Der Begriff "Feminismus" hat in den vergangenen Jahrzehnten viel von seiner früheren Provokation verloren. Als Alice Schwarzer Mitte der 1970er Jahre "Der ‚kleine Unterschied‘ und seine großen Folgen" schrieb, war das anders. Für die damals noch eindeutig männlich geprägte Öffentlichkeit verkörperte sie das stimmige Feindbild der "Emanze" und "Männerhasserin".
In klarer Distanz zu solchen Strömungen debattieren auch geschlechterdialogisch orientierte Männer ihr Verhältnis zu Frauenpolitik und Frauenbewegung: Wie viel Feminismus braucht der Mann? Und wie viel Mann der Feminismus? So, wie sich in der feministischen Szene verschiedene Strömungen entwickelt haben und die einstige Gallionsfigur Schwarzer längst nicht mehr die alleinige Definitionsmacht beanspruchen kann,
Auf dem Podium einer internationalen Konferenz zur Männerpolitik, die 2014 in Wien stattfand, sorgte Tomas Agnemo für Aufsehen. "Natürlich bin ich Feminist. Haben Sie ein Problem damit?", konterte der Direktor der schwedischen Nichtregierungsorganisation Men for Gender Equality die Frage eines verwunderten Moderators. Agnemo, der auch das weltweit tätige Netzwerk MenEngage auf europäischer Ebene koordiniert, versteht sich als Teil einer "feministischen Bewegung von und für Menschen". Gemeinsam arbeite man daran, "die Gesellschaft zu verändern und Geschlechtergerechtigkeit zu erreichen".
Im deutschsprachigen Raum ist eine solche Selbstidentifizierung selten zu finden, und wenn, dann bisher eher als Netzphänomen.
Ähnlich positionierte sich in Wien der Schweizer Markus Theunert, langjähriger Präsident der Initiative männer.ch: "Wenn wir sagen, Feminismus heißt, ein System zu überwinden, das früher eine Herrschaft der Männer war, das Patriarchat, dann bin ich natürlich Feminist." Andererseits: "Wenn Feminismus heißt, dass weibliche Lebensrealitäten einfach den Männern angeglichen werden, wenn Frauen bloß befähigt und ermächtigt werden sollen, die eindimensionalen Lebensentwürfe zu reproduzieren, unter denen wir Männer schon mehr als genug leiden: Dann bin ich definitiv kein Feminist."
Sind Männer, die sich für die Gleichstellung der Geschlechter einsetzen, automatisch "Feministen"? Sollten sie sich daher auch als solche bezeichnen? Sie unterstützen die Forderung nach gleicher Bezahlung von Erwerbsarbeit, kritisieren die Abwertung "weiblicher" Tätigkeiten etwa in den Erziehungs- und Pflegeberufen. Auch die Frauenförderung in Unternehmen und die Einführung einer gesetzlichen Quote in der Privatwirtschaft halten sie für unterstützenswerte Ziele. Insistieren sie aber zugleich darauf, dass Männer eigenständige Ideen für ihre Emanzipation entwickeln sollten, wirkt der Begriff "Feminist" eher deplatziert. Die Irritation über seine affirmative Verwendung in internationalen Netzwerken wie MenEngage macht kontroverse Standpunkte und unterschiedliche Strategien deutlich.
Keine Erbschuld
Der "emanzipatorisch kräftigende" oder "kritische" Ansatz, wie ihn Markus Theunert in seiner Einführung eines grundlegenden Sammelbands nennt, versteht Männerpolitik und Frauenpolitik als "gleichwertige Pfeiler einer modernen Gleichstellungspolitik". Männer und Frauen sind ihm zufolge "sowohl Anwälte resp. Anwältinnen ihrer eigenen Perspektiven und Anliegen wie auch Verbündete im Hinblick auf die Gestaltung eines lebenswerten Ganzen".
Die Männerbewegung – wenn man von einer solchen überhaupt sprechen will – war einst beeinflusst von der These, es gebe eine männliche "Erbschuld" qua Geschlecht. Nach dieser Lesart sind alle Männer unabhängig von ihrer Lebenslage mitverantwortliche Profiteure der Frauenunterdrückung. Die australische Geschlechterforscherin Raewyn Connell prägte die Formel von der "hegemonialen Männlichkeit": Danach nehmen Männer eine "vergoldete" Rolle ein, sind Nutznießer einer "patriarchalen Dividende": Sie haben es in beruflichen wie privaten Situationen leichter als Frauen, weil sie sich auf unsichtbare Vorteile in der Gesellschaft stützen können.
