Schwarzer September
Aufstieg des internationalen Terrorismus
Thomas Riegler
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Der Olympiaanschlag markiert einen Wendepunkt in der Terrorismusgeschichte. Dafür waren sowohl die Organisation "Schwarzer September" als auch die strategische Mediennutzung entscheidend.
Die Geiselnahme bei den Olympischen Spielen in München am 5. September 1972 war ein Schlüsselereignis in der Entwicklung des modernen Terrorismus. Im Unterschied zum älteren Terrorismus mit seinen primär nationalen Bezügen wurde der Münchner Olympiaanschlag transnational vorbereitet, organisiert und durchgeführt. Es wurde damit weltweit Aufmerksamkeit auf das seinerzeit sogenannte Palästinenserproblem gelenkt.
Diese Form des Terrorismus hatte sich Ende der 1960er Jahre herausgebildet. Terroristische Gewalt wirkte nun grenzüberschreitend, während sich ihre Medialisierung durch technologische Fortschritte verstärkte. Um diese Neuakzentuierungen herauszustreichen, verwendet die Forschung seit den 1970er Jahren die Bezeichnung "internationaler Terrorismus". Dieser ist laut dem Politikwissenschaftler Ulrich Schneckener dadurch gekennzeichnet, dass die Terroristen "bewusst die internationale (und zumeist insbesondere die westliche) Aufmerksamkeit erregen". Dazu kooperierten typischerweise verschiedene Terrorgruppen miteinander und errichteten gemeinsame Auslandsstützpunkte. All das geschah am 5. September 1972 in München.
Mentoren des internationalen Terrorismus
Zwischen 1968 und 1980 waren palästinensische Organisationen und Gruppen "für mehr internationale Terrorakte verantwortlich als jede andere Bewegung". Begonnen hatte diese Entwicklung Ende der 1960er Jahre, als das Vorhaben, einen klassischen Guerillakrieg zu führen, aufgegeben wurde. Stattdessen verfolgten die palästinensischen Gruppen eine Strategie der Internationalisierung: Ab 1968 begannen kleine Kommandos, zunächst von George Habashs Volksfront zur Befreiung Palästinas (PFLP) und später von Wadi Haddads PFLP-"Special Group", Passagierflugzeuge zu entführen. Hatten Auslandsoperationen zu Beginn der 1970er Jahre nur drei Prozent aller Aktivitäten der innerhalb der Palästinensischen Befreiungsorganisation (PLO) zusammengefassten Gruppen ausgemacht, waren es 1972 bereits 12 Prozent und im Jahr darauf 30 Prozent.
Außerdem wurde ein weit verzweigtes Netzwerk etabliert, das unterschiedliche Terrorgruppen miteinander verband: Bis Anfang der 1980er Jahre sollen mindestens 40 Gruppen aus Asien, Afrika, Nordamerika, Europa und dem Nahen Osten in den in Jordanien, im Libanon und im Süd-Jemen gelegenen palästinensischen Lagern ausgebildet worden sein. Bestes Beispiel hierfür war Wadi Haddads PFLP-"Special Group", die in ihren Lagern westdeutsche, nordirische, japanische und iranische Terroristen unterwies. Die Kooperation ging so weit, dass Haddad Angehörige der deutschen linksextremistischen Terrororganisation Revolutionäre Zellen (RZ) bei eigenen Operationen einsetzte oder die Rote Armee Fraktion (RAF) 1977 im Rahmen des "Deutschen Herbst" mit einer Flugzeugentführung unterstützte.
