Die Geschichte sowjetischer Haftstätten in Deutschland ist mit der Entwicklung älterer Systeme der Gefangenschaft, dem Ablauf des Zweiten Weltkrieges und dem anschließenden Besatzungsstatus der vier Siegermächte – UdSSR, USA, Großbritannien und Frankreich – verbunden. Die antideutsche Kriegsallianz eroberte das Territorium des Dritten Reiches und befreite die Überlebenden der nationalsozialistischen Gefängnisse, Kriegsgefangenenlager und Konzentrationslager (wie etwa am Ort der nachstehend abgebildeten Gedenkstätte Buchenwald).
Ein dunkles Kapitel: Sowjetische Sonderhaftanstalten in Ostdeutschland
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Die 40 Jahre nach Gründung der DDR 1949 sind besser erforscht als die vier Jahre zuvor als "Sowjetische Okkupationszone". Dort entstanden 1945 mehrere Spezielle Lager.
Die Alliierten funktionierten solche oder andere Einrichtungen in eigene Internierungsstätten um, führten ihre Haftinstitutionen allerdings mit unterschiedlicher Zielrichtung und Strenge. Dazu später mehr.
In der Sowjetischen Okkupationszone (SOZG)
Greifswald, Rostock, Schwerin und Waren für die Provinz Mecklenburg,
Brandenburg, Cottbus, Eberswalde und Potsdam für die Provinz Brandenburg,
Weimar für die Provinz Thüringen,
Dessau, Halle, Magdeburg und Torgau für die Provinz Sachsen(-Anhalt),
Bautzen, Chemnitz, Dresden, Leipzig und Zwickau für das Bundesland Sachsen.
Die Inneren Gefängnisse dienten dazu, Festgenommene zu sammeln, in Untersuchungs- oder Vorbeugehaft zu nehmen, eventuell der politischen Strafjustiz zuzuführen, auf Spezielle Lager zu verteilen oder in Haftstätten in der UdSSR zu deportieren. Außerdem wurde ein zonenweites Netz ungezählter Kerker und Arrestzellen errichtet, um die größeren Gefängnisse und Lager zu unterstützen.
Stalins Administration ließ nach Verlegungen, Deportationen, Freilassungen oder Todesfällen der Inhaftierten die Sonderhaftanstalten hinsichtlich ihrer Quantität, ihrer Dislozierung (also ihrer räumlichen Lage und Verteilung) und ihrer Leitung verändern oder auflösen. Die letzten Speziellen Lager – Sachsenhausen, Buchenwald und Bautzen – existierten in der Deutschen Demokratischen Republik bis zum Frühjahr 1950.
Mindestens ein Gefängnis der UdSSR überdauerte in der DDR, bis beide Staaten am Ende des Kalten Krieges von der politischen Landkarte verschwanden.
„Feindliche Elemente“ in sowjetischem Gewahrsam
Gegen Ende des Zweiten Weltkrieges hatten die Regierungen der UdSSR, USA und Großbritanniens auf der Konferenz von Jalta im Februar 1945 als Ziele ihrer „Entnazifizierung“ im gemeinsam kontrollierten Deutschland benannt:
„...die Vernichtung des deutschen Militarismus und Nazismus (…), alle Kriegsverbrecher einem schnellen und gerechten Urteil zuzuführen (…), die nazistische Partei, die nazistischen Gesetze, Organisationen und Einrichtungen vom Antlitz der Erde zu wischen, aus den gesellschaftlichen Institutionen und dem kulturellen oder ökonomischen Leben des deutschen Volkes jeglichen nazistischen oder militaristischen Einfluss auszuschalten“.
In diesem Kontext begannen die Besatzungsmächte in Deutschland, Personen zu internieren, die der Menschen- und Kriegsrechtsbrüche verdächtig waren, als Repräsentanten oder Unterstützer des Nationalsozialismus Verantwortung trugen oder den Alliierten gefährlich erschienen. Befehle aus der UdSSR bestimmten seit April 1945, Funktionäre nationalsozialistischer Organisationen, Personal deutscher Polizei-, Straf- und Terrorapparate (Gestapo, SD usw.), Spione, Saboteure und illegale Publizisten als „feindliche Elemente“ in „Internierungslagern“ festzusetzen. Eindeutige „Terroristen“ (wie Partisanen oder bewaffnete Widerständler) und „Diversanten“ (etwa militante Saboteure oder Umstürzler) waren zu erschießen. Das Personal von Militär und paramilitärischen Einheiten wie Volkssturm, SS, SA, von Militärstaatsanwaltschaften und Gerichten sowie von Konzentrationslagern und Gefängnissen gehörte (wie schon früher) in die Kriegsgefangenenlager in der UdSSR.
