kWh/100km verbraucht, verursacht damit indirekt 76 mg/km, womit es die strenge Euro-6d-Temp-Norm (168 mg/km) locker erfüllen würde. Nicht nur das: Die durchschnittliche Verweildauer von Stickoxiden in der Luft beträgt nur rund fünf Tage, dann sind sie unter anderem durch Regen ausgewaschen. Das heißt, dass nur ein regelmäßiger "Nachschub" an Stickoxiden zu hohen Konzentrationen führt – wie in Städten, wo viele Verbrennungsvorgänge auf engstem Raum stattfinden. In ländlichen Regionen, wo die meisten Kraftwerke stehen, kann es kaum zu bedenklichen NOX-Werten kommen.

Etwas komplexer sieht es beim Beitrag des Autos zur Feinstaubbelastung aus. Hier sind nicht die Verbrennungsprozesse Hauptverursacher, sondern auch Abrieb von Bremsen, Reifen oder Asphalt sowie das ständige Aufwirbeln der Partikel. Untersuchungen der Landesanstalt für Umwelt Baden-Württemberg zufolge sind über 80 Prozent der PM10-Feinstäube (bis zehn Mikrometer Durchmesser) verwirbelter Abrieb. Und verwirbeln können Stromer genauso gut wie Verbrenner. Allerdings halten einige Mediziner die ultrafeinen Partikel aus Motoren für gefährlicher als den gröberen Abrieb. Eine verlässliche Einschätzung hierfür seitens des Umweltbundesamtes fehlt jedoch. Die Bewertung der Partikelbelastung in der Luft erfolgt in Europa nämlich derzeit nur nach Masse und nicht nach Anzahl oder chemischer Zusammensetzung der Teilchen.

Die Luft in dicht besiedelten Städten würde also von Elektroautos profitieren. Doch wie verhält es sich mit dem Klima? Tatsächlich sieht die CO2-Bilanz eines E-Autos nicht ganz so rosig aus, wie es die EU in ihrer Flottenrechnung annimmt. Dort werden Stromer mit 0 g/km eingestuft, obwohl bei der Stromerzeugung sehr wohl CO2 anfällt. Für 2017 geht das Umweltbundesamt im deutschen Strommix von durchschnittlich 489 Gramm CO2 pro erzeugter Kilowattstunde aus. Im Vergleich mit Verbrennern schneiden E-Autos dennoch besser ab: Während ein VW Golf TDI durch Dieselverbrennung etwa 119 Gramm CO2 pro Kilometer freisetzt, verursacht ein E-Golf durch den Stromverbrauch indirekt 70 g/km. Durch den jährlich steigenden Anteil von regenerativ erzeugtem Strom wird das E-Auto zudem immer sauberer. Um möglichst klimaneutral unterwegs zu sein, genügt es aber nicht, bei seinem Stromanbieter einen grünen Tarif zu wählen. Denn häufig wird lediglich konventioneller Strom über CO2-Kompensations-Zertifikate aus dem Ausland grün eingefärbt. Ein echter Mehrwert für das Klima kann also nur entstehen, wenn der Umstieg auf ein E-Auto zum Anlass genommen wird, zu einem reinen Ökostromanbieter zu wechseln.

Allerdings verringert sich der E-Auto-Vorteil beim Blick auf die Produktion, und hier vor allem was die Produktion der Akkus angeht. Als einer von wenigen Herstellern hat das koreanische LG Chem Zahlen für seine Zellproduktion veröffentlicht: Pro Kilowattstunde Speicherkapazität entstehen während der Herstellung etwa 140 Kilogramm CO2. Bei einer 40 kWh fassenden Batterie eines Kompaktstromers sind das 5,6 Tonnen, noch bevor der Wagen einen Meter gefahren ist. Ein VW Golf TDI kommt 47.000 Kilometer weit, bis er so viel CO2 freigesetzt hat. Unterm Strich fällt bei der Produktion eines E-Autos etwa doppelt so viel CO2 an wie bei einem Verbrenner. Je größer der Akku, desto schwerer der CO2-Rucksack.

