Seit Beginn des Jahrhunderts hat sich der Handel mit Finanzderivaten zunächst sprunghaft ausgedehnt. Dies trifft auf die an regulierten Börsen gehandelten Derivate und noch vielmehr auf die sogenannten OTC-Derivate zu, die direkt zwischen Marktteilnehmern gehandelt werden (OTC = over the counter). Seit der globalen Finanz- und Wirtschaftskrise 2008/2009 war die Entwicklung weniger expansiv bzw. ist sie bei OTC-Derivaten inzwischen sogar rückläufig. 2016 lag der Nominalwert börsengehandelter Derivate bei 67,2 Billionen US-Dollar (2007: 71,5 Bio. US-Dollar). Aufgrund veränderter rechtlicher Bedingungen für Finanzderivate ging der Handel mit OTC-Derivaten zwischen 2013 und 2016 von 710 auf 483 Billionen US-Dollar zurück (2007: 586 Bio. US-Dollar).
Fakten
Bezogen auf die börsengehandelten Finanzderivate – bzw. genauer auf die den Finanzderivaten zugrunde liegenden Basiswerte (underlyings) – hat sich der Bestand zwischen 1997 und 2007 mehr als versechsfacht. Der sogenannte Nominalwert der Derivate lag Ende 2007 mit 71,5 Billionen US-Dollar deutlich über dem Bestandswert aller Aktien der Welt (2007: 60,7 Billionen US-Dollar). Das Jahr 2007 markiert allerdings einen deutlichen Wendepunkt der Entwicklung. Durch den hochspekulativen Handel mit Derivaten wurden umfangreiche Kreditrisiken weltweit auf eine Vielzahl von Finanzinstituten verteilt, weswegen der Handel mit falsch bewerteten Derivaten als Hauptursache der globalen Finanz- und Wirtschaftskrise gilt. Nach einem deutlichen Einbruch der Marktaktivität im Jahr 2008 wurde der Spitzenwert des Jahres 2007 bisher nicht wieder erreicht. Für das Ende des Jahres 2016 wurde von der Bank for International Settlements zwar wieder ein Wert von 67,2 Billionen US-Dollar festgestellt, doch der Börsenhandel mit Derivaten blieb mit einem Umfang von 6,7 Billionen US-Dollar pro Handelstag deutlich unter dem Wert des Jahres 2007 (11,5 Billionen US Dollar).
Börsengehandelte Derivate werden an Terminbörsen gehandelt. Die derzeit größten Terminbörsen sind die CME Group (Chicago Mercantile Exchange), die Intercontinental Exchange Atlanta und die European Exchange (EUREX) mit Sitz in Frankfurt am Main. Beim börslichen Handel ist der Vertragspartner immer die Clearingstelle, die auch die Bonitätsprüfung der Geschäftspartner (Kontrahenten) übernimmt und die Erfüllung der Vertragsbedingungen garantiert. Die an Terminbörsen gehandelten Finanzprodukte sind standardisiert, wobei insbesondere Futures und Optionen gehandelt werden. Der Handel mit Futures stieg zwischen 2000 und 2016 um gut das Vierfache und der Handel mit Optionen war im Jahr 2016 etwa achtmal so groß wie im Jahr 2000. In Relation zum Jahr 2007 liegen die Werte des Jahres 2016 in beiden Kategorien allerdings klar unter den Werten vor der Finanzkrise.
Der Bestand an OTC-Derivaten weist ein wesentlich größeres Volumen auf als der Bestand börsengehandelter Derivate. OTC-Geschäfte können im Gegensatz zu den standardisierten börsengehandelten Derivaten entsprechend der Bedürfnisse der Vertragsparteien gestaltet werden. Wichtige außerbörsliche Arten von Derivaten sind Forwards, OTC-Optionen und Swaps. Der Nominalwert außerbörslich gehandelter Derivate erreichte im Jahr 2013 seinen bisherigen Höchstwert von 710,3 Billionen US-Dollar. Damit hatte er sich gegenüber dem Jahr 2000 mehr als versiebenfacht und überstieg den Nominalwert der börsengehandelten Derivate um mehr als das Zwölffache. Im Unterschied zu den börsengehandelten Derivaten schwächte die Finanzkrise zunächst nur das Wachstum des Marktes ab.
Aufgrund der Intransparenz des nicht-börslichen Derivatehandels haben sich die Gesetzgeber dazu entschlossen, regulatorische Maßnahmen zu ergreifen, die den Handel mit OTC-Derivaten beschränken. In den USA (Dodd-Frank-Act) und in Europa (EMIR – European Market Infrastructure Regulation) wurde ein verpflichtendes zentrales Clearing für standardisierte Kontrakte eingeführt und zudem werden von Banken für nicht zentral abgewickelte Kontrakte höhere Kapitalanforderungen verlangt. Durch diese regulatorischen Maßnahmen ging der Handel mit OTC-Derivaten zwischen 2013 und 2016 von 710,3 auf 482,9 Billionen US-Dollar zurück.
Begriffe, methodische Anmerkungen oder Lesehilfen
Finanzderivate oder derivative Finanzinstrumente sind Anlageformen, die jeweils von einem Basiswert (underlying) abgeleitet worden sind. Basiswerte für Derivatgeschäfte können Waren, Finanzwerte und marktbezogene Referenzgrößen aller Art sein (zum Beispiel Devisen, Schuldverschreibungen, Wertpapiere, Zinssätze, Indices). Derivate sind so konstruiert, dass sie die Kurs- bzw. Preisschwankungen der Basiswerte überproportional nachvollziehen. Daher lassen sie sich sowohl zur Absicherung gegen Wertverluste als auch zur Spekulation verwenden. Es wird dabei zwischen an regulierten Börsen gehandelten Derivaten und OTC-Derivaten (OTC = over the counter) unterschieden, die direkt zwischen den Marktteilnehmern gehandelt werden.
Die hier gemachten Aussagen über den Bestand an und den Handel mit Derivaten beziehen sich auf den Nominalwert der Derivate. Der Nominalwert ergibt sich aus den Kursen bzw. Preisen der zugrunde liegenden Basiswerte.
Aufgrund der Vielzahl an unterschiedlichen Varianten und Mischformen ist eine trennscharfe Klassifikation von Derivaten schwierig. Es können aber drei große Derivate-Gruppen unterschieden werden: Als Futures (börsengehandelt) bzw. Forwards (außerbörslich) werden Finanztermingeschäfte bezeichnet, die einen Handel zu einem festgelegten Zeitpunkt und Preis zwingend festlegen und ursprünglich zur Begrenzung von Preisrisiken dienten. Die zweite Gruppe sind die sogenannten Optionen. Hierbei handelt es sich um bedingte Termingeschäfte, bei dem der Käufer das Recht erwirbt, etwas zu einem späteren Zeitpunkt zu einem vereinbarten Preis zu kaufen (Call-Option) oder zu verkaufen (Put-Option). Der Optionsinhaber kann einseitig entscheiden, ob er die Option ausübt oder diese verfallen lässt. Bei der dritten Gruppe, den sogenannten Swapgeschäften, tauschen Handelspartner Schuldpapiere mit unterschiedlichen Zinsen, Währungen und Laufzeiten. Der Sinn von Swapgeschäften liegt in der Senkung von Finanzierungskosten.