Am 25. Juli 2017 wandte sich US-Präsident Donald Trump in Youngstown, Ohio, an jubelnde Anhänger. Die Stadt gilt als eine der am stärksten deindustrialisierten Städte im "Rust Belt" – der ehemals größten Industrieregion der USA. In seiner Rede, die sich an eine fast gänzlich weiße Zuhörerschaft richtete, machte Trump für praktisch jedes größere Problem in den Vereinigten Staaten people of color verantwortlich: "radikalislamische Terroristen", die Amerika zerstören wollten, Aktivisten der Bewegung Black Lives Matter, die "unsere großartigen Polizisten" nicht respektierten sowie Einwanderer ohne Papiere, die für Trump und seine Zuhörer grundsätzlich Kriminelle sind. Dabei wandte er eine Technik der Entmenschlichung an, die den dunkelsten Zeiten der europäischen Geschichte entlehnt ist: "Diese Raubtiere und kriminellen Ausländer, die unsere Gemeinden mit Drogen vergiften und Jagd auf unschuldige junge Menschen machen, wunderschöne unschuldige junge Menschen, werden in unserem Land nirgendwo mehr eine sichere Zuflucht finden. Ihr habt die Berichte über einige dieser Tiere gesehen. Sie benutzen keine Schusswaffen, weil ihnen das zu schnell geht und ihren Opfern nicht genug Schmerzen bereitet. Deswegen greifen sie sich zum Beispiel ein junges, wunderschönes Mädchen, 16, 15 Jahre alt, und schneiden sie in Stücke, weil sie wollen, dass sie vor ihrem Tod noch quälende Schmerzen erleidet. Das sind die Tiere, die wir so lange beschützt haben."
Ungeachtet der Tatsache, dass die Gruppe der Einwanderer ohne Papiere anteilsmäßig weniger Straftaten begeht als die Gruppe einheimischer Staatsbürger,
Zwar verwendete Trump in seiner Rede kein einziges Mal die Worte "weiß", "schwarz" oder "Latino" und beachtete sogar gewisse Grundregeln des politischen Diskurses in den USA. Doch seine Zuhörerschaft verstand den Subtext nur zu genau: Die Leute wussten, dass die kriminellen "Tiere" keine Weißen wie sie und der Präsident waren. Ihr wütendes Verlangen, diese nichtweißen Missetäter zu bestrafen, verband sie mit dem Redner – trotz der gewaltigen Kluft, die sie beim persönlichen Vermögen von ihm trennt. Trumps Rhetorik basierte darauf, dass seine Zuhörerschaft sich als "Weiße" identifizieren und ihre Ressentiments und ihre Entfremdung durch diese Kategorisierung zum Ausdruck bringen. Sie veranlasste die Zuhörer zudem, sich über Klassengrenzen hinweg mit einem unglaublich reichen Menschen zu solidarisieren. Dies gelang aufgrund eines gemeinsamen Rassismus.
So sehr Trumps Aufstieg eine Zäsur in der Geschichte der Vereinigten Staaten ist, so sehr ist seine Politik – die Politik des Weißseins – nicht vom Himmel gefallen. Vielmehr ist sie aus tief verwurzelten Strukturen und politischen Strömungen der white supremacy (weiße Vorherrschaft) hervorgegangen, von denen die politische Landschaft der USA seit ihren Anfängen geprägt wird.
Weiß als gesellschaftliche Kategorie
Man kann den Begriff "Rasse" in den Vereinigten Staaten nicht verstehen, wenn man sich dabei auf Schwarzsein fokussiert und die Kategorisierung "weiß" und ihre historische Bedeutung ausblendet. Einer Untersuchung von "Weißsein" ist vorauszuschicken, dass "weiß" weder nur eine Hautfarbe noch ein in der Biologie begründeter Status ist. Stattdessen handelt es sich um eine gesellschaftlich konstruierte Kategorie, die nichtsdestotrotz in ihren Auswirkungen real ist. In der Neuen Welt wurde die "weiße Rasse" im späten 17. Jahrhundert als Mittel zur Aufrechterhaltung der gesellschaftlichen Ordnung und Hierarchie innerhalb eines aufstrebenden kapitalistischen Weltsystems kreiert. Diese Funktion behielt sie bei, als die neue Nation der Vereinigten Staaten entstand.