Um die Vorgänge in den 1970er und 1980er Jahren verstehen zu können, muss zudem die besondere Struktur des palästinensischen Widerstands in Betracht gezogen werden: Jassir Arafat hatte 1959 in Kairo seine Organisation Fatah gegründet. Als ab 1965 Guerillaangriffe von Jordanien aus auf israelisches Territorium durchgeführt wurden, machte das die Fatah so bekannt, dass sie die PLO nach deren Gründung 1964 dominierte. Arafat wurde 1966 offizieller Sprecher und übernahm 1969 den Vorsitz. Seine Kontrolle war aber fragil und ließ dem PLO-Geheimdienst Jihaz Al-Rasd Raum zur Entfaltung. Dessen Leiter Abu Iyad war einer der wichtigsten Vertreter einer aggressiven Guerilla- und Terrorismusstrategie. Am bekanntesten ist seine Rolle als Anführer der Gruppe "Schwarzer September", wenngleich er zeitlebens abstritt, etwas mit der Gruppe zu tun gehabt zu haben und die Organisation als Hilfstruppe des palästinensischen Widerstands verharmloste.
Schwarzer September
Der Schwarze September war 1971 innerhalb der Fatah gegründet worden, um Rache an König Hussein von Jordanien zu nehmen, nachdem dieser die PLO unter großen Verlusten aus dem Land vertrieben hatte. Laut dem Journalisten Alan Hart wurde die Gründung dieses inoffiziellen terroristischen Arms der Fatah-Führung praktisch aufgezwungen. Man hätte sonst die Kontrolle über die Organisation verloren. Nach einigen Mordanschlägen auf jordanische Würdenträger wie Premierminister Wasfi Tal (1971) weitete der Schwarze September bereits 1972/73 sein Aktionsfeld aus: Zweimal entführten seine Mitglieder internationale Flüge, mehrmals sabotierten sie industrielle Einrichtungen in Westeuropa. Zahlreiche Operationen galten israelischen Zielen. Dazu zählten Mordanschläge gegen einzelne Repräsentanten, eine Geiselnahme in der israelischen Botschaft in Bangkok (1972) und der Einsatz von Briefbomben.
Die Operationen des Schwarzen September zeichneten sich durch strenge Geheimhaltung aus: Angeworbene halfen bei Planung, Ausbildung und Logistik, aber aus Sicherheitsgründen wurde jedem Mitglied nur so viel offenbart, wie zur Durchführung seiner Aufgabe unbedingt nötig war. Der Schwarze September verfügte über keine Büros, keine Adressen und keine offiziellen Sprecher. Diese Geheimhaltung verlieh der Organisation eine geheimnisvolle Aura, die das Propagandapotenzial noch steigerte.
Mittlerweile kann kein Zweifel mehr daran bestehen, dass der Schwarze September keine eigenständige Gruppe war. Eine Einschätzung des US-Auslandsgeheimdiensts CIA kam im Oktober 1972 zum Schluss, dass es sich um eine Tarnorganisation handle, die es der Fatah ermögliche, die Verantwortung für Terrorakte abzustreiten. Geheimdienste in Ostblock-Staaten kamen zu ähnlichen Ergebnissen. So wurde in einer undatierten Analyse des Ministeriums für Staatssicherheit der DDR (MfS) festgehalten, dass es "keine" Organisation Schwarzer September gebe: Die Operationen dieser "fiktiven Organisation" würden von einem "Sonder-Operationsapparat" des Jihaz al-Rasd "langfristig geplant und durchgeführt". Aktionen würden "auf höchster Ebene der Fatah beschlossen und von den leitenden Funktionären der Rasd selbst angeleitet".
Eine der wichtigsten Nachschublinien des Schwarzen September verlief über Staaten im Nahen und Mittleren Osten. Aber auch Libyen dürfte dabei eine Schlüsselrolle gespielt haben. Staatschef Muammar al-Gaddafi unterstützte den Olympiaanschlag "moralisch, materiell und finanziell". Unter anderem wurden die acht Geiselnehmer in libyschen Camps ausgebildet. Hilfe bekam der Schwarze September auch von dem Schweizer Bankier und Alt-Nazi François Genoud, der seit 1969 zu den Geldgebern des internationalen Terrorismus gehörte. Die Ostblockstaaten und China unterstützten die Fatah mit Waffenlieferungen, was dem Schwarzen September indirekt zugutekam. Später tolerierte etwa die DDR den Aufenthalt von Organisatoren und Komplizen der Geiselnahme auf ihrem Territorium.
