Sakralraumtransformation
Überlegungen zur Umnutzung von Kirchenbauten
Stefanie Lieb
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Die Umnutzung von Kirchengebäuden bedeutet einen Strukturwandel, der nur als gesamtgesellschaftliche Aufgabe zu meistern ist. Dabei treffen Perspektiven aus Architektur, Theologie und Denkmalschutz aufeinander.
Seit gut 30 Jahren liefert das Thema "Kirchenumnutzung" in Deutschland nicht nur im innerkirchlichen Umfeld, sondern auch im gesamtgesellschaftlichen Kontext brisanten Zündstoff in der Debatte um den Erhalt und die Zukunft von Kirchengebäuden. Generell sind abgebrochene, stillgelegte, umgebaute oder umfunktionierte Kirchen "kein historisch neues Phänomen" und lassen sich in allen Bauepochen vom Mittelalter bis in die Moderne nachweisen. Besonders in den Phasen von Säkularisationsprozessen, wie während der Reformation im 16. Jahrhundert oder zu Beginn des 19. Jahrhunderts mit der Einführung des Reichsdeputationshauptschlusses, sind jeweils vermehrt die Aufgabe und Umnutzung von Kirchenbauten feststellbar. So wurde beispielsweise im 16. Jahrhundert die Kapelle eines Augustinerinnen-Klosters in Lemgo zu einem Schulraum umgebaut und -genutzt; im 19. Jahrhundert funktionierte man beispielsweise das Kloster Dalheim (Lichtenau/Westfalen) komplett zu einem landwirtschaftlichen Betrieb um. Darüber hinaus zeigt sich, dass im gesamten Architekturbereich die Thematik der Multifunktionalität und Umnutzung keine Seltenheit ist, sondern eher ein "eingebautes" Transformationspotenzial birgt, das je nach Bedarf abgerufen werden kann: Tempel werden zu Kirchen (Kathedrale in Syrakus), Industrieanlagen werden zu Museen (Zeche Zollverein in Essen) und Schlösser werden zu touristischen Hotspots (Schloss Neuschwanstein bei Füssen). Die Ursachen für eine Architekturumnutzung sind vielseitig, zumeist spielen ökonomische, ökologische sowie politisch-gesellschaftliche Gründe eine Rolle. Der mit der Transformation verbundene, oftmals bauliche Modernisierungsansatz geht von einem konservatorischen Erhalt der Gebäudesubstanz aus, einmal aus ressourcenschonenden Aspekten im Sinne einer Umbaukultur, und des Weiteren, um als Erinnerungskultur den historischen Symbolwert des Gebäudes und seines Genius Loci in die Gegenwart zu transferieren.
Für die letzten zwanzig Jahre muss man von einer erneuten Säkularisierungswelle bei Kirchenbauten sprechen, die nach wie vor ansteigt und deren Kipppunkt noch nicht abzusehen ist. Zwar waren 2012 beispielsweise lediglich rund 1,4 Prozent Kirchengebäude von Aufgabe, Abriss oder Umnutzung betroffen. Inzwischen, gut zehn Jahre später, ist dieser Anteil jedoch bereits auf 4 Prozent angestiegen. Bei einer Hochrechnung für die nächsten zehn Jahre würde man dann schon von fast 20 Prozent ausgehen müssen, was bedeuten würde, dass jede vierte bis fünfte Kirche nicht mehr in der Ursprungsnutzung als Gottesdienstraum Verwendung findet. Hinzu kommt der enorme Mitgliederschwund in beiden Kirchen, die damit einhergehenden reduzierten Kirchensteuereinnahmen sowie – in der katholischen Kirche – der extreme Priestermangel. Es müsste also langfristig von Kirche und Gesellschaft gemeinsam diskutiert und entschieden werden, inwieweit Kirchengebäude weiterhin als urbane Markierungen und Stätten von Religion und Kultur in Deutschland eine Chance haben und mit welchen Transformationsstrategien und -praktiken sich neue, sozial konnotierte Möglichkeitsräume umsetzen ließen.
Nutzungsengführung versus Zweckfreiheit?
