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Kleine Ereignisgeschichte der Währungsreform 1948 | D-Mark | bpb.de

D-Mark Editorial Wunder gibt es immer wieder. Mythos Wirtschaftswunder Kleine Ereignisgeschichte der Währungsreform 1948 Hüterin der D-Mark. Über die Bundesbank und ihre Unabhängigkeit Deutsche Bundesbank als Modell Werden und Vergehen der DDR-Mark Ordnende Kraft des Geldes. Zur Geschichte des Schwarzmarkts vor und nach der Währungsreform Ängste und Sehnsucht. Von der D-Mark zum Euro

Kleine Ereignisgeschichte der Währungsreform 1948

Anne Sudrow

/ 16 Minuten zu lesen

Die westdeutsche Währungsreform 1948 nahm auf wirtschaftlichem Gebiet die politische Teilung vorweg und schuf zwei Währungszonen in Deutschland. Damit trug sie wesentlich zur Eskalation des Kalten Krieges bei und mündete in die Teilung Deutschlands.

Ab dem 20. Juni 1948 wurde in einem Teil Deutschlands die alte Reichsmark (RM) als Währung abgeschafft und die Deutsche Mark (DM) eingeführt. Dies geschah in den drei westlichen Besatzungszonen – der US-amerikanischen, der britischen und der französischen Zone –, nicht jedoch in Berlin und in der Sowjetischen Besatzungszone (SBZ). In der Geschichte der Bundesrepublik gilt diese Währungsreform als der Zeitpunkt, mit dem in Westdeutschland die Marktwirtschaft (wieder)eingeführt wurde und das sogenannte Wirtschaftswunder begann. Gleichzeitig verschärften sich anlässlich dieses Ereignisses jedoch die Auseinandersetzungen zwischen den vier Siegermächten um die politische Zukunft Deutschlands. Sie leistete einen wesentlichen Beitrag zum Beginn des Kalten Krieges und mündete letztlich in die Teilung Deutschlands.

Wirtschaftliche Ausgangslage

Der Nationalsozialismus und sein "Drittes Reich" hatten außer einem weithin zerstörten Land große Mengen Geld und eine geringe Güterproduktion hinterlassen. Die Produktion und die Güterverteilung waren ab 1936 staatlich kontrolliert und die Preise auf relativ niedrigem Niveau festgeschrieben worden. Am Ende des Krieges war sehr viel mehr Geld im Umlauf, als gebraucht wurde, um bei herkömmlicher Umlaufgeschwindigkeit des Geldes die geringe Menge produzierter Güter zu den Festpreisen zu kaufen. Dieser enorme Geldüberhang als Ergebnis einer "gestauten Inflation" hing auch mit der Frage der Verschuldung des deutschen Staates zusammen. Die straffe Preiskontrolle und Rationierung der Konsumgüter während des Zweiten Weltkrieges sorgte dafür, dass die privaten Einkommen nicht konsumiert wurden, sondern auf Sparkonten gelangten, die das NS-Regime wiederum zur "geräuschlosen Kriegsfinanzierung" verwendete. Die Finanzierung des Krieges war zudem eng an das Wachstum der Geldmenge geknüpft: Waren 1939 noch knapp zwölf Milliarden RM als Banknoten im Umlauf, waren es 1945 56 Milliarden RM. Und die Reichsverschuldung belief sich schon 1943/44 auf das Dreifache des im Deutschen Reich erwirtschafteten Sozialprodukts.

Gleichzeitig erwiesen sich die Bewirtschaftungsmaßnahmen als Zwangskorsett für die Wirtschaft. Die alliierten Besatzungsbehörden übernahmen sowohl die Güterbewirtschaftung als auch die amtliche Preisbildung und die niedrigen Preise aus der NS-Zeit. Somit trat die amtliche Güterbewirtschaftung weiterhin an die Stelle des stillgelegten Preismechanismus auf freien Märkten. Eine Preisfreigabe kam für die Alliierten nicht infrage, da sonst die Preise enorm gestiegen wären. In der Folge entstanden schwarze Märkte mit horrenden Preisen für Konsumgüter, der Naturaltausch entfaltete sich jenseits der staatlichen Pläne und Lenkungsmaßnahmen, Rohstoffe und Zwischenprodukte wurden von den Unternehmen gehortet, und die Produktion blieb wegen der knappen Ressourcen gehemmt.

