Engagement wird mit verschiedenen Begriffen bezeichnet: Ehrenamt, freiwillige Arbeit, Selbsthilfe und, in der Praxis eher von einer Minderheit verwendet, "bürgerschaftliches Engagement". Handelt es sich also um ein derart buntes und vielfältiges Feld, dass es begrifflich kaum zu durchdringen ist? Verfügen wir mittlerweile über ein weithin geteiltes und geschärftes Verständnis von Engagement und dessen Eigensinn oder begnügen wir uns mit einem diffusen gemeinsamen Verständnis, das mit dem Sammelbegriff des "bürgerschaftlichen Engagements" pragmatisch operiert? Ich diskutiere im Folgenden vor dem Hintergrund der Entwicklung von Engagement- und Zivilgesellschaftsforschung das Begriffsverständnis von "bürgerschaftlichem Engagement". Insbesondere über eine Kontrastierung mit den zahlreichen instrumentellen Zugriffen auf Engagement als Ressource wird die Bedeutung eines Verständnisses von Engagement als einer eigensinnigen und freiwilligen Tätigkeit deutlich. Hier liegen wesentliche Bezugspunkte guter Engagementpolitik. Deren Agenda gilt es partizipativ und in enger Bezugnahme auch auf Demokratiepolitik fortzuentwickeln.
Was ist "bürgerschaftliches Engagement"?
Das Verständnis von Engagement war bereits in den Diskussionen der Enquete-Kommission "Zukunft des Bürgerschaftlichen Engagements" (2000 bis 2002) eng verbunden mit dem Konzept der Zivilgesellschaft. Neben Staat und Wirtschaft sowie der Privatsphäre wird Zivilgesellschaft als ein eigener großer Bereich der Gesellschaft verstanden, der nicht nur, aber wesentlich durch das Engagement geprägt ist. In der wissenschaftlichen Diskussion
Ohne den "Diskurs der Zivilgesellschaft", in dem nicht zuletzt auch die neuen sozialen Bewegungen seit den 1970er Jahren ihre eigene Rolle gegenüber Staat, Markt und Privatsphäre reflektiert haben,
In jüngerer Zeit haben Thomas Olk und Birger Hartnuß vorgeschlagen, das Begriffsverständnis von "bürgerschaftlichem Engagement" um den Bezug auf die "Erzeugung öffentlicher Güter" zu ergänzen.
Engagement im Wohlfahrtspluralismus: Risiken und Chancen
Das Begriffsverständnis von "bürgerschaftlichem Engagement" als einer gemeinsinnigen öffentlichen Tätigkeit zur Gestaltung des politischen Gemeinwesens rekurriert auf Engagement als Bürgerrecht und auf dessen Freiwilligkeit und Unentgeltlichkeit. Nun sind gerade die beiden letztgenannten Kriterien in den vergangenen Jahren erheblich unter Druck geraten. Die Verschuldung öffentlicher Kassen gerade im kommunalen Raum, in dem vor allem das Engagement erfolgt, hat zu seiner Instrumentalisierung wesentlich beigetragen. Zunehmend wird Engagement de facto als eine Art verdeckter Niedriglohnbereich behandelt, und durch eine Monetarisierung des Engagements sind finanzielle Anreize in den vergangenen Jahren verstärkt ins Zentrum einer problematischen Engagementförderung gerückt. Ganz zu schweigen von einer arbeitsmarkt- und beschäftigungspolitischen Nutzung des gemeinnützigen Bereichs für die Ausbildung von Arbeitsfähigkeit etwa von Langzeitarbeitslosen in Verbindung mit hoch problematischen Sanktionen bei Leistungsverweigerung, die soziale Bürgerrechte in Frage stellen.
Doch macht die berechtigte Kritik an einer Instrumentalisierung des Engagements zugleich aufmerksam auf die notwendige Fortentwicklung des Begriffsverständnisses, die mit der Bezugnahme auf das Konzept der "öffentlichen Güter" bereits weichenstellend eingeleitet worden ist.