Sowjetische Statistiken summierten 157.837 Inhaftierte in den Speziellen Lagern auf deutschem Boden zwischen Mai 1945 und März 1950. Darunter waren nachweisbar 122.671 Deutsche, 34.706 Angehörige des sowjetischen Vielvölkerreiches und 460 andere Ausländer verzeichnet.
Die "Mobilisierten" waren deutsche Zivilisten – Männer, Frauen und Jugendliche, die weder als feindlich noch gefährlich, aber als potenziell kriegstauglich und arbeitsfähig galten und zwischen Dezember 1944 und April 1945 in den Ländern Ost-Mitteleuropas völkerrechtswidrig für Arbeitsbataillone der UdSSR interniert wurden.
Nach der
Ansonsten gab es in der Sowjetischen Okkupationszone drei Jahre lang kaum Entlassungen. Erst als der Kalte Krieg im Alliierten Kontrollrat für Deutschland eskalierte, die Sowjetische Militäradministration zum März 1948 die Entnazifizierung offiziell beendete
Bei der Abwicklung der drei letzten Speziellen Lager am Jahresbeginn 1950 gab die Haftadministration von 30.114 überlebenden Gefangenen 14.937 Deutsche (darunter 9.664 Unverurteilte und 5.273 Verurteilte) frei. 698 angeblich „besonders aktive“ antisowjetische Verbrecher (darunter 500 Unverurteilte und 198 Verurteilte) blieben im Gewahrsam der UdSSR. 10.736 verurteilte Deutsche kamen zur weiteren Strafverbüßung in von der DDR betriebene Hafteinrichtungen. 3.466 bisher ohne Gerichtsverfahren internierte Zivilisten hatte die politische „Justiz“ der DDR nach sowjetischen Vorgaben abzuurteilen und dann wegzusperren.
Zwischen Mai 1945 und März 1950 deportierten sowjetische Terrorapparate mindestens 10.440 Internierte (darunter 5.403 UdSSR-Bürger und 5.037 Deutsche) des Speziellen Kontingents zur Haftverbüßung und Zwangsarbeit in die UdSSR. Das gleiche Strafverhängnis traf 6.680 deutsche Kriegsgefangene und 29.804 Verurteilte (darunter 28.051 UdSSR-Bürger, 1.661 Deutsche und 92 andere). Zusätzlich kamen 6.917 Festgesetzte (darunter 6072 Deutsche, 811 UdSSR-Bürger und 34 andere) aus den Speziellen Lagern und Gefängnissen in die sowjetischen „Operativsektoren“ und vor sowjetische Militärtribunale.
In den sowjetisch okkupierten Regionen wurden die meisten „feindlichen Elemente“ von operativen Einheiten und Truppen der Volkskommissariate (ab 1946 Ministerien) der inneren Belange, der Staatssicherheit und der Verteidigung der UdSSR sowie teils mit deutschen Hilfskräften ermittelt und verhaftet.
Hinsichtlich deutscher Zivilisten fällten sowjetische Militärtribunale in Ostdeutschland und administrative, extralegale Sonderberatungen (in Gestalt von Kollegien oder Kommissionen der Scheinjustiz) in der UdSSR von 1944 bis 1950 mindestens 18.956 drakonische Strafurteile. Diese fußten vorwiegend auf sowjetischen Strafgesetzen und Beschlüssen, selten auf dem Völkerrecht oder alliierten Direktiven und Gesetzen. Wegen tatsächlicher oder angeblicher Kriegsverbrechen (12,5 Prozent), „konterrevolutionärer Staatsverbrechen“ (72 Prozent) und anderer mutmaßlicher Straftaten deutscher Zivilisten ergingen wenigstens 35.000 Repressionsverdikte, die in der Dekade bis 1955 Angst und Schrecken unter den Betroffenen verbreiteten. Dieser kommunistische Terror endete also weder mit der Gründung der DDR im Herbst 1949, noch mit der Auflösung der Speziellen Lager Anfang 1950 oder Stalins Tod im Frühjahr 1953.
Lebensfeindliches Regime des Freiheitsentzugs
Im Unterschied zu nachweisbar brutalen Untersuchungen in sowjetischen Arrestkerkern und Inneren Gefängnissen galten Gewaltanwendungen gegen Inhaftierte in den Speziellen Lagern als verbotene Übergriffe. Allerdings wurde bei Fluchtversuchen gnadenlos geschossen.