Von 1790 bis 1952 – fast drei Viertel der US-amerikanischen Geschichte – war Weißsein explizite Voraussetzung für eine Staatsbürgerschaft in den Vereinigten Staaten. Weiß war also eine Rechtskategorie, die darüber entschied, wer ins Land hereingelassen wurde, wer Land besitzen, wer wählen und wer wen heiraten durfte. White supremacy – das Fundament des Rassismus – ist daher in den Vereinigten Staaten nicht bloß eine persönliche Meinung oder eine rückwärts gerichtete Einstellung, die von isolierten Individuen eingenommen wird. Sie ist vielmehr eine materielle, institutionelle Struktur, die festlegt, wie Ressourcen verteilt werden. Sicherlich können Kommentare eines Arbeitskollegen oder Nachbarn rassistisch sein. Aber wenn man Rassismus als etwas Strukturelles begreift, als etwas, das Ressourcen auf Grundlage rassischer Kategorien verteilt, sieht man ihn auch in Einrichtungen, in denen people of color unterdurchschnittlich vertreten sind. Man würde diese Unterrepräsentation nicht als selbstverständlichen Teil des täglichen Lebens betrachten, sondern als Ausdruck einer auf white supremacy basierenden Gesellschaft.
Der Aufstieg von Donald Trump und die Popularisierung seiner Politik zwingen uns, unsere Definitionen weiter zu verfeinern, um zwischen Rassismus und Rassisten unterscheiden zu können. Auch wenn Rassismus strukturell und omnipräsent ist, ist trotzdem nicht jeder automatisch ein aktiver Rassist. Es ist schlechterdings unmöglich, in den Vereinigten Staaten aufzuwachsen, ohne die auf Rassenzugehörigkeit fokussierten Prämissen und Wahrnehmungsweisen zu verinnerlichen: Sogar people of color internalisieren negative Bilder von sich oder von anderen Minderheitsgruppen, die sie durch die US-amerikanische Kultur eingeimpft bekommen haben.
Sich als Rassist zu verhalten, geht jedoch darüber hinaus: Es bedeutet, sich politisch und gesellschaftlich als Weißer zu identifizieren, Weißsein aktiv zu einer gültigen gesellschaftlichen Kategorie zu erheben. Ausdruck davon könnte etwa sein, eine Politik zu unterstützen, die people of color konsequent die Schuld an sozialen Problemen zuweist, während sie Weiße zu Opfern stilisiert, die ihre Meinung nicht öffentlich zum Ausdruck bringen dürfen; oder Schwarze, Latinos und Asiaten als Menschen zu betrachten, die kaum etwas zur Gesellschaft beisteuern, aber von hart arbeitenden Weißen erwirtschaftete Ressourcen verbrauchen. Es versteht sich von selbst, dass die meisten Rassisten in den Vereinigten Staaten die Bezeichnung "Rassist" nach wie vor von sich weisen.
Ursprünge der "weißen Rasse" in der Neuen Welt
Nach Ansicht des Historikers Theodore Allen gehen heutige Definitionen von Rasse auf die frühen kapitalistischen englischen Siedlungen in der Neuen Welt Ende des 17. Jahrhunderts zurück. In der Chesapeake Bay in Nordamerika sowie den Westindischen Inseln konstatierte die englische Bourgeoisie, dass sie in einem Umfeld, in dem alle Arbeiter gleichermaßen ausgebeutet wurden, keine soziale Kontrolle sicherstellen konnte. Das System der Zwangsarbeit, das sie Anfang des 17. Jahrhunderts entwickelt hatte und an das Europäer und Afrikaner gleichermaßen gebunden waren, brach mit Bacon’s Rebellion 1676 zusammen. In dem nach dem weißen Plantagenbesitzer Nathaniel Bacon benannten Aufstand kämpften schwarze und weiße Vertragsknechte und Sklaven gemeinsam. Dies alarmierte die britische Obrigkeit, und fortan sollten Sklavenkodizes die unteren Klassen spalten: Menschen schwarzer Hautfarbe hatten die entwürdigendsten Arbeitsformen zu verrichten. Damit entstand ein System, in dem Menschen, die als Nichtweiße klassifiziert wurden, in die unterste Schicht der Arbeiterschaft verbannt wurden.
