"Ich bin Jude, ich darf das" – in seiner Comedy-Show feiert Oliver Polak mit Witzen über seine Kindheit als Jude in Deutschland und über die deutsche NS-Vergangenheit große Erfolge. Woher kommt das plötzliche Interesse des deutschen Publikums an jüdischem Humor, und welche Erscheinungsformen kennzeichnen diese Unterhaltungsform?
Ein dunkelhaariger junger Mann mit blauer Jogginghose betritt das Podium, kneift scheinbar kurzsichtig die Augen zu, fuchtelt nervös mit den Händen und nuschelt schwer verständlich ins Mikrofon: "Ich bin Jude. Ihr müsst trotzdem nur lachen, wenn ihr’s witzig findet." Oliver Polak aus Papenburg im deutschen Norden, dessen Vorfahren ein Konzentrationslager überlebt haben, feiert seit 2006 mit hochgradig ironischen Witzen über seine Kindheit als Jude in Deutschland und über die deutsche NS-Vergangenheit große Erfolge beim deutschen Publikum. Seine gewagten Shows wie "Ich bin Jude, ich darf das" und "Jud süß-sauer", bei denen auch mal KZ-Witze gerissen oder Bofrost-Lieferanten per Laserbeam Schläfenlöckchen angezaubert werden, erfreuen sich wachsender Beliebtheit. Polak bricht mit Tabus, lässt kein Fettnäpfchen der political correctness aus, bringt seine Zuhörer gleichzeitig zum Lachen und zur Schamröte und sagt selbst, dass er es "nur für’s Geld" mache. Doch woher kommt das plötzliche Interesse des deutschen Publikums an jüdischem Humor, oder, wie Polak definiert, an "jüdischer Standup-Comedy", und welche besonderen Erscheinungsweisen sind für diese Unterhaltungsform typisch?
Der Begriff "jüdischer Humor" ist verhältnismäßig jung. Die Literaturwissenschaftlerin Salcia Landmann hat diesen Begriff 1960 in ihrem – rasch zum Bestseller avancierten – Buch "Der jüdische Witz. Soziologie und Sammlung" geprägt. Landmann unterscheidet den "jüdischen Witz" vom "jiddischen Witz". Die Unterscheidung mag nur marginal erscheinen, bedeutet jedoch für Landmann eine einschneidende Veränderung. Unter dem "jiddischen" Witz versteht sie – wie auch ihre Zeit – einen Witz in jiddischer Sprache, wohingegen der "jüdische" Witz meist in Hochdeutsch verfasst werde. Durch die Anwendung des Hochdeutschen werde Landmann zufolge eine neue Ebene des (Selbst-)Verständnisses geschaffen. Der jüdische Witz sei nicht einfach ein vormals "jiddischer" Witz, ins Hochdeutsche übersetzt, vielmehr fände durch die Verwendung des Hochdeutschen eine bewusste Positionierung statt, die eine stärkere kulturelle Identifikation mit Deutschland beweise. Landmanns Theorien wurden in den 1960er- und 70er-Jahren stark kritisiert, und man machte ihr zum Vorwurf, dass sie den jüdischen Witz schädige oder sogar abschaffen wolle. Landmanns bekanntester Kritiker Friedrich Torberg vertrat die Meinung, dass der "jüdische" Witz zugleich auch ein "jiddischer" Witz sein müsse, da in der Übersetzung Spezifisches verloren ginge. Der "jiddische" Witz galt also manchen als die Urform und die einzig authentische Form jüdischen Humors, da mit diesem auch die Sprachebene gewahrt bliebe und zudem durch einige unübersetzbare Ausdrücke des Jiddischen eine Intimität des Verständnisses geschaffen werde, die in der Übersetzung verloren ginge. Wie könnte man auch Begriffe wie "Chuzpé", "Megillah" oder "Shmendrik" adäquat übersetzen? Das kritische Argument, dass mit der Übersetzung ins Hochdeutsche zugleich ein wesentliches Element jüdischen Humors, das von manchen als das Eigentliche verstanden wird, wegfiele, scheint nicht ganz plausibel zu sein, da nicht nur einzelne Begriffe, sondern das kulturelle Assoziationsumfeld dieser Begriffe maßgeblich sind für das Gelingen – und Verstehen – eines Witzes.
