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Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz: Zwischenbilanz eines brüchigen Konsenses

Aleksandra Lewicki

/ 14 Minuten zu lesen

Im Jahr 2006 trat in Deutschland das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) in Kraft. Es war das Ergebnis eines langwierigen Prozesses, der in den späten 1990er Jahren auf europäischer Ebene begonnen hatte. Die europäischen Regierungen hatten sich 1999 auf zwei Gleichstellungsrichtlinien geeinigt, die anschließend von allen Mitgliedstaaten in nationales Recht umgesetzt wurden. Der deutsche Gesetzgebungsprozess zog sich über mehrere Legislaturperioden hin; es entstanden verschiedene Entwürfe, die wieder verworfen wurden, und die Europäische Kommission musste die Bundesregierung mehrfach ermahnen, ihrer Umsetzungsverpflichtung nachzukommen. Das Gesetz, das schließlich verabschiedet werden konnte, stellt einen Kompromiss zwischen den Positionen einflussreicher gesellschaftlicher Akteure dar und ist nach Einschätzung der Europäischen Kommission nicht durchgehend europarechtskonform.

Aus heutiger Sicht stellt die Verabschiedung eines Antidiskriminierungsgesetzes einen wichtigen Schritt in Richtung Gleichstellung und gleichberechtigte Teilhabe dar. Rechtsexperten mahnen jedoch eine europarechtskonforme Auslegung der umstrittenen Regelungen des AGG an, während Antidiskriminierungs- und Betroffenenverbände Gesetzeslücken bemängeln. Das Büro zur Umsetzung von Gleichbehandlung e.V. (BUG) hat 2013 umfassende Vorschläge zu einer Novellierung des AGG erarbeitet.

Angesichts der anhaltenden Kritik untersucht der vorliegende Beitrag drei Regelungsbereiche des AGG näher, die den Diskriminierungsschutz in öffentlichen Einrichtungen maßgeblich bestimmen. Der Beitrag zeigt, wie das Lobbying der Kirchen die Rechtslage im Pflege- und Wohlfahrtssektor geprägt hat, erörtert die Reichweite des Schutzes vor institutioneller Diskriminierung vor dem Hintergrund der Erfahrungen mit dem "Nationalsozialistischen Untergrund" (NSU) und analysiert den Umfang des Mandats und die Ausstattung der Antidiskriminierungsstelle des Bundes (ADS).

Obwohl ein systematischer Vergleich über den Rahmen dieses Beitrags hinausgeht, veranschaulicht ein Blick nach Großbritannien einige Spezifika der deutschen Antidiskriminierungspolitik. Es zeigt sich dabei, dass das AGG hinter seinen Möglichkeiten zurückbleibt und nur unzureichenden Diskriminierungsschutz in öffentlichen Einrichtungen bietet. Der Kompromiss, der die Entstehung des AGG ermöglichte, ist daher aus heutiger Sicht brüchig. Der Beitrag folgert, dass die in einer vielfältigen Gesellschaft vertretenen Erfahrungswelten, Wahrnehmungen und Bedürfnisse in der Gestaltung ihrer öffentlichen Einrichtungen ausdrücklich Berücksichtigung finden müssen.

Rechtsschutz im Überblick

Der Diskriminierungsschutz in Deutschland stützte sich vor 2006 weitgehend auf das Grundgesetz. Es schützt vor allem vor der Ungleichbehandlung vor dem Gesetz und durch den Staat. Artikel 3 schützt jedes Individuum vor Benachteiligung aufgrund der Abstammung, religiösen oder politischen Anschauung, "Rasse", Sprache, Heimat, Herkunft, des Glaubens oder einer Behinderung. Der Staat setzt sich darüber hinaus aktiv für die Gleichstellung der Geschlechter ein; der positive Handlungsauftrag in Artikel 3 Absatz 2 beschränkt sich allerdings auf das Merkmal Geschlecht. Artikel 4 garantiert die Freiheit des Glaubens, Gewissens, religiösen und weltanschaulichen Bekenntnisses sowie die ungestörte Religionsausübung. Das Betriebsverfassungsgesetz konkretisierte einige dieser Bestimmungen weitergehend. Vor der Verabschiedung des AGG gab es keine über den Schutz vor dem Gesetz, der Staatsgewalt und in bestimmten Bereichen des Arbeitslebens hinausgehenden Regelungen für das gesellschaftliche Zusammenleben wie beispielsweise für den Zugang zum Arbeits- und Wohnungsmarkt oder zu privaten Dienstleistungen.

