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Zentrale Inhalte des Grundgesetzes

Michael F. Feldkamp

/ 3 Minuten zu lesen

146 Artikeln umfasste das Grundgesetz von 1949 – ihnen vorangestellt wurde eine Präambel. Besondere Bedeutung erhielten die Grundrechte sowie die föderale Struktur. Zugleich wurde aber der provisorischen Charakter des Grundgesetzes unterstrichen.

Das Grundgesetz in der Fassung von 1949 war ein in sich geschlossenes Gesamtwerk von 146 Artikeln, die eine einheitliche Verfassungsurkunde bildeten. Das Grundgesetz ist in elf (später 14) Abschnitte unterteilt, die sich im Wesentlichen in vier Bereiche zusammenfassen lassen, wobei die Präambel vorgeschaltet ist.

Präambel

Zu den zentralen Passagen des Grundgesetzes gehört die Präambel. Sie steht als rechtserheblicher Text am Anfang des Grundgesetzes und enthält unter anderem vier herausragende Aussagen, die das Selbstverständnis der zu gründenden jungen Bundesrepublik Deutschland charakterisieren sollten:

  • Erstens unterstrich die Präambel den Willen, "in einem vereinten Europa dem Frieden der Welt zu dienen".

  • Zweitens sollte die geschaffene neue Ordnung staatliches Leben "für eine Übergangszeit" garantieren.

  • Drittens blieb das "gesamte deutsche Volk [...] aufgefordert, in freier Selbstbestimmung die Einheit und Freiheit Deutschlands zu vollenden".

  • Viertens wurde in der Präambel die verbindliche Kraft mit der verfassunggebenden Gewalt des deutschen Volkes legitimiert.

Gerade der letzte Punkt war bedeutsam: Weil die Verfassungs-
mütter und -väter eine Annahme des Grundgesetzes durch ein Referendum ablehnten.

Provisorium

Das Grundgesetz war von Beginn an als Provisorium angelegt. Dennoch zeichnete sich das Grundgesetz dadurch aus, dass es die wesentlichen Voraussetzungen einer vollständigen Verfassung enthielt. Unter dem Aspekt des Provisoriums ist es aber immerhin im Parlamentarischen Rat zu mancher Kompromissformel gekommen, die unter anderen Voraussetzungen vielleicht nicht entstanden wäre. Dazu zählt auch die Übernahme der Weimarer Bestimmungen zum Staatskirchenrecht, dessen grundsätzliche Regelung einer späteren Verfassungsarbeit vorbehalten bleiben sollte.

Struktur des Grundgesetzes

Der erste Bereich umfasst die Grundrechte (Abschnitt I:
Art. 1-19, 33, 38, 101-104); in einem zweiten Komplex wird die föderalistische Staatsstruktur, also das Verhältnis von Bund und Ländern bestimmt (Abschnitt II: Art. 20-37); der dritte Bereich beschreibt Funktion und Aufgaben der obersten Staatsorgane Bundestag, Bundesrat, Bundespräsident und Bundesregierung (Abschnitte III-VI: Art. 38-69); die Staatsfunktionen wie Ausführung von Bundesgesetzen, Bundesverwaltung, Rechtsprechung und Finanzwesen werden im vierten Teil behandelt (Abschnitt VII-X: Art. 70-115); schließlich folgen in einem letzten Teil die Übergangs- und Schlussbestimmungen (Abschnitt XI: Art., 116-146).

Spätere Ergänzungen des Grundgesetzes

Als neue Abschnitte kamen später verschiedene Grundgesetzänderungen hinzu, darunter insbesondere:

  • 1968 Abschnitt IVa.: Mit der Schaffung eines Gemeinsamen Ausschuss (Art. 53a) für den Verteidigungsfall.

  • 1969 Abschnitt VIIIa: Gemeinschaftsaufgaben von Bund und Ländern (Art. 91a-b).

  • 1968 Abschnitt Xa: Verteidigungsfall (115a-l).

Grundrechte (Freiheitsrechte)

Das Grundgesetz enthält ferner Staatszielbestimmungen und einen vor Verfassungsaufhebung geschützten Kern (Art. 79 Abs. 3). Dieser umfasst die Grundrechte, die freiheitlich-demokratische Grundordnung westlicher parlamentarischer Tradition, das bundesstaatliche Strukturprinzip (Föderalismus) und den Grundsatz des Sozialstaats. Im Unterschied zur Paulskirchenverfassung von 1849, zur Reichsverfassung von Bismarck von 1871 sowie zur Weimarer Verfassung von 1919 setzten die Verfassungsgeber den Katalog der 16 so genannten materiellen Grundrechte an den Anfang des Grundgesetzes. Nicht nur bei dieser Entscheidung bewiesen die Mütter und Väter des Grundgesetzes zeitgeschichtliches Augenmaß. Im Gegensatz zur Position des Reichspräsidenten in der Weimarer Republik wurde die des Bundespräsidenten geschwächt, dafür aber die politische Macht des vom Deutschen Bundestag gewählten Bundeskanzlers wesentlich gestärkt. Ferner sieht das Grundgesetz keine plebiszitären Elemente vor, außer bei der geplanten Neugliederung des Bundesgebiets. Änderungen des Grundgesetzes sind unzulässig, wenn die föderalistische Struktur des Bundes, die Mitwirkung der Länder bei der Gesetzgebung und die Grundrechte in ihrem Wesensgehalt berührt werden. Ebenfalls neu am Grundgesetz war die Sicherung des Verfassungsrechts durch die Bindung des Gesetzgebers an vorstaatliche Grundrechte, eine umfassende Rechtskontrolle durch das Bundesverfassungsgericht, die Möglichkeit, durch einfaches Gesetz Hoheitsrechte des Bundes auf zwischenstaatliche Institutionen zu übertragen, die Anerkennung der Parteien und deren Mitwirkung bei der politischen Willensbildung sowie schließlich der Gleichberechtigungsartikel, infolge dessen sich die rechtliche Stellung der Frau verbesserte.

Wiedervereinigung

Bestimmend für die innerdeutsche Politik war das Wiedervereinigungsgebot des Grundgesetzes. Das Demokratiekonzept des Grundgesetzes folgt dem Prinzip der parlamentarischen Repräsentation, bei nahezu gänzlichem Verzicht auf plebiszitäre Elemente. Damit erhebt das Grundgesetz das parlamentarische Regierungssystem zum Träger der politischen Verantwortung – im Unterschied zur unmittelbaren Demokratie, die den Unterschied zwischen Träger und Adressat der Verantwortung aufhebt. Das Parlament erhält bestimmenden Einfluss auf die politische Gesamtleitung in begleitender Kontrolle der Regierung. Die Verfasser des Grundgesetzes verzichteten unter Hinweis auf den provisorischen Charakter des Grundgesetzes ausdrücklich auf die Festlegung einer bestimmten Wirtschaftsordnung sowie auf Schaffung sozialer Grundrechte. Dadurch blieb der Weg für die erfolgreiche Umsetzung der Sozialen Marktwirtschaft frei.

Fussnoten

Der Historiker Michael F. Feldkamp, geboren am 23. April 1962, arbeitet seit 1993 als wissenschaftlicher Mitarbeiter im Archiv des Deutschen Bundestages/Wissenschaftlichen Diensten des Bundestages. Dort war er unter anderem mit der Bearbeitung der Edition "Der Parlamentarische Rat 1948-1949. Akten und Protokolle" betraut. 1998 verfasste er das Buch "Der Parlamentarische Rat 1948-1949".