Das im Freiwilligensurvey erhobene Engagement von 23 Millionen Menschen in Deutschland hat auch ein erhebliches ökonomisches Gewicht. Doch gerade eine einfache und unmittelbare ökonomische Beanspruchung des Engagements macht Engagementförderung instrumentell und verletzt den Eigensinn des Engagements. Der Hinweis auf Engagement als "Bürgerpflicht" im Engagementbericht der Bundesregierung
Dies heißt aber nicht, dass Engagement im Bereich der öffentlichen Daseinsvorsorge keine Rolle spielt. Im Gegenteil: Engagement reagiert schon immer sehr sensibel auf reale Problemlagen, doch darf es nicht erzwungen werden. Eine nicht instrumentelle Einbindung von Engagement in Koproduktionen erfordert die Akzeptanz seiner eigenen Bedingungen und Handlungslogik: Gerade wenn wir es mit einer dynamischen Tendenz des Einbezugs von Engagement in die öffentliche Daseinsvorsorge zu tun haben, so sind auf den verschiedenen Ebenen der Politik Plattformen für eine sektorübergreifende Abstimmung der Koproduktionen von wachsender Bedeutung, in denen Vertreterinnen und Vertreter des Engagements die Bedingungen mitdefinieren und das Eigeninteresse der Engagierten wahren.
Herausforderungen für gute Engagementpolitik
Wir haben es bei der politischen Förderung des Engagements mit einem noch sehr jungen Politikfeld zu tun.
Engagementpolitik in einem von der Enquete-Kommission her kommenden Verständnis ist zwangsläufig sehr eng verbunden mit Demokratiepolitik.
Es wäre weiterhin zwingend erforderlich, Engagementpolitik im Sinne einer umfassenden Strategie zu denken. Diese erfordert die Vernetzung der Akteure aus Zivilgesellschaft, Staat und Wirtschaft und gemeinsame Arbeit an Rahmenbedingungen und Infrastrukturen. Von wachsender Bedeutung für die engagement- und demokratiepolitische Agendaentwicklung sind daher Formate der "assoziativen Demokratie", also Plattformen und Netzwerke, die der gemeinsamen Beratung und Planung dienen und, wie in dem noch jungen Feld der Engagementpolitik, die Bedarfe eines eigensinnigen Engagements für die engagementpolitische Gestaltung fruchtbar machen. Der mit assoziativer Demokratie zwingend verbundene Politikstil der gemeinsamen Beratung und der argumentativen Sondierung von Präferenzen ist für etablierte Muster korporatistischer Interessenvertretung eine Herausforderung, die keineswegs von allen Akteuren angenommen wird. Das machen die Erfahrungen des BBE deutlich.
Anforderungen an eine engagementpolitische Agenda
2009 und 2010 hat das BBE ein partizipatives Format entwickelt, in dem 450 Expertinnen und Experten aus Wissenschaft, Zivilgesellschaft, Staat, Kommunen, Unternehmen und Gewerkschaften in 16 Foren an der Entwicklung einer engagementpolitischen Agenda beteiligt waren. Der Koordinierungsausschuss des BBE, in dem über 250 Organisationen aus Zivilgesellschaft, Staat, Kommunen, Unternehmen, Gewerkschaften, Kirchen und Wissenschaft vernetzt sind, hat im Vorfeld der Bundestagswahl 2013 eine engagementpolitische Agenda entwickelt.
Die Auswirkungen des demografischen Wandels erfordern eine Neudefinition des Verhältnisses von Staat, Wirtschaft und Zivilgesellschaft.
Die Herausforderungen des demografischen Wandels machen in besonderer Weise die Stärkung und Weiterentwicklung des bürgerschaftlichen Engagements erforderlich. Die Lösung der anstehenden Probleme kann nicht darin bestehen, dass freiwilliges Engagement als kostenloser Ersatz für bezahlte Dienstleistungen und Lückenbüßer für das Fehlen qualifizierter Kräfte eingeplant und eingesetzt wird oder bestimmte Personengruppen in eine schleichende Verpflichtung gedrängt werden.
Zunehmende Intensivierung der Ausbildungs- und Arbeitszeiten und gestiegene Mobilität erschweren die Vereinbarkeit von Familie, Freizeit, Erwerbsarbeit beziehungsweise (Aus-)Bildung und Engagement.
Knappe öffentliche Kassen führen zu wachsenden Begehrlichkeiten gegenüber dem freiwilligen Engagement der Bürgerinnen und Bürger und zunehmend zu Grauzonen zwischen Erwerbsarbeit und Engagement. Die Monetarisierung des Engagements weitet sich aus.