Nachdem zivilgesellschaftliche Akteure jahrelang ein Antidiskriminierungsgesetz gefordert hatten, wurde es über den Umweg der europäischen Gesetzgebung schließlich möglich, die bestehenden Bestimmungen auszuweiten. Das AGG zielt darauf ab, Benachteiligungen aus Gründen der "Rasse", der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, aufgrund einer Behinderung oder der sexuellen Identität sowie des Alters zu verhindern und zu beseitigen. Das AGG geht insofern über die europäischen Mindestanforderungen hinaus, als dass es einen horizontalen Ansatz verfolgt, demgemäß allen genannten Merkmalen der gleiche Rechtsschutz gewährt wird. Laut Paragraf 3 AGG schützt das Gesetz sowohl vor unmittelbarer und direkter Benachteiligung (also vor weniger günstiger Behandlung unter direkter Bezugnahme auf ein Merkmal) als auch vor mittelbarer und indirekter Benachteiligung (also nachteiligen Auswirkungen scheinbar neutraler Vorschriften oder Verfahren).

Schutz vor Diskriminierung in Wohlfahrts- und Pflegeeinrichtungen

Paragraf 9 AGG sieht eine Ausnahmeklausel für kirchliche Arbeitgeber vor, deren Dienstverhältnisse vom Diskriminierungsschutz des AGG ausgenommen sind. Dieser Regelungsbereich geht auf einen langwierigen Aushandlungsprozess mit der katholischen und der evangelischen Kirche zurück. Der Hintergrund ist folgender: Artikel 140 des Grundgesetzes gewährt den Kirchen und ihren Wohlfahrtsverbänden ein Selbstbestimmungsrecht, das ihnen ermöglicht, ihre Dienstverhältnisse autonom zu regeln. Demgemäß können kirchliche Arbeitgeber von ihren Mitarbeitern weltanschauliche Loyalität einfordern. Diese Rechtslage hat im deutschen Kontext besonders weitgreifende Auswirkungen, da die christlichen Kirchen der zweitgrößte Arbeitgeber in Deutschland sind und ihre Wohlfahrtsverbände in Bereichen wie etwa der Seniorenpflege einen Großteil der verfügbaren Dienste abdecken. Auf Grundlage der europäischen Beschäftigungsrichtlinie, so wurde in den 1990er Jahren befürchtet, könnten Angehörige anderer Religionen oder Personen, deren Lebensstil vom kirchlichen Ethos abweicht, eine Anstellung in Einrichtungen wie etwa Krankenhäusern, Kindergärten oder Seniorenheimen einklagen. Schon bei Verhandlungen der europäischen Gesetzgebung setzten sich die Kirchen dafür ein, dass eine Ausnahmeklausel in die Richtlinie aufgenommen wurde. Nach einer Reihe von Interventionen wurde im europäischen Gesetz verankert, dass Ungleichbehandlung zulässig ist, "wenn die Religion oder die Weltanschauung dieser Person nach der Art dieser Tätigkeiten oder der Umstände ihrer Ausübung eine wesentliche, rechtmäßige und gerechtfertigte berufliche Anforderung angesichts des Ethos der Organisation darstellt".