Logische Folge dieses neuen sozialen Systems war die Schaffung einer Art Pufferzone, deren Angehörige das Recht hatten, Polizeiaufgaben zu übernehmen oder Waffen zu tragen. Angehörige dieser Schicht verbündeten sich aufgrund ihrer Rassenzugehörigkeit mit der Bourgeoisie und halfen ihr dabei, ihr Wirtschaftssystem umzusetzen und aufrechtzuerhalten. In den Westindischen Inseln bildeten die Kreolen diese Pufferzone, in Lateinamerika die Kaziken, in Nordamerika waren es Weiße aus der Unter- und Mittelschicht. Auf diese Weise entstand in der englischen Neuen Welt die "weiße Rasse".
Eine auf Rassenzugehörigkeit basierende Hierarchie war, kurz gesagt, Grundstein für die Bildung des modernen Kapitalismus. Da Rassenzugehörigkeit wesentlich für die politische und kulturelle Elite der herrschenden Klasse war, wurde sie zu einer materiellen Kraft, die Reichtum ermöglichte. Das System der sozialen Kontrolle, das der Sozialanthropologe Cedric Robinson als "racial capitalism"
Die zunächst in den britischen Siedlerkolonien von Nordamerika gebildeten, auf Rassenzugehörigkeit basierenden Hierarchien festigten sich nach der Amerikanischen Revolution vollends in der neuen Nation der Vereinigten Staaten, in der die Macht der Sklavenhalter aufrechterhalten blieb. Institutionell zeigte sich das Privileg des Weißseins am deutlichsten darin, wie das neu entstandene Land Staatsbürgerschaft definierte. Das Einwanderungsgesetz von 1790 legte fest, dass "jeder Ausländer, als freie und weiße Person [Hervorhebung durch den Verfasser], der für die Dauer von zwei Jahren in den Grenzen und unter der Gerichtsbarkeit der Vereinigten Staaten gelebt hat, als Bürger derselben zugelassen werden kann". Männern wurde mit der Staatsbürgerschaft im Allgemeinen das Wahlrecht, das Recht auf Eigentum, das Recht auf freie Meinungsäußerung und das Versammlungsrecht verliehen sowie das Recht auf Schutz durch das Gesetz und die Möglichkeit, als Polizist zu dienen und Schusswaffen zu besitzen.
Die Bedingung "freie und weiße Person" bildete von 1790 bis 1952 die Grundlage der US-amerikanischen Staatsbürgerschaft, bis sie mit dem McCarran-Walter Act aus dem US-amerikanischen Einwanderungsgesetz gestrichen wurde. Doch da sich die Privilegien der Staatsbürgerschaft von 1790 bis 1952 explizit auf das Weißsein gründeten, lässt sich festhalten, dass die Vereinigten Staaten während des größten Teils ihrer Existenz de jure ein auf white supremacy basierender Staat gewesen sind.
Weiße und "Weiße auf Probe"
Zwischen 1790 und 1952 musste jede Einzelperson bei der Einreise ins Land nachweisen, dass er oder sie weiß war. Grundlegendes Kriterium für die Einwanderungsbehörde war dabei das Herkunftsland des Einwanderers: Eine Geburt in Europa war im Allgemeinen eine Garantie. Allerdings gab es Grauzonen, und die US-amerikanische Rechtsgeschichte ist gespickt mit Fällen, bei denen Einzelpersonen vor dem Obersten Gerichtshof Klage erhoben, normalerweise erfolglos, um aufgrund ihrer nationalen Herkunft als weiß eingestuft zu werden. So wurde beispielsweise in Sachen Saito (1894) geurteilt, dass Japaner nicht weiß sind, in Sachen Halladjian (1909), dass Armenier weiß sind und, in Sachen Majour (1909), dass Syrer weiß sind. Allerdings hoben die Gerichte letzteres Urteil wieder auf und entschieden 1914, dass Syrer doch nicht weiß sind.