Anschlag
Die Idee, eine Operation während der Olympischen Spiele zu unternehmen, war angeblich erstmals Anfang Juli 1972 aufgekommen – im Rahmen einer Diskussion zwischen Abu Iyad, seinem Operationschef Abu Daoud und dessen rechter Hand Fakhri al-Umari in einem Café in Rom. Als man gemeinsam die offizielle Ablehnung einer palästinensischen Delegation durch das Internationale Olympische Komitee besprach, soll al-Umari spontan die Idee eingebracht haben, auf andere Art und Weise teilzunehmen, nämlich durch das Kidnapping israelischer Sportler. Man versprach sich davon einen außergewöhnlichen Propagandaerfolg und wollte im Austausch für die Geiseln 328 Gefangene aus israelischer Haft freipressen.
Zur praktischen Umsetzung stellte Abu Daoud ein Team zusammen, das teils aus erfahrenen Kämpfern, teils aus Amateuren bestand. Er selbst kundschaftete das Ziel im Olympischen Dorf Mitte Juli 1972 aus und sorgte für das Einschmuggeln der Waffen. Erst am Vorabend des Anschlags wurde das achtköpfige Terrorkommando in den Plan eingeweiht. In den Morgenstunden des 5. September 1972 schickte Abu Daoud die Männer ins Olympische Dorf, genauer gesagt zum dortigen Tor A25, von wo es nicht weit war zur Conollystraße 31, dem Quartier der israelischen Delegation. Als einziges Hindernis musste vorher ein Zaun überwunden werden. Ein Grund für die schwachen Sicherheitsmaßnahmen war, dass die Verantwortlichen "heitere Spiele" wollten, als Aushängeschild eines modernen und weltoffenen Deutschlands. Allerdings war das Quartier am 9. August 1972 von einem israelischen Sicherheitsattaché besichtigt worden, und man war sich einig gewesen, dass keine konkrete Hinweise auf eine Gefährdung der Sportler vorlagen.
Die Geiselnahme verlief von Anfang an nicht so kühl-kalkuliert wie beabsichtigt. Zwei der israelischen Sportler, Mosche Weinberg und Josef Romano, leisteten Widerstand und wurden getötet. Es folgten stundenlange Verhandlungen – ergebnislos. Die Terroristen erreichten einen Vorgesetzten in Tunis nicht, weil ihnen dieser offenbar keine Direktiven geben konnte oder wollte. Obwohl sich eine israelische Spezialeinheit für einen Einsatz in München bereitmachte, kam dieser nicht zustande. Warum das so passierte, ist bis heute nicht klar. Eine offizielle Anfrage aus Israel wurde im Auswärtigen Amt nicht verzeichnet, und auch das Bundeskabinett befasste sich laut Protokoll nicht damit.
In den Abendstunden täuschte man den Terroristen vor, dass sie mit ihren Geiseln nach Kairo ausgeflogen würden. Am Fliegerhorst Fürstenfeldbruck unternahm die bayerische Polizei dann einen hastig improvisierten und schlecht koordinierten Befreiungsversuch. Weil keine speziell ausgebildeten Kräfte vorhanden und gepanzerte Fahrzeuge im Stau stecken geblieben waren, scheiterte das Unternehmen katastrophal. Alle neun verbliebenen Geiseln – David Mark Berger, Ze’ev Friedman, Yossef Gutfreund, Eliezer Halfin, André Spitzer, Amitzur Schapira, Kehat Shorr, Mark Slavin und Yakov Springer – fanden den Tod. Der Polizeibeamte Anton Fliegerbauer wurde ebenso erschossen wie fünf Mitglieder des Terrorkommandos. Drei Geiselnehmer wurden an Ort und Stelle festgenommen. Der Schwarze September presste sie mit der Entführung einer Lufthansa-Maschine am 29. Oktober 1972 frei.