Der Richtlinientext stützt das Selbstbestimmungsrecht kirchlicher Arbeitgeber nicht in vollem Umfang, verdeutlicht aber, dass Diskriminierung bei Verkündungsaufgaben zulässig ist. Demnach dürfen Loyalitätskriterien bei der Besetzung von Stellen wie etwa der eines Pfarrers oder des Leiters einer kirchlichen Bildungseinrichtung als Auswahlkriterium angewandt werden, können aber bei der Besetzung von verkündigungsfernen Stellen etwa in der Verwaltung, Reinigung oder Pflege nicht eingefordert werden. Kündigungen oder Neueinstellungen in diesen Bereichen können nicht von Kriterien abhängig gemacht werden, die sich aus dem Ethos der Organisation ableiten wie etwa Zugehörigkeit zu einer anderen oder keiner Religion, Scheidung, Homosexualität oder Befürwortung von Abtreibung. Diesen Kompromiss empfanden die Kirchen als unzureichend. Sie setzten sich im Verlauf des nationalen Gesetzgebungsprozesses nachdrücklich dafür ein, dass kirchliche Arbeitgeber künftig in allen Arbeitsverhältnissen, nicht nur im Falle von Verkündungsaufgaben, von der Bindewirkung des AGG ausgenommen würden.

Die Interventionen der Kirchen und die nachträglichen Änderungen, die diese im Gesetzentwurf nach sich zogen, wurden detailliert an anderer Stelle nachvollzogen. Hier sei der Kürze halber angemerkt, dass die EU-Regelung schließlich soweit verwässert wurde, dass das AGG in der heutigen Fassung unterschiedliche Behandlung als zulässig einstuft, "wenn eine bestimmte Religion oder Weltanschauung unter Beachtung des Selbstverständnisses der jeweiligen Religionsgemeinschaft oder Vereinigung im Hinblick auf ihr Selbstbestimmungsrecht oder nach der Art der Tätigkeit eine gerechtfertigte berufliche Anforderung darstellt". Der Wegfall des Merkmals "wesentlich" und die ausdrückliche Anerkennung des Selbstbestimmungsrechts geben kirchlichen Arbeitgebern beträchtlichen Ermessensspielraum.

Die Europäische Kommission mahnte an, dass die "Kirchenklausel" eine unzureichende Umsetzung der Gleichstellungsrichtlinien darstellt. Im Dezember 2013 kam es in Berlin zu einem erstinstanzlichen Urteil, das zur Klärung beiträgt. Die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) wollte einen Bericht zur Umsetzung der UN-Antirassismuskonvention erstellen lassen und setzte in einer Stellenanzeige zur Besetzung der wissenschaftlichen Referentenstelle die Kirchenmitgliedschaft sowie die Identifikation mit dem diakonischen Auftrag voraus. Das Arbeitsgericht Berlin stützte sich auf den EU-Richtlinientext und argumentierte, dass es sich bei der Religionszugehörigkeit nicht um eine "wesentliche, rechtmäßige und gerechtfertigte berufliche Anforderung" für eine wissenschaftliche Referentenstelle handele. Das Gericht sprach einer konfessionslosen Klägerin, die sich durch diese Voraussetzung diskriminiert gefühlt und geklagt hatte, ein Bruttomonatsgehalt als Entschädigung für die abgelehnte Bewerbung zu. Es bleibt abzuwarten, ob es zur Berufung kommt.

Durch die Gleichstellungsrichtlinien geraten die Kirchen in ein Spannungsfeld: Zum einen vertreten sie das Gebot der christlichen Nächstenliebe, setzen sich als Wohlfahrtsträger für die Belange von Einwanderern ein und unterstützen prinzipiell den Schutz durch das AGG; zum anderen wollen sie keine Beschränkung ihres Sendungsauftrags in ihren öffentlichen Einrichtungen hinnehmen. Dadurch wurde das AGG, dessen Intention der Schutz von Minderheiten vor Diskriminierung ist, paradoxerweise dahingehend von der Einflussnahme der Kirchen geprägt, dass es nun ausdrücklich das Recht der Mehrheit schützt, Individuen in Dienstverhältnissen der Wohlfahrtseinrichtungen etwa aufgrund ihrer religiösen oder sexuellen Ausrichtung zu diskriminieren. Die Vehemenz, mit der die Kirchen sich für dieses Recht eingesetzt haben, wirft auch die Frage auf, wie umfassend ihre Leistungen für Minderheiten zugänglich sind.