Sozial und finanziell benachteiligte Bevölkerungsgruppen haben immer noch zu wenig Zugang zum bürgerschaftlichen Engagement.
Nach wie vor gibt es geschlechtsspezifische Hierarchisierungen im Engagement.
Die Bereitschaft, Ehrenämter und Funktionen – besonders langfristige – in Vereinen zu übernehmen, nimmt ab. Das steht auch im Zusammenhang mit den rückläufigen Mitgliederzahlen in Großorganisationen (Parteien, Verbände, Kirchen) und traditionellen Vereinen.
Die finanzielle und personelle Ausstattung von engagementfördernden Infrastruktureinrichtungen ist häufig prekär und diese können deshalb die notwendigen Informations-, Beratungs-, Vernetzungs- oder Vermittlungsleistungen nicht hinreichend erbringen.
Vereine und andere Organisationsformen der Engagierten werden zunehmend belastet durch Regeln bei Steuern und Abgaben, Ordnungsvorschriften und Bürokratisierung.
Der Bundesfreiwilligendienst genügt derzeit nicht hinreichend den Prinzipien der Subsidiarität und der freien Trägerschaft.
Strukturen und Organisationen des Engagements werden in engagementpolitische Willensbildung und Entscheidungsfindung (governance) nicht angemessen einbezogen.
Informelle und direkte Partizipationsformen in Politik und Gesellschaft, die die Institutionen der repräsentativen Demokratie wirksam ergänzen können, sind unzulänglich entwickelt.
Bei Entscheidungen und Verwaltungshandeln auf kommunaler Ebene kommt der Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger eine wachsende Bedeutung zu. Das erfordert Dialog, Transparenz und erweiterte Formen der Verantwortungsteilung sowie Kooperationsbereitschaft, Vernetzung und gegenseitigen Respekt.
Die europäische Zivilgesellschaft und die darauf bezogene europäische wie nationale Engagementpolitik sind nicht ausreichend entwickelt.
Das BBE hat vor diesem Hintergrund drei zentrale Erwartungen an die Politik formuliert:
Stärkung der Querschnittspolitik:
Es wird sichergestellt, dass Engagementpolitik von allen Verantwortlichen als Querschnittspolitik verstanden wird und alle Beteiligten ihr Handeln entsprechend ausrichten. Die Bundesregierung verleiht diesem Willen Ausdruck, indem sie die Position eines Staatsministers beziehungsweise einer Staatsministerin im Kanzleramt einrichtet. Der Bundestag richtet anstelle des bisherigen Unterausschusses einen Hauptausschuss "Bürgerschaftliches Engagement" ein.
Rechtlicher Rahmen und Förderplan:
Es werden ein Nationales Engagementgesetz und ein darauf aufbauender nationaler Aktionsplan geschaffen, die Kernelemente einer strategischen Engagementförderung umfassen. Dazu zählt insbesondere eine nachhaltige Förderung von Infrastruktureinrichtungen, dies gilt auch für die kommunale Ebene. Im Gemeinnützigkeitsrecht ist die Förderung des bürgerschaftlichen Engagements als gemeinnütziger Zweck substanziell zu stärken. Für eine lebendige Bürgergesellschaft gehört dazu, dass die Akteurinnen und Akteure aus Zivilgesellschaft, Staat und Wirtschaft sich entsprechend ihren Kompetenzen konstruktiv einbringen können und ihre Kooperationsfähigkeit gestärkt wird.
Demokratiepolitik stärken:
Die Möglichkeiten der politischen Partizipation sollten gestärkt werden. Dabei sind die Zusammenhänge zwischen bürgerschaftlichem Engagement und Partizipation deutlich zu machen. Die Vielfalt der Gesellschaft (Menschen mit Migrationshintergrund, Menschen mit Einschränkungen, engagement- und beteiligungsferne Gruppen) erfordert differenzierte Ansatzpunkte und Maßnahmen der Demokratiepolitik. Die Einsetzung einer Demokratie-Enquete kann die Zusammenhänge zwischen Engagement- und Demokratiepolitik herausarbeiten und die Voraussetzungen dafür schaffen, dass die Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger als Ergänzung zur repräsentativen Demokratie verbessert wird. Die europäische Dimension sollte in einer solchen Enquete-Kommission mit Blick auf die Herausforderungen in der Europäischen Union mitdiskutiert werden.