Volkswirtschaft günstig zu erwerben! Der Corona-Schock für die Wirtschaft hat Börsenwerte auch deutscher Aktien zeitweise um 30, 40 Prozent fallen lassen. Wer jetzt bei Tiefpreisen kauft, bekommt schönen Rabatt für hochwertige Ware. Interessenten für deutsche Unternehmen, vor allem die aus der Hightech-Branche, gibt es weltweit viele, und sie halten schon länger Ausschau – Staatskonzerne aus China, norwegische Staatsfonds, amerikanische Pensionsfonds und so fort. Sie müssen die Billionen ihrer Anteilseigner anlegen.
Deutsche Firmen gehören zum Besten im Regal. Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) machte klar: "Wir werden einen Ausverkauf deutscher Wirtschafts- und Industrieinteressen verhindern." Die Grüne Franziska Brantner erinnerte an chinesische Einkaufstouren in Europa während der Finanzkrise.
Wie wird die deutsche Wirtschaft aussehen in ein bis zwei Jahren? Und wie die europäische? An wen werden dann die Werte abfließen, die Arbeitnehmer schaffen?
1990: Deutsche Volkswirtschaft auf dem Ramschtisch
Nach 1990 lag schon einmal eine deutsche Volkswirtschaft auf dem Ramschtisch. Damals agierte keine höhere Gewalt wie das Corona-Virus, und doch lassen sich Parallelen erkennen. Vor allem hilft die Erinnerung, nicht die Fehler von damals zu wiederholen. Dazu gehört es, diese zumindest zu benennen, Alternativen zu prüfen und Ideen zu entwickeln.
Nach 1990 wirkten ausschließlich Menschen auf den Lauf der Dinge: Erst stellten die DDR-Bürger mit der millionenfach vorgetragenen klaren Forderung nach einer tiefgreifenden Reform ihres Landes die existierenden Verhältnisse, auch die wirtschaftlichen, infrage. Dann erkannten die politischen Führer der Bundesrepublik die Chance, mit "Deutschland eilig Vaterland" die DDR samt ihrer ökonomischen Basis zu beseitigen. Die demokratische Legitimation erhielten sie mit den beiden Wahlen des Jahres 1990. So weit, so folgerichtig.
Demos für Umtauschkurse
Im Frühjahr 1990 mussten die Leute nicht mehr für Reisefreiheit auf die Straße gehen, die Grenzen standen ja offen – aber es fehlte das Geld, um die neuen Optionen auszukosten. Jetzt demonstrierten sie für Umtauschkurse. "1 zu 1" lautete die Forderung in der kurzen Zeit bis zur Währungsunion. Die noch amtierenden DDR-Wirtschaftskapitäne, darunter Kombinatsdirektoren und Staatssekretäre, warnten: Kein DDR-Betrieb würde die 1:1-Löhne in Westmark zahlen können, ohne umgehend pleite zu sein. Die Märkte in Osteuropa, vor allem in der Sowjetunion würden unter den neuen Umständen wegbrechen.
Doch niemand wollte das hören. Die Millionen, die gerade noch "Wir sind das Volk" gerufen hatten, verdrängten das mulmige Gefühl, es werde Schlimmes folgen. Der Umbau Ost kam quasi schicksalhaft über das Land. Das Schicksal hieß Treuhand.
Ihr Auftrag lautete: Die DDR-Wirtschaft wegprivatisieren, so schnell wie möglich. Die politischen Schlachten, die um das Vorgehen tobten, kennt die Öffentlichkeit nur in Ansätzen, die Archive öffnen sich erst nach dreißig Jahren Stück für Stück für die Forschung. Aber schon seinerzeit versuchten Leute aus dem Westen, den hemmungslosen Ausverkauf zu bremsen. Detlev Rohwedder, Chef der Treuhand bis 1991, gehörte zu ihnen.
Der Ausverkauf war gewollt
Von der letzten Volkskammer in die Treuhandspitze delegierte DDR-Wirtschaftsexperten fanden sich sehr bald nach der Wiedervereinigung vor die Tür gesetzt. Genannt sei Karl Döring, Vorstandsvorsitzender der EKO Stahl AG Eisenhüttenstadt, vormals Generaldirektor des volkseigenen Kombinats, wurde im Juli 1990 zum Vize-Chef des Treuhand-Verwaltungsrates berufen. Schon im November 1990 war er entsorgt.