Nahostpolitik
Nach dem Münchner Attentat setzte der Schwarze September ein weiteres Fanal. Am 1. März 1973 wurde die saudi-arabische Botschaft in der sudanesischen Hauptstadt Khartum besetzt und die US-amerikanischen Diplomaten Cleo A. Noel und George C. Moore sowie der belgische Attaché Guy Eid erschossen. Den Grund für die Ermordung der Diplomaten verriet der hochrangige Fatah-Führer Ali Hassan Salameh Anfang Juli 1973 seinem Kontaktmann bei der CIA, Robert C. Ames: Man wollte die USA dazu bringen, die Palästinenser ernstzunehmen. Der gewünschte Dialog kam zustande. CIA-Vizedirektor Vernon Walters traf am 3. November 1973 in Marokko mit einem hohen PLO-Funktionär zusammen und erhielt die Zusage, dass US-Bürger künftig verschont würden. Ähnliche diskrete Vereinbarungen trafen auch andere Staaten: Die Schweiz soll sich bereits 1970 mit der PLO verständigt haben. Italien einigte sich Anfang der 1970er Jahre sowohl mit der PFLP als auch mit der Fatah. Die beiden Organisationen hatten freie Hand, solange sie keine Anschläge in Italien begingen. Frankreich verfolgte bis in die 1980er Jahre ebenfalls eine solche "Schutzhafendoktrin". Auch die BRD vermied es nach 1972, "auf Konfrontationskurs mit den Palästinensern zu gehen und dadurch eine weitere Involvierung der Bundesrepublik in die Auseinandersetzungen zu provozieren".
Vermummter Terrorist des "Schwarzen September" auf dem Balkon der Unterkunft des israelischen Olympiateams 1972
Damit hatte der Schwarze September aus Sicht der Fatah-Führung seine Existenzberechtigung verloren. Bei einem Treffen in Damaskus (1974) wurde entschieden, dass nun eine Phase der internationalen Diplomatie beginnen würde. Höhepunkt dieser Entwicklung war Arafats Auftritt vor der UN-Generalversammlung am 13. November 1974. Das war Anstoß für zahlreiche westliche Länder, ihre Nahostpolitik zu ändern und eine "Normalisierung" der PLO zu unterstützen. Dieser Prozess geriet aber Anfang der 1980er wieder ins Stocken – einerseits wegen der ablehnenden Haltung Israels und der USA, andererseits weil die PLO-Überfälle aus dem Libanon auf Nordisrael 1982 zur Vertreibung der Organisation von Beirut nach Tunis führten.
Außerdem ging der Terrorismus weiter: Gegen Arafats Strategiewechsel hatte sich noch 1974 eine "Ablehnungsfront" von PLO-Teilorganisationen gebildet. Die Führung übernahm Wadi Haddad, dessen "Special Group" eine Reihe von Operationen unternahm, die zum Synonym für internationalen Terror wurden: Die OPEC-Geiselnahme (1975) und die Flugzeugentführungen nach Entebbe (1976) sowie Mogadischu (1977). Ein Jahr nach dem Tod Haddads (1978) zerbrach die Ablehnungsfront. An ihre Stelle trat in den 1980er Jahren ein Sammelsurium von Gruppen, die von Irak, Libyen und Syrien unterstützt wurden. Anfang der 1990er Jahre sollte dann der Aufstieg der Hamas die bis dahin ausgeprägte Dominanz der säkularen Organisationen brechen.
Medienereignis
Das Verhältnis zwischen Terrorismus und Medien wird vielfach als symbiotisch beschrieben. Einer der Doyens der Forschung, Brian Jenkins, hatte 1975 in seiner Studie "Will Terrorists Go Nuclear?" festgehalten, dass terroristische Gewalt keineswegs sinnlos sei, sondern dem Zweck diene, maximale Publizität zu erreichen. So ist es auch kein Zufall, dass international operierende Gruppen in etwa zur selben Zeit aufkamen, als 1968 in den USA der erste Fernsehsatellit in Betrieb genommen wurde. 1972, anlässlich der Münchner Olympiade, war es erstmals möglich, "live" zu übertragen. Mindestens 4000 Zeitungs-, Magazin- und Radiojournalisten waren versammelt, dazu kamen weitere 2000 TV-Moderatoren und Crews. Ihre Berichterstattung richtete sich an ein Publikum von rund 900 Millionen Menschen in bis zu 100 verschiedenen Ländern. Allein im US-Fernsehen wurde 1.017 Minuten direkt aus München übertragen, weshalb der Psychologe Friedrich Hacker zum Schluss kam: "Am 5. September 1972 stellte der Terrorismus einen neuen Weltrekord auf: noch niemals zuvor war es so wenigen gelungen, so viele durch Schreckenserregung und Furchteinflößung in ihren Bann zu schlagen."
