Recht auf Land: Indigene Gesellschaften und der Siedlerkolonialismus
Gesa Mackenthun
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Die (Vor-)Geschichte der USA beginnt mit der Enteignung von indigenem Land. Über die kolonialistische Ideologie, den Mythos des nomadischen "Indianers" und neue Perspektiven auf indigene Landwirtschaft.
"Land" ist als umstrittene Ressource bis heute Gegenstand zahlreicher Konflikte zwischen Indigenen und Umweltschutz-Gruppen auf der einen Seite und den Interessen der Holz-, Agrar- und Energiewirtschaft auf der anderen. Die Frage nach der Stabilität und Kontinuität agrarischer Landnutzung nach europäischem Vorbild stand seit Beginn der europäischen Eroberung der Interner Link: Kolonisierung Nordamerikas im Zentrum der juristischen Legitimation der territorialen Expansion. Die verbreitete kulturelle Konstruktion indigener Stämme und ihrer Vorfahren als nicht-sesshafte "Nomaden" steht in Zusammenhang mit diesen Interessen. Sie verzerrt die reale Vielfalt indigener Ökonomie, die in unterschiedlicher Gewichtung aus einer Kombination von Jagd und verschiedenen Formen der Pflanzennutzung bestand. Hierzu zählten der Fischfang, das Sammeln von Heil- und Nahrungspflanzen und Pilzen, die Domestizierung von Gemüsepflanzen durch Gartenbau und die Pflege verschiedener Baumarten. Der mythisierende europäische Blick verengte diese Vielfalt auf einen Gegensatz zwischen umherschweifenden "Nomaden" und Ackerbau betreibenden europäischen "Siedlern." Diese Dichotomie reduziert die empirische Realität – die Tatsache einer großen Vielfalt der Lebensweisen – und steht darüber hinaus in einem Spannungsverhältnis zum Selbstbild der Amerikaner als mobile und migrantische Gesellschaft.
Inspiriert von aktuellen Diskussionen um den ökologischen Umbau der Gesellschaft, dem Ende des fossilen Zeitalters und einem wachsenden Bewusstsein für Nahrungssouveränität widmet sich der folgende Artikel einer genaueren Betrachtung dieser in sich widersprüchlichen mythischen Geschichte. Die siedlungskritische historische Forschung der Gegenwart untersucht u.a. das Paradox, dass die angebliche Nicht-Sesshaftigkeit der Indigenen als Beleg für ihre fehlenden Besitzansprüche gewertet wurde, während die Jagd zum Inbegriff euro-amerikanischer Männlichkeit avancierte. Die dichotomische Einteilung in "Nomaden" und "Siedler" erfüllte ihren Zweck als Legitimation territorialer Enteignung, ist jedoch wissenschaftlich nicht haltbar. Die Frage nach traditionellem indigenem Wissen über Pflanzenkultivierung rückt zunehmend in den Mittelpunkt der Betrachtung.
Präkolumbianische "Kaukasier" in Amerika?
Als im Jahr 1996 ein etwa zehntausend Jahre altes menschliches Skelett im Uferschlamm des Columbia River bei Kennewick im US-Bundesstaat Washington gefunden wurde, wurde der Schädel des sogenannten "Kennewick Man" zunächst kraniologisch als "caucasoid" identifiziert: Seine Form deutete nicht auf einen amerikanischen, sondern vielmehr indoeuropäischen Ursprung hin. Erst eine aDNA-Analyse ("ancient DNA") eines dänischen Labors stellte die genetische Verwandtschaft dieses frühen Holozän-Bewohners mit der DNA von Angehörigen der Stämme her, die auch heute noch das Gebiet des archäologischen Funds bewohnen.
Die ursprüngliche wissenschaftliche Fehldiagnose, die bis heute ihre Anhänger hat, illustriert den latenten Wunsch einer kolonialen Siedlergesellschaft nach historisch tiefen Spuren im besiedelten Land sowie nach einer Reduktion der Spuren der von ihr verdrängten indigenen Gesellschaften. Auffällig ist die lange Verweildauer (10.000 Jahre) der lokalen Stämme, die die Vergleichs-DNA erkennen lässt. Zumindest der Stamm, der die aDNA geliefert hatte (Colville), stellte sich als ausgesprochen ortsgebunden heraus.