Es ist wichtig festzuhalten, dass zwischen 1790 und 1921 keine Obergrenzen existierten, was die Anzahl der Europäer anging, die in die Vereinigten Staaten einwandern durften. Aus Sicht der Behörden war es notwendig, dass so viele "freie weiße Personen" wie möglich ins Land gelassen wurden, damit die Grenzgebiete besiedelt wurden und später, während der Industriellen Revolution, damit Fabrikanten billige Arbeitskräfte zur Verfügung standen.
Im Verlauf des 19. Jahrhunderts, als Neuankömmlinge die US-amerikanische Kulturlandschaft veränderten, wurde den etablierten europäischen Amerikanern allerdings klar, dass nicht alle "freien weißen Personen" gleich waren. Neu angekommene Europäer, vor allem aus Ländern, in denen bittere Armut herrschte, erlebten gesellschaftliche Ächtung und bekamen es mit einer nativistischen, einwandererfeindlichen Gegenbewegung zu tun. Um Menschen dieser Kategorie zu beschreiben, prägte der Historiker Matthew Frye Jacobson den Begriff "probationary whites" (Weiße auf Probe). Letztere gehörten Gruppen an, die von Gesetzes wegen weiß waren und die rechtlichen Vorteile der Staatsbürgerschaft genossen (und daher im Vergleich zu people of color privilegiert waren), jedoch diverse Formen der Ausgrenzung und Marginalisierung erfuhren.
Einwanderungskontingente und Neubestimmung der Staatsbürgerschaft
Die vor allem katholische und jüdische Einwanderungswelle an der Schwelle zum 20. Jahrhundert war in Relation zur Gesamtbevölkerung die größte in der US-amerikanischen Geschichte und verursachte eine starke Gegenbewegung seitens der etablierten weißen Protestanten. Teils angeheizt vom Ku-Klux-Klan und der Pseudowissenschaft der Rassenhygiene, forderten diese "Nativisten" mit Nachdruck Einwanderungsbeschränkungen. Ihre Bemühungen führten zur Verabschiedung des Emergency Quota Act von 1921 und zum Johnson-Reed Act 1924, den Adolf Hitler in "Mein Kampf" lobend erwähnte. Sie schränkten die Einwanderung der "Weißen auf Probe" stark ein – insbesondere die von Süd- und Osteuropäern – und schlossen Asiaten gänzlich aus. Ihre länger anhaltende Wirkung jedoch bestand in der Einführung von Einwanderungskontingenten.
Diese Gesetze legten mithin Obergrenzen fest, die seitdem fester Bestandteil der US-Immigrationspolitik sind. Im Verbund mit strengen administrativen Maßnahmen, etwa der Gründung der Grenzschutzbehörde United States Border Patrol 1924, schufen sie zudem die soziale und rechtliche Kategorie des "illegalen Ausländers", die bis heute im politischen Diskurs der USA als Gegenpol zum Staatsbürger herhalten muss.
Obschon die Staatsbürgerschaft gemäß dem Gesetz von 1790 explizit Weißen vorbehalten war, gab es natürlich auch vor seiner Abschaffung Nichteuropäer in den Vereinigten Staaten. Menschen afrikanischer Abstammung wurden bereits ab dem 17. Jahrhundert als Sklaven nach Nordamerika verschifft, ab 1848 wanderten in großer Zahl chinesische Hilfsarbeiter ein und im weiteren Verlauf des Jahrhunderts Japaner. Nach dem Mexikanisch-Amerikanischen Krieg (1846–1848), als die Vereinigten Staaten große Teile mexikanischen Territoriums annektierten, darunter die heutigen Staaten Texas und Kalifornien, wurden mexikanische Bürger in den Vereinigten Staaten aufgenommen.
Diesen Nichteuropäern stand vor dem Zweiten Weltkrieg die Möglichkeit offen, die Staatsbürgerschaft zu erlangen und auf diese Weise Fuß im Land zu fassen. Kurz nach dem Amerikanischen Bürgerkrieg (1861–1865) ratifizierte der US-Kongress den 14. Zusatzartikel zur Verfassung, der "allen Personen, die in den Vereinigten Staaten geboren oder eingebürgert sind" die Staatsbürgerschaft gewährte. Dank dieser Maßnahme wurde die Staatsbürgerschaft auf ehemalige Sklaven und, ungewollt, auch auf US-amerikanischem Boden geborene Kinder asiatischer Einwanderer ausgeweitet.