Bei Kirchengebäuden wird, im Unterschied zu anderen Architekturgattungen, von einer relativen Nutzungsengführung ausgegangen: Sie wurden als religiöse Versammlungsstätte für den christlichen Gottesdienst errichtet und weisen entsprechende Besonderheiten der liturgischen Nutzung auf: Protestantische und katholische Kirchen haben im Außenbau zumeist einen Kirchturm mit Glocken, im Inneren immer eine Altarstellung (zumeist gen Osten ausgerichtet), einen Predigt- (Ambo, Kanzel) sowie einen Taufort (Taufkapelle, Taufbecken). Des Weiteren muss Platz für die zumeist sitzende Gottesdienstgemeinde vorhanden sein. Für den katholischen Kirchenraum kommen noch zwei weitere Sakramentsorte hinzu: der Tabernakel als Aufbewahrungsort der geweihten Hostien und der Beichtstuhl als Ort des Bußgesprächs. Diese Nutzungsengführung ist allerdings eher theologisch gesetzt und dient auch als Grundlage für eine mögliche Definition des "sakralen" oder "heiligen" Raumes. Diese hat sich besonders im 20. Jahrhundert herauskristallisiert und wird bis heute unter dem Begriff der "Domus Ecclesiae" weiter diskutiert: Eine Kirche gilt dann als "sakral", wenn die Funktion der "vierfachen Begegnung" – mit dem transzendenten Gott, mit anderen Menschen, mit sich selbst, mit der Welt – in der liturgischen Feier und im Kirchenraum stattfinden kann.
In einem vermeintlichen Gegensatz dazu steht die Nutzungseinordnung für den Kirchenraum aus architektonischer Sicht als besonders "zweckfrei", denn, anders als bei vergleichbaren Gebäudetypen, "beeinflusst die beabsichtigte Nutzung des Bauwerks (…) nicht unmittelbar seine Architektur". Der Schweizer Nachkriegskirchenarchitekt Walter Maria Förderer hat ab den 1960er Jahren seine skulpturalen Betonkirchen als "Gebilde von hoher Zwecklosigkeit" bezeichnet und wollte damit besonders den künstlerisch-gestalterischen Wert eines Sakralbaus charakterisieren, der vom Nutzenden auch als "zweckfreies" Architekturerlebnis wahrgenommen werden kann. Im modernen Kirchenbau wurde dann wiederum versucht, diese Zweckfreiheit und "gebaute Leere" theologisch zu untermauern. So stattete etwa Rudolf Schwarz den Chorraum seiner Fronleichnamskirche in Aachen mit leeren weißen Wänden aus und markierte damit die göttliche Sphäre im Kirchenraum, die eigentlich vom Menschen nicht gestaltet und betreten werden kann, in der Wahrnehmung dieser konzeptionierten Leere jedoch eine Gotteserfahrung ermögliche.
So scheint mit der Nutzungsdefinition, architektonischen Gestaltung und Deutung des Kirchenraums als sakralem Ort ein Paradoxon vorzuliegen, das einerseits die Engführung der gottesdienstlichen Nutzung beinhaltet und andererseits die gebaute Zweckfreiheit des "Anderen Ortes" oder der "Heterotopie" proklamiert. Im ersten Fall wird eine "angemessene" Umnutzung der Kirche theologisch problematisiert, im zweiten Fall wird das Umnutzungspotenzial eines Kirchengebäudes aufgrund seiner gestalterischen "Zweckfreiheit" architektonisch regelrecht angeboten. Es sind also zunächst diese zwei unterschiedlichen Perspektiven von Theologie und Architektur auf die Thematik "Sakralraumtransformation", die häufig zu Missverständnissen führen und den Konflikt entstehen lassen. Als dritter Player in der Debatte kommt bei einer Denkmalkirche nun noch die Denkmalpflege ins Spiel, die im Sinne des Erhalts von identitätsstiftendem baukulturellem Erbe die umgenutzte Kirche weiterhin äußerlich und innerlich als Sakralraum erkennbar belassen möchte.
Auch hier ergibt sich der Konflikt über die Nutzungsfrage: "Denkmalpfleger:innen bewerten eine Kirche von außen nach innen, nach der Stellung in der gebauten Gemeinschaft. Dem gegenüber blicken Theolog:innen von innen nach außen. Ein Gottesdienstraum wird durch seine geistliche Nutzung geadelt. Oder, in der Umkehrprobe: Eine entwidmete oder profanierte Kirche bleibt für die Inventarisator:innen eine Kirche, deren bauliche Kennzeichen zu schützen sind. Für die beiden großen christlichen Konfessionen hingegen verliert ein Gottesdienstraum – formell gesehen – seinen Wesenskern, sobald sich die Gemeinde von ihm verabschiedet."