Die Sonderhaftstätten waren durch innere Wachposten, äußere Patrouillen mit Waffen und Hunden, mehrere, teils elektrisch geladene Stacheldrahtzäune, hohe Mauern und Türme mit Suchscheinwerfern und Maschinengewehren hermetisch gesichert. Die Weggesperrten waren nach Geschlecht (Männer, Frauen) und Haftstatus (Spezielles Kontingent, Kriegsgefangene, verurteilte Sträflinge) voneinander geschieden. Der präventive Gewahrsam der Internierten und Kriegsgefangenen in den Speziellen Lagern wirkte etwas humaner als in den Inneren Gefängnissen und Kerkern, da die Inhaftierten nicht in Zellen oder kleinen Räumen, sondern in Holzbarracken, Steinhäusern und getrennten Sektoren des Lagergeländes untergebracht waren. Dagegen litten verurteilte Delinquenten fast wie im Gefängnis in separaten Kammern, Gebäuden und Lagerzonen unter verschärftem Strafregime. Die Haftordnungen für die Gefängnisse und Speziellen Lager in Ostdeutschland formulierten als gemeinsame Ziele die strikte Isolation, Fluchtverhinderung und Bestrafung der Festgehaltenen. Unterlassene politische Umerziehung und erzwungene Untätigkeit der Inhaftierten war die Folge. Ihre abgeschirmte und eingeschränkte Arbeitsausnutzung diente zur notdürftigen Versorgung der Haftstätten. Die Gefangenen mussten morgens und abends lange Zählappelle ertragen. Dazwischen bestand ihr Tag meist aus Nichtstun oder Durchsuchungen und vielen Schikanen. Jahrelang galten totale Besuchs- und Postverbote. Kassiber (Zettel, Briefchen), die selten herausgeschmuggelt werden konnten, und der Besitz von Schreibmaterial oder Büchern waren illegal und strafbar. Die Eingesperrten sollten von der Außenwelt nahezu völlig abgeschottet und desorientiert werden.
Die emotionale und intellektuelle Not der Inhaftierten vermochten auch die von der UdSSR lizensierten und in den Speziellen Lagern seit Herbst 1947 gebilligten Zeitungen kaum zu lindern. Erst ab Frühjahr 1949 durften verurteilte Sträflinge ihren Angehörigen kurze, von sowjetischen Zensoren genehmigte Nachrichten schreiben und Zusendungen empfangen. Das blieb den ohne Justizverfahren internierten Zivilisten stets verwehrt. Über das Schicksal des Speziellen Kontingents oder der Toten erhielten nicht einmal die Familien der Opfer ehrliche Informationen offizieller Stellen. Jene gaben auf Suchanfragen von auswärtigen Interessenten keine korrekten Auskünfte. Den Freigelassenen war es unter Strafe verboten, von den lebensfeindlichen „Schweigelagern“ zu berichten.
In den mehrfach überbelegten Haftstätten mangelte es an materieller Ausstattung. Die Verhafteten bekamen keine Bekleidung, sodass ihre persönliche Garderobe zunehmend verschliss und zerlumpte. Wer die Sachen von Verstorbenen nicht zu übernehmen vermochte oder im Sommer festgenommen wurde, fror und litt in kälteren Jahreszeiten. Schlecht oder nicht beheizte Hafträume hatten eventuell Holzpritschen oder Bettgestelle. Doch Decken, Stroh, einige Matratzen und Bettwäsche gab die Haftadministration erst Ende 1947 aus. Gefangene, die selbst gemachte Alltagsdinge wie Essgeschirr und Besteck besaßen, erschienen relativ begütert. Indes quälte sehr karge und einseitige Ernährung die Festgehaltenen. Sie erhielten aus schlichten Küchen etwas nasses Brot, dünne Wassersuppen oder Getränke, etwas Grütze, Kraut, fast nie Fleisch oder Fisch. Die unzureichende Art, Menge und Qualität der Verpflegung konnte sich gleichwohl noch verschlimmern: Als die Versorgungsstellen der Haftanstalten im November 1946 temporär die Brotnormen halbierten und sonstige Lebensmittelrationen verringerten, löste dies massenhaft Hungern und Sterben aus.
Auch die sanitäre Versorgung der Festgehaltenen war völlig ungenügend: Für die Notdurft gab es teils Kübel, teils Latrinenanlagen, bisweilen Toiletten. In den Haftunterkünften dominierten unhygienische Verhältnisse. Obwohl in manchen Hafträumen Waschbecken standen, waren Körperpflege und Wäschereinigung kaum möglich. Daher litten die Inhaftierten unter Läusen, Flöhen, Wanzen oder anderem Ungeziefer, die Krankheiten und Seuchen auslösten. In Haftbauten, primitiven Lazaretten oder Krankenstationen übernahm ausgebildetes oder angelerntes Arzt- und Pflegepersonal, das kaum über Medikamente oder Hilfsgeräte verfügte, die medizinische Betreuung siechender Gefangener.