Nach den Bestimmungen des Gesetzes von 1790 galten Mexikaner als Weiße, und mexikanische Staatsbürger, die vor dem Mexikanisch-Amerikanischen Krieg auf US-Staatsgebiet lebten, konnten ebenfalls US-Bürger werden. Doch ob Staatsangehörige oder nicht, das Gros dieser Nichteuropäer belegte für gewöhnlich den gleichen Platz in der Klassenhierarchie, wie er nach Bacon’s Rebellion Nichtweißen zuteil geworden war. Ob sie nun als Sklaven, Saisonarbeiter auf dem Feld oder Eisenbahnarbeiter schufteten, sie waren häufig die am stärksten ausgebeuteten Arbeiter in einer expandierenden US-Wirtschaft, einer Wirtschaft, die sowohl auf ihre Arbeitskraft als auch auf ihre Rechtlosigkeit angewiesen war.
Gesetze zur rechtlichen Gleichstellung
Formale, de jure geltende Staatsbürgerrechte gründen sich in den Vereinigten Staaten heute nicht mehr auf das Weißsein. Innenpolitischer und von außen ausgeübter politischer Druck sorgten dafür, dass das Land Mitte des 20. Jahrhunderts von der unverhohlenen white supremacy abrückte. Der stärkste innenpolitische Druck ging von der Bürgerrechtsbewegung (1930er bis 1960er Jahre) aus, die wie keine andere zuvor das Thema der white supremacy ins Zentrum der politischen Debatte rückte. Obendrein zwang die globale, antikoloniale Entwicklung in Afrika, Asien und Lateinamerika während des Kalten Kriegs US-amerikanische Entscheidungsträger dazu, Eindruck bei jüngst entkolonialisierten Nationen zu machen und im eigenen Land mit einer "racial reform" auf die Forderungen der Bürgerrechtsbewegung einzugehen.
Diese Dynamik führte 1965 zur Verabschiedung des Immigration and Nationality Act, der zeitgleich mit dem Civil Rights Act von 1964 und dem Voting Rights Act von 1965 verabschiedet wurde. Gemeinsam beendeten diese Gesetze weitgehend die de jure bestehende white supremacy in den Vereinigten Staaten. Der Civil Rights Act setzte der Rassentrennung und der sogenannten Jim-Crow-Ära
Im Laufe der Zeit führte dieses Gesetz zu einer substanziellen demografischen Veränderung – Europäer machen heute einen wesentlich kleineren Anteil der Einwanderer und Neubürger in den USA aus. Stammten 1960 noch 84 Prozent der Einwanderer aus Europa oder Kanada, so liegt dieser Anteil heute nur noch bei knapp 14 Prozent, und Lateinamerikaner und Asiaten stellen mittlerweile die größte Bevölkerungsgruppe der im Ausland geborenen Einwanderer. Stand 2016 geht die US-amerikanische Statistikbehörde davon aus, dass 61 Prozent der Bevölkerung nicht-lateinamerikanische Weiße sind; 1960 waren es noch 85 Prozent gewesen.
Mochte das Ende der de jure bestehenden white supremacy auch einen enormen Schritt in die richtige Richtung bedeuten, so war damit die white supremacy als solche dennoch nicht beendet. Rassismus und Rassentrennung existieren de facto weiterhin. Besuchern der Vereinigten Staaten fällt rasch auf, dass Weiße und people of color dazu neigen, sich in je eigenen Stadtteilen niederzulassen, auch wenn derartige Separierungen nicht gesetzlich vorgeschrieben sind.
Die offenkundigste Fortdauer der white supremacy ist jedoch ökonomischer Natur: 2017 stellte eine viel beachtete Studie eine enorme und weiter wachsende Kluft zwischen dem Wohlstand Weißer und dem Nichtweißer fest. Sie brachte ans Licht, dass der Wohlstand in weißen Haushalten mit mittlerem Einkommen achtmal so hoch ist wie der Wohlstand schwarzer Haushalte und zehnmal so hoch wie der von Latino-Haushalten der gleichen Einkommensgruppe.