Es bleibt anzumerken, dass die anglikanische und die katholische Kirche im britischen Kontext ähnliche Bedenken anführten, der Gesetzgeber ihren Forderungen jedoch mit einer richtlinienkonformen Ausnahmeregelung Grenzen gesetzt hat. Bemerkenswert ist hierbei, dass britische kirchliche Einrichtungen im Vergleich zu deutschen ein viel geringeres Leistungsspektrum abdecken. Obwohl ausreichend alternative Anbieter verfügbar wären, wird betont, dass die Wohltätigkeitsorganisationen der Kirchen öffentlich geförderte Dienstleistungen erbringen, was die Gleichstellungsgesetzgebung verbindlich mache. Die katholische Kirche, die nicht bereit war, Adoptivkinder an homosexuelle Paare zu vermitteln, beschloss daraufhin ihre Adoptionsberatungsstellen zu schließen.

Schutz vor institutioneller Diskriminierung

Paragraf 2 AGG beschränkt den Anwendungsbereich auf die selbstständige und unselbstständige Erwerbsarbeit, den Sozialschutz, soziale Vergünstigungen, die Bildung sowie den Zugang zu und die Versorgung mit öffentlichen Gütern und Dienstleistungen. Zivilrechtliche Aspekte öffentlich-rechtlicher Dienstverhältnisse sind zwar erfasst, nicht aber öffentlich-rechtliche Leistungsgewährungen oder staatliche Eingriffsverwaltung. Der Staat ist somit in seinem privatrechtlichen Handeln an das zivilrechtliche Diskriminierungsverbot des AGG gebunden, in seinem öffentlich-rechtlichen Handeln (etwa im Bildungssektor oder bei der Polizeiarbeit) jedoch allein Artikel 3 des Grundgesetzes unterworfen.

Die jüngste Vergangenheit zeigte, dass der verfassungsrechtliche Schutz zum einen nicht ausreichend konkretisiert ist, zum anderen einer Ergänzung durch einen proaktiven Handlungsauftrag bedarf, wie er bisher nur für das Merkmal Geschlecht (Artikel 3 Absatz 2 Grundgesetz) festgeschrieben ist. Besonders deutlich wurde dies angesichts der Erfahrungen mit dem NSU: Neun von zehn Mordfällen in verschiedenen Bundesländern konnten nicht aufgeklärt werden, weil die Polizei aufgrund unbegründeter Vorurteile gegenüber Personen mit Migrationshintergrund von einer Verstrickung der Opfer in kriminelle Aktivitäten ausging und demzufolge in ihrem Umfeld ermittelte, anstatt einem rechtsextremen Tatmotiv nachzugehen. Der Untersuchungsausschuss des Deutschen Bundestages zur NSU-Mordserie legte den Schwerpunkt seiner Untersuchung und seiner Schlussfolgerungen jedoch darauf, dass Rechtsextremismus nicht erkannt wurde, und nicht darauf, dass Polizeibeamte aufgrund der Vorurteile, die sie gegenüber den Opfern hegten, in die falsche Richtung ermittelten. Die Stereotypisierung von Einwanderern wurde dabei nicht als gesellschaftliches Phänomen verstanden, das sich in der Funktionsweise öffentlicher Einrichtungen niederschlägt, sondern sie wurde als auf gewaltbereite (Einzel-)Täter und vereinzelte Polizeibeamte beschränkt verstanden. Der Abschlussbericht legte somit ein Verständnis von direkter Diskriminierung zugrunde, demzufolge Einzelpersonen die Taten begingen und vereinzelte Beamte den wahren Hintergrund der Tat nicht erkannten. Das strukturelle Problem wurde hingegen in der mangelnden Vernetzung der Sicherheitsdienste und der Polizeibehörden verortet.

