Ende September 2014 wurde im Hafen von Haifa die Ankunft der "INS Tanin" gefeiert. Damit nahm das vierte in Deutschland produzierte U-Boot der Dolphin-Klasse in der israelischen Marine den Dienst auf. Zwei weitere sollen in den nächsten Jahren folgen. Im Gegenzug hat die Bundeswehr israelische Drohnen für den Afghanistaneinsatz geleast und lässt deutsche Soldaten von den Streitkräften Israels (Israel Defense Forces, IDF) in urbaner Kriegsführung ausbilden.
Anfänge
Die Anfänge der deutsch-israelischen Rüstungskooperation liegen in den 1950er Jahren. Der junge jüdische Staat sah sich einer feindseligen arabischen Nachbarschaft gegenüber und suchte händeringend nach Kriegsgerät für die noch im Aufbau befindliche IDF. Die Bundesrepublik schien hierfür ein verlässlicher Partner zu sein. Die Politik des ersten Bundeskanzlers Konrad Adenauer war von einer moralischen Verpflichtung gegenüber Israel geprägt. Nach Abschluss des Luxemburger Abkommens 1952
Die Intensivierung der bilateralen Rüstungszusammenarbeit ist in erster Linie Shimon Peres, damals Generaldirektor im israelischen Verteidigungsministerium, und dem damaligen Bundesverteidigungsminister Franz Josef Strauß zuzuschreiben. Im Winter 1957 kam es zu einem ersten, konspirativen Treffen in Strauß’ Privathaus in Rott am Inn. Peres war zuvor inkognito in Paris gelandet, hatte sich das kleinste Auto gemietet, das er finden konnte, und sich über vereiste, neblige Straßen auf nach Oberbayern gemacht. Während der abenteuerlichen Fahrt versagte nicht nur die Autoheizung, sondern Peres verfuhr sich noch kurz vor dem Ziel. Diskret versuchte er, nach dem Weg zu fragen, und bekam mit dem wenig diplomatischen Kommentar "Ach, Sie wollen zum Verteidigungsminister Strauß!" den Weg gewiesen. Schließlich angekommen, markierte das Treffen den Beginn einer geheimen, aber engen Kooperation zwischen den Verteidigungsministerien Deutschlands und Israels.
Schon in der Anfangsphase handelte es sich dabei keineswegs um eine Einbahnstraße. Die Kooperation mit Israel hatte auch für die Bundesrepublik eine sicherheitspolitische Relevanz: Bonn benötigte dringend geheimdienstliche Erkenntnisse über die Waffensysteme der Sowjetunion. Israel war hierfür die perfekte Informationsquelle, denn dessen arabische Nachbarstaaten wurden in erster Linie aus den Arsenalen Moskaus versorgt. Bereits nach der Suezkrise 1956 stellte Israels Militär den Deutschen erbeutete sowjetische Waffentechnologie zur Verfügung. Darüber hinaus lieferte Israel unter anderem Munition, Uniformen und allem voran die berühmte israelische Uzi-Maschinenpistole an die Bundeswehr.
In Israel wurden derartige Geschäfte mit Deutschland anfangs kritisch gesehen. Als im Sommer 1959 Munitionsexporte nach Deutschland bekannt wurden, brach ein Sturm der Entrüstung in der Knesset los. Israels Premierminister David Ben Gurion machte jedoch unmissverständlich klar: "Nur Idioten und politische Scharlatane (…) können nicht einsehen, dass es Israels Position in der Welt, seiner Zukunft und vielleicht sogar seiner Existenz schaden würde, wenn wir uns eine Großmacht, deren politisches und ökonomisches Gewicht ständig zunimmt, zum Feind machen und den Arabern als Verbündete überlassen. (…) Und ich sehe keine moralischen, emotionalen oder andere Hindernisse dagegen, ebenso wenig wie ich ein moralisches oder emotionales Verbot für Gespräche mit England akzeptiere, obwohl England früher Juden aus seinen Landesgrenzen vertrieben hat – ich kenne keine Nation der Welt, die das nicht getan hat. Adenauer ist nicht Hitler."