Vom Klan zur Southern Strategy
Es dürfte nicht überraschen, dass die institutionelle Bevorzugung Weißer immer wieder zum Aufkommen politischer Bewegungen geführt hat, die danach streben, dieses Privileg zu bewahren. Dies geschah vor allem in Phasen, in denen die Begünstigten ihre Privilegien bedroht sahen. So hatten rassistische Institutionen stets die aktive Intervention von Rassisten nötig, um weiter Bestand zu haben. Im 20. Jahrhundert gehörten zu den einflussreichsten dieser Bewegungen der Ku-Klux-Klan (1920er Jahre), die Christian Front von Charles Coughlin (1930er Jahre) sowie die American Independent Party von George Wallace (späte 1960er und frühen 1970er Jahre). Diese Bewegungen wiesen eindeutig faschistische und autoritäre Merkmale auf.
Der Ku-Klux-Klan wurde 1865 von ehemaligen Konföderierten im Süden der USA gegründet, jedoch während der reconstruction – jener Phase, in der die aus den USA ausgetretenen Südstaaten wieder in die Union eingegliedert wurden – von den Besatzungstruppen des Nordens zurückgedrängt. Nach seiner Neugründung 1915 entfaltete er schließlich seine größte Wirkung: In den 1920er Jahren dehnte der Klan seinen Einflussbereich über den Süden hinaus aus und wurde zur Mainstream-Organisation. Seine Mitglieder waren weitestgehend weiße, der Mittelschicht angehörende und in Kleinstädten ansässige Protestanten, und ihre Hauptangriffsziele waren nicht Schwarze, sondern Neuzuwanderer aus Ost- und Südeuropa, Asiaten und Juden. Der Einfluss des Klans war so groß, dass Politiker aus den Staaten des Mittleren Westens und den Südstaaten davor zurückschreckten, sich kritisch über ihn zu äußern; es gelang dem Klan sogar, seine Mitglieder in den US-Senat und das Repräsentantenhaus wählen zu lassen. Ihr Hauptziel bestand darin, die Macht von Neuzuwanderern zu begrenzen, insbesondere mittels Einwanderungsbeschränkungen.
Während der Klan auf dem Höhepunkt seines Einflusses versuchte, die Privilegien der Weißen zu bewahren, indem er Weißsein enger definierte und auf Protestanten westeuropäischer Herkunft beschränkte, hatte es die einflussreichste Bewegung der white supremacy des späten zwanzigsten Jahrhunderts auf Afroamerikaner und die Bürgerrechtsbewegung abgesehen: Zu Beginn der 1960er Jahre setzte sich der Demokrat George Wallace als Gouverneur des US-Bundesstaats Alabama an die Spitze einer landesweiten Anti-Bürgerrechtsbewegung. Später als Kandidat einer kurzlebigen Partei namens American Independent Party stellte er sich 1968 und 1972 für das Amt des US-Präsidenten zur Wahl.
Die Niederlage von Wallace 1968 und sein gescheiterter Wahlkampf 1972 hätten ihn zu einer Fußnote der Geschichte werden lassen, wäre da nicht seine Langzeitwirkung auf die US-amerikanische Politik. Da Nixon zu Recht befürchtete, Wallace könne ihm zu viele konservative Wähler abwerben, machte er sich 1968 in seinem Wahlkampf Wallaces Botschaft zu eigen und ging in seiner southern strategy auf die rassenbezogenen Ängste weißer Wähler ein.
In seiner Funktion als Gouverneur von Alabama hatte Wallace bereits einer rassistischen Politik den Weg bereitet, die zwar einerseits brachial daherkam, es jedoch andererseits vermied, Rassenzugehörigkeiten explizit anzusprechen und sich stattdessen auf Themen fokussierte, die vermeintlich frei von Rassenvorurteilen waren, beispielsweise Kriminalität, Sozialhilfe und die Rechte der Bundesstaaten. Nixons Berater erkannten, dass Wallace sich das bei weißen Wählern Ende der 1960er Jahre weitverbreitete Gefühl zunutze machte, die Forderungen der Bürgerrechtler seien "zu weit gegangen". Nixons Berater John Ehrlichman beschrieb die von Wallace inspirierte Strategie des Wahlkampfteams: Der Trick bestehe darin, Positionen zu Kriminalität, sozialem Wohnungsbau und Bildung so zu präsentieren, dass ein potenzieller Wähler "sich selbst gegenüber nicht eingestehen muss, sich von einer rassistischen Einstellung angesprochen zu fühlen".