Ein Blick nach Großbritannien verdeutlicht auch hier, dass indirekte Diskriminierung in der deutschen Auseinandersetzung mit dem NSU bislang nicht hinreichend problematisiert wurde. Eine in Großbritannien vor 15 Jahren einberufene richterliche Untersuchungskommission hat am Beispiel eines Einzelfalles, nämlich des rassistisch motivierten Mordes an Stephen Lawrence, institutionellen Rassismus bei der Polizei nachgewiesen und minutiös dokumentiert. Die Kommission diagnostizierte strukturelle Diskriminierung, die darin besteht, dass sich unbewusste Vorurteile in der Arbeitsweise der Polizeibehörden niederschlagen. Institutioneller Rassismus beschreibt keine Neigung aller Polizistinnen und Polizisten zum Rassismus oder eine bewusste Diskriminierung durch den Polizeiapparat, sondern subtilere Mechanismen: die unhinterfragte Existenz von Stereotypen oder auch Nichtwissen über bestimmte Bevölkerungsgruppen, die sich in der Funktionsweise und im Wirken des Polizeidienstes äußern.

Die britische Regierung nahm diese Diagnose sehr ernst und unterzog unter anderem die Gleichstellungsgesetzgebung einer umfassenden Reform. Seit 2003 können Führungskräfte im öffentlichen Dienst (einschließlich der Polizei) für durch ihre Mitarbeiter verschuldete Diskriminierung zur Rechenschaft gezogen werden, und alle öffentlichen Einrichtungen wurden verpflichtet, aktive Gleichstellungsmaßnahmen zu unternehmen. Die Public Sector Equality Duty, die 2010 in einer neuerlichen Reform der Gleichstellungsgesetzgebung auf alle Merkmale ausgeweitet wurde, umfasst eine "Gleichbehandlungspflicht" für öffentliche Einrichtungen. Demnach müssen diese nicht nur gewährleisten, dass allen gesellschaftlichen Gruppen gleiche Behandlung widerfährt, sondern auch regelmäßig prüfen, ob ihre Dienste und Leistungen von allen gesellschaftlichen Gruppen gleichermaßen in Anspruch genommen werden. Ist dies nicht der Fall, müssen eventuelle Zugangsbarrieren identifiziert und beseitigt werden.

Antidiskriminierungsstelle des Bundes

Die Paragrafen 25 bis 30 AGG definieren das Mandat der Antidiskriminierungsstelle des Bundes (ADS). Die ADS kann Auskunft über Rechtsansprüche geben, Möglichkeiten des rechtlichen Vorgehens aufzeigen, Betroffene an Beratungsstellen vermitteln und in Konfliktfällen eine gütliche Einigung unterstützen. Zu den Aufgaben der Stelle gehören Öffentlichkeitsarbeit, die Umsetzung von Maßnahmen zur Verhinderung von Benachteiligung, die Beauftragung wissenschaftlicher Untersuchungen und das Erstellen eines Tätigkeitsberichts mit Handlungsempfehlungen für den Deutschen Bundestag. Letzterer wird gemeinsam mit den in diesem Bereich zuständigen Beauftragten des Bundestages und der Bundesregierung im Vier-Jahres-Turnus vorgelegt. Um eine Verbindung mit zivilgesellschaftlichen Akteuren im Bereich der Antidiskriminierungsarbeit herzustellen, wurde der ADS ein Beirat zur Seite gestellt, der Vorschläge zu wissenschaftlichen Studien einbringen kann.

Die Stelle ist an das Bundesministerium für Familien, Senioren, Frauen und Jugend angegliedert. Ihre Leitung wird vom Ministerium auf Vorschlag der Bundesregierung ernannt. Die bisherigen Leiterinnen, Dr. Martina Köppen (2007 bis 2009) und Christine Lüders (seit 2010), zeichnen sich durch ihre Nähe zur Wirtschaft und Verwaltung aus, während Expertise und Erfahrung im Gleichstellungsbereich während der Amtszeit gesammelt wurden. Köppen arbeitete vor ihrem Amtsantritt für die Vertretung der Deutschen Bischofskonferenz in Brüssel. In ihrer Amtszeit lag der inhaltliche Schwerpunkt der ADS auf der Bildung einer Allianz mit der Wirtschaft und den Kirchen. Lüders war vor ihrem Amtsantritt für ein deutsches Unternehmen tätig und leitete anschließend das Referat für Öffentlichkeitsarbeit im nordrhein-westfälischen Ministerium für Generationen, Familien, Frauen und Integration. In ihrer Amtszeit steigerte sich die Aktivität der ADS beträchtlich, zahlreiche Studien wurden in Auftrag gegeben, Veranstaltungen organisiert, Kampagnen geführt und die Informationsmöglichkeiten auf der Webseite ausgebaut. Vorschläge mit dem Ziel, das öffentliche Profil der ADS zu schärfen und ihre Handlungsmöglichkeiten zu erhöhen, sehen unter anderem vor, bei der Besetzung der Leitung die fachliche Qualifikation in den Vordergrund zu stellen und die Stelle öffentlich auszuschreiben.