Angesichts dieser wirtschaftlichen Ausgangslage herrschte sowohl bei westdeutschen Ökonomen und Politikern wie bei den westlichen Besatzungsmächten weitgehende Einigkeit, dass eine Rückkehr zu marktwirtschaftlichen Verfahren nötig sei und dass dies eine Beseitigung der Überliquidität voraussetze. Doch welche Maßnahmen hierzu ergriffen werden sollten, war umstritten. Wie zu zeigen sein wird, sollte die Währungsreform mit einer Wirtschaftsreform verbunden werden. Während erstere überwiegend von den alliierten Besatzungsmächten ins Werk gesetzt und organisiert wurde, war letztere auch auf deutsche Initiativen zurückzuführen.

Akteure und frühe Konzepte

Von deutscher Seite wurden teilweise schon im Verlauf des Krieges Pläne für eine als notwendig erachtete Währungsreform in der Nachkriegszeit entwickelt. Hier sind eine von Ludwig Erhard und Günter Keiser im Frühjahr 1944 vorgelegte Denkschrift und das "Detmolder Memorandum" von November 1945 zu nennen. Beide schlugen eine Stilllegung von Kaufkraft, einen Währungsschnitt mittels der Vernichtung oder Blockierung eines großen Teils der Geldmenge sowie eine Reduzierung der Reichsschuld vor.

Die französische und die sowjetische Besatzungsmacht zeigten anfangs wenig Interesse an einer Währungsreform. Die Franzosen und Russen hatten einen hohen Geldbedarf für die Versorgung ihrer Truppen aus ihrer jeweiligen Zone. Daher wurde von ihnen in großem Umfang alliierte Militärmark, die der RM gesetzlich gleichgestellt war, in Umlauf gesetzt. Die Verknappung des Geldumlaufs lag nicht in ihrem Interesse.

Die US-Amerikaner lebten andererseits in viel geringerem Ausmaß von den Ressourcen ihres Besatzungsgebietes und waren seit 1947 an einer Stärkung der deutschen Wirtschaft und der Verbreitung des Konzepts der freien Marktwirtschaft interessiert. Sie entwickelten 1945 den ersten und 1946 den zweiten alliierten Plan für eine Währungsreform, die sie jeweils im Alliierten Kontrollrat vorlegten. Letzterer wurde als "Colm-Dodge-Goldsmith-Plan" maßgeblich für die weiteren gemeinsamen Planungen aller vier Besatzungsmächte. Dabei argumentierte der Militärgouverneur der amerikanischen Besatzungszone, Lucius Clay, eine Reform sei nötig, um ein Klima zu schaffen, das der Demokratie und einem freien Unternehmertum förderlich sei. Die Briten sahen ein Gleichgewicht der öffentlichen Haushalte aller Regionen als Vorbedingung einer Währungsreform. Ein solches war zu diesem Zeitpunkt längst nicht erreicht. Trotz der unterschiedlichen Auffassungen und Problemlagen in den Zonen kamen die Alliierten überein, dass durch die Währungsreform 70 Prozent des Geldumlaufs gestrichen, 20 Prozent blockiert – also erst zu einem späteren Zeitpunkt zur Verfügung zu stehen habe – und zehn Prozent in neues Geld umgetauscht werden sollten.

Stein des Anstoßes wurde allerdings die Frage, wo die neuen Banknoten herzustellen waren. Die Sowjetunion plädierte für Leipzig als Druckort, während die Vereinigten Staaten Berlin präferierten, da diese Stadt als einzige unter der Kontrolle aller vier Besatzungsmächte stand. Nachdem diese Frage wegen zunehmender ideologischer Bedenken der USA gegenüber der Sowjetunion lange nicht gelöst werden konnte, entschieden sich die US-Behörden eigenmächtig und ohne Rücksprache mit den Briten oder der Sowjetischen Militäradministration (SMAD), das Geld in den USA herstellen zu lassen. Dort wurden sie im Auftrag des US-Außenministeriums von der American Bank Note Company Ende 1947 bis März 1948 gedruckt. Deshalb sahen die ersten Banknoten der D-Mark Dollarscheinen viel ähnlicher als den vorherigen Reichsmarkscheinen – auch wenn sie blau und nicht grün gefärbt waren. Sie waren aus einfachem Papier, ohne Wasserzeichen. Als Motive dienten provisorisch Gravurplatten von Eisenbahn-Pfandbriefen und Ölquellen-Anteilen.