Eine Alternative könnten strombasierte Kraftstoffe aus erneuerbaren Energien bieten. Synthetische, also künstlich erzeugte Treibstoffe binden nämlich bei ihrer Herstellung annähernd so viel CO2, wie bei der späteren Verbrennung freigesetzt wird. Damit betriebene Fahrzeuge wären also quasi CO2-neutral unterwegs – abgesehen von den Emissionen, die bei der Fahrzeugproduktion entstehen. Außerdem könnten die sogenannten E-Fuels über die bestehende Tankstellen-Infrastruktur vertrieben, herkömmlichem Sprit beigemischt und für ältere Motoren genutzt werden. Trotzdem ist ein Durchbruch der Technologie derzeit noch ungewiss. Denn obwohl die Industrie auf diese Lösung pocht und einige Herstellungsverfahren bereits weit entwickelt hat, setzt die Politik für den privaten Bereich aktuell voll auf die E-Mobilität. Aber angesichts dessen, dass es voraussichtlich noch Jahrzehnte dauern wird, bis die gesamte Pkw-Flotte elektrifiziert ist, könnten E-Fuels als optimale Übergangslösung dienen, um schon heute die CO2-Bilanz zu verbessern – und zwar auch bei Lkw, Schiffen und Flugzeugen. Denn sobald es um größere Reichweiten und Nutzlasten geht, kommt die E-Mobilität konzeptbedingt an ihre Grenzen. Knackpunkt ist der Stromspeicher: So liegt die Energiedichte in flüssigen Kraftstoffen um ein Vielfaches höher als in heutigen Lithium-Ionen-Akkus. Akkus speichern bis zu 100 Wattstunden pro Kilogramm (Wh/kg), Sprit enthält dagegen um die 12.000 Wh/kg. Anders ausgedrückt: Während ein Tesla Model S einen 600 Kilogramm schweren Akku für eine Reichweite von rund 500 Kilometern benötigt, genügen einem vergleichbaren Diesel-Pkw um die 25 Liter Kraftstoff, was etwa 21 Kilogramm entspricht.

Zukünftig werden wir also mehr als bisher auf die Vielfalt verschiedener Antriebsarten angewiesen sein. Je nach Einsatzzweck wird mal die E-Mobilität sinnvoll sein, mal die Brennstoffzelle – auch als Plug-in-Hybrid – und mal flüssige Kraftstoffe. Was wir ebenfalls nicht vergessen sollten: Viele Ressourcen sind endlich, nicht nur die für die Energiebereitstellung. So reichen wohl weder die Platinvorkommen aus, alle Autos mit Brennstoffzellen auszustatten, noch ist unendlich viel Lithium für Batterien vorhanden.

Rettung des Autos?

In vielen europäischen Städten gibt es bereits Fahrverbote für Diesel: Paris hat Diesel ab der Schadstoffklasse Euro 2 bereits verbannt, bis 2024 sollen alle Selbstzünder, bis 2030 auch Benziner ausgesperrt werden. Nach Oslo dürfen Diesel-Pkw nicht mehr fahren, und auch in Kopenhagen sind Diesel seit 2019 nicht mehr zugelassen. Die Liste ließe sich fortsetzen. Mit Blick auf das Pariser Klimaabkommen von 2015 ist der Ausstieg aus fossilen Brennstoffen bereits geregelt, die Zukunft des Verbrenners ist also endlich. In dieser Hinsicht könnten Stromer also die Zukunft des Autos retten. Doch die Städte wehren sich nicht nur gegen Luftverschmutzung und CO2-Belastungen, die Metropolen dieser Welt brauchen auch neue Mobilitätskonzepte. Es ist eben nicht einfach damit getan, Alternativen wie E-Bikes, Lastenräder oder E-Scooter auf den Markt zu bringen, wenn dafür nicht neue Räume geschaffen werden – davon zeugen schon die ansteigenden Unfallzahlen auf diesem Gebiet.

Wenn Verkehrspolitik jedoch nicht moderiert wird, dann nützen auch neue Mobilitätskonzepte nichts – dies zeigt etwa die Tatsache, dass der Individualverkehr in Städten wie New York durch Fahrdienstvermittler wie Uber und Lyft gestiegen ist, weil viele Menschen die bequemere Lösung bevorzugen und die Fahrdienste dem öffentlichen Nahverkehr vorziehen. In Zukunft wird es in den Städten immer voller werden. Vielerorts wird daher mit Hochdruck an tragfähigen Konzepten jenseits des Individualverkehrs gearbeitet. "Der heutige Normalfall, wonach die meisten Menschen selber in ihrem eigenen Fahrzeug fahren, wird in wenigen Jahren nur noch ein Mobilitätskonzept unter vielen sein", prognostizierte der Global Lead Analyst Christoph Stürmer von der Beratungsfirma Pricewaterhouse Coopers bereits 2017. Car- und Ridesharing, die Elektrifizierung des Antriebs sowie die Entwicklung selbstfahrender Autos seien Megatrends, die in Kombination dazu führten, "dass sich der Straßenverkehr als solcher radikal verändern wird".