Über die umfassenden Novellierungsvorschläge des BUG hinaus fallen bei einem Vergleich mit dem britischen Äquivalent, der Equalities and Human Rights Commission (EHRC), das Mandat und die Ausstattung der ADS vergleichsweise bescheiden aus. Die britische Regierung hat zwar im Zuge der Reformen des öffentlichen Haushalts das jährliche Budget der EHRC von ursprünglich 70 Millionen auf 17 Millionen Britische Pfund (etwa 20,5 Millionen Euro) reduziert. Dennoch verfügt die EHRC weiterhin über ein Vielfaches der Ausstattung der ADS, deren Jahresbudget von 2,9 auf 2,5 Millionen Euro gekürzt wurde. Auch die Handlungsmöglichkeiten der EHRC gehen deutlich über das Mandat der ADS hinaus. Zusätzlich zu Aufgaben wie denen der ADS beaufsichtigt die EHRC die Umsetzung von Gleichstellung im privaten und öffentlichen Sektor. So müssen etwa Gerichte die EHRC in Kenntnis setzen, wenn ein relevantes Urteil ansteht, damit die Kommission im Sinne einer adäquaten Gesetzesauslegung intervenieren kann.

Eine Kernaufgabe der EHRC ist, Fälle von strategischer Bedeutung vor Gericht zu unterstützen. In den vergangenen Jahren hat die EHRC eine Reihe von religiösen Diskriminierungsfällen durch alle Instanzen begleitet und schließlich dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte vorgelegt. Diese Art aktiver Unterstützung können in Deutschland gegenwärtig weder die ADS noch zivilgesellschaftliche Verbände hinreichend ermöglichen.

Schlussfolgerungen

Dieser Beitrag argumentiert – unter anderem durch einen Vergleich mit Großbritannien –, dass das AGG gegenwärtig nur unzureichenden Diskriminierungsschutz in Kernregelungsbereichen öffentlicher Einrichtungen bietet.

Es wird deutlich, dass die Ausnahmeregelungen in Paragraf 9 AGG, die einen Großteil des öffentlichen Wohlfahrtssektors betreffen, nicht nur im Widerspruch zum Europarecht, sondern auch zum Gleichbehandlungsgedanken stehen. Über den Schutz von kirchlichen Arbeitnehmern hinaus sollten verbindliche Gleichstellungsstandards für Leistungen im Pflege- und Wohlfahrtsbereich definiert werden.

Die Erfahrungen mit den Polizei- und Sicherheitsbehörden weisen hingegen auf verstärkten Regelungsbedarf im öffentlichen Recht des Bundes und der Länder hin. Das Mandat der Antidiskriminierungsstelle ist dahingehend auszuweiten, dass sie Gleichstellung in der Arbeitsweise öffentlicher Einrichtungen gewährleisten kann.

Eine interkulturelle Öffnung der Polizei oder der öffentlichen Verwaltung ist vor diesem Hintergrund nicht ausreichend. Wenn wir davon ausgehen, dass die in einer vielfältigen Gesellschaft vertretenen Erfahrungswelten, Wahrnehmungen und Bedürfnisse in der Gestaltung ihrer öffentlichen Einrichtungen Berücksichtigung finden müssen, ist ein verbindliches Bekenntnis zum Gleichstellungsgedanken notwendig.

Dr. phil., geb. 1979; Centre for the Study of Ethnicity and Citizenship, School of Sociology, Politics and International Studies, University of Bristol, 11 Priory Road, Bristol BS8 1TU/UK. E-Mail Link: aleksandra.lewicki@bristol.ac.uk