Nach 1968 übernahm die Republikanische Partei Wallaces Agenda als regulären Bestandteil ihrer Politik. Wallaces verschlüsselte rassistische Einstellung wurde später in Ronald Reagans Kampf gegen Drogen erkennbar. In den 1990er Jahren tauchte sie dann abermals im Narrativ des Kongressführers Newt Gingrich auf, demzufolge von Sozialhilfe abhängige Menschen (zu verstehen als Schwarze) die Ursache für übermäßig hohe Steuern waren. Institutionell manifestierte sie sich in einem Politikwandel in Bezug auf nichtweiße Vertreter der Arbeiterklasse – von der Unterstützung durch Sozialleistungen hin zu einer neuen Strategie der "Beherrschung" der Ghettos durch Massenverhaftungen. Nachdem die southern strategy in den 1980er Jahren mit der weiteren Verlagerung auf "Recht und Ordnung" maßgeblich zur nationalen Politik wurde, haben die Vereinigten Staaten heute eine der weltweit höchsten Inhaftierungsraten. Ehemalige Verbrecher – überproportional Schwarze und Latinos – dürfen sich in zahlreichen Staaten nicht an Wahlen beteiligen und sehen sich mit staatlich sanktionierter Diskriminierung auf dem Arbeitsmarkt konfrontiert.
Mögen gegenwärtig auch einige Republikaner eine Abneigung gegenüber Trump empfinden, so entspringt sein politischer Aufstieg doch direkt der von ihrer Partei entwickelten southern strategy samt ihren institutionellen Wirkungen, die sich über Jahrzehnte hinweg entfaltet haben.
Zeichen der Solidarität
Da sie ein Produkt des modernen Kapitalismus ist, bleibt die white supremacy tief in der westlichen Welt verwurzelt. Sie bleibt für den amerikanischen Kapitalismus nützlich, da sie große Teile der Mittelschicht und der Arbeiterschaft dazu bringt, einen Kurs zu unterstützen, von dem in erster Linie Eliten profitieren. Weißsein ist allerdings auch kein immer stabil bleibendes politisches Gefüge in den Vereinigten Staaten. Es wurde zu verschiedenen Zeiten mithilfe von multiethnischer Mobilisierung erfolgreich herausgefordert: im Rahmen des Abolitionismus vor dem Sezessionskrieg, zu Zeiten der Popular Front (Volksfront) in den 1930er und 1940er Jahren und während der Bürgerrechtsbewegung und den radikalen Bewegungen der späten 1960er Jahre.
In jedem dieser Fälle trachteten nicht nur marginalisierte Gruppen danach, sich Rechte zu sichern, sondern es geriet ein ganzes System wirtschaftlicher Ungleichheit in Gefahr, weil die Allianz zwischen weißer Elite und Nicht-Elite zusammenbrach. So verbündeten sich beispielsweise in den 1930er und 1940er Jahren die "Weißen auf Probe" im Rahmen von Kampagnen mit dem Slogan "Black and White Unite and Fight" mit Schwarzen. Derlei Initiativen brachten "Weiße auf Probe" dazu, ihre politische Zugehörigkeit zu den Reichen zu kappen. Indem ein neuer Zusammenhalt mit denjenigen entstand, die auf der sozialen Leiter unter ihnen eingruppiert waren, konnten sie Arbeitsmarktreformen durchsetzen, die, in unterschiedlichem Ausmaß, der gesamten Arbeiterschaft zugutekamen.
Derlei Zeichen der Solidarität treten heute erneut auf, wenn sich junge Weiße statt mit Trump als Vertreter der white supremacy mit Kandidaten wie Bernie Sanders identifizieren. Mag das Weißsein als Privileg in den USA auch tief verwurzelt sein, so ist seine Zukunft als politische Identität doch alles andere als gewiss.
Übersetzung aus dem Englischen: Peter Beyer, Bonn.