Ab 1962 wurde die Rüstungskooperation ausgeweitet. War bisher in erster Linie überschüssiges und ausgemustertes deutsches Kriegsmaterial nach Israel verschifft worden (unter anderem LKWs und Panzerabwehrraketen), konzentrierten sich die folgenden Waffenlieferungen auf militärisches Großgerät. Auf Israels Wunschliste standen Schnellboote, U-Boote, Haubitzen, Hubschrauber, Transportflugzeuge, Panzer und Flugabwehrgeschütze in einem Gesamtwert von 240 Millionen DM.
Deutsche Nahostkrise
Im Herbst 1964 wurde in der ägyptischen Presse von der deutsch-israelischen Rüstungskooperation berichtet. Schlagartig verschärfte sich die Rhetorik der arabischen Staaten: Sie drohten, die DDR anzuerkennen, sollte die Bundesrepublik den jüdischen Staat weiterhin militärisch unterstützen. Als Reaktion auf die Waffenlieferungen kündigte Ägyptens Staatschef Gamal Abdel Nasser im Januar 1965 den Besuch des DDR-Staatsratsvorsitzenden Walter Ulbricht an. In Bonn schrillten die Alarmglocken. Sollte dies der erste Schritt zur Anerkennung der DDR sein? Entsprechend der Hallstein-Doktrin würde dies automatisch den Abbruch der diplomatischen Beziehungen zu Kairo nach sich ziehen. Die Regierung unter Ludwig Erhard wurde nervös und ließ verlauten, fortan Waffenlieferungen in Spannungsgebiete einzustellen – dies treffe auch auf Israel zu. Bonn versuchte, die Israelis von der Umwandlung der Waffenlieferungen in andere Güter zu überzeugen. Doch Jerusalem reagierte verärgert, verwies auf die Erpressbarkeit Bonns und bestand auf die Lieferung der vereinbarten Waffensysteme. Israels Premierminister Levi Eshkol erklärte in der Knesset: "Deutschland trägt eine beispiellose, schwere Verantwortung. Es ist seine Pflicht, Israel mit der für seine Sicherheit notwendigen Ausrüstung beizustehen; eine Entschädigung und Ersatzleistung können nicht an Stelle der Erfüllung dieser Verpflichtung treten."
Gleichzeitig versuchte Bonn, Nasser vom Verzicht oder zumindest vom Aufschub des Ulbricht-Besuchs zu überzeugen. Doch vergeblich – vom 24. Februar bis 1. März 1965 besuchte Ulbricht das Land am Nil. Die Bundesrepublik stellte daraufhin die Wirtschaftshilfe für Ägypten ein und zog den Botschafter zurück. Die DDR sprang mit bilateralen Abkommen über die Zusammenarbeit in verschiedenen Bereichen ein (Wirtschaft, Kultur, Wissenschaft). Im Gegenzug kündigte Kairo die Eröffnung eines Konsulats in Ost-Berlin an.
Auch das Verhältnis zwischen Bonn und Jerusalem war eisig. Im März 1965 wurde daher der CDU-Abgeordnete Kurt Birrenbach nach Israel geschickt, um als Kompensation für die ausbleibenden Waffenlieferungen die Aufnahme diplomatischer Beziehungen anzubieten. Jahrelang hatte sich die Bundesrepublik vor diesem Schritt gescheut. Denn in Zeiten der Hallstein-Doktrin fürchtete Bonn die Gegenreaktion der arabischen Staaten: die Anerkennung der DDR und – dem Automatismus der Doktrin folgend – der Abbruch der Beziehungen seitens der Bundesrepublik zu diesen Staaten.
Gegenseitiger Nutzen im Kalten Krieg
Nach der Aufnahme diplomatischer Beziehungen und den Beteuerungen deutscher Politiker, keine Waffen mehr in den Nahen Osten zu liefern, ging die Rüstungskooperation in angepasster Form weiter. Zum einen rückten unauffälligere Rüstungsgüter (wie Funk-, Radar- und Navigationsgeräte) sowie Einzelteile für die Waffenproduktion ins Zentrum deutscher Exporte nach Israel. Eine gewichtige Rolle spielten hierbei Dieselmotoren der Motoren- und Turbinen-Union Friedrichshafen (MTU) und Getriebe der Augsburger Firma Renk für die israelischen Merkava-Kampfpanzer. Dagegen wurden die Munitionslieferungen Israels nach Deutschland unverändert beibehalten. Zwischen 1977 und 1991 nahmen sie einen Umfang von rund 1,3 Milliarden DM an.