Todesopfer des sowjetischen Sonderhaftsystems
In den harten Wintern 1945/46 und 1946/47 nahmen die Todesfälle extreme Ausmaße an. Die Betreiber der Speziellen Lager registrierten zwischen Mai 1945 und März 1950 unter 157.837 Weggesperrten 786 Erschossene (davon 756 Deutsche) und 43.035 andere Verstorbene (davon 42.889 Deutsche).
Allerdings ließ Stalins Regime die Todesstrafe als Höchstes Strafmaß der UdSSR bis Ende Mai 1947 vollstrecken, dann durch 25 Jahre oder lebenslange Haft bei Zwangsarbeit ersetzen und ab Januar 1950 erneut exekutieren. Folglich hatten die sowjetischen Terrororgane von 1944 bis 1947 wenigstens 3.116 deutsche Zivilisten zum Tode verurteilt und davon 2.073 an noch unbekannten Orten außerhalb der Speziellen Lager erschossen. Mindestens 694 Todeskandidaten blieben nach Gnadengesuchen verschont.
Von 1.112 Todesverdikten für deutsche Zivilisten zwischen 1950 und 1955 (das Gros bis 1953) wurden nachweislich 960 ausschließlich in Moskau vollzogen und wohl 149 ausgesetzt. Diese fast 1.000 Erschossenen waren zu 99,6 Prozent wegen vermeintlich „konterrevolutionärer Staatsverbrechen“ verurteilt; sie sind in Massengräbern auf dem Moskauer Friedhof Donskoje beerdigt.
Übergeordnete und verantwortliche Haftinstanzen
In der Sowjetischen Okkupationszone in Deutschland bestand ein eigenes, territorial und institutionell abgegrenztes System von Sonderhaftanstalten. Die Inneren Gefängnisse waren erst den operativen Einheiten der Volkskommissariate (ab 1946 Ministerien) der inneren Belange, der Staatssicherheit sowie der Verteidigung der UdSSR untergeben. Seit August 1946 wurden die Inneren Gefängnisse auf deutschem Gebiet – getreu sowjetischer Strukturen – beim Ministerium der Staatssicherheit konzentriert.
Die Speziellen Lager und Gefängnisse auf dem Territorium Deutschlands leitete eine gleichnamige Abteilung, die ihren Dienstsitz ab Mai 1945 in Fürstenwalde und seit dem Spätsommer in Berlin hatte.
De facto war die Abteilung der Speziellen Lager und Gefängnisse von 1945 bis 1948 unmittelbar dem Volkskommissariat beziehungsweise Ministerium der inneren Belange der UdSSR unterstellt. Letzteres befehligte und kontrollierte auch die älteren Haftsysteme der Hauptverwaltung der Lager sowie der (Haupt)Verwaltung der Kriegsgefangenen und Internierten. Die Abteilung der Speziellen Lager und Gefängnisse sowie ihre letzten drei Speziellen Lager auf deutschem Boden wurden (nach Deportationen, Freilassungen und Todesfällen) ab August 1948 der Hauptverwaltung der Lager der UdSSR untergeordnet und am Jahresbeginn 1950 aufgelöst.
Historische Deutungsversuche und Aufarbeitungen
Hinsichtlich der Phänomene und Funktionen der stalinistischen Sonderhaftanstalten in Deutschland entbrannten erste Dispute, als sich in der Nachkriegszeit der Eiserne Vorhang zwischen die westlichen und östlichen Teile Berlins, Deutschlands und Europas senkte. In den folgenden Dekaden des Kalten Krieges war das Thema der sowjetischen Sonderhaftanstalten ein Tabu in der DDR, geriet aber auch aus den Schlagzeilen in der Bundesrepublik. Erst nachdem die Mauer 1989 gefallen war, hob sich die bis dahin verordnete Schweigeglocke über der Geschichte der Speziellen Lager. So konnten ehemalige Gefangene ihre Erfahrungen bezeugen und sogar zur Entdeckung von einst stalinistisch angelegten und von der DDR verheimlichten Massengräbern beitragen.
Damals eskalierten erneut politische, gesellschaftliche, mediale und wissenschaftliche Kontroversen, die auch um folgende Fragen kreisten: Waren die sowjetischen Speziellen Lager in Ostdeutschland ein neuer Lagertyp? Entsprachen diese kommunistischen „Schweigelager“ anderen Haftlagern in der UdSSR? Glichen Stalins Spezielle Lager in Deutschland den Internierungslagern der westlichen Alliierten? Ähnelten sowjetische Haftlager den nationalsozialistischen Konzentrationslagern? Mit derlei Fragen verbanden sich weitere Auseinandersetzungen – etwa über den Opferstatus der Verfolgten, Toten und Überlebenden des Nationalsozialismus und des Stalinismus.