Stellen wir uns den urbanen Mobilitätsmix der Zukunft also aus mehreren Komponenten vor: öffentlicher Verkehr mit Bus und Bahn ergänzt durch autonom fahrende Autos, dazu der selbstgelenkte Individualverkehr mit eigenem Fahrrad oder kurzzeitig geliehenem Auto, Roller, Fahrrad oder E-Scooter. Eine weitere Komponente sind Mitfahrdienste wie etwa von der VW-Tochter Moia. Bei diesem sogenannten ride hailing führt ein Algorithmus die Anfragen der Passagiere zusammen und koordiniert die Fahrtenroute, vergleichbar einem Sammeltaxi – aber günstiger. Sofern sie klug genutzt werden und auf eine hohe Auslastungsquote kommen, bieten Mitfahrgelegenheiten durchaus die Chance, den Individualverkehr in Städten zu reduzieren.

Auch die Nachfrage der Verkehrsbetriebe nach autonom fahrenden Bussen dürfte in den nächsten Jahren wachsen. Zum einen können dadurch Personalkosten reduziert werden, zum anderen benötigen die Shuttles viel weniger Platz als beispielsweise große Gelenkbusse, die sich am Wochenende oder in der Nacht oft nur mit einer geringen Anzahl Passagieren durch die Städte quälen. In mehr als zehn deutschen Kommunen laufen mittlerweile Tests mit autonom fahrenden Kleinbussen, unter anderem in Keitum auf Sylt und Bad Birnbach. Die Kostenbilanzen fallen unterschiedlich aus. In einer Studie der Harvard University wird geschätzt, dass die Kosten für die Benutzung eines Robotaxis pro Meile fast dreimal so hoch wären wie die Benutzung eines eigenen alten Wagens. Allerdings könnte die Zeit im autonom fahrenden Shuttle künftig für andere Dinge genutzt werden, weshalb es bereits interessante Kooperationen gibt – zwischen Toyota und Pizza Hut zum Beispiel. Und der Autohersteller e.GO Mobile aus Aachen will den e.GO Moover, der in einer Kooperation mit dem Zulieferer ZF entsteht, an Läden vorbeifahren lassen, die appbasiert Gutscheine anbieten und die Insassen so zu einem Stopp einladen. Attraktiv könnte das Geschäft auch für Krankenkassen werden, die jedes Jahr Milliarden Euro an Taxiunternehmen für Krankenfahrten zahlen müssen. Die selbstfahrenden Autos sind längst noch nicht serienreif, aber Ideen für Geschäftsmodelle gibt es schon viele.

Die Automobilindustrie kann von Geschäften dieser Art durchaus profitieren, zunächst einmal in der Rolle des Hardware-Herstellers. Ob sie in Zukunft auch an den digitalen Geschäftsmodellen beteiligt sein wird, bleibt abzuwarten. Trotz aller Bemühungen und Kooperationen im Bereich der neuen Mobilität – prominentes Beispiel ist der Mobilitätsdienst Share Now, für den die Konkurrenten BMW und Daimler zu Partnern wurden – verdient im Moment niemand auch nur ansatzweise so viel Geld wie mit dem klassischen Automobilgeschäft. Und die meisten Erfahrungen auf dem Gebiet des autonomen Fahrens haben nicht BMW, Daimler und Volkswagen, sondern die Google-Tochter Waymo, die bereits Kooperationen mit Herstellern wie Jaguar Land Rover eingegangen ist, um sich den Zugriff auf deren Plattformen zu sichern. Dass die Sharing-Shuttles hauptsächlich elektrisch betrieben werden sollen, ergibt Sinn. Denn Shuttle-Fahrten gehen in der Regel über kürzere Strecken. Große, energieaufwändige und zugleich teure Akkus werden da nicht benötigt.

Die Nationale Plattform Elektromobilität, ein Beratungsgremium der Bundesregierung aus Vertretern der Industrie, Politik, Wissenschaft, Verbänden und Gewerkschaften, ging in ihrem Fortschrittsbericht 2018 davon aus, dass Deutschland sich "zu einem Treiber für Elektromobilität mit einer hohen Dynamik bei den Neuzulassungen" entwickeln wird und prognostizierte, dass der "Anteil von Elektrofahrzeugen an der weltweiten Gesamtproduktion von aktuell weniger als ein Prozent auf über zehn Prozent im Jahr 2020 und bis zu 25 Prozent im Jahr 2025 ansteigen" wird. Demnach käme die Elektromobilität in Kürze mit Wucht – genau so, wie es Ex-Daimler-Chef Dieter Zetsche im Sommer 2016 im Interview mit der "Wirtschaftswoche" mit einem anschaulichen Vergleich beschrieb: "Das ist wie mit der umgedrehten Ketchup-Flasche. Wenn man draufschlägt, weiß man, irgendwann kommt was raus. (…) Du weißt nicht wann, aber wenn’s kommt, dann richtig."

ist Chefredakteurin der Zeitschrift "Auto, Motor und Sport" mit Sitz in Stuttgart. E-Mail Link: bpriemer@motorpresse.de