Landmann und ihre Kritiker blieben sich nur in einem Punkt einig: Der "jüdische" (oder jiddische) Witz und der "Judenwitz" seien doch gänzlich unterschiedliche Gattungen und dürften nicht verwechselt werden. Während der sogenannte "jüdische" (jiddische) Witz die kulturellen Selbstverständnisse jüdischer Bürger in oft liebenswürdiger Weise ironisiere, betreibe der "Judenwitz" massive Verhöhnung und Diffamierung. Den "Judenwitz" hat Sigmund Freud bereits 1905 in seiner psychoanalytischen Untersuchung zum Verhältnis von Witzen und dem Unterbewussten als brutale Form des Lächerlich-Machens definiert. Freuds Untersuchung traf bereits damals einen neuralgischen Punkt in der Gesellschaft: Der "jüdische Witz" war ein stark diskutiertes Thema, wie einschlägige Monografien beweisen. 1909 verfasste Edmund Edel unter dem Titel "Der Witz der Juden" in Berlin das erste Kompendium jüdischer Witze für den deutschsprachigen Buchmarkt, doch diese umfangreiche Zusammenstellung ging bereits auf weitaus ältere Quellen zurück, so auf "Das Schabbes-Gärtle von unnere Leut" von Itzig Feitel aus Meißen (1832) oder auf "Perobeln und Schnoukes fer unnere Leit" von demselben aus dem Jahr 1852. Was Feitel und andere an Witzen und Scharaden zusammengestellt hatten, wurde erst rund 50 Jahre später durch Kompendien wie jenes von Edmund Edel und durch Zitate jüdischer Witze in Humorzeitschriften wie dem "Kladderadatsch" der Kaiserzeit einem breiten Leserpublikum zugänglich. Freuds Kritik am "Judenwitz" als Ausgrenzungsform ist insofern bezeichnend, als zeitgleich mit dessen größerer Verbreitung auch antisemitische Tendenzen diskutiert wurden.
Da der "Judenwitz" also inakzeptabel ist, der "jüdische" Witz jedoch, wie die Landmann-Debatte beweist, sehr umstritten bleibt, blieb es lange Zeit recht still um diese Facette des Humors in Deutschland.
Lediglich der in Israel lebende gebürtige Ungar Ephraim Kishon hatte in der Nachkriegszeit seinen Weg auf deutsche Belletristiklisten – und in viele Wohnzimmer – geschafft, insbesondere mit seinen lebensnahen ironischen Familienschilderungen von der "besten Ehefrau von allen" und dem rothaarigen Sohn Amir, der die Geduld der liebenden Eltern zuweilen gewaltig strapazierte. Doch auch Kishon ging in einem seiner satirischen Essays der Frage, was eigentlich jüdischer Humor sei, vergeblich nach und blieb die Antwort schuldig. Mit jüdischem Humor konnten viele Deutsche jahrzehntelang nichts anfangen, lediglich Allan Stewart Konigsberg, besser bekannt als der US-Regisseur und Filmkomiker Woody Allen war manchen Intellektuellen bekannt, und dies auch oft nur im Rahmen eines sehr spezifischen Verständnisses von Humor im Spiegel von Großstadtmythen, Neurosen und Lustängsten – Themen, die humoristische Aspekte haben, aber so "allzu menschlich" sind, dass sie auch interkulturell und interreligiös gelten. Woody Allens Humor macht sich nicht über die Mitmenschen lustig, sondern über die Absurdität des Lebens, insofern kann man ihm eine gewisse philosophische Note nicht absprechen.
