Am Abend des 9. Novembers 1989 gegen 18 Uhr verkündet das Politbüromitglied der Sozialistischen Einheitspartei (SED) Günter Schabowski den Beschluss des Zentralkomitees der SED, dass Privatreisen nach Westberlin und in den Westen ab sofort ohne Vorliegen von Voraussetzungen, Reiseanlässen und Verwandtschaftsverhältnissen erlaubt sind: "Die Genehmigungen dafür werden den DDR-Bürgern kurzfristig erteilt. Ständige Ausreisen können über die Grenzübergangstellen der BRD und DDR erfolgen". An wann ist das gültig wird er gefragt. Die Antwort macht Geschichte: "Äh... unverzüglich."
Sein Irrtum verbreitet sich wie ein Lauffeuer. Menschenmassen strömen in Ostberlin in Richtung Brandenburger Tor und der Grenzübergänge. Sie hoffen auf die Öffnung der Mauer. Doch die Grenzposten dürfen nur auf Befehl handeln und halten die Tore noch weiterhin verschlossen, bis sich schließlich die Menschen in großen Massen drängen. Nach und nach geben die Grenzsoldaten ihre Posten auf und öffnen die Tore. Das ist ein großer Schritt auf dem Weg zur deutschen Wiedervereinigung, denn mit dem Mauerfall wird das Ende der DDR unwiderruflich eingeleitet. Die Mauer stand jahrelang als Symbol für die deutsche Teilung und des Kalten Krieges und hat das Leben der DDR-Bürger deutlich erschwert. Vom 13. August 1961 bis zum 9. November 1989 teilte die Berliner Mauer Deutschland und die Stadt Berlin in zwei Hälften. Fast drei Jahrzehnte lang hat die riesige Sperranlage eine Flucht in den Westen gnadenlos verhindert. Die Mauer hat insgesamt 28 Jahre und 88 Tage Ost- und Westberlin voneinander getrennt.
Ein solches Leben, das durch die Teilung und die Mauer gekennzeichnet war, ist für die meisten Menschen in der heutigen Zeit unvorstellbar. Die Bewohner dort wurden dauerhaft von dem SED-Regime überwacht. Ihre eigene Freiheit ist ihnen gestohlen worden. Dadurch, dass regelmäßige Treffen nicht zulässig waren, wurden viele DDR-Bürger lange Zeit von ihren Freunden und Verwandten im Westen getrennt. Das Leben in der DDR war geprägt von Einschränkungen und Überwachung durch das Ministerium für
Unser Lehrer als Zeitzeuge
Herr Heß, ein Lehrer unserer Schule, hat die DDR noch zu Zeiten der Mauer selbst erlebt und kann uns heute darüber berichten. Herr Heß hat jahrelang die Berlin-Fahrten an unserer Schule für die Oberstufe organisiert. Die Schüler hatten so die Möglichkeit, sich mit den Folgen des Mauerbaus und der Teilung Deutschlands auseinanderzusetzen. In einem Gespräch mit der PEER, unser Schüler*innenzeitung, erzählt Herr Heß von den Erlebnissen, die sich ihm selbst und den Schülern durch die Fahrt eröffnet haben.
Insgesamt waren es meist circa 60 Teilnehmer. Durchgeführt wurde die Reise mit einem Bus. Es war notwendig, die Fahrt schon zuvor genauestens zu organisieren, um möglichen Schwierigkeiten und Konfrontationen mit den Grenzwächtern bestmöglich aus dem Wege zu gehen.
Aufgrund dessen, dass die Schüler zunächst einmal nach Westberlin reisten und auch dort übernachtet haben, waren für die Einreise keine speziellen Papiere notwendig. Ein gültiges Visum musste auch nur für eine Einreise in die DDR selbst beantragt werden, wenn man dort seine Verwandten besuchen wollte. Für die Reise der Schüler nach Westberlin genügte also ein gültiger Reisepass. Dennoch galt es, bestimmte Sicherheitsmaßnahmen schon während der Fahrt einzuhalten, da selbst die Autobahnen, die sogenannten Transitwege, überwacht wurden. Die Autobahn durfte man beispielsweise nur an genau vorher benannten Ausfahrten verlassen. Es war nämlich möglich, dass unmittelbar hinter den Ausfahren Kontrollpunkte waren, an denen die Autos und Personen kontrolliert und durchsucht wurden. In manchen Fällen wurde sogar die Weiterreise ver¬boten. Ebenso durfte man als Westdeutscher nur an bestimmten Raststätten halten, um eine Pause einlegen zu können. Diese sollten am besten auch schon vor der Fahrt mit in die Route eingeplant werden.
Schon während der Fahrt auf der Autobahn hatte man das Gefühl von ständiger Überwachung und Kontrolle. Während der Durchreise nach Berlin sind sie auch durch den Grenzort Rudolphstein gefahren. Rudolphstein lag an der innerdeutschen Grenze und war gleichzeitig der Grenzübergang an der A9. Dort wurden alle Passanten, die weiter in die DDR reisen wollten, von den Grenzwärtern kontrolliert. Teilweise wurden sogar die Autos der Passanten auseinandergebaut. Glücklicherweise war dies bei der Schulgruppe nicht der Fall und sie konnten ohne große Schwierigkeiten weiterreisen. Allerdings sollten es die Schüler*innen vermeiden, westliche Druckerzeugnisse, wie den Stern, mit sich zu führen. Dies hätte nämlich den Anschein erwecken können, sich gegen das Regime der DDR zu stellen oder die Ostdeutschen negativ beeinflussen zu wollen.