Während vieler Jahrtausende war Nordamerika, wie alle anderen Kontinente auch, durch zahlreiche Bevölkerungsbewegungen und Kulturaustausch geprägt, die sich partiell archäologisch rekonstruieren lassen. Frühe agrarische Hochkulturen entlang des Mississippi und des Ohio River (die sogenannten "Mound Builder") lösten sich nach einigen Jahrhunderten wieder auf, wobei neben Konkurrenzen um Land und Nahrung auch klimatische Veränderungen als Ursachen vermutet werden. Intensive agrarische Phasen wurden – im Zusammenspiel mit wechselnden sozialen Strukturen – von Phasen mit weniger intensivem Landbau abgelöst. Zum Zeitpunkt der Ankunft der Europäer verfügten die meisten Stämme über jahrhundertelange agrarische Kenntnisse; insbesondere der Anbau von Mais und Kürbissen war in weiten Teilen Nordamerikas, vom Südwesten bis zu den Gebieten östlich des Mississippi, bekannt. Jagd und Fischfang ergänzten den Speiseplan; die Wohnorte wechselten oftmals im Jahreszeitenrhythmus. Indigene Formen der Staatenbildung, z.B. bei den Haudenosaunee (Six Nations, Irokesen), gingen mit einer Intensivierung agrarischer Praxis einher. Mit wachsender Komplexität der Sozialstrukturen wuchsen auch die Gärten.
Der politische Mythos des nomadischen "Indianers"
Solche Gärten bekamen schon die ersten britischen Besucher Nordamerikas zu Gesicht. Bereits die frühesten kolonialen Berichte weisen jedoch auch ein Nebeneinander von realistischer Beobachtung und mythischer Fremdkonstruktion auf. Arthur Barlow, Kapitän eines der ersten Schiffe, das 1584 das Gebiet um die spätere Kolonie Roanoke (im heutigen North Carolina) erkundete, betonte die Gastfreundschaft der Einwohner, die reichhaltige Vielfalt der von ihnen angebauten Ackerfrüchte und die aus nordeuropäischer Sicht geradezu paradiesischen Anbaubedingungen. Diese ermöglichten den indigenen Landwirten drei Ernten pro Jahr, was Barlow vermuten ließ, das mythische "goldene Land" der Antike gefunden zu haben. Zur gleichen Zeit schufen Ideologen der britischen Siedlungspolitik das Bild des unstet umherziehenden Nomaden, das schnell zum Topos gerann, also zur stereotypen Zuschreibung.
Das Fehlen von Feldeinfassungen (enclosures) und moderner Eisenpflüge bot Anlass, den Indigenen jegliche "Verbesserung" (improvement) des Landes durch Landwirtschaft abzusprechen. Das Land selbst wird aus der Distanz und bis hinein in moderne wissenschaftliche Literatur als leere Wildnis, juristisch als vacuum domicilium, bezeichnet. Der im neunzehnten Jahrhundert entstandene Thanksgiving-Feiertag, eine indirekte Anerkennung der Abhängigkeit der ersten europäischen Siedler von der Gastfreundschaft und Subsistenzwirtschaft der Stämme, koexistiert bis heute mit dem Bild des "Indianers" als berittenem Präriejäger, das die Freiheitsliebe der Einwanderer beflügelte und wohl nicht zuletzt der bildlichen Dokumentation dieser Stämme (in Gemälden von Catlin, in Fotografien von Curtis) und der Kriege gegen sie zu verdanken ist. Die populäre Reduktion indigener Lebensweise verdeckt existente Mischformen der Landnutzung und dient letztendlich der Aberkennung indigener Rechtsansprüche.