Begrifflichkeiten und Rechtslage
Es mag sein, dass der bisherige konfliktreiche Diskurs über die Transformation von Kirchengebäuden bereits in einem unterschiedlichen Verständnis und einer differierenden Deutung der Begrifflichkeiten begründet liegt. Während man in der Architektur und der Denkmalpflege den Terminus "Umnutzung" wertfrei und fachgerecht versteht, ist er für die Theologie in der Anwendung auf einen Kirchenraum nur schwer zu verifizieren. Hier spricht man lieber von einer "Neunutzung", da die "Umnutzung" bereits die "Endnutzung", die Aufgabe als Sakralraum, und damit die Entwidmung suggeriere. Tatsächlich finden sich 2003 in den beiden ersten Richtlinien zum Umgang mit aufzugebenden Kirchengebäuden von katholischer und evangelischer Seite zu dieser Thematik noch recht radikale Ansichten: Der Abriss einer Kirche sei zwar eine "ultima ratio", jedoch einer "unangemessenen Umnutzung" (dazu zählt in der katholischen Kirche nach wie vor auch die Nutzung durch eine islamische Gemeinde!) vorzuziehen. Die Kirchen sehen sich selbst nach der Entwidmung eines Kirchenraums, der durch dieses liturgische Ritual zum "Profanbau" degradiert wird, weiterhin in der Verantwortung, denn nach wie vor stehe das Kirchengebäude mit seinem zeichenhaften Äußeren für seinen ursprünglichen sakralen Zweck. Deshalb sei auch, selbst bei einem Verkauf des Gebäudes, nicht jede Art und Intensität der Nachnutzung möglich, da diese wiederum "die religiösen Gefühle" der christlichen Gläubigen vor Ort verletzen könne. Auch an dieser Stelle zeichnet sich wieder ein Paradoxon ab: Einerseits wird die liturgische Entwidmung als säkularisierende "Entladung", sakrale Aufgabe und "Freigabe" zur Umnutzung durchgeführt, andererseits aber die dadurch möglichen Neunutzungen mit einem Transformationspotenzial für hybride synergetische Räume für Kirche und Gesellschaft nicht zugelassen. Selbst kirchenrechtlich wird dieser Umstand einer frühzeitigen Entwidmung des Kirchengebäudes eher kritisch gesehen: Es gäbe etliche Arten von Umnutzungen mit einer verbleibenden liturgischen Nutzung, etwa einer zusätzlichen kommunalen oder kulturellen Mitnutzung, sowie eine neue liturgische Nutzung wie das Kolumbarium, bei denen eine vorherige Profanierung zumindest kirchenrechtlich infrage gestellt werden könnte. Der Theologe und Kirchenrechtler Thomas Schüller stellt 2020 fest, dass "kirchenrechtlich sehr viel dafür" spreche, "sehr zurückhaltend bei der Profanierung von Kirchen zu sein und doch gleichzeitig auf die konkreten Bedarfe bei dem Erhalt des Kirchengebäudes variable, hybride Nutzungskonzepte zu entwickeln."
Bedroht: Nachkriegskirchen
Eine Bautengruppe innerhalb der etwa 45.000 Kirchengebäude in Deutschland ist besonders von der Abwicklung betroffen: die Nachkriegskirchen, also Kirchen und Gemeindezentren, die im Zeitraum zwischen 1950 bis in die 1970er Jahre entstanden sind. Ihr Anteil am Gesamtkirchenbestand ist in manchen Regionen Deutschlands sehr hoch, so etwa in Nordrhein-Westfalen mit rund 2.000 Objekten, einem Bundesland, das im Zweiten Weltkrieg stark von Zerstörung betroffen war und in dem viele Kirchen wiederaufgebaut und etliche neu errichtet wurden. Wir haben es hier (noch!) mit der höchsten quantitativen und qualitativen Dichte von Nachkriegskirchen weltweit zu tun. Dieses Alleinstellungsmerkmal wird immer wieder von der Denkmalpflege bei kirchlichen Gebäudeabwicklungsprozessen als Appell ins Spiel gebracht, verhallt aber häufig ungehört, solange die Nachkriegskirche nicht unter Denkmalschutz steht. Wenn der Denkmalstatus allerdings vorliegt, werden oft die notwendigen Sanierungs- und Umbaumaßnahmen, auch im Zuge einer geplanten Umnutzung, erschwert. Dies erscheint zunächst als ein Dilemma, lässt sich jedoch durch Kompromissbereitschaft und Kreativität aller Beteiligten meist doch lösen. Die "Abrisswut" von Nachkriegskirchen in den 2000er Jahren, bei der das Bistum Essen mit einem radikalen Abwicklungsprogramm voranschritt, ist nun einer größeren Sensibilität für den kunsthistorischen Wert dieser Gebäude gewichen. Dennoch macht sich oft, wenn für eine Kirchengemeinde die Transformation ihres Nachkriegsgebäudes aufgrund finanzieller Engpässe ansteht, große Ratlosigkeit bemerkbar, da vielfach die fachliche Expertise und Wertschätzung für diese modernen Bauten fehlt.