Im Frühjahr 1948 verschiffte die amerikanische Militärverwaltung die insgesamt 5,7 Milliarden DM in 23.000 nicht gekennzeichneten Stahlkisten nach Bremerhaven, von wo aus sie nach Frankfurt am Main in den Keller des alten Reichsbankgebäudes gebracht und dort für den "Tag X" verwahrt wurden. Nachdem am 18. Juni 1948 der Beginn der Währungsreform auf den 20. Juni festgelegt und dieses Datum nach langer Geheimhaltung nun öffentlich verkündet worden war, begann die Verteilung des Geldes an die Landeszentralbanken und von dort an die Umtauschstellen. Als solche wurden die Kartenstellen der Ernährungsämter in den drei Westzonen benutzt, die zu Kontrollzwecken die Karten zur Lebensmittelrationierung aller Verbraucherinnen und Verbraucher heranzogen.

Auch bei den übrigen Fragen erwiesen sich die amerikanischen Vorstellungen für eine Währungsreform als ausschlaggebend für die spätere Umsetzung. Als zu einem wesentlich späteren Zeitpunkt, Ende April 1948, auch deutsche Sachverständige, unter ihnen Erhard, auf dem Konklave von Rothwesten bei Kassel in die konkrete Vorbereitung der Währungsreform miteinbezogen wurden, blieben die wichtigsten Punkte des Colm-Dodge-Goldsmith-Plan letztlich Kernbereiche, obwohl die Deutschen im sogenannten Homburger Plan von April 1948 zum Teil abweichende Ziele formuliert hatten. Ziel waren nun neben der bereits genannten Umwandlung der alten in die neue Währung im Verhältnis 10:1 vor allem die Annullierung der Reichsschuld, die Umstellung privater Schulden im Verhältnis 1:1 und die Übertragung der Zuständigkeit für Gesetze über den Lastenausgleich in deutsche Hände. So lässt sich festhalten, dass deutsche Ökonomen und Politiker zwar Vorschläge zu einer Währungsreform gemacht hatten. Doch letztlich waren unter den Besatzungsmächten vor allem die US-Amerikaner die treibende Kraft dahinter und bestimmten den Zeitpunkt und die eigentlichen Kernmaßnahmen der Währungsreform.

Im westdeutschen Gründungsmythos hat Ludwig Erhard zwar die Rolle als "Vater des Wirtschaftswunders" eingenommen. Doch der Anteil des deutschen Politikers und Wirtschaftsexperten bei der Konzeption der Währungsreform war eher gering. Tatsächlich war der Sonderfinanzberater in Lucius Clays Wirtschaftsabteilung, Edward Tenenbaum, der Hauptverantwortliche für deren Gestaltung und Umsetzung in Westdeutschland. Als solcher hat er in Deutschland allerdings nie offiziell eine Würdigung erfahren.

Im März 1948 war Erhard zum neuen Direktor der Verwaltung für Wirtschaft ernannt worden. Er plädierte für eine Freigabe der Preise zeitgleich mit der Währungsreform und vertrat damit die Position, dass mit ihr auch eine Wirtschaftsreform einhergehen müsse. Diese setzte er auch durch. Erhard war im Juni 1948 für die unmittelbare Abschaffung der Bewirtschaftungsmaßnahmen verantwortlich; und zwar durchaus gegen die Richtlinien der Amerikaner. Doch konnte er sich der Zustimmung von Militärgouverneur Clay sicher sein, die er im Nachhinein einholte. Im sogenannten Leitsätzegesetz vom 18. Juni 1948, also unmittelbar vor der Währungsreform, wurde als Grundsatz der künftigen Wirtschaftspolitik in der Bizone – der zusammengelegten britischen und amerikanischen Besatzungszone – festgelegt, dass der Preisfreigabe vor der weiteren Preisbindung der Vorzug zu geben sei. Gleichzeitig legte das Gesetz Bereiche fest, in denen die Preise "zum Schutz der wirtschaftlich Schwächeren" weiter gebunden sein sollten. Dies waren die Bereiche Ernährung, Rohstoffe, Mieten und Verkehr. Bereits am Tag der Währungsreform ließ Erhard im Rundfunk öffentlich die Freigabe eines Großteils der Preise verkünden. Danach galten Höchstpreise nur noch für einige Grundnahrungsmittel sowie für Kohle, Elektrizität, Gas und Wasser. Neben dem Verbraucherschutz zielten diese Maßnahmen auch darauf, die Löhne zu stabilisieren und die Produktion anzukurbeln.