Ein typischer Allen-Witz schlägt einen Bogen vom Höchsten zum Niedrigsten, weckt hohe Erwartungen, um sie brüsk abfallen zu lassen, er beginnt bei Universalien und bricht sie herunter auf Bagatellen, etwa so: "Nicht nur gibt es keinen Gott, sondern versuchen Sie mal, am Wochenende einen Klempner zu bekommen."
Wenn man nun Woody Allens Art von Humor als charakteristisch für den jüdischen Humor und zudem als philosophisch betrachtet, so stünde der jüdische Humor kategorisch der antiken Philosophenschule der Zyniker nahe, welche ähnlich unvoreingenommen hohe Erwartungen, namentlich an Religion und ethische Werte, brüskierten. Doch stimmt das? Widerspruch zum zynisch-agnostischen Witz regt sich gerade heute beim zeitgenössischen Regisseur Dani Levy, der dem "Zeit-Magazin" sagte, Komödien gehörten "in den Bereich der Erlösung". Hierbei erinnert Levy an die prinzipielle Ähnlichkeit von Komödie und Tragödie, indem er betont, dass zum Verfassen von satirischen ähnlich tragischen Stücken eine profunde Kenntnis der Gesellschaft und ihrer herrschenden Regeln gehöre, indem beide Genres das Scheitern ihrer Hauptfiguren darstellten, einmal humorvoll – in der Komödie –, dann wieder schmerzvoll-leidhaft – in der Tragödie. Die relative Nähe von Scherz und Leiden ist hierbei keine neue Idee Levys und auch keine Besonderheit des jüdischen Humors, sondern war als Gedanke bereits zu Platons Zeiten ein Allgemeingut. Im platonischen Dialog "Das Gastmahl", der die Liebe und die Rolle der Künste thematisiert, diskutiert Sokrates nach dem Bericht des Aristodemos über die Begabung des Schriftstellers und behauptet in einem provokanten Satz, dass ein guter Komödiendichter auch unbedingt ein guter Tragödiendichter sein müsse und umgekehrt. Denn, so argumentiert Sokrates, die Extremzustände der menschlichen Seele lägen immer nah beieinander, und so könne Lachen in Weinen übergehen und Weinen in Lachen, und wer ein guter Beobachter und Seelenkenner sei (das hält er für die conditio sine qua non eines guten Schriftstellers), kenne die Bedingungen für beides. Ähnlich argumentiert heute auch Levy, wobei er dem jüdischen Humor eine Spezialbedeutung zukommen lässt, die Sokrates freilich nicht im Blick hatte: Levy bezeichnet den jüdischen Humor als "Loser-Humor", der von Unterdrückten berichte, die sich mittels Humors eine situative Erleichterung der Unterdrückung, ja sogar – in Levys Terminologie – eine Art von Erlösung verschafften.
Die Kontroversen von Landmann/Torberg und die aktuelle Frage nach der Selbstverortung jüdischen Humors – als Zynismus bei Allen oder als "Erlösung", wie Levy formuliert – zeigen, wie schwierig dieses Phänomen bleibt. Jüdischer Humor in Deutschland – weitestgehend unbekannt. Bis ein junger Papenburger auf der Bühne Schäferhunde mit SS-Mützen und Davidsternen verkleidete und verkündete: "Ich bin Jude, ich darf das." Fakt ist: Polak füllt mit seinen Comedy-Programmen eine Lücke, denn jüdischer Humor wurde in der deutschen Nachkriegszeit kaum angeboten und nachgefragt. Doch die Art und Weise, wie er seit 2006 jüdischen Humor in Deutschland präsentiert, ist in mehrfacher Hinsicht außergewöhnlich und somit auch eine Untersuchung wert, welche Rückschlüsse zulässt.