Zum anderen konzentrierte sich die Zusammenarbeit auf die gemeinsame Beurteilung von gegnerischen Waffensystemen und die Waffenentwicklung. Israel war aufgrund fortdauernder Konflikte mit den arabischen Staaten und des entsprechenden kontinuierlichen Zugangs zu sowjetischer Militärtechnologie ein wertvoller Partner.
In den 1970er Jahren kam es zum geheimen und bis dahin größten deutsch-israelischen Rüstungsprojekt: Unter dem Codenamen "Cerberus" wurde Israel mit der Entwicklung eines Radarstörsenders für den neuen Tornado-Kampfbomber der deutschen Luftwaffe beauftragt. Das elektronische Kampfmittel (im Militärjargon: Tornado Self-Protection Jammer, TSPJ) sollte es dem Flugzeug erlauben, von sowjetischen Radarstationen unentdeckt Ziele weit hinter dem Eisernen Vorhang zu bekämpfen.
Ab den 1970er Jahren rückten für die Bundesrepublik neben der Bedrohung durch den Warschauer Pakt die Gefahren des nationalen und internationalen Terrorismus verstärkt in den sicherheitspolitischen Fokus. Hierbei bot sich Israel mit seiner langen Erfahrung in der Terrorbekämpfung als Ideengeber und Berater an. So waren Israels Spezialeinheit Sajeret Matkal und die Antiterroreinheit YAMAM Vorbilder beim Aufbau der deutschen GSG 9 der Bundespolizei.
Aus Rücksichtnahme auf die arabischen Staaten war Geheimhaltung stets ein wichtiger Faktor der Kooperation. In Bonn und Jerusalem präferierte man daher persönliche, informelle Kontakte, um unkompliziert und ohne großes Aufsehen agieren zu können.
Intensivierung nach dem Ende des Kalten Krieges
Mit der Vereinigung Deutschlands 1990 und dem Ende des Kalten Krieges veränderte sich die Rüstungszusammenarbeit der beiden Länder. Es kam vermehrt zur offenen und direkten Zusammenarbeit von deutschen und israelischen Rüstungsunternehmen und zu intensiveren Beziehungen im Bereich der militärischen Forschung und Entwicklung.
Mit der erfolgreichen Entwicklung des Cerberus-Systems hatte sich Israel als kompetenter Partner in komplexen Hightech-Rüstungsprojekten etabliert. Die israelische Rüstungsindustrie konzentrierte sich auf hochtechnologische und vielseitig kompatible Komponenten in den Bereichen Avionik, Sensorik, Kommunikationselektronik und elektronische Kriegsführung. Die Kooperation mit deutschen Rüstungsunternehmen als Türöffner für den europäischen Markt ermöglichte deutsch-israelischen Joint Ventures lukrative Geschäfte. So erhielten die deutsche DASA und die israelische Firma Elbit 1999 den Zugschlag zur Modernisierung der griechischen Phantom-Kampfflugzeuge. Zeiss Optronics und das israelische Unternehmen Rafael bieten gemeinsam die Aufklärungs- und Zielerfassungssysteme Litening Pod und Recce Lite an.
Deutsche U-Boote für Israels Marine
In jüngster Zeit steht die Lieferung deutscher U-Boote an Israel im Zentrum der Rüstungskooperation. Schon Mitte der 1980er Jahre bemühte sich Israel um die Entwicklung neuer U-Boote beim Ingenieurkontor Lübeck (IKL) und der Howaldtswerke-Deutsche Werft (HDW). Doch die Produktionskosten überstiegen die Möglichkeiten Jerusalems bei Weitem. Erst mit dem Golfkrieg 1990/91 änderte sich diese Situation: Der irakische Machthaber Saddam Hussein feuerte Raketen auf Israel ab und drohte, diese mit chemischen Gefechtsköpfen zu versehen. Wie sich herausstellte, hatten deutsche Unternehmen maßgeblichen Anteil an der Entwicklung und Produktion der irakischen Chemiewaffen; wesentliche Bauteile, Substanzen und Know-how stammten aus der Bundesrepublik.