Da sich die sowjetischen Speziellen Lager und die Massengräber teils auf dem Gelände früherer nationalsozialistischer Konzentrationslager (Buchenwald, Jamlitz, Sachsenhausen), Kriegsgefangenenlager (Mühlberg, Fünfeichen) und Gefängnisse (Bautzen, Torgau) befanden, hat das vereinte, demokratische Deutschland eine brisante Aufgabe zu bewältigen: Gedenkstätten, Dokumentationszentren, Museen, Denkmäler und Friedhöfe an den authentischen Orten der Haftanstalten und der Massengräber sollen die Diktaturen des Nationalsozialismus und des Stalinismus aufarbeiten, dürfen dabei aber weder die Verbrechen des Dritten Reiches relativieren, noch die der UdSSR bagatellisieren.
Die Schwierigkeit historischer Vergleiche
Manchmal erfassen historische Vergleiche zwischen den Kriegsgefangenen-, Konzentrations- und Vernichtungslagern des Dritten Reiches und den Kriegsgefangenen-, Zwangsarbeits- und Speziellen Lagern der UdSSR zwar ähnliche Phänomene des Haftalltags. Allerdings differierten nationalsozialistische und stalinistische Festnahmeziele, Verwahrdauer, Lagerordnungen, Behandlung und Überlebenschance der Gefangenen zum Teil enorm. Im Kontrast zur erzwungenen Untätigkeit in den sowjetischen Speziellen Lagern standen die nationalsozialistischen Konzentrationslager in der Regel im Zusammenhang mit der geplanten und organisierten „Vernichtung durch Arbeit“. In der tödlichen Konsequenz unterschieden sich die Lager des Dritten Reiches von denen der UdSSR. Stalin ließ gewiss Hunderttausende Menschen erschießen, Millionen Gefangene foltern, bei Zwangsarbeit ausbeuten und durch unterlassene Hilfe sterben; aber er ließ nicht wie Hitler aus gesellschaftspolitischen, rassistischen oder religiösen Gründen „industriell-mechanisch“ Völkermorde in Vernichtungslagern und anderswo verüben.
Im Nachkriegsdeutschland standen die sowjetischen Sonderhaftanstalten zwar offiziell im Kontext der Entnazifizierung und der Internierungspolitik der Anti-Hitler-Koalition. Stalins Spezielle Lager unterschieden sich jedoch teils gewaltig von den Internierungslagern der westlichen Alliierten, etwa bezüglich der Verhaftungen, Insassenstrukturen, Verwahrfristen, Haftregimes, Verurteilungen, Behandlungen und Todesraten der Inhaftierten. Die westlichen Besatzungsmächte in Deutschland hatten vergleichsweise hohe Systemträger des Nationalsozialismus inhaftiert, relativ früh das Gros der Internierten auf strafrelevante Belastung überprüft und verurteilt oder entlassen. Die Lebensbedingungen der Internierten in den westlichen Besatzungszonen erschienen erträglicher, die Versorgung und Hygiene besser, die Isolation bald lockerer (durch Post, Besuche, etc.) und der Beschäftigungsmangel weniger zermürbend. Dadurch war die Mortalität der Gefangenen in den Internierungslagern westlicher Besatzungszonen weit unter jener in den Speziellen Lagern der Sowjetischen Okkupationszone.
Mancher Forscher vermutet das „Vorbild für die Lagerbedingungen in der SBZ“ bei den Speziellen Lagern (Überprüfungs-Filtrationslagern) auf dem Gebiet der UdSSR, in denen Stalins Regime jene Staatsangehörigen festhielt, die zuvor Gefangene im Feindesland waren oder angeblich mit Feinden kollaboriert hatten.
Andere erkennen ungefähre Vorläufer und Muster für jene Haftstätten eher bei der Hauptverwaltung der Lager, die für die Speziellen Lager in Ostdeutschland ab 1948 zuständig war.
Die bisher publizierten Versuche, den Charakter und die Funktionen der Speziellen Lager in Ostdeutschland über Parallelen und Differenzen zu anderen Lagerarten zu erfassen, stellten dabei keine Affinität zu historischen Vorbildern fest. Die Geschichtsschreibung, die diverse Haftsysteme der politischen Disziplinierung, Repression und Bestrafung vergleicht, konnte die Ursprünge und direkten Traditionslinien sowjetischer Sonderhaftanstalten nicht befriedigend enträtseln. Deshalb sind neue Studien und Debatten über die Ursachen, Entstehung, Organisation, Aufgaben und Traditionen außerordentlicher Haftstätten der UdSSR nötig.