Auffällig ist zunächst, dass Polaks Humor selten dialogisch gestaltet ist. Polak sagt selbst, dass seine großen Vorbilder amerikanische Standup-Comedians wie Sarah Silverman seien, die für ihre Monologe bekannt sind. Die amerikanische Tradition des Standup-Humors – ein Alleinunterhalter, der vor Publikum spricht – ist mittlerweile in Deutschland von so unterschiedlichen Komikern wie Anke Engelke, Mira Boes oder Ilka Bessin ("Cindy aus Marzahn") übernommen worden. Doch Polak bricht mit der Übernahme des amerikanischen Konzepts der Standup-Comedy zugleich mit einer Tradition dessen, was Landmann als den jüdischen Humor definierte: Dieser sei – unabhängig von der Sprache, wenn wir die Landmann-Torberg-Debatte des "Jiddischen" außen vor lassen – vorrangig dialogisch. Im "traditionellen" jüdischen Witz geht es häufig darum, wie Figuren mit Übernamen wie Kohn und Levy in witzigen Dialogen ihre Alltagsverständnisse beweisen. So fragt etwa Kohn den Levy im Museum für moderne Kunst: "Levy, ist das ein Porträt oder eine Landschaft?", und der Levy antwortet: "Kohn, das ist doch einfach. Da steht 'Mandelbaum in der Toskana' – also ein Porträt." Durch witzige Dialoge wie diese würde Landmann zufolge das kulturelle Selbst- und Fremdverständnis jüdischer Bürger zum einen dokumentiert, zum anderen ironisch gebrochen, und zuletzt, so möchte ich ergänzen, in einer hermeneutischen Kehrtwendung – die Dialogpartner bleiben unter sich – zurückgeführt. Ich nenne diese Kehrtwendung "hermeneutisch", da die Dialogpartner jüdische Bürger sind und das Verständnis ihrer Dialoge – das, was uns eigentlich zum Lachen bringt – ein Verständnis von jüdischer Lebenswelt voraussetzt. So könnte jemand, der nicht weiß, dass viele jüdische Bürger in Deutschland Familiennamen mit Bezügen auf Bäume oder Blumen haben, den genannten Witz von Kohn und Levy gar nicht verstehen. Das Verständnis der Pointe des dialogischen Witzes setzt also beim Zuhörer eine sichere Kenntnis, zumindest eine orientierende Vorbefassung mit den Gegebenheiten und Konstrukten jüdischer Kultur in Deutschland voraus. Denn auch in diesem Punkt hat Freud mit seiner Kritik Recht behalten: Ein Witz ist dann nicht mehr witzig, wenn man ihn "erklären" muss.
Bei Polaks Comedy-Auftritten hingegen findet zumeist kein Dialog mehr statt, und auch das Vorverständnis beim Zuhörer wird nicht mehr zwingend vorausgesetzt. Der Standup-Comedian monologisiert und macht gerade die relative Unkenntnis seines Publikums zum zusätzlichen humoristischen Faktor, zum "Witz im Witz". Es drängt sich der Eindruck auf, dass die weitestgehende Unvertrautheit des deutschen Publikums mit jüdischer Kultur gerade der entscheidende Schlüssel zur Beliebtheit von Polaks Shows sein könnte. Dabei ist der Komiker nicht nur auf ein deutsches Publikum festgelegt. Er tritt auch mal bei der Bar-Mitzwah eines jüdischen Jungen auf, wenn dieser sich zur Feier des Tages beim Papa einen ganz besonderen Entertainer wünscht. Aber in der Hauptsache schreibt und spricht Polak doch für ein nicht jüdisches Publikum und fragt provokant, was wäre, wenn wir alle jüdisch seien: "Auch du und du und du, du gehörst dazu!"