Die Analyse der geschlechtsspezifischen Privilegierung führte zu einer demütigen Haltung männlicher Aktivisten gegenüber der Frauenbewegung. Symptomatisch war ein Satz, der in den 1980er Jahren jeden Band der Reihe "rororo mann" im Rowohlt Verlag einleitete. Ursprünglich stammt das Zitat aus dem Buch "Der Untergang des Mannes" des damals viel gelesenen Autors Volker Elis Pilgrim, es lautet: "Der Mann ist sozial und sexuell ein Idiot."
Erziehungsprogramm
Auf den Mottospruch wurde in der Männerliteratur bald verzichtet, die allzu saloppen Selbstbezichtigungen aber sind nicht völlig verschwunden. Der US-amerikanische Männerforscher Michael Kimmel, ein bekennender Profeminist, veröffentlichte 2011 etwa "The guy’s guide to feminism".
In den vergangenen Jahren sind die antifeministischen Stimmen in der geschlechterpolitischen Debatte lauter geworden. Rechtskonservative und christliche Fundamentalisten propagieren die Rückkehr zu alten Rollenbildern. Gegen alles, was mit dem Reizwort "Gender" zu tun hat, wird ein regelrechter Kulturkampf geführt. Anfangs überwiegend Selbstbestätigung in den Filterblasen der eigenen Online-Foren, finden solche Gedanken in der AfD mittlerweile eine programmatische Basis und eine parlamentarische Bühne. In dieser veränderten Konstellation sollte sich eine unabhängige Männerpolitik jenseits von Feminismus und Antifeminismus verorten. Das Wort "jenseits" impliziert dabei keineswegs gleiche Distanz in beide Richtungen: Die meisten emanzipatorisch orientierten Männer dürften Feministinnen erheblich näher stehen als deren Gegnern.
Wenn Frauenpolitik alle Männer für privilegiert, die eigene Zielgruppe aber für stets benachteiligt und daher förderungswürdig hält, macht sie sich angreifbar. Auch die Gleichstellungsberichte der Bundesregierung behandeln Diskriminierung fast ausschließlich aus weiblicher Perspektive. In der Kurzfassung des Gutachtens zum 2017 vorgelegten zweiten Bericht dieser Art gibt es immerhin ein eigenes Themenblatt zu "Männer und Gleichstellung". Darin betont die (gemischtgeschlechtlich besetzte) Sachverständigenkommission, "dass gleiche Verwirklichungschancen für Frauen und Männer nur erreicht werden können, wenn auch Strukturen erkannt und beseitigt werden, die Männer aufgrund des Geschlechtes an der Verwirklichung ihrer Lebensentwürfe hindern". Die Expertinnen und Experten aus Wissenschaft und Politikberatung erwähnen als Beispiel die überlangen Arbeitszeiten, das wachsende Engagement von Männern als Väter und bei der Pflege von Angehörigen sowie die besonderen Schwierigkeiten der überwiegend männlichen Geflüchteten.
Das Gutachten listet zahlreiche "Gender Gaps" auf: Vom Gender Pay Gap ist die Rede, ebenso vom Gender Lifetime Earnings Gap, vom Gender Pension Gap oder vom Gender Time Gap. Zu Deutsch: Überall tut sich ein Gefälle, eine Kluft zwischen den Geschlechtern auf – zulasten der Frauen. Sie verdienen im Durchschnitt 21 Prozent weniger (im öffentlichen Dienst beträgt der Unterschied immerhin nur 6 Prozent).
Erwerbsarbeit und Sorge
Diesen Gender Time Gap könnte man nicht als Nachteil, sondern auch als zeitsouveränes Privileg interpretieren – wäre es immer frei gewählt und käme dazu nicht die unbezahlte private Sorgearbeit, die die Expertise ausführlich herausstellt. Der Gender Care Gap beträgt 52 Prozent, bei Paaren mit Kindern 83,3 Prozent.