Maßnahmen der Währungsreform

Nachdem seit 1924 im Deutschen Reich die RM offizielles Zahlungsmittel gewesen war, wurde sie ab dem 21. Juni 1948 durch die D-Mark als alleiniges gesetzliches Zahlungsmittel der drei Westzonen abgelöst. Tags zuvor, am 20. Juni, erhielt jede Bewohnerin und jeder Bewohner der drei westlichen Besatzungszonen als sogenannte Kopfquote 40 DM im Umtausch gegen 40 RM. Neben den alten Reichsmarkscheinen wurden in dieser Höhe auch die älteren und alternativen Währungen (Rentenmark, Goldmark, alliierte Militärmark) im Verhältnis 1:1 in DM umgetauscht. Ein zweiter Teil der Kopfquote in Höhe von 20 DM für 20 RM war im September einlösbar. Alle Löhne und Gehälter wurden frühestens am nächsten Monatsanfang in DM ausbezahlt. Die Mieten waren im Verhältnis 1:1 umzustellen und der Mietpreisstopp von 1936 wurde verlängert. Die Preise für Verkehrsmittel ließ Erhard im Juli 1948 senken.

Zum 20. Juni fand zudem ein Währungsschnitt von Sparguthaben statt: Aus 10 RM, ob in Form von Bargeld, Sparguthaben oder Schulden, wurden 1 DM. Die auf ein Zehntel zusammengeschmolzenen DM-Guthaben waren zu einer Hälfte zum sofortigen Gebrauch freigegeben, die andere Hälfte wurde auf einem Festkonto eingefroren, von dem am 4. Oktober 1948 sieben Zehntel gestrichen, zwei Zehntel freigegeben sowie ein Zehntel zum Sparen oder zum Kauf von Wertpapieren festgelegt werden musste. Am Ende wurden also aus 1.000 RM 65 DM. Aber die Bewirtschaftung für viele Güter war aufgehoben. Viele Hersteller und Händler verkauften nun ihre vorher gehorteten Waren. Dies führte am Tag nach dem Umtausch zu einer ungewohnten Warenvielfalt in Schaufenstern, die als prägende Erfahrung vieler Deutscher lange die Erinnerung an die Währungsreform dominierte.

Folgen der Währungsreform

Die Zeit von 1948 bis etwa 1952 galt als Bewährungsprobe der Marktwirtschaft in den Westsektoren, wo die Währungsreform umgesetzt worden war. Dabei war sie anfangs alles andere als sozial: Die Lebenshaltungskosten erhöhten sich im zweiten Halbjahr 1948 um 17 Prozent. Der Währungsschnitt fiel erheblich schärfer aus, als geplant war, und bedeutete eine große soziale Ungerechtigkeit, da er einseitig die Sparer traf und die Sachwertbesitzer schonte. Ein entsprechendes Lastenausgleichsgesetz kam erst 1952 zustande und zeigte die Schwierigkeit, hier eine angemessene Lösung zu finden.

Die Preisentwicklung war in dieser Zeit von starken Schwankungen bestimmt: Ab Juni 1948 stiegen die Preise dramatisch, wobei die Preissteigerungen die ärmeren Teile der Bevölkerung besonders hart trafen. Teilweise konnten sie von ihrem Einkommen nicht einmal ihre gesamten Lebensmittelrationen erwerben. Die Zuteilungen von Fleisch, Fett und Brot stiegen in der zweiten Jahreshälfte 1948 zwar an, doch schien die "Rationierung durch den Preis" die Rationierung der Waren ersetzt zu haben.