Rückblickend muss man sagen: Der Ausverkauf war gewollt. Dem Wählerwillen entsprach die Abwicklung der DDR-Wirtschaft nicht. Faktisch lief die Deindustrialisierung des sogenannten Beitrittsgebietes auf eine Fortsetzung des Kalten Krieges mit ökonomischen Mitteln hinaus. Die rechtskonservative Regierung Helmut Kohl ergriff die einzigartige Chance, das jahrzehntelang bekämpfte System im östlichen Teil Deutschlands mit Stumpf und Stiel zu beseitigen. Warten wir ab, was Zeithistoriker in zehn Jahren zu dieser These sagen.
Alternativlos war das Verfahren ganz sicher nicht.
"Sanieren vor Privatisieren"
Am 12. Januar 1990 machte die Oppositionsgruppe Demokratie Jetzt am Runden Tisch den Vorschlag, das DDR-Volkseigentum in die Hände der verfassungsmäßigen Eigentümer zu überführen – durch die Ausgabe von Anteilsscheinen. Eine Art Privatisierung in maximaler Breite, die den basisdemokratischen Schwung der Wende hätte aufnehmen können. Und eine unerträgliche Vorstellung für die westlichen Kontrollfreaks.
Die Idee wurde noch in den am 17. Mai verabschiedeten Staatsvertrag zur Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion mit aufgenommen. Als Möglichkeit. Doch das Treuhandgesetz – von der ersten frei gewählten Volkskammer am 17. Juni verabschiedet – verwarf diese Möglichkeit. Damals beobachteten PDS-Parlamentarier wie Christa Luft hinter den meisten Abgeordneten der Regierungsparteien mehrere Berater aus dem Westen, die den Betreuten dringend die Privatisierungsvariante empfahlen – unumgänglich im Interesse der Nation. Alternativlos.
Polen und die Tschechoslowakei wagten den Weg über Anteilsscheine. Es entstand eine Art Volkskapitalismus und clevere Oligarchen traten auf. Die tschechische Wirtschaft entwickelten sich erstaunlich gut. Allerdings leiden Tschechien wie die Slowakei unter korrupten Regierungen. In der Slowakei wurde der Investigativ-Journalist Jan Kuciak ermordet, nachdem er mafiöse Strukturen und Vetternwirtschaft aufgedeckt hatte. Andererseits hatten die Bürger weniger Grund zu der Klage, der Staat habe ihnen Teilhabemöglichkeiten entzogen.
Als weitere Möglichkeit stand im Osten Deutschlands die zeitweilige Übernahme von Betrieben in Staatseigentum im Raum, damals unter dem Motto "Sanieren vor Privatisieren" diskutiert. Diese Idee folgte dem Gedanken, den Umstellungsschock nach der 1:1-Währungsunion finanziell zu dämpfen, die Werke zu modernisieren, sicherlich auch die Belegschaften zu reduzieren – und dann den Neustart zu versuchen. Geht nicht, hieß es damals, unter anderem mit dem Argument, der bundesdeutsche Staat verfüge nicht über einschlägige Erfahrungen bei der Übernahme von Großunternehmen in Staatseigentum. Eine Lüge.
Ein prominentes Beispiel ist BMW. Ein anderes Volkswagen: Der nationalsozialistische Staat verwendete das 1933 beschlagnahmte Gewerkschaftsvermögen für die Gründung einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung, die den KdF-Wagen (benannt nach der Nazi-Freizeitorganisation Kraft durch Freude) bauen sollte. Nach 1945 übernahm der bundesdeutsche Staat die Automobilfabrik. Bis 1960 blieb sie Staatseigentum. Bei der Umwandlung in eine Aktiengesellschaft setzte sich der Staat in Gestalt des Landes Niedersachsen als größter Einzelaktionär ein. Das Verfahren lief wirtschaftlich erfolgreich. Für den Erhalt von DDR-Betrieben, womöglich unter Einbeziehung lokaler Kompetenz, mochten es die West-Gestalter der Einheit nicht in Betracht ziehen.