Die Wurzeln der Sonderhaftanstalten in der Sowjetunion
Könnten historische Analogien von Kriegen, kommunistischen Machteroberungen, Revolutionen und außerordentlichen Hafteinrichtungen neue Perspektiven eröffnen? Wird ihre Geschichte in der Sowjetischen Okkupationszone in Deutschland plausibler, wenn man die Weltanschauungen und die gewalttätige Herrschaftsausübung der Bolschewiken seit ihrer Revolution im Oktober 1917 mit analysiert? Gab es Konstanten und Diskontinuitäten sowjetischer Feindbilder, Rechtsauffassungen, besonderer oder spezieller Lager(abteilungen) und Gefängnisse neben anderen Haftanstalten in Russland seit dem Bürgerkrieg und dem Kriegskommunismus unter der Führung Vladimir Lenins?
Jedenfalls wechselten schon im Ersten Weltkrieg viele Haftstätten und Zwangsarbeitsstellen in Russland seit dem Roten Oktober 1917 in die Verantwortung der Bolschewiken und mehrerer Volkskommissariate. Die Russländische Sozialistische Föderative Räterepublik (Räterussland) entließ zwar partiell die Angehörigen feindlicher Staaten nach dem Frieden von Brest-Litovsk 1918,
Die Bolschewiken um Lenin ächteten alle zaristischen und bürgerlichen Gesetze, Gerichte sowie etwaige Rechtsstaatlichkeit. Es galten nur noch die parteipolitische, „revolutionäre“ Moral und Gesetzlichkeit sowie das „revolutionäre Gewissen".
Räterussland hatte unter verschiedenen Institutionen mehrere, immer wieder umstrukturierte Haftsysteme mit vielen diversen Stätten des Freiheitsentzuges. Demgemäß waren auch die relativ wenigen Sonderhaftanstalten nicht homogen benannt, eingerichtet und betrieben. Sie hatten – im Vergleich zu den übrigen Einrichtungen der Gefangenschaft – eigene Funktionen, Haftordnungen und Weggesperrte. Darüber bestimmten höhere Parteiorgane der Bolschewiken, Regierungsinstanzen wie die Volkskommissariate oder andere Verfassungsgremien wie die Deputiertenräte. Insofern durfte nicht jeder Subapparat über die Entstehung, Organisationen, Aufgaben und Verwendung der Sonderhaftanstalten entscheiden.
Das Volkskommissariat der Justiz hatte eine sehr harsche Haftordnung in seinen Speziellen Gefängnissen (Isolatoren) betreffs „unverbesserlicher“ oder rückfälliger Sträflinge. Noch brutaler war das Haftregime in den Inneren Gefängnissen und Kerkern, in denen außerordentliche Organe tatsächliche oder fiktive Feinde und als „Schädlinge“ bezeichnete Menschen isolierten, verhörten, folterten und ermordeten.
Die Besonderen Lager und Speziellen Gefängnisse (Isolatoren) waren also nicht primär dazu bestimmt, Inhaftierte zu töten, zu martern oder bei Zwangsarbeit auszupressen. Sie hatten vielmehr die Funktion, die Gefangenen militärisch, politisch, sozial, ökonomisch oder kulturell "unschädlich" zu machen – also total "auszuschalten" –, zumindest, bis sich die Herrschaft der Bolschewiken durchgesetzt haben würde. Jene betrieben auf der Hauptinsel im Weißen Meer ab 1920 auch ein "Lager zur speziellen Verwendung".
Nach dem Bürgerkrieg formte Räterussland seine Besonderen und Speziellen Lager in andere Haftstätten um. Als die Bolschewiken ihre UdSSR am Ende des Jahres 1922 gründeten, reorganisierten sie alle Systeme des Freiheitsentzuges.
Traditionslinien und Varianten sowjetischer Sonderhaftanstalten
Transferierte also Stalins Administration im Zweiten Weltkrieg außerordentliche Haftanstalten in den Jahren 1939 bis 1941 und ab 1944 in die für die UdSSR sowie ihre Satellitenstaaten okkupierten oder annektierten Territorien? Bildeten besondere oder spezielle Lager(abteilungen) und Innere Gefängnisse nicht nur in Ostdeutschland, sondern in ganz Ost(mittel)europa ein wichtiges Fundament, um Macht zu ergreifen, zu stabilisieren und die Revolution zu sichern? Dienten die Sonderhaftanstalten der Stalinisten dazu, wahrgenommene Feinde zu inhaftieren und die kommunistische Gewaltherrschaft und ihre Terrorordnung auszudehnen?