Insgesamt wich die erste Begeisterung über die Warenfülle in den Schaufenstern der Enttäuschung über die nun hohen Preise. Die allgemeine Stimmungslage entwickelte sich daher nach der Währungsreform alles andere als optimistisch. Zwar verschwanden bald die schwarzen Märkte. Doch die Löhne der Arbeitnehmer blieben bis November 1948 eingefroren, und gleichzeitig waren die Sparrücklagen der arbeitenden Bevölkerung auf ein Minimum geschrumpft. Zudem stieg die Arbeitslosigkeit: Bis Jahresende verdoppelte sie sich auf eine Million Erwerbstätige, im Herbst 1949 waren schließlich erstmals wieder über zehn Prozent der erwerbstätigen Bevölkerung erwerbslos. Anfang 1950 waren dies über zwei Millionen Menschen. Noch im April 1948 hatten bei Meinungsumfragen in der amerikanischen Zone 54 Prozent der Befragten angeben, die Ernährung sei eine ihrer Hauptsorgen. 40 Prozent nannten Kleidung und Schuhe. Nur zwölf Prozent führten das Fehlen finanzieller Mittel, um ihren Lebensunterhalt zu bestreiten, an. Im August 1948 waren es nur noch weniger als zehn Prozent der Befragten, die als Hauptsorge die Grundversorgung nannten. 59 Prozent dagegen plagten nun Geldsorgen.

Angesichts der massiven Teuerungen hielten viele das Experiment mit der Marktwirtschaft für gescheitert. Sogar der bizonale Länderrat stellte am 18. November 1948 fest, dass eine Änderung der Preispolitik unbedingt nötig sei: "Der Versuch, eine funktionierende Marktwirtschaft bei kritischen Mangelwaren einzuführen, ist gescheitert", ließ er verlautbaren. Erhard beteuerte zwar, dass die Preise bald eine normale, ausgeglichenere Entwicklung nehmen würden, doch die Lebensverhältnisse der Lohnabhängigen verschlechterten sich weiter. Die Gewerkschaften forderten eine Totalrevision von Erhards Wirtschaftspolitik und kämpften außerdem darum, ihre wirtschaftsdemokratischen Vorstellungen im Grundgesetz zu verankern, dessen Beratung in vollem Gange war. Sie riefen am 12. November 1948 zu einem auf 24 Stunden befristeten Generalstreik gegen die "Wirtschaftspolitik der Volksausbeutung" auf. Sie forderten unter anderem die Wiedereinführung von Preiskontrollen und eines Bewirtschaftungssystems im Nahrungsbereich sowie die Sozialisierung und Mitbestimmung in den Grundstoffindustrien. Tatsächlich legten in der Bizone am festgesetzten Tag 9,25 Millionen Beschäftigte die Arbeit nieder. Man verlangte eine gerechtere Verteilung der Kriegsfolgelasten und einen gerechteren Anteil an den produzierten Gütern; sei es über niedrigere Preise oder höhere Löhne. Erhard und die Wirtschaftsverwaltung jedoch hielten weiter an ihrem Kurs fest, und auch im Parlamentarischen Rat wurden die gewerkschaftlichen Positionen allenfalls taktisch zeitweilig aufgegriffen. Der Wirtschaftsrat des Vereinigten Wirtschaftsgebietes forderte jedoch von der Wirtschaftsverwaltung Maßnahmen gegen den weiteren Preisauftrieb.

Als Wirtschaftspolitiker, der seine Berufskarriere in den 1930er Jahren in der gerade entstehenden Konsumforschung begonnen hatte, war Erhard in Fragen des Zusammenhangs von Lebensstandard, Warenqualität und Konsumgüterversorgung für seine Zeit ungewöhnlich aufgeschlossen. Er griff zu einer spezifischen Maßnahme der Standardisierung von Konsumgütern, um die Versorgung zu verbessern und gleichzeitig auf marktwirtschaftlichem Wege die Preise zu senken: dem sogenannten Jedermann-Programm nach britischem Vorbild. Viele Unternehmer sahen aber selbst diese staatlichen Regulierungsmaßnahmen als Eingriff in ihre Entscheidungsautonomie. Der Staat sollte auf solche autoritären Methoden endgültig verzichten und die Eingriffe in die Wirtschaft möglichst begrenzen. Ab Anfang 1949 begann sich jedoch die wirtschaftliche Lage generell zu stabilisieren.