Mit der Geiselnahme im Olympischen Dorf hatte der Schwarze September dieses gewaltige öffentliche Forum besetzt und verwandelte es in einen gigantischen Transmissionsapparat für seine politischen Ziele. Die TV-Zuschauer konnten alle Entwicklungen rund um das besetzte Mannschaftsquartier live verfolgen. Die Geiselnehmer gaben sich große Mühe, für entsprechende Dramatik zu sorgen. So erschien im Verlauf des spannungsgeladenen Tages immer wieder ein vermummter Bewaffneter auf dem Balkon des Quartiers, um Ausschau zu halten. Dieser Vorgang wiederholte sich so oft, "dass es in der Erinnerung einer ganzen Generation den palästinensischen Terrorismus in seiner blutigsten Form repräsentierte".
Schattenkrieg
Bereits 48 Stunden nach den Ereignissen in München bombardierte die israelische Luftwaffe elf Palästinenserlager in Syrien und dem Libanon, wobei es 200 Opfer gab. Die öffentliche Empörung verlangte noch weitergehende Maßnahmen, weshalb sich die israelische Regierung zu einem neuen Ansatz der Terrorismusbekämpfung entschied. Man richtete einen Ausschuss unter dem Namen "Komitee X" ein, der die Entscheidung traf, jeden Terroristen zu ermorden, der direkt oder indirekt an der Planung, Unterstützung oder Ausführung der Tat bei den Olympischen Spielen beteiligt gewesen war. Der israelische Auslandsgeheimdienst Mossad konzentrierte sich dabei vor allem auf weiche Ziele – Aktivisten der PLO und Fatah, die ohne Bodyguards oder Schutzmaßnahmen in westeuropäischen Ländern lebten. Innerhalb von 10 Monaten ermordeten Mossad-Kommandos zwölf Palästinenser. Sie wurden in Paris, Rom, Beirut und Nikosia erschossen oder durch ferngesteuerte Bomben getötet, die über Telefon und Radio gezündet wurden.
Laut dem Journalisten Aaron Klein hatte aber nur eine der Zielpersonen in direkter Weise etwas mit dem Anschlag in München zu tun: Atef Bseiso, ein wichtiger Geheimdienstmann der PLO, wurde erst 1992 in Paris auf offener Straße erschossen. Für viele andere Entscheidungen auf Leben oder Tod war die operative Machbarkeit der wichtigste Faktor. Dafür wurden einige zentrale Verantwortliche für den Olympiaanschlag nicht angetastet: Abu Iyad wurde 1991 von einem seiner Leibwächter erschossen. Dieser war ein Anhänger der mit der PLO verfeindeten Abu-Nidal-Organisation gewesen. Abu Daoud verstarb 2010 73-jährig in Damaskus. Anders als oft behauptet, holte der lange Arm des Mossad auch die drei überlebenden Attentäter von München nicht ein.
"Deutsche Logishilfe"?