2002/03 bemühte sich Israel um weitere deutsche U-Boote mit einem neuartigen Brennstoffzellenantrieb, der es erlaubt, noch länger unter Wasser zu bleiben (Dolphin II). Für Israels Marine sind diese Waffensysteme unerlässlich – sie sind die einzige Möglichkeit, um unbemerkt im Arabischen Meer und Indischen Ozean zu operieren.
Reflexionen
Ein zentrales Charakteristikum der deutsch-israelischen Rüstungskooperation war lange deren strenge Geheimhaltung. Hieran hatten beide Seiten ein großes Interesse: Anfangs war die Zusammenarbeit mit Deutschland in Israel äußerst unpopulär. Noch Anfang der 1950er Jahre hatte die Knesset vor der Wiederbewaffnung Deutschlands gewarnt und "tiefe Furcht" bekundet. Der israelische Abgeordnete Jitzchak Tabenkin warf Ben Gurion vor, er begehe den größten Fehler seines Lebens.
Neben dieser bedeutenden politischen Implikation hatte die deutsch-israelische Rüstungszusammenarbeit auch eine militärische Relevanz: Sie leistete einen wesentlichen Beitrag zur Steigerung der militärischen Stärke beider Streitkräfte. Auf israelischer Seite trug die Kooperation zu technologischen und militärischen Fähigkeiten bei, die maßgeblichen Anteil an den Erfolgen der IDF ab 1967 hatten. Die deutsche Luftwaffe nutzte israelische Technologie in der elektronischen Kriegsführung bei Lufteinsätzen im Jugoslawienkonflikt und im Kosovo in den 1990er Jahren. Derzeit schätzt die Bundeswehr vor allem die israelische Drohnentechnologie und die Erfahrung der IDF in asymmetrischen Konfliktszenarien.
Einen besonderen Stellenwert nehmen die deutschen U-Boot-Lieferungen an Israel ein. Sehr wahrscheinlich können diese Waffensysteme Marschflugkörper abfeuern, die auch mit Nuklearsprengköpfen ausgestattet werden könnten. Angesichts der hohen Mobilität, der schweren Ortung der U-Boote sowie der vermuteten nuklearen Fähigkeiten Israels würde dies den jüdischen Staat mit einer nuklearen Zweitschlagfähigkeit ausstatten. Insofern kommt dieser deutschen Waffenlieferung eine maßgebliche strategische Bedeutung für Israels Sicherheit zu.
Ein Blick auf die deutsche Waffenexportpolitik in toto zeigt, dass Israel gegenwärtig zu den wichtigsten Empfängerländern deutschen Militärgeräts zählt. Doch ist der Nahe und Mittlere Osten insgesamt ein bedeutender Absatzmarkt für deutsche Rüstungsgüter: Der Anteil deutscher Waffenexporte in die Region stieg von 17 Prozent (2011) auf 34 Prozent (2012). 2013 ging noch rund ein Viertel der deutschen Waffenlieferungen in den Nahen Osten.
Durch die fortwährende Rüstungskooperation mit Israel agiert die Bundesrepublik in jüngster Zeit gegen den europäischen Mainstream. Während sich einige europäische Länder im Herbst 2014 zu Schritten der unilateralen Anerkennung eines palästinensischen Staates hinreißen ließen und damit angesichts verheerender palästinensischer Terroranschläge in Jerusalem im Oktober/November 2014 ein bedenkliches Zeichen setzten, tritt die Bundesregierung weiterhin für die Sicherheit Israels ein. Um die Tücken und Fallstricke der internationalen Dimension des israelisch-palästinensischen Konfliktes zu meiden, erfolgen die Waffenlieferungen aus Deutschland bevorzugt in Form maritimer Wehrtechnik. Diese wird grundsätzlich als weniger problematisch betrachtet, weil sie in bürgerkriegsähnlichen Konflikten nur eine marginale Rolle spielt. Ganz in diesem Sinne wurde im Herbst 2014 bekannt, dass Berlin ein Drittel der Kosten der von Israel bestellten Korvetten bei der Kieler Firma ThyssenKrupp Marine Systems (TKMS) übernimmt. Die israelische Marine benötigt diese zum Schutz von Gasfeldern vor der eigenen Küste im Mittelmeer.