Deportationen im Rahmen der "Indianerpolitik"
Der Siedlungsdruck erhöhte die Frequenz von Migrationen und kriegerischer Auseinandersetzungen auch zwischen den Stämmen. Im Falle der Comanche führte er sogar zur Herausbildung eines mächtigen Verbunds, der als "Comanche Empire" bezeichnet wurde (jedoch ohne eine zentralistische Herrschaftsstruktur zu besitzen, wie man sie von europäischen Imperien kennt). Nach zahlreichen Landverlusten während der Kolonialzeit durch euro-amerikanische Angriffskriege, Interventionen in kriegerische Auseinandersetzungen zwischen den zusammengedrängten Stämmen und "Tintenstift-Hexerei" (betrügerische Vertrags- und Geschäftspraktiken) verloren die indigenen BewohnerInnen der Gebiete östlich des Mississippi in den 1820er- und 1830er-Jahren ihr Land durch eine auf Deportation setzende Indianerpolitik der US-Regierung. Unter dem Namen Indian Removal wurde ein massives Umsiedlungsprogramm geplant und durchgeführt. Obwohl viele Stämme, insbesondere die Five Civilized Tribes (Choctaw, Chickasaw, Cherokee, Muskogee, Seminole) im Südosten der USA, ihre eigenen Anbaumethoden gewinnbringend durch europäische Elemente optimiert hatten, wurde ihre Zwangsumsiedlung unter anderem mit der Minderwertigkeit ihrer Landwirtschaft begründet.
Entscheidend für das Indian Removal waren ein erhöhter Siedlungsdruck auf die fruchtbaren Böden und eine ablehnende Haltung gegenüber einem Zusammenleben mit "wilden" Stämmen. Der spätere Präsident Andrew Jackson (1829 - 1837) begründete die Vertreibung mit dem Mythos des nomadischen "Indianers". Das Indian Removal wurde in einer Serie von Urteilen des Obersten Gerichts zwar nicht direkt völkerrechtlich legitimiert, aber als historisch unausweichlich toleriert. Der Rechtsstatus indigener Stämme wurde als domestic dependent nations definiert – als einheimische und abhängige Nationen. Diese Paradoxie beherrscht bis heute das juristische Verhältnis zwischen Indigenen und den US-amerikanischen Institutionen.
Der Trail of Tears und die literarische Rezeption der Vertreibung
Das Indian Removal gipfelte 1838 im Trail of Tears, der erzwungenen Umsiedlung der Cherokee in das Indian Territory (das heutige Oklahoma). Von den ca. 16.000 vertriebenen Menschen überlebten zwischen zweitausend und viertausend den Exodus nicht. Das Ereignis wurde bis nach Europa rezipiert und kritisiert. Der französische Reisende Alexis de Tocqueville beschreibt in Über die Demokratie in Amerika (1835) seine Beobachtung eines Trecks vertriebener Choctaw, die nahe Memphis den teilweise vereisten Mississippi überquerten. Es war ein Bild, so schreibt er, das für immer in seiner Erinnerung eingebrannt bleiben würde: Alte, Verwundete, Kranke und Kinder gaben kaum einen Laut von sich, als sie im Schneegestöber den Fluss überquerten. Als ihre Hunde merkten, dass sie am anderen Ufer zurückgelassen werden würden, stimmten sie ein großes Geheul an und sprangen in das eiskalte Wasser, um den Menschen zu folgen.
Das Indian Removal ist seitdem immer wieder Thema literarischer Texte und künstlerischer Darstellungen geworden – zum Beispiel in Valjean McCarty Hessings Zeichnung des Choctaw Removal aus dem Jahr 1966. Diane Glancys vielstimmiger Roman Pushing the Bear (1996) evoziert die emotionale Verzweiflung über den Verlust der heimatlichen Felder und Gärten. Blake Hausmans Roman Riding the Trail of Tears (2011) hingegen parodiert romantisches Opfernarrativ und Kommerzkultur gleichermaßen, indem er einen Trail of Tears-Themenpark präsentiert, in dem die BesucherInnen ihre jeweils eigene Vertreibungsgeschichte digital "erleben" können. Das Trauma des historischen Genozids mutiert zum virtuellen Freizeit-Happening.
Gesetze besiegeln den Ausverkauf indigenen Landes
Das Indian Removal gliedert sich nahtlos ein in das Narrativ der Westexpansion, wie es zum Beispiel John Gast 1872 in seinem Gemälde "Progress" zum Ausdruck brachte. Hier fliehen indigene Nomaden zusammen mit Bisons und Bären vor den Zivilisation bringenden Pionieren des Fortschritts: Zäune bauende und Eisenpflüge schiebende Farmer, Pony Express und Eisenbahn, Lady Columbia – eine mythische Personifikation der USA – im Negligé mit Schulbuch in der einen und Telegrafenkabel in der anderen Hand. Der Homestead Act von 1862, durch den die US-Regierung mehr als eine halbe Million Quadratkilometer Land westlich des Mississippi unter bestimmten Auflagen gratis an Siedler verteilte, zementierte den Ausverkauf indigenen Landes und bereitete den Boden für die Massenimmigration aus Übersee.