Die Achse zwischen westdeutschen Linksextremisten und den Palästinensern war ein wesentliches Element des internationalen Terrorismus der 1970er und 1980er Jahre. Was damals von Gruppen wie der RAF oder den RZ als "antiimperialistische Solidarität" bezeichnet wurde, wird von der neueren Forschung als "antiisraelisch bzw. antijüdisch und insofern antisemitisch" bewertet. Dafür, dass Linksterroristen schon 1972 beim Olympiaanschlag Hilfe leisteten, gibt es aber nur Indizien. In einem Interview von 1978 behauptete der RZ-Aussteiger Hans-Joachim Klein, dass RZ-Chef Wilfried Böse in München "seine Finger drinnen" hatte: "Er war es, der die Typen in München empfangen hat." Das Nachrichtenmagazin "Der Spiegel" kam 2012 zum gegenteiligen Schluss. Die Palästinenser hätten gar keine "deutsche Logishilfe" benötigt. Zitiert wurde aus einer Zusammenfassung des Bundesamts für Verfassungsschutz (BfV) von Anfang 1973. Demnach lagen damals "keine Erkenntnisse" vor, dass deutsche Linksextremisten die Attentäter unterstützt hätten.
Aber war es wirklich so? Der Politikwissenschaftler Wolfgang Kraushaar hat Überlegungen der linksextremen Szene zur "Sprengung" der Olympischen Spiele nachgezeichnet. In Planungspapieren wurden Möglichkeiten zu bewaffneten Überfällen bei der Eröffnungsfeier und anderes mehr durchgespielt. Lediglich von einem Terroranschlag auf die israelische Mannschaft war nicht die Rede. Laut Bommi Baumann, der damals zur Gruppe "Tupamaros West-Berlin" gehörte, gab es auch logistische Hilfe. Die Waffen für das Olympiaattentat seien in Schließfächern auf dem Ostberliner Teil des S-Bahnhofs Berlin-Friedrichstraße "zwischengelagert" gewesen seien: "Von dort wurden sie von Leuten aus Westberlin abgeholt und gelangten so nach München."
Rechtsextreme Helfer
Vielmehr brachte der Kampf gegen den "Zionismus" die eigentlich linksgerichteten Palästinenser mit Rechtsextremisten zusammen. Noch in den 1980er Jahren erzählte ein junger Neonazi einem Journalisten, dass seine Bewegung mit den Palästinensern "etwas gemeinsam" habe: "Die waren auch gegen Juden." Konkret auf den Olympiaanschlag bezogen, meldete "Der Spiegel" 2012, dass zwei Neonazis wichtige Unterstützung geleistet hätten: Willi Pohl und Wolfgang Abramowski hätten den Operationsleiter des Schwarzen September, Abu Daoud, quer durch die BRD chauffiert, Waffen transportiert und Pässe gefälscht. Pohl (heute Willi Voss) hatte über diese Kooperation bereits 1977 in seinen Memoiren "Geblendet" berichtet. Demnach sollte er zeitgleich zur Geiselnahme in Wien eine "Informationskonferenz" organisieren. In Wien lief dann aber "eigentlich alles" schief, weshalb er nach zwölf Tagen nach Beirut floh. Später plante Pohl im Auftrag von Abu Iyad terroristische Aktionen in Westdeutschland, die zur Freipressung der überlebenden Attentäter von München dienen sollten: Dazu zählten Geiselnahmen im Kölner Dom und in Rathäusern deutscher Großstädte. Doch Ende Oktober 1972 wurden Pohl und sein Komplize mit Maschinenpistolen, Handgranaten und anderem Kriegsgerät in München festgenommen.
Fazit
Im Rückblick hat der Olympiaanschlag exemplarisch vorgezeigt, wie man durch einen Angriff auf ein symbolträchtiges Ziel geballte mediale Aufmerksamkeit auf sich konzentrieren kann. In diesem Sinne war die Geiselnahme 1972 der Punkt, an dem sich der moderne Terrorismus durchsetzte. Auch wenn der Schwarze September als Organisation nur kurz Bestand hatte, prägte sein Modus Operandi die weitere Entwicklung politisch motivierter Gewalt wesentlich mit. Die letztlich verantwortliche Fatah hat es mittels dieser Kombination aus Geheimdiplomatie und Terrorismus geschafft, politische Erfolge zu erzielen, wenngleich diese begrenzt blieben. Außerdem forderte die israelische Gegenreaktion unter Fatah-Kadern schwere Verluste.
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