In den letzten 15 Jahren lassen sich allerdings vermehrt Beispiele von hervorragend transformierten und umgebauten Nachkriegskirchen in ganz Deutschland anführen: beispielsweise die ehemalige katholische Kirche St. Ursula in Hürth bei Köln von Gottfried Böhm, die 2010 zu einer Kunstgalerie umgenutzt wurde; die evangelische Dornbuschkirche in Frankfurt am Main, die 2006 durch Rückbau einen verkleinerten Gottesdienstraum und einen zusätzlichen Außenraum erhielt; die Transformation der evangelischen Trinitatiskirche in Mannheim von Helmut Striffler zu einem Veranstaltungsort für Tanz seit 2015; die Gerhard-Uhlhorn-Kirche in Hannover, die bis 2019 unter Beibehalt der Sakralraum-Anmutung zu einem Studierendenwohnheim umgebaut wurde. Eine Hauptthese für den zukünftigen Umgang mit bedrohten Nachkriegskirchen könnte lauten, dass gerade diese mit ihrem großzügigen, klaren und "neutraleren" Raumangebot auch aufwendigere Transformationen mit Umbau und einer liturgischen Teilnutzung ermöglichen.
Als abschließendes Beispiel in diesem Kontext sei die ehemalige katholische Erlöserkirche in Aachen aufgeführt, die 2016 zu einem Kirchenkolumbarium umgenutzt wurde. Das große kubische Kirchengebäude von Johannes Viethen von 1970 stand aufgrund fehlender Gottesdienstbesuche zur Disposition, und die Kirchengemeinde war angehalten, ein ökonomisch tragfähiges Transformationsmodell für die nicht denkmalgeschützte Nachkriegskirche zu entwickeln. Sie entschied sich für das im Bistum Aachen inzwischen etablierte Konzept des Kirchenkolumbariums, eines Indoor-Friedhofs mit Urnengrabstätte. Das Architekturbüro Birk/Sommer entwarf für die rechtwinklige, nüchterne Kirchenhalle eine Binnenarchitektur aus fünf im Raum verteilten, zylinderförmigen Kapellen, die gleichzeitig die Urnenwände darstellen. Die ursprünglich sachliche Farbgebung der Materialien Beton und Backstein wurde durch die Farbtöne Gold und Schwarz in der Chorwand sowie an den Urnenkapellen zu einer feierlichen Wirkung aufgewertet. Insgesamt zeigt sich an diesem Beispiel einer transformierten Nachkriegskirche, wie ein Umbau unter Rücksichtnahme auf das Bestehende und mit der klaren Vision einer nachhaltigen, auch liturgischen Umnutzung gelingen kann.