Der Aspekt des vermeintlich Fremden und der kulturellen Verständigung – und mitunter auch des Kulturschocks – ist also bei Polaks Auftritten immer gegenwärtig und könnte ein Motiv für sein humoristisches Werk sein. Wobei die kulturelle Verständigung weit gefasst ist und nicht nur deutsch-jüdische Tabus bricht, sondern souverän auch mit Klischees über ausländische Bürger spielt. Bezeichnend ist ein Auftritt Polaks, bei dem dieser dem türkischstämmigen Achmed erklären will, was jüdischer Humor sei, und ihm vorschlägt, Witze über seine Mutter zu machen, was eine beliebte Witzkategorie beim jüdischen Humor sei. Die Reaktion: Achmed droht ihm kurzerhand Prügel an, wenn er es wagt, seine Mutter lächerlich zu machen. – Diese kleine Szene kann verdeutlichen, dass Humor tatsächlich einen kulturell aufdeckenden Charakter birgt, indem er kulturspezifische Werte (und ihre ironischen Seiten) zum Ausdruck bringt. Der Witz hat nicht nur, wie Freud bereits in seiner Studie von 1905 feststellte, eine Beziehung zum individuellen Unterbewussten, sondern auch einen Bezug zu sozial geteilten kulturellen Werten, die ihrerseits Tabus begründen können. Für einen traditionell erzogenen muslimischen Mann kann Kritik an der eigenen Mutter nach wie vor eine schwere Beleidigung darstellen, während Witze über die "Mame", die mit ihrer distanzlosen Allgegenwart auch den erwachsenen Kindern noch gewaltig auf die Nerven geht, in der jüdischen Kultur sehr beliebt sind.
Humor als Kulturbrücke, zur Völkerverständigung? Die Kulturwissenschaftlerin Mareike Albers vertritt tatsächlich diese Auffassung und weist insbesondere auf die Bedeutung von Polaks Spiel mit Klischees hin, welches eine vertiefte Aufmerksamkeit für jüdische Kultur in Deutschland bewirken würde. Das Spiel mit Klischees ist jedoch keine Besonderheit von Polak. Auch andere bekannte Komiker kokettieren erfolgreich mit angedichteten Stereotypen über bestimmte Bevölkerungsgruppen – seien es Frauen, Beamte, Lehrer, Politiker oder Porschefahrer. Klischees über jüdische Bürger jedoch bilden dabei eine Ausnahme. Dass Humor "eine ernste Angelegenheit" sei, ein bekannter Ausspruch unter Humoristen, gilt umso mehr, wenn Menschenrechtsverbrechen wie die Gräuel der deutschen NS-Vergangenheit im Hintergrund stehen. Polak hätte als jüngster Sohn einer jüdischen Familie von Überlebenden in Deutschland allen Grund, die Verbrechen der Nationalsozialisten anzuprangern. Seine Darstellungen erheben jedoch nicht den Anspruch, politisch zu sein, sondern sind biografische Anekdoten. Wenn er berichtet, wie er als kleiner Junge im Kindergarten belehrt wurde, dass er bei Gewitter Eichen weichen und Buchen suchen müsse, verbessert er die Kindergärtnerin eifrig: "Aber meine Großmutter ist in einem Buchenwald umgekommen." Das Lachen bleibt dem Zuhörer im Hals stecken. Und dennoch sind Polaks Shows ausgebucht. Vielleicht ist es gerade diese Mischung von schmerzvollem Lachen und grotesker Qual, die einen besonderen Aspekt des jüdischen Humors allgemein ausmacht: "Lustig ist, was unser Dasein berührt", fasst der Jüdische Almanach 2004 zusammen.
Bringt also die qualvolle Nähe von verbrecherischer NS-Vergangenheit und anarchischem Witz die seit Platons Zeiten bekannte,und von Levy erneut zitierte strukturelle Nähe von Komödie und Tragödie erneut ins Bewusstsein der Gesellschaft? Könnte man durch die Drastik von Todesnähe und Witz, Unterdrückung und Subversivität, die auf jeden Fall "unser Dasein berührt", auch die Erfolge von Filmen wie "Schtonk" (Helmut Dietl, 1992) oder "Mein Führer" (Dani Levy, 2007) erklären? Ist der Publikumserfolg dieser sehr beliebten cineastischen Werke dadurch zu bestimmen, dass sie mittels Humor einen unverkrampften Umgang mit der NS-Vergangenheit ermöglichen?