Nach dem Hitler-Stalin-Pakt und dem Angriff auf Polen 1939 betrieb die Verwaltung der Kriegsgefangenen und Internierten beim Innenkommissariat der UdSSR in Weißrussland und der Ukraine neben herkömmlichen Haftstätten auch Besondere Lager. Letztere schalteten bis 1940/41 gleichsam potenziell „reaktionäre“ Systemträger aus Politik, Verwaltung, (Para-)Militär und Polizei Polens sowie Lettlands, Litauens, Estlands und Bessarabiens (Moldawiens) aus. Somit dienten jene Besonderen Lager (und ab 1941 neue Spezielle Lager) des Innenkommissariats der UdSSR einer Kette von Zielen: Kombattanten und Zivilisten zu isolieren und zu unterdrücken, dadurch die Annexionen Ostpolens, des Baltikums sowie Bessarabiens mit zu sichern und dort die künftige Rätemacht und die neuen Staatsgrenzen der UdSSR mit zu schützen.
Die Annexionen und übrigen Völkerrechtsbrüche bildeten einen scharfen Kontrast zu dem von Stalin einst ausgerufenen „Sozialismus in einem Land“. Faktisch trug der Stalinismus den Vorgeschmack auf die kommunistische Weltrevolution und den Nachgeschmack des „Großen Terrors“ wie Exportprodukte aus der UdSSR in die einverleibten Länder hinaus. Da die Führung der Bolschewiken ihre polnischen Kriegs- und Zivilgefangenen als politisch undisziplinierbare Feinde betrachtete, erschossen die Terrororgane der UdSSR im Jahr 1940 rund 22.000 Häftlinge außerhalb der Besonderen Lager, teils in speziellen Gefängnissen. Die Leichen wurden anonym in mehreren Massengräbern an damals geheimen Orten verscharrt. Der Verdacht liegt nahe, dass den politischen, administrativen, (para)militärischen und anderen Funktionären des Baltikums sowie Bessarabiens, die als Internierte im Jahr 1941 in bisher für die Polen genutzte Besondere Lager, Innere Gefängnisse und in neue Spezielle Lager gerieten, ebenfalls ein tödliches Schicksal drohte.
Stalin stellte die nazistische Aggression als antisowjetische Konterrevolution mit historischen Parallelen zur früheren ausländischen Militärintervention im Bürgerkrieg Russlands dar.
Für sie errichteten die (Haupt)Verwaltung der Kriegsgefangenen und Internierten sowie die Hauptverwaltung der Lager des Innenkommissariats der UdSSR ihre Besonderen und Speziellen Lager
Überdies halfen die außerordentlichen Haftstätten, die Rätemacht der Kommunisten zu mehren und zu erhalten sowie ihre Revolution gleichsam zu exportieren. Als die Rote Armee über Bulgarien, Jugoslawien, Rumänien, Transsilvanien, Ungarn, Polen und die Tschechoslowakei näher an das Dritte Reich rückte, „säuberten“ sowjetische Straforgane befehlsgemäß ihr Fronthinterland. Dabei nahmen sie zwischen Januar und April 1945 mindestens 215.540 Zivilisten und Kriegsgefangene fest. Darunter waren 138.200 Reichs- und Volksdeutsche, 38.660 Polen, 27.880 Staatsbürger der UdSSR und rund 10.800 Angehörige anderer Länder. In jenen drei Monaten deportierten Stalins Terrorapparate 148.540 potenzielle „Feindelemente“, die Kombattanten feindlicher Staaten und andere tatsächliche oder vermeintliche antisowjetische Gefährder, in verschiedene Haftstätten in der UdSSR. 5.000 Menschen waren während der „Säuberung“ oder Verschleppung in Ost- und Mitteleuropa verstorben und 62.000 Personen noch in den sowjetischen Frontlagern sowie Frontgefängnissen inhaftiert.
Export und Re-Import sowjetischer Sonderhaftanstalten
Noch im Zweiten Weltkrieg transferierte die UdSSR mehrere Repressionsinstanzen, ihre Lager, Gefängnisse und sonstigen Kerker um und auf das Territorium Deutschlands. Zwei Tage nach der deutschen Kapitulation im Mai 1945 gab das Innenkommissariat der UdSSR seinen Frontbevollmächtigten vor, wie sie 14 Lager, 3 Lager-Gefängnisse und 11 reine Gefängnisse zu verteilen und zu organisieren hätten. Diese lagen im Hinterland der
Ersten Weißrussischen Front – in Danzig, Fürstenwalde, Kraków, Landsberg/ Warthe, Łódź, Poznań, Rembertów, Schneidemühl, Schwiebus und Werneuchen;
Zweiten Weißrussischen Front – in Gollnow, Graudenz und Stargard;
Dritten Weißrussischen Front – in Bartenstein, Domtau, Insterburg, Königsberg, Panart, Preußisch Eylau und Tapiau;
Ersten Ukrainischen Front – in Oppeln, Rawicz und Tost;
und der Vierten Ukrainischen Front – in Bielsko, Myśłowice, Ratibor, Ružomberok und Wadowice.