Blockade und Luftbrücke

Neben den unmittelbar wirtschaftlichen Auswirkungen hatte die Währungsreform jedoch auch weitreichende politische Folgen. Dies zeigte sich in der deutschen Hauptstadt Berlin, wo die Machtblöcke des beginnenden Kalten Krieges zu dieser Zeit so direkt aufeinandertrafen wie nirgends sonst. Die westlichen Besatzungsmächte und die Sowjetunion verfolgten mit der Politik in ihren jeweiligen Besatzungssektoren der Stadt strategische Ziele, die von ihrer Bedeutung her weit über die Stadt und über Deutschland hinausreichten. Auslöser der internationalen Spannungen, die als die erste Berlinkrise bezeichnet wird, war der Beschluss der Westalliierten, in ihren Besatzungszonen die Währungsreform allein und nicht gesamtdeutsch durchzusetzen, wie dies immer noch die SMAD anstrebte.

In den ersten Nachkriegsjahren hatte Berlin noch eine gemeinsame Stadtverwaltung – trotz Einteilung in vier Sektoren unter Kontrolle der vier Siegermächte. Groß-Berlin war eine offene Stadt, in der sich die Bewohner frei zwischen den Sektoren bewegen konnten. Dort galten die neuen Währungsvorschriften zunächst nicht. Das Stadtgebiet war unter Hinweis auf den Vier-Mächte-Status der Stadt von der Währungsumstellung ausgenommen. Am 18. Juni 1948 gaben die Westmächte die bevorstehende Währungsreform in ihren Besatzungszonen bekannt. Am folgenden Tag deklarierte die Sowjetische Militäradministration, das neue Geld sei in der SBZ und in Groß-Berlin nicht zugelassen. Diese Maßnahme wurde als notwendig angesehen, um die SBZ vor einer Flut entwerteten Geldes aus den Westzonen zu schützen. Es setzten scharfe Kontrollen ein. Am 22. Juni kündigte der Leiter der Sowjetischen Militäradministration, Wassilij Sokolowski, den Westmächten an, die Sowjetunion sei gezwungen, aufgrund der schwierigen Lage jetzt in ihrer Zone und in Groß-Berlin auch eine Währungsreform durchzuführen. Am gleichen Tag erörterten Finanzexperten der vier Mächte die Auswirkungen getrennter Währungen auf Berlin. Mit dem sowjetischen Vorschlag, die Ost-Währung in ganz Berlin einzuführen, erklärte sich nur der französische Vertreter einverstanden, während er von den angelsächsischen Mächten abgelehnt wurde. Als es zu keiner Einigung kam, verfügten die Sowjets die Gültigkeit ihrer Währung auch in den Westsektoren.

Am 24. Juni 1948 fand schließlich auch in der SBZ eine Währungsreform statt. Da der Befehl Sokolowskis sich nicht nur auf die SBZ erstreckte, sondern Berlin mit einschloss, und hier die Sowjetunion hoheitliche Rechte in einem Gebiet in Anspruch nahm, das der obersten Gewalt der vier Mächte gemeinsam unterstand, erklärten die Westmächte daraufhin den sowjetischen Währungsbefehl in ihrem Gebiet für aufgehoben und ordneten ihrerseits am 24. Juni 1948 für den nächsten Tag die Einführung der D-Mark in den Westsektoren der Stadt an. Diesen Schritt nahm wiederum die Sowjetunion zum Anlass, über die gelegentlichen Beschränkungen des Verkehrs von und nach Berlin hinauszugehen und die Westsektoren und ihre Bewohner mit einer ausgedehnten Blockade zu belegen.