Der Zweite Gleichstellungsbericht setzt wie sein Vorgänger aus dem Jahr 2011 den Schwerpunkt auf die Erwerbsarbeit, auf die daraus abgeleiteten sozialpolitischen Ansprüche sowie auf das Steuer-, Ehe- und Familienrecht. Diese "konturierte" Betrachtungsweise der Kommission hat Stärken, weil die fortbestehenden Benachteiligungen von Frauen in zentralen Bereichen herausgearbeitet werden. Die Schwäche liegt darin, dass andere Politikfelder kaum vorkommen. Ausgerechnet dort aber sind die Gaps, die Differenzen zwischen den Geschlechtern, längst nicht so eindeutig. Teilweise liegen die Schattenseiten eher bei den Männern.
Hilfreich ist daher eine Wortkreation, die nicht in dem Bericht auftaucht, aber eigentlich in ihn hinein gehören würde: der Gender Life Expectation Gap. Die Lebenserwartung von Männern in Deutschland ist im Schnitt über fünf Jahre kürzer als die von Frauen. In der Nachkriegszeit lag diese Differenz bei acht Jahren, in Teilen Osteuropas beträgt das Gefälle nach wie vor bis zu 15 Jahre. Die Klosterstudie des Demografen Marc Luy, der die vergleichbaren Biografien von Nonnen und Mönchen untersucht hat, ergibt einen biologisch bedingten Geschlechterunterschied von nur einem Jahr.
Nachrangige Männergesundheit
Männer hatten in der Gesundheitspolitik lange keine Lobby. Die Krankenkassen setzten klare Prioritäten: Die Vorsorge gegen Brustkrebs und die regelmäßige gynäkologische Kontrolle waren besonders unterstützenswert, galten sie doch als entscheidend für die biologische Reproduktionsfähigkeit der Gesellschaft. Schon in den 1970er Jahren entstand zudem im Umfeld der Auseinandersetzungen um den Abtreibungsparagrafen 218 eine Frauengesundheitsbewegung. Die Aktivistinnen skandalisierten zu Recht, dass Testreihen zu neuen Medikamenten bisweilen nur mit männlichen Probanden vorgenommen wurden. Sie verwiesen auf die Geschlechterblindheit der zu dieser Zeit noch überwiegend männlichen Ärzteschaft, die spezifisch weibliche Symptomatiken ignorierte. So unterscheiden sich beispielsweise die Anzeichen von Herz- und Kreislauferkrankungen nach Geschlecht: Männer spüren typische Lehrbuch-Anzeichen wie Engegefühl und Stechen in der Brust, Frauen klagen eher über Schlafstörungen und Übelkeit – mit der Gefahr, dass ein möglicher Infarkt zu spät erkannt wird.
Weibliche Initiativen haben dafür gesorgt, dass sich der geschlechtsspezifische Blick auf die Medizin schärfte. Früh entstanden Selbsthilfezentren und Ansätze einer Gesundheitsberichterstattung über Frauen, die bald auch von öffentlichen Institutionen gefördert wurde. Dem stand, abgesehen von einzelnen Selbsthilfegruppen wie der Aids-Hilfe, zunächst kein männliches Pendant gegenüber – weder als Männergesundheitsbewegung noch in Form einer auf sie ausgerichteten Berichtskultur. Um die Faktoren, die Männer krank machen, kümmerten sich weder Politik noch Wissenschaft in ausreichendem Maße, weil zu wenig Druck ausgeübt wurde. Erst nach der Jahrtausendwende verstärkten sich die Forderungen nach einer geschlechtsspezifischen Prävention auch für Männer. Es dauerte dann aber noch bis 2014, ehe das Robert-Koch-Institut eine umfangreiche Studie zur "Gesundheitlichen Lage der Männer in Deutschland" vorlegte und so staatlich unterstützt männliche Probleme und Versorgungsengpässe sichtbar machte.
Schon zuvor hatte es eine erste Expertise zur Männergesundheit gegeben. Auftraggeber war bezeichnenderweise aber nicht die Bundesregierung, sondern eine private Krankenversicherung. Die DKV kooperierte 2010 mit zwei Stiftungen und dem Gesundheitswissenschaftler Matthias Stiehler als Herausgeber.