Resonanzräume für die Gegenwart
Wir sollten neben der ganzen Ökonomie-gesteuerten Zukunftsplanung auch überlegen, wofür wir im Hier und Jetzt Kirchengebäude brauchen. Und diese Frage kann auch die Suche nach dem Stellenwert von christlicher beziehungsweise von Religion überhaupt in der heutigen deutschen Gesellschaft beinhalten. Wenn der Soziologe Hartmut Rosa in seiner jüngsten Schrift "Demokratie braucht Religion" mehr "Resonanzräume" fordert, dann meint er damit zunächst soziale Refugien und Konstellationen, in die sich eine Gesellschaft im Krisenmodus zurückziehen kann, und in denen sie innehält und das Zuhören wieder erlernt. Die latente Krisensituation in Deutschland bezeichnet er als "rasenden Stillstand": Die Gesellschaft sehe sich gezwungen, sich an einem ökonomischen Wachstumsideal auszurichten, verliere bei dieser ständigen Wachstumsbewegung aber den Sinn und verharre in der Krise. Es entstehe ein systematisches "Aggressionsverhältnis zur Welt", weil die "To-do-Liste explodiert" und der Burn-out an jeder Ecke lauert. Rosa analysiert diese Krise als eine gestörte Weltbeziehung und empfiehlt die bewusste Entschleunigung hin zu einem demokratisch-salomonischen Weltverhältnis des "hörenden Herzens". Dem Anderen zuhören, sich mit dem Herzen auf den Anderen einlassen, sei ein Weg, um aus der Spirale des sinnlosen "rasenden Stillstands" auszusteigen und einen Neuanfang zu ermöglichen. Die dafür notwendigen Resonanzräume findet Rosa in der Musik, in der Kunst und auch in der Religion. Letztere verfüge über entsprechende soziale und materiale Räume, in denen sich Resonanz ereignen könne: "Wenn Sie in eine Kirche gehen, gibt es dort nichts, was Sie sozusagen verfügbar machen können, was Sie unter Kontrolle bringen können. Der Aggressionsmodus findet da gar kein Ziel." Rosa warnt aber auch, dass, wenn die Gesellschaft diese Form der Beziehungsmöglichkeit des Resonanzraumes vergesse oder verliere, sie endgültig als demokratisches Gemeinwesen "erledigt" sei.
Die Kirchen selbst sind also angehalten, ihre Gebäude nicht ausschließlich unter immobilienwirtschaftlichen Aspekten zu bewerten, sondern sie auch als wichtige Resonanzräume für eine säkularisierte und pluralistische Gesellschaft anzusehen und weiterhin bereit zu stellen. Der Erhalt und die Transformation dieser kirchlichen Resonanzräume ist ein großer struktureller Wandlungsprozess, in etwa vergleichbar mit dem Strukturwandel in den 1980er Jahren im Ruhrgebiet, bei dem Industriebrachen und leerstehende Fabriken zur heute etablierten Industriekultur weiterentwickelt wurden. Zwei Handlungsstrategien erweisen sich dabei als hilfreich: zum einen die Erkenntnis, dass der Erhalt und die Umnutzung von Kirchen eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe ist und entsprechend finanziell und strukturplanerisch gefördert werden muss. Und zweitens, dass die Transformation im Mikrokosmos starten sollte, also jeweils vor Ort, mit den dort lebenden Menschen und ihren Interessen und Bedürfnissen. Gute Beispiele finden sich in diesem Zusammenhang im Übrigen in Mittel- und Ostdeutschland, wo bei einem weitaus geringeren christlichen Anteil in der Bevölkerung ein hohes bürgerschaftliches Engagement für den Erhalt und die Transformation der "eigenen" Kirche im Dorf oder Stadtviertel anzutreffen ist.
Last but not least wäre es auch ein zukunftsweisendes Zeichen, wenn Kirche und Gesellschaft Kirchengebäude neben der Aufrechterhaltung als Orte für Religion und Kultur auch als ikonische "Umbau-Gebäude" im Sinne des Umweltschutzes kreativ umrüsten würden: Um die dringend notwendige Reduktion von CO2-Emissionen zu erreichen, sollte generell von jedem Abriss und Neubau im Baubereich abgesehen werden. Auf großen Kirchendachflächen lassen sich selbstverständlich Solarpanele anbringen, ohne dass es der "sakralen" Wirkung einen Abbruch tut. Lediglich bei empfindlichen mittelalterlichen Dächern ist hier im denkmalpflegerischen Sinne Vorsicht geboten.
In der Weiterführung von Hartmut Rosas Aufruf "Demokratie braucht Religion" könnte man abschließend ergänzen: Eine demokratische Gesellschaft braucht ihre Resonanzräume, auch zum Beispiel in Form der vielzähligen Kirchenräume, die nach wie vor in Deutschland vorhanden sind. Es gilt jetzt ihre Potenziale zu entdecken und die notwendigen Transformationsprozesse zu wagen.
ist apl. Professorin am Kunsthistorischen Institut der Universität zu Köln und Studienleiterin an der Katholischen Akademie Schwerte. Sie leitet das Teilprojekt "Kunsthistorische Prozesse der Sakralraumtransformation im Raum Aachen und Leipzig" der DFG-Forschungsgruppe TRANSARA (Sakralraumtransformation in Deutschland). E-Mail Link: stefanie.lieb@uni-koeln.de
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