Neben Sperrungen des Straßenverkehrs unterbrach die sowjetische Seite allmählich alle Land-, Schienen- und Wasserwege zwischen West-Berlin und den drei westlichen Zonen. Die Stromlieferungen nach West-Berlin wurden gestoppt. Lediglich die Luftkorridore, die 1945/46 im Air Agreement zum gemeinsamen Hoheitsgebiet erklärt worden waren, waren nicht betroffen. Deshalb starteten die drei Westmächte eine Luftbrücke nach Berlin. Diese sollte die Stadt und ihre rund zwei Millionen Bewohner aus der Luft versorgen. Ein ehrgeiziger Plan, der in dieser Größenordnung noch nie unternommen worden war und von dem unklar war, ob er überhaupt funktionieren würde.

Die Blockade bestand vom 24. Juni 1948 bis 12. Mai 1949. Mehr als zwei Millionen Menschen mussten in dieser Zeit mit Lebensmitteln und Energie, also Kohle, versorgt werden. Dies geschah in einer gemeinsamen, militärischen Aktion der amerikanischen und britischen Luftstreitkräfte wie auch privater Luftfrachtgesellschaften. Mit Großbritannien unternahm ein Land, das selbst bis 1954 noch seine Lebensmittel und andere Konsumgüter rationieren musste, größte Anstrengungen, um Berlin, die Hauptstadt des ehemaligen Kriegsgegners, zu versorgen. Die Luftbrücke umfasste schließlich insgesamt rund 213.000 Flüge und 175 Millionen zurückgelegte Flugkilometer. Die Maschinen transportierten insgesamt rund 1,7 Millionen Tonnen Material, darunter auch einige Maschinenteile für den Bau von Kraftwerken in West-Berlin. Diese sollten den Versorgungsengpass mit Elektrizität beseitigen, der seit Beginn der Blockade ebenfalls in den Westsektoren bestand. Dabei wurden an manchen Tagen bis zu 40.000 Starts durchgeführt. Um neben den bereits bestehenden Flughäfen Tempelhof und Gatow mehr Start- und Landekapazitäten zu schaffen, wurde im französischen Sektor ab Oktober 1948 der Flughafen Berlin-Tegel neu gebaut.

Die Blockade traf die einfachen Menschen in Berlin ganz existenziell: Lebensmittel sowie Heiz- und Kochenergie waren nur eingeschränkt erhältlich. Die Stromlieferung an Privathaushalte wurde rationiert und zeitlich begrenzt auf zwei Stunden am Tag und manchmal zwei in der Nacht. Am 5. Mai 1949 wurde schließlich von den Vereinten Nationen in New York von allen vier Besatzungsmächten ein Kommuniqué zur Aufhebung der Blockade verabschiedet. Sie endete am 12. Mai.

Spaltung besiegelt

Im Frühjahr 1949 einigten sich die drei Westmächte auch auf eine Bereinigung der überaus schwierigen Währungsverhältnisse. Am 20. März 1949 erklärten die drei Westmächte die D-Mark zum alleinigen gesetzlichen Zahlungsmittel der drei Berliner Westsektoren. Dieses Datum markierte einen Wendepunkt in der Berliner Nachkriegsgeschichte. Westsektoren und Westzonen waren fortan durch eine gemeinsame Währung fest miteinander verbunden. Somit wurde noch vor Gründung der Bundesrepublik Deutschland mit der Verabschiedung des Grundgesetzes im Mai 1949 die Eingliederung der Berliner Westsektoren in das politische und wirtschaftliche System der späteren Bundesrepublik eingeleitet. Die Währungsreform in den drei Westsektoren Berlins vom 20. März 1949 muss somit auch als der Tag angesehen werden, an dem die Spaltung der Stadt besiegelt wurde. Diese Teilung der ehemaligen Hauptstadt leitete die Teilung Deutschlands ein und mündete schließlich in die "doppelte Staatsgründung" der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik.

Fussnoten

Fußnoten

  1. Vgl. Christoph Buchheim, Die Währungsreform 1948 in Westdeutschland, in: Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte 2/1988, S. 189–231, hier S. 198.

  2. Siehe hierzu auch den Beitrag von Malte Zierenberg in dieser Ausgabe (Anm. d. Red.).

  3. Siehe Buchheim (Anm. 1.); Volker Hentschel, Die Währungsreform: Ludwig Erhard und das Wirtschaftswunder, in: Thomas Neumann (Hrsg.), "Da ist der Aufschwung hochgekommen." 50 Jahre Deutsche Mark, Lüdenscheidt 1998, S. 93–101.

  4. Vgl. hier und im Folgenden Buchheim (Anm. 1), S. 199–208.

  5. Vgl. Helmut Vogt, Die Währungsreform von 1948 in der späteren Bundeshauptstadt Bonn, in: Manfred van Rey (Hrsg.), Bonn von der Währungsreform zum Wirtschaftswunder, Bonn 1998, S. 7–62, hier S. 20.

  6. Vgl. ebd., S. 25ff.

  7. Vgl. Buchheim (Anm. 1), S. 212; Helmut Kahnt et al., Die Geschichte der Deutschen Mark in Ost und West, Regenstauf 2003, S. 47–52.

  8. Vgl. ebd., S. 47f.

  9. Siehe Volker Laitenberger, Ludwig Erhard, Göttingen 1986, S. 72ff.

  10. Vgl. Buchheim (Anm. 1), S. 220; Irmgard Zündorf, Staatliche Verbraucherpreispolitik und Soziale Marktwirtschaft in Westdeutschland 1948–1963, in: André Steiner (Hrsg.), Preispolitik und Lebensstandard. Nationalsozialismus, DDR und Bundesrepublik im Vergleich, Köln–Weimar–Wien 2006, S. 129–169, hier S. 135.

  11. Vgl. hier und im Folgenden Zündorf (Anm. 10), S. 136ff.

  12. Vgl. Christoph Kleßmann, Die doppelte Staatsgründung. Deutsche Geschichte 1945–1955, Göttingen 1991, S. 189ff.

  13. Paul Erker hat am Beispiel Bayerns die Folgen der Währungsreform für die sozialen Gruppen der Bauern sowie Arbeiterinnen und Arbeiter untersucht. Vgl. Paul Erker, Ernährungskrise und Nachkriegsgesellschaft. Bauern und Arbeiterschaft in Bayern 1943–1953, Stuttgart 1990; für Berlin und Bonn siehe Michael Wolff, Die Währungsreform in Berlin 1948/49, Berlin-New York 1991.

  14. Vgl. Arne Andersen, Der Traum vom guten Leben. Alltags- und Konsumgeschichte vom Wirtschaftswunder bis heute, Frankfurt/M. 1997, S. 12; Kleßmann (Anm. 12), S. 191.

  15. Vgl. Buchheim (Anm. 1), S. 222f.

  16. Zit. nach Erker (Anm. 13) S. 311.

  17. Vgl. ebd., S. 311ff.

  18. Vgl. Wolff (Anm. 13), S. 82ff.

  19. Zunächst standen dort noch keine neuen Geldscheine zur Verfügung, sodass auf die alten Reichsmarkscheine Spezialcoupons zur weiteren Gültigkeit geklebt wurden ("Kuponmark"). Siehe hierzu auch den Beitrag von André Steiner in dieser Ausgabe (Anm. d. Red.).

  20. Vgl. Kleßmann (Anm. 12), S. 191f.; Wolff (Anm. 13).

  21. Wer die Luftbrücke anfangs initiierte, ist bis heute umstritten. In Erinnerungen nahm Lucius Clay für sich in Anspruch, am 25. Juni 1948 mit General Curtis LeMay telefoniert und erste Maschinen für die Luftbrücke mobilisiert zu haben. Sicher ist aber, dass die Briten die ersten Staffeln der Royal Air Force bereits am 19. Juni in Bereitschaft versetzten, um von Bückeburg aus einen Pendelverkehr nach Berlin einzurichten. Siehe hierzu Gerhard Keiderling, Währungsreform, Blockade, Luftbrücke, Teilung, Berlin 1998, S. 109–113.

  22. Vgl. Jan Helbig, Auftrag Luftbrücke. Katalog zur Ausstellung, Dt. Technikmuseum, Berlin 1998, S. 18.

  23. Vgl. Wolff (Anm. 13), S. 3.

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war bis 2018 Projektleiterin im Bereich Wirtschaftsgeschichte am Zentrum für Zeithistorische Forschung in Potsdam.
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