Eine Antwort auf diese Fragen fällt – auch aufgrund der Vielschichtigkeit der Filmmotive – schwer, doch eine Analyse der sie begleitenden Gefühle liefert oft richtige Aufschlüsse über Art und Richtung von Humor. Polak zum Beispiel spielt gekonnt auf der Klaviatur der Scham, der Überraschung, der Verlegenheit, des Unbehagens. Bei diesem virtuosen Spiel mit dem Grauen, das in Lachen umschlägt und umgekehrt gibt es in der Tat einen vergleichbaren Komiker von Weltrang: den jüngst verstorbenen Wiener Juden Georg Kreisler, dessen satirische Lieder ("Everblacks") vor schwarzem Humor nur so strotzen und beim Zuhörer eine Gänsehaut hinterlassen.
Die bittere Dimension der NS-Verbrechen ist für Kreisler in seinen satirischen Werken, die vorrangig in den späten 60er- und frühen 70er-Jahren entstanden, stets gegenwärtig: "Auschwitz ist in diesen Liedern so gegenwärtig wie in den Gedichten Paul Celans, ihr Schmerz nicht weniger echt, auch sie sind eine Antwort auf die Frage, wie sich danach und darüber noch schreiben lässt." Die existenzphilosophische Bedeutung des Witzes ist für den vertriebenen Wiener stets immanent und stellt eine Bewältigungsstrategie dar, um das Unerträgliche erträglich zu machen – Witze als Überleben. Kreisler als der Grand Seigneur jüdischen Humors? Immerhin, der 88-jährige Liederdichter hat sich noch kurz vor seinem Tod mit dem über 50 Jahre jüngeren Polak zu einer Art privatem Gipfel des jüdischen Humors getroffen. Zwei jüdische Künstler verschiedener Generationen mit unterschiedlichem Lebenslauf, geeint durch Humor, und doch bleibt auch in ihrem wechselseitigen Interview die Frage offen, was an ihrem Werk eigentlich biografisch, politisch, speziell dem Judentum oder allgemein der Ironie des Daseins geschuldet ist, zumal es Querverbindungen zwischen dem Privaten und dem Politischen gibt. Für Dani Levy ist es, wie er dem "Zeit-Magazin" sagte, die Nähe des jüdischen Humors zu den Unterdrückten und die daraus erwachsende Sensibilität für das Subversive, doch Polak vertritt eine andere Meinung, indem er bewusst die Perspektive des Mangels und der Unterdrückung künstlerisch verfremdet. Polaks Humor ist eher offensiv als subversiv. Hajo Schumacher interviewte den Komiker 2011 für die Deutsche Welle über "politische Korrektheit" und erhielt die Antwort, der jüdische Humor enthielte vor allem Wahrheit, Sarkasmus und Mut – Eigenschaften, die dem deutschen Humor seit langer Zeit eher mangelten. Schumacher folgerte, unsere Kultur brauche Komiker vom Format eines Oliver Polak.
Was ist es also, was Oliver Polak in Deutschland macht, als ein Beispiel von vielen Künstlern, die jüdische Lebenswelt in einer satirischen Perspektive schildern? Es sind keine "Judenwitze", es sind keine "jiddischen" Witze, es ist vielleicht nicht einmal das, was von Landmann als "jüdischer" Humor definiert wurde – aber es ist ein erfrischender Bruch mit Tabus. Vielleicht gerade zur richtigen Zeit, wie die begeisterten Zuschauerreaktionen zeigen.
Dr. phil., Philosophin, Postdoc im Kolloquium Jüdische Studien (KJS) an der Humboldt-Universität zu Berlin.
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