Der General Allotment Act von 1887 beschloss das Ende indigenen kollektiven Landbesitzes. Das Gesetz verfügte die Umwandlung der letzten verbliebenen, agrarisch kaum zu nutzenden Ländereien in Privatbesitz. Die nach dieser Transformation verbliebenen Flächen wurden an weiße Siedler verkauft. Anlässlich der Vierhundertjahrfeier der "Entdeckung" Amerikas konnte Frederick Jackson Turner 1893 die Schließung der US-amerikanischen Grenze (der Frontier) verkünden, verbunden mit dem Ruf nach einer Fortsetzung der Expansion jenseits des Kontinents.
Indigene Landwirtschaft – historische und gegenwärtige Perspektiven
Die Fehlinformation, Indigene hätten kein produktives Verhältnis zum Land, das sie bewohnen, durchzieht den kolonialen Diskurs aller Siedlerkolonien, insbesondere der USA. Dabei war die Kenntnis indigener agrarischer Landnutzung immer vorhanden. Nach Arthur Barlows begeistertem Text lieferte der Wissenschaftler Thomas Harriot, der die erste Kolonie in Roanoke begleitete, ausführliche Beschreibungen der vorhandenen Pflanzen und Anbaumethoden; die Illustrationen des Malers John White zirkulierten in Form von Theodor de Brys Kupferstichen in ganz Europa. Sein französischer Kollege Jacques le Moyne, dessen Expedition weiter südlich in Florida gelandet war, dokumentierte zeitgleich die Feldarbeit der dort siedelnden Menschen. Dabei vermischte sich oftmals die direkte Beobachtung mit kulturellen Darstellungskonventionen.
Zum Beispiel sind in de Brys europäischer Version von Whites Bild einige der typischen Feldfrüchte der Ostküstenkulturen zu sehen (neben Mais auch Kürbisse und Sonnenblumen), die in Whites Original fehlen. Beiden Versionen gemeinsam ist die Betonung der Feld-Aufteilung, die vielleicht so vorgefunden wurde, jedoch auch den Ordnungsvorstellungen des europäischen Rationalismus entspricht. HistorikerInnen haben gezeigt, dass in Amerika – wie auch in großen Teilen Europas jener Zeit – verschiedene Formen von Mischkultur praktiziert wurden, in Nordamerika allen voran der Anbau von Mais, Kürbisarten und Bohnen, die sich gegenseitig unterstützen und nähren. Dieses Wissen war im ersten Jahrtausend nach Christus aus Mesoamerika, wo Mischkultur bereits seit etwa 7.000 Jahren praktiziert wird, nach Norden gelangt. Zusätzlich zu dieser nahrhaften Trias wurden Varianten von Quinoa, verschiedene Blattgemüse, Samen und Nüsse kultiviert.
Angesichts der zerstörerischen Folgen moderner, pestizidgestützter Monokulturen wächst das Interesse an indigenem Pflanzenwissen, dessen mythische Präsenz in mündlich tradierten Geschichten auf die hohe Wertschätzung der angebauten Pflanzen verweist. Der koloniale Mythos des "indianischen" Jägers und Sammlers hat lange den Blick auf indigene Anbaupraktiken verhindert: Archäologische Spuren vorkolumbianischer Anbaukultur wurden nicht gesichert; frühe Kulturkontaktberichte wurden selektiv gelesen. Neuere ethnobotanische und bioarchäologische Forschungen sind dabei diese Wissenslücke zu schließen. Archäologen wie William E. Doolittle vermuten, dass einer der Gründe für diese "Blindheit" – neben der Flüchtigkeit von Gartenkultur selbst – die Tatsache ist, dass das Gemüse vor allem von Frauen angebaut wurde. Pflanzenwissen war vor allem weibliches Wissen.
Indigene Intellektuelle betonen die enge Verbundenheit ihrer Kulturen mit dem Land, das sie ernährt und das in zahlreichen Mythen und Geschichten als heilig betrachtet wird. Heute existiert eine wachsende Zahl von Initiativen zur Stärkung indigener Ernährungssouveränität durch Rückkauf von Land und Rückbesinnung auf die traditionelle Nutzung von Pflanzen. Gleichzeitig sind Gebiete unter Stammesverwaltung weiterhin von der Rohstoffwirtschaft gefährdet – neben Kahlschlag-Rodungen und Öl- und Gas-Pipelines neuerdings auch durch die Interessen der "grünen" Energiewirtschaft auf der Suche nach Rohstoffen für die "klimafreundlichen" Hochleistungsbatterien der Zukunft.
Debatten um Umweltbewusstsein in indigenen Gesellschaften
In zahlreichen Büchern, Aufsätzen und Dokumentationen wird der Frage nachgegangen, ob indigene Gesellschaften der Vergangenheit "ökologischer" oder "nachhaltiger" waren als europäische Gesellschaften. Als kritische Reaktion auf den "Mutter Erde"-Mythos der Umweltbewegung werden archäologische Funde oft einseitig als Beleg für einen verschwenderischen, gar zerstörerischen Umgang mit anderen Lebewesen herangezogen. Zeitgleich mit dem modernen Umweltbewusstsein entstand in den späten 1960er-Jahren der wissenschaftliche Mythos des Pleistocene Overkill – ein Narrativ, das die ersten menschlichen BewohnerInnen Nordamerikas exklusiv für das Verschwinden der amerikanischen Megafauna vor 10.000 Jahren verantwortlich macht (Paul Martin, Jared Diamond). Es gibt kein ähnliches Narrativ für das Verschwinden dieser Tiere in Europa und Asien. Populäre "Geschichten der Menschheit" tragen zur Verbreitung des "Blitzkrieg"-Narrativs bei. Auch die gerade noch verhinderte Ausrottung des amerikanischen Bisons wird von einigen US-amerikanischen HistorikerInnen teilweise den Indigenen zur Last gelegt, trotz umfangreicher Belege für die Ausrottungspolitik der Euro-Amerikaner. Revisionistische Erzählungen verweisen auf das Verschwinden präkolumbianischer Hochkulturen in Yucatán und im Mississippigebiet als Beleg für die Inkompetenz amerikanischer UreinwohnerInnen im Umgang mit der Natur und ihren Ressourcen.
Wie zur Zeit des Dust Bowl in den 1930er-Jahren hatten ökologische Fehlentwicklungen, vor allem im Zusammenspiel mit Klimaschwankungen, auch im frühen Amerika desaströse Folgen. Jedoch unterscheidet sich die kulturelle Vorstellungswelt indigener AmerikanerInnen, die auf einem relationalen Verständnis der Beziehungen zwischen Menschen und nicht-menschlichen Wesen beruht, signifikant von der in Christentum und Aufklärung vorherrschenden Annahme eines hierarchischen Verhältnisses. Indigene Mythen und Geschichten künden zwar von Konkurrenz aber vor allem auch von Kooperation zwischen Menschen und Tieren, die oftmals unterschiedslos als "people" bezeichnet werden. Im christlichen Abendland ist die Infragestellung des Sonderstatus der Spezies Mensch eine recht junge philosophische Errungenschaft, ausgelöst vom Biodiversitätsverlust und der Erkenntnis der Abhängigkeit von nichtmenschlichen Lebewesen.
Erzählungen über die amerikanische Frühgeschichte und präkolumbianische Zeit eröffnen Räume zur Reflektion über aktuelle Konflikte um Land und Natur, politische Partizipation und gleichberechtigten Zugang zu Bildung und hochwertiger Arbeit. Wissenschaftliche Rekonstruktionen der amerikanischen Frühgeschichte dienen nicht mehr ausschließlich der Legitimation existierender Machtverhältnisse. Aktuelle Neulektüren archäologischer Funde sowie früher kolonialer und transkultureller Dokumente, auch durch VertreterInnen indigener Gruppen selbst, belegen, dass jede Generation ihre eigene Version der Geschichte schreibt. Die ökologische Umgestaltung unserer Lebenswelt kann von der Einsicht in eine Verantwortung gegenüber den zukünftigen Generationen, wie sie das deutsche Bundesverfassungsgericht im Einvernehmen mit indigenen Vorstellungen vorschreibt, genauso profitieren wie vom wissenschaftlich fundierten Studium der amerikanischen Kolonialgeschichte.
lehrt Nordamerikastudien an der Universität Rostock. Sie publizierte über den kolonialen Diskurs der frühen Neuzeit in Nordamerika, die literarische Repräