Gibt es eine weltanschauliche Verbindung der "Neuen Rechten" zum historischen Komplex "Faschismus"? Angesichts eines jahrelang inflationären Gebrauchs letzterer Kategorie sollte diese Frage mit Bedacht beantwortet werden. Zudem galt Faschismus lange als ein Phänomen, das auf "seine Epoche" (Ernst Nolte) der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts sowie auf wenige Länder begrenzt war und schließlich mit dem Kalten Krieg verschwand.
Neuere Forschungen haben diese zeitliche Eingrenzung des Faschismus infrage gestellt. Laut dem Politikwissenschaftler Zeev Sternhell war der Faschismus ein "integrierender Bestandteil" des 20. Jahrhunderts und nicht nur eine Eruption der Zwischenkriegszeit.
Neue Rechte
Mitunter wird das Konzept "Neue Rechte" undifferenziert auf alle Phänomene des rechten politischen Randes verwandt, die irgendwie "neu" scheinen. Das Gefühl der Konfrontation mit etwas Neuem ist dabei meist dem Umstand geschuldet, dass der Begriff "Rechts" das Klischee vom dumpfen Neonazi aufruft, das mit den tatsächlichen Erscheinungsformen des rechten politischen Feldes wenig zu tun hat. Der Politologe Samuel Salzborn hat daher kritisiert, dass der Begriff "Neue Rechte" "sehr unterschiedlich und nicht selten diffus" Verwendung finde. Er bestimmt dagegen die Neue Rechte historisch als eine in den späten 1960er Jahren entstandene Strömung, die sich die "Formierung einer intellektuellen Metapolitik und die Erringung einer (rechten) kulturellen Hegemonie" als strategische Ziele gab.
Auf diese drei Säulen – Modernisierung, Internationalisierung und Bezugnahme auf die sogenannte Konservative Revolution – verweist auch die einschlägige Forschungsliteratur. Eine jüngste Zusammenfassung merkt jedoch an, es könne "über die Neue Rechte (…) im Grunde nur im Plural gesprochen werden", um den vielfältigen Entwicklungen der vergangenen vier Jahrzehnte gerecht zu werden.
Seitens ihrer heutigen Akteure wird gegen diese Herleitungen wenig Einspruch erhoben. Eine Begriffsklärung des Instituts für Staatspolitik (IfS), das der Neuen Rechten seit der Jahrtausendwende als organisatorisches Zentrum dient, verweist ebenfalls auf die historischen Vorläufer der Zwischenkriegszeit. Beklagt wird dagegen die Delegitimierung der eigenen Position aufgrund einer "neu, das heißt ‚antifaschistisch‘ – definierten Mitte". Die Selbstdarstellung als eine Strömung, die "deutlich von neonationalsozialistischen oder völkischen einerseits, von deutschnational, traditionalistisch-konservativen Positionen andererseits zu unterscheiden" sei und "sich auf die Schaffung alternativer Weltanschauungen" konzentriere, muss allerdings hinterfragt werden.
Hinsichtlich der historischen Vorbilder ist diese Abgrenzung kaum aufrechtzuerhalten. Armin Mohler, Spiritus Rector der Neuen Rechten und Bibliograf jener Konservativen Revolution, räumte im Alter ein, dass die strikte Trennung der Konservativen Revolution vom Nationalsozialismus konstruiert gewesen war: "Es war schon sehr schwer zu unterscheiden; in der historischen Wirklichkeit überschneidet es sich schon sehr."
Konservative Vordenker
In der Publizistik der Neuen Rechten nehmen die Klassiker der Konservativen Revolution der 1920er und 1930er Jahre einen ungebrochen hohen Stellenwert ein. Davon zeugt neben zahlreichen anderen Artikeln zu diesem Thema auch ihre Präsenz im "Staatspolitischen Handbuch", das der heutige Leiter des IfS, Erik Lehnert, zusammen mit dem Publizisten Karlheinz Weißmann herausgegeben hat. Nach wie vor findet sich in aktuellen Standortbestimmungen neurechter Autoren die Formel des "konservativen Revolutionärs" Edgar J. Jung zitiert, wonach die Demokratie die "Herrschaft der Minderwertigen" sei.
Bleibt angesichts solcher Positionen die Grenze zum Faschismus diffus, ist der Abstand zum traditionellen Konservatismus deutlicher. Wie schon die Konservative Revolution ist auch die Neue Rechte ihrem Anspruch nach dynamisch und revolutionär. Mohler formulierte scharfe Angriffe gegen einen lediglich "gärtnerisch" bewahrenden Konservatismus. Wie sein Lehrmeister Ernst Jünger, als dessen Sekretär Mohler in jungen Jahren gearbeitet hatte, setzte er auf die revolutionäre Überwindung des Bourgeois durch eine offensive Rechte. Jünger hatte bereits 1929 keinen Zweifel am radikalen Anspruch dieses neuen Nationalismus gelassen: "Wir überlassen die Ansicht, daß es eine Art Revolution gibt, die zugleich die Ordnung unterstützt, allen Biedermännern." Jünger verkündete weiter: "Wir werden nirgends stehen, wo nicht die Stichflamme uns Bahn geschlagen, wo nicht der Flammenwerfer die große Säuberung durch das Nichts vollzogen hat", um schließlich in dem Satz zu münden, mit dem heute die Identitäre Bewegung um Anhänger wirbt: "Weil wir die echten, wahren und unerbittlichen Feinde des Bürgers sind, macht uns seine Verwesung Spaß."
Ein zentraler Denker dieses radikalen Schnitts ist Georges Sorel. Als Autor, der sich der verhassten Dekadenz des Bürgertums entgegenstellte und Gewalt als reinigendes Mittel predigte, hat er Eingang in den Kanon der Neuen Rechten gefunden. Sternhell weist auf seine große Bedeutung für die Genese der faschistischen Ideologie hin: "Bedeutete der Faschismus philosophisch gesehen eine Absage an die rationalistischen und individualistischen Inhalte, welche die Grundlagen des Marxismus wie Liberalismus bildeten, so stellte er auf ideologischer und politischer Ebene die Synthese eines organischen Nationalismus mit der Marxrevision Georges Sorels und seiner Anhänger in Frankreich und Italien zu Beginn des Jahrhunderts dar."
Auch in der Theoriebildung der Neuen Rechten spielte Sorel eine zentrale Rolle. Karlheinz Weißmann beschrieb in der "Jungen Freiheit" die Einflüsse Sorels auf Armin Mohler. Dieser habe "vor allem prinzipielle Gründe" gehabt, "Sorel neu zu entdecken. Sorels Antiliberalismus und Dezisionismus hatten Mohler beeindruckt und vielleicht stärker noch die ‚Unklarheit‘ seines Denkens."
Mit diesem revolutionären Erbe steht die Neue Rechte in der Tradition jener rechten Kräfte, die sich gegen die Ordnung wandten, als diese nicht mehr ihren Vorstellungen entsprach. Sternhell kennzeichnete eine solche Haltung als "revolutionären Revisionismus", der dynamische Elemente der Moderne aufnehmen konnte.
Latenz der faschistischen Form
Der unmittelbare Vergleich der Neuen Rechten mit der faschistischen Form von Politik trägt jedoch nur bedingt, da sich die gegenwärtigen Rahmenbedingungen von jenen der 1920er Jahre deutlich unterscheiden. Das betrifft vor allem die militärisch geprägten Organisationsformen der Zwischenkriegszeit, denn heute fehlt ein vergleichbarer Militarisierungsgrad der westlichen Gesellschaften. Doch der deutlich verrohte Stil in den Leserforen und sozialen Medien zeugte von einem immensen Aggressionspotenzial. Hier brachte eine zunächst spontane Protestbewegung eine Dynamik ins Spiel, die von der Neuen Rechten gezielt genutzt werden sollte.
Schon früh offenbarte sich in AfD und Pegida der "Nukleus einer Bürgerkriegspartei", wie der Journalist Volker Zastrow urteilte: "Ihre Gier nach Gewalt ist mit Händen zu greifen, und sie wird nicht haltmachen, sich nicht begnügen."
Politische Verbindungen gibt es auch zur US-amerikanischen Alt-Right-Bewegung. Sie gilt als Pendant zur europäischen Neuen Rechten und hat im Zuge der Wahl Donald Trumps zum US-Präsidenten an Bedeutung gewonnen. In ihren Reihen kann das faschistische Element aufgrund einer anderen Rechtslage ungeniert ausgelebt werden. Richard Spencer, einer der Köpfe dieser Strömung, begrüßte die Wahl Donald Trumps mit "Sieg-Heil"-Rufen und hielt eine Rede zu Verfall und Wiedergeburt der amerikanischen Nation. Die von der Alt-Right-Bewegung verfolgte "Idee eines strikt isolationistischen ‚weißen Ethnostaats‘" findet auch in neurechten Kreisen Anklang.
Weitgehend ausgeprägt ist die faschistische Form bei den sogenannten Identitären. Sie wurden aus dem Umfeld der Zeitschrift "Sezession" nach dem Vorbild des französischen Bloc identitaire aufgebaut und stehen inzwischen besonders unter dem Einfluss von österreichischen Kadern wie Martin Sellner. Dieser ist zugleich Autor der "Sezession" und hat eine einschlägige Vergangenheit: Er sammelte seine ersten politischen Erfahrungen im Kreis um den österreichischen Neonazi Gottfried Küssel. Entgegen ihrer regionalistischen Fassade haben die Identitären im deutschsprachigen Raum einen "alldeutschen" Zug. Sie sehen sich als "Bewegung" und sind aktionistisch ausgerichtet. Das von ihnen verteilte Propagandamaterial ist voller historischer Anleihen und bedient eine heroisch-männliche Ästhetik.
In diesem Kontext sind auch neurechte Kontakte nach Italien zu sehen. Um das in Rom betriebene Zentrum CasaPound Italia entfaltete sich im Kreis der "Sezession" ein regelrechter Fankult. Die italienischen Aktivisten zählen zu den Identitären und bezeichnen sich selbst als "Faschisten des 21. Jahrhunderts". Sie spielen mit den Formen des Mussolini-Regimes, pflegen einen martialischen Stil und beteiligen sich an gewalttätigen Auseinandersetzungen. Im Frühjahr 2015 sprach der Mitbegründer des IfS, Götz Kubitschek, auf einer Demonstration in Rom zu italienischen Neofaschisten. Kubitscheks Ehefrau Ellen Kositza schwärmte von der spektakulären Inszenierung, deren Symbolik eindeutig war: "Pathetische Bombast-Musik, dann der wuchtige Einzug der Casa-Pound-Hundertschaften von der höhergelegenen Viale Gabriele d’Annunzio auf den bereits dicht gefüllten Platz. Tosender Beifall, undenkbar dies alles in Deutschland!"
Bereits 2013 war Kubitschek mit dem italienischen Neofaschisten Gabriele Adinolfi aufgetreten, der als ein Stichwortgeber der CasaPound gilt. Philipp Stein, Kubitscheks Mitstreiter von der neurechten Fundraising-Initiative Ein Prozent, war dort im April 2017 Gast auf einer Konferenz des neofaschistischen Blocco studentesco. Stein gründete 2016 den Jungeuropa-Verlag, der sich vor allem dem Erbe des spanischen und französischen Faschismus widmet. Im Programm findet sich auch eine Schrift des ehemaligen französischen Rechtsterroristen Dominique Venner, der sich 2013 aus Protest gegen die Ehe für gleichgeschlechtliche Paare auf dem Altar von Notre Dame erschoss. Auch er hatte Kontakte zu Kubitschek gepflegt. Das Interesse an den radikalen Traditionen und Gruppen aus Frankreich, Österreich, Italien und Spanien deutet auf ein deutliches Faible des "identitären" Flügels der Neuen Rechten für den klassischen, katholisch geprägten Faschismus.
Die Verbindung zum stark romanisch-katholisch beeinflussten Faschismus ist bereits bei den historischen Vorbildern der Neuen Rechten auffällig. Der deutsche Populärphilosoph Oswald Spengler, der mit seinem Bestseller "Der Untergang des Abendlandes" zu einem der zentralen Denker der Konservativen Revolution avancierte, war ein glühender Bewunderer Benito Mussolinis, der sich im Gegenzug für die Verbreitung Spenglers in Italien einsetzte.
Zwischen 1931 und 1933 fungierte die "Gesellschaft zum Studium des Faschismus" als Sammelbecken, in dem sich nationalkonservative und nationalsozialistische Kreise darüber austauschten, wie die Republik zu zerstören sei. Sie war gegründet worden, um eine Art "faschistische Internationale" zu schaffen, und mündete schließlich in der Verbindung rechter Revolutionäre mit alten Eliten.
Auch der parteiförmige Rechtspopulismus – in der Bundesrepublik konkret die AfD – weist Überschneidungen mit den historischen Vorbildern der Neuen Rechten auf. Er ist ebenso besessen vom Gedanken des Niedergangs der Nation, die er als eine Schicksals- und Opfergemeinschaft imaginiert, wovon bereits der Begriff "Schuldkult" zeugt. Das macht die AfD jedoch nicht zu einer faschistischen Partei.
AfD
Der AfD fehlen vor allem wesentliche faschistische Elemente wie die Ausrichtung auf einen Führer, die paramilitärischen Elemente und ein offener Kult der Gewalt. Besonders in der Zeit nach ihrer Gründung 2013 war die AfD auch keineswegs eindeutig der Neuen Rechten zuzurechnen. Als rechtspopulistische Sammlungsbewegung mehrerer Strömungen reichte das Spektrum ihrer Mitglieder von eurokritischen Ökonomen, Ordo- und Nationalliberalen über Nationalkonservative bis hin zu christlichen Fundamentalisten. Doch standen neurechte Akteure der jungen Partei von Anfang an mit Wohlwollen gegenüber und gewannen immer mehr Einfluss. Die Wochenzeitung "Junge Freiheit" begleitete den Gründungsprozess der Partei. Auch in der radikaler orientierten "Sezession" wurde das Projekt begrüßt, wenn auch eine gewisse Skepsis vorherrschte. Als Partei stand die AfD im Verdacht, "systemstabilisierend" zu sein und lediglich dazu zu dienen, "etwas Dampf vom Kessel zu lassen".
Anfangs gab es in der Partei noch Widerstände gegen neurechte Einflussnahme. Eine Aufnahme Kubitscheks und seiner Ehefrau Kositza in den Landesverband Sachsen-Anhalt wurde vom Bundesvorstand widerrufen. Doch solche Abwehrmechanismen versagten zunehmend. Im Rahmen der Fraktionsbildung innerhalb der AfD sammelte sich eine völkisch-national orientierte äußerste Rechte unter dem Namen "der Flügel" um Björn Höcke und André Poggenburg. Schließlich, mit der Abwahl Bernd Luckes auf dem Essener Parteitag im Juli 2015, sollte sich die Partei der Neuen Rechten ganz öffnen. Dieser Wechsel wurde von neurechten Akteuren aktiv forciert.
Die Journalistin Melanie Amann beschreibt, wie Kubitschek im Hintergrund die "Erfurter Erklärung" vorbereitete, die den Sturz Luckes einleiten sollte: "Kubitschek erklärt seinem Freund Höcke, dass sich die versprengten Rechten in der AfD jetzt sammeln müssten. Ein Manifest muss her, das jeder unterschreiben kann." Laut Amann schrieb der Verleger den ersten Entwurf selbst, trat aber nie als "Ideengeber" in Erscheinung. An der endgültigen Profilierung der Partei nach rechtsaußen hatte er aber großes Interesse – nicht zuletzt aus wirtschaftlichen Gründen. Eine AfD ohne Lucke versprach, die Resonanz des IfS, des Antaios Verlags und der "Sezession" ungemein zu verstärken: "Wenn Höcke scheitert, dann ist auch Kubitschek wieder nur ein kleiner Verleger irgendwo in einem Funkloch in Sachsen-Anhalt."
Ob tatsächliche "Übernahme" oder nicht – die Partei war in die unmittelbare Einflusssphäre des IfS gerückt. Ermöglicht wurde dies nicht zuletzt durch die weltanschauliche Verbindung der AfD zu den historischen Vorbildern der Neuen Rechten. Der Politikwissenschaftlerin Karin Priester zufolge kann der Rechtspopulismus als "eine neue, massenkompatible Form der Konservativen Revolution [gelten], die von Intellektuellen in die Hand von Anti-Intellektuellen übergegangen ist".
Antirationalismus
Tatsächlich zielen Rechtspopulismus und Neue Rechte auf Affekte statt Reflexion. "Was zählt, ist die Emotion" resümiert eine Auswertung der Social-Media-Präsenz der AfD.
Ein solcher Antirationalismus mündet zwangsläufig in der Glorifizierung von Gewalt. In der Geschichtsauffassung der Neuen Rechten regrediert die Gesellschaft zum permanenten Kampf stammesartiger Gruppen miteinander. Davon zeugt die Publikation des Buchs "Der Weg der Männer" des US-amerikanischen Alt-Right-Autors Jack Donovan bei Antaios. Der ewige Kriegszustand wird dabei als die Daseinsform gelobt, die dem Wesen des Mannes am meisten entspreche. Gewalt gilt als der unmittelbarste Weg zum Ziel, ihre Zügelung nur als hinderlich: "Der Weg der Männer, das Ethos der Gruppe, die amoralischen kämpferischen Tugenden: Sie drehen sich letztlich allesamt um das Gewinnen."
Schluss
Vor dem Hintergrund der weltanschaulichen Disposition der Neuen Rechten, ihren Kontakten und historischen Vorbildern ist festzustellen, dass sie das Erbe des Faschismus zumindest in großen Teilen angetreten hat. Das faschistische Element kommt dabei meist habituell und ästhetisch zum Vorschein, manifestiert sich aber, sobald der einhegende gesetzliche Rahmen wegfällt. Eine wichtige Quelle sind die vielfältigen historischen Bezüge auf die Konservative Revolution, die sich für die italienische Variante des Faschismus begeisterte. In diesem Sinne kann vor allem der harte Kern um das IfS durchaus in der Tradition des Faschismus gesehen werden.