Viele Männer betrachten ihren Körper als eine Maschine, die nur repariert werden muss, wenn sie überhaupt nicht mehr funktioniert. Sie missachten selbst massive Warnsignale. Nach der Maxime "Ein Indianer kennt keinen Schmerz" vermeiden sie medizinische Vorsorgeangebote. Allerdings liegen auch die Zugangsschwellen höher: Für Mammografien zum Beispiel werden Frauen gezielt angeschrieben, die Kosten von den Kassen übernommen. Wollen sich Männer gegen Prostatakrebs schützen, müssen sie die entsprechenden Untersuchungen meist aus eigener Tasche bezahlen – es sei denn, sie nutzen die unentgeltlichen PSA-Tests auf Männergesundheitstagen oder ähnlichen Veranstaltungen.
Toxische Männlichkeit
Dass Männer früher als Frauen sterben, ist schon seit Mitte des 18. Jahrhunderts bekannt, als erstmals geschlechtsspezifische Mortalitätsstatistiken erstellt wurden. Das ist aber eben kein Naturgesetz, sondern auf krank machende gesellschaftliche Bedingungen, historische Geschlechternormen und das ihnen zugeschriebene Rollenkorsett zurückzuführen. Diese Erkenntnis müsste eigentlich einen gewichtigen Stellenwert haben in einem Bericht zur Gleichstellung der Geschlechter, der die "Lebensverlaufsperspektive" zum zentralen Konzept erklärt. Dem ist aber nicht so.
Die Liste der Wortkreationen, die unbehandelte Lücken bezeichnen, lässt sich ergänzen: um den Gender Suicide Gap, die dreimal höhere männliche Selbstmordrate. Oder um den Gender Homeless Gap: Mehr Männer als Frauen sind obdachlos, mit gravierenden gesundheitlichen Folgen. Sie sind auch die Leidtragenden des Gender Work Accident Gap, verunglücken häufiger am Arbeitsplatz, weil sie dort gefährliche Tätigkeiten zugewiesen bekommen oder freiwillig übernehmen. Und der Gender Prison Gap macht darauf aufmerksam, dass über 90 Prozent der Gefängnisinsassen männlich sind.
Ist es ein größeres Privileg, mehr Geld zu verdienen, als länger zu leben? Eine dialogisch orientierte Geschlechterpolitik sollte vermeiden, in eine unproduktive Hitparade der Benachteiligung einzusteigen. In seinem Buch "Boys don’t cry", das er als Reaktion auf den plötzlichen Tod seines Vaters schrieb, weist der britische Autor Jack Urwin auf die Folgen des von ihm als "toxisch" bezeichneten männlichen Verhaltens hin – ohne die Schuld dafür bei den Frauen zu suchen.
Dass Anliegen von Männern in der Gleichstellungsberichterstattung jetzt zumindest auftauchen, ist ein Fortschritt – und im Sinne eines Verständnisses, das sie als eigene Akteure anerkennt. Viele geschlechterpolitische Debatten, erst recht in internationalen Netzwerken oder in der Förderungspraxis der Europäischen Union, folgen jedoch weiter der Devise "Gender means women". So ist ein Vakuum entstanden, das Maskulinisten versuchen zu nutzen. Die vor allem in den Echokammern des Internets präsente "antifeministische Männerrechtsbewegung" inszeniert sich als Opfer weiblicher Emanzipation. Sie behauptet, nicht Frauen, sondern Männer seien mittlerweile in nahezu jeder Lebenslage benachteiligt. Ein von der "Gender-Ideologie" geprägter "Umerziehungsstaat" würde sie auf vielfältige Weise diskriminieren.
Die viel beschworene Krise traditioneller Männlichkeit betrifft nur bestimmte soziale Milieus. Vor allem angelernte Industriearbeiter fühlen sich entwertet, sie werden in einer von der Digitalisierung geprägten Ökonomie weniger gebraucht. Im Wandel zur Dienstleistungsgesellschaft machen Männer Erfahrungen, die Frauen schon immer gemacht haben: Unterbrechungen beruflicher Biografien, schlechte Bezahlung, unsichere Beschäftigung, ein Flickwerk aus befristeten Arbeitsverträgen, nicht immer freiwilliger Teilzeit und Phasen der Erwerbslosigkeit, des erzwungenen Totalausstiegs. Ihrer Rolle als finanzieller Versorger entledigt und auf privater Ebene oft vereinsamt sind die "Angry White Men" besonders anfällig für die einfachen Erklärungen des Rechtspopulismus. Durch die Deindustrialisierung ausgestoßen aus "ihrer" Welt, so Michael Kimmel, machen zornige weiße Männer Feministinnen, Schwarze, Homosexuelle, Politiker oder Richterinnen für den Verlust ihrer Vorrechte verantwortlich.