In der Sowjetischen Okkupationszone in Deutschland waren im Juni 1945 zunächst acht Spezielle Lager errichtet worden.
„Nazi-Führer, einflussreiche Nazi-Anhänger und hohe Amtsträger der Nazi-Organisationen bzw. Einrichtungen sowie alle anderen für die Besatzung oder ihre Ziele gefährlichen Personen werden festgenommen und interniert.“
Die Alliierten hofften, deutsche Kriegsverbrecher „einem baldigen und gerechten Gericht zu übergeben“, und behielten sich vor, auch potentiell gefährliche Deutsche, die keines tatsächlichen Verbrechens schuldig waren, zu internieren und zu kontrollieren.
Vor diesem internationalen Hintergrund unterstützten die Speziellen Lager, Inneren Gefängnisse und Kerker in Ostdeutschland auch das sowjetische Konzept der „antifaschistisch-demokratischen Umwälzung“. So umschrieben Stalinisten das Ziel ihrer Revolution mit der Entnazifizierung, dem Aufbau eines sozialistischen Räteregimes, der sozioökonomischen (aber nicht politischen) Demokratisierung in Verbindung mit der Demilitarisierung sowie den Entkartellierungen, Demontagen und sonstigen Reparationen.
Schon seit dem Bürgerkrieg und dem Kriegskommunismus in Räterussland setzten die außerordentlichen Organe in ihren Inneren Gefängnissen und sonstigen Kerkern die Postulate vom „Roten Terror“ extralegal und radikal um. Der Horror ging bis zu scheinbaren oder wirklichen Exekutionen und grausamsten Massakern.
Die zusätzlich abschreckende Pseudojurisdiktion bis hin zur Todesstrafe betrieben Militärtribunale in Ostdeutschland und administrative, außergerichtliche Sonderberatungen in der UdSSR (siehe oben), die ebenfalls im Leninismus wurzelten und im Stalinismus Tradition hatten. Insgesamt verstärkte das von 1945 bis 1948 territorial und institutionell separate System der Speziellen Lager, Inneren Gefängnisse und Kerker in Ostdeutschland die Arbeitsteilung in der „sozialen Prophylaxe“
Die sowjetischen Sonderhaftanstalten in Ostdeutschland waren also Teil eines komplexen Maßnahmenbündels, deren einzelne Phasen man nicht von der parallelen Geschichte in der UdSSR trennen darf. Als die Hauptverwaltung der Lager eine Gruppe der Besonderen Lager und Gefängnisse in der UdSSR ab 1948 aufbaute, integrierte sie die bereits vorhandenen Besonderen oder Speziellen Lager, Regime- und "Katorgalager". Die Sonderhaftanstalten gehörten zu riesigen Lagerkomplexen der Zwangsarbeit.
Unter anderem ließ Stalin erbeutete Wirtschaftseinrichtungen demontieren und neben vielen Inhaftierten in die UdSSR verfrachten.
Stalins Regime ließ die Sowjetische Okkupationszone in Deutschland im Herbst 1949 zur Deutschen Demokratischen Republik transformieren. Dort liquidierte es Anfang 1950 zwar die drei letzten Speziellen Lager und gab etwa 15.000 der rund 30.000 Festgehaltenen frei. Aber zugleich trat die Sowjetunion ihre Lagereinrichtungen sowie etwa 14.000 Inhaftierte an die junge DDR ab (siehe oben). Straforgane deportierten weiterhin Gefangene in die UdSSR. Zudem verhängten das Militärtribunal der Gruppe der Sowjetischen Okkupationstruppen in Deutschland sowie administrative, außergerichtliche Sonderberatungen in der UdSSR die ab Januar 1950 reaktivierte Todesstrafe. Die Kriegsjurisdiktion ließ ihr „Höchstes Strafmaß“ jedoch nur noch bis 1953 in Moskau vollstrecken.
Zitierweise: Alexander Heinert, "Ein dunkles Kapitel: Sowjetische Sonderhaftanstalten in Ostdeutschland", in: Deutschland Archiv, 09.09.2021, Link: Externer Link: www.bpb.de/339546.
Ergänzend zum Thema:
- Jörg Echternkamp,
-
- Steffen Alisch,
Weitere Inhalte
Alexander Heinert wirkt derzeit als wissenschaftlicher Mitarbeiter im Forschungsverbund SED-Staat an der Freien Universität Berlin. Zuvor war er an mehreren authentischen Erinnerungsorten zur Geschichte der Diktaturen und Haftanstalten in Ostdeutschland tätig: in der Gedenk- und Begegnungsstätte Leistikowstraße 1 in Potsdam, dann in der Gedenkstätte und dem Museum Sachsenhausen sowie in der Gedenkstätte Bautzen.
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