Augenhöhe
Andere, privilegierte Männer stehen weiterhin an der Spitze der Hierarchien in Wirtschaft, Politik und Wissenschaft. Sie pflegen dabei einen charakteristischen beruflichen Habitus: ständige Verfügbarkeit, auch abends, am Wochenende oder auf Reisen; selbstverständliche Bereitschaft zu Überstunden, absolute Priorität für Karriereziele. Private Aufgaben und Verpflichtungen in Erziehung oder Pflege sind nachrangig, sie werden delegiert an fürsorgliche (Ehe-)Partnerinnen oder bezahlte, meist ebenfalls weibliche Bedienstete.
Nicht nur Spitzenmanager, auch andere Beschäftigte müssen sich (teilweise in abgeschwächter Form) nach diesem Verhaltenskodex richten. Im Umgang mit Vorgesetzten sind sie konfrontiert mit "Dinosaurier-Vätern", mit männlichen Führungskräften, die "eine Frau zu Hause" haben und keine Rücksicht auf Familien- oder Freizeitinteressen ihrer Untergebenen nehmen. Wünsche nach Elternpause oder kürzeren Arbeitszeiten werden mit vorgeschobenen Argumenten abgewiesen. Viele Männer treffen dann eine schmerzliche, aber eindeutige Entscheidung zugunsten ihrer Erwerbsarbeit. Die Rolle des Zaungastes in der eigenen Familie nehmen sie als Nachteil in Kauf.
Angesichts solcher, durch äußere Anforderungen verursachten persönlichen Zwangslagen nützt es wenig, Männer als "soziale Idioten" abzuwerten – oder sie, wie einst das feministische Autorinnenpaar Cheryl Benard und Edit Schlaffer in ihrer süffisanten Klageschrift "Viel erlebt und nichts begriffen" als lernunfähige Wesen zu schildern.
In diesem Sinne agiert das 2010 gegründete Bundesforum Männer, das männerpolitische Pendant zum (erheblich länger bestehenden und breiter aufgestellten) Deutschen Frauenrat. Getragen von kirchlichen Männergruppen, Gewerkschaften, Sozialverbänden, Jungenprojekten und Väterinitiativen versteht sich der Zusammenschluss von inzwischen über 30 Organisationen als Lobby, Beratungsinstanz und Sprachrohr. Der Dachverband kritisiert, dass emanzipatorische Männeranliegen in den Parteien auf so wenig Resonanz stoßen. Während der schwierigen Regierungsbildung nach der Bundestagswahl 2017 gerieten geschlechterpolitische Themen (männer- wie frauenpolitische) erst recht ins Abseits. Das Forum meldete sich daraufhin mit der Stellungnahme "Männerpolitik gehört in den Koalitionsvertrag" zu Wort.
Gefordert wird darin zum Beispiel eine zweiwöchige Vaterschaftsfreistellung nach der Geburt mit Lohnfortzahlung, eine bedarfsorientierte Familienarbeitszeit mit Rückkehrrecht auf Vollzeit, der Abbau steuer- und sozialrechtlicher Anreize für das traditionelle Ernährermodell sowie verbesserte Rahmenbedingungen für pflegende Angehörige. Zudem müssten "die Voraussetzungen verbessert werden, dass Eltern in Nachtrennungsfamilien weiterhin gemeinsam Verantwortung übernehmen können". Das Forum will "die Position von getrennten Vätern mehr in den Blick" nehmen und das Wechselmodell, die von Juristen so bezeichnete paritätische Doppelresidenz von Trennungskindern, "als eine mögliche Umgangs- und Betreuungsform neben anderen" stärken.
Diese zwar vorsichtige, aber dennoch parteiliche Formulierung ist auch eine Reaktion darauf, dass im Wahlkampf neben der FDP nur die AfD mehr Rechte für Scheidungsväter verlangt hatte. Gerade dieses Thema, ein geschlechterpolitisches Minenfeld, das Antifeministen als Eingangstor und Rekrutierungsfeld nutzen, sollte eine dialogisch orientierte Männerpolitik nicht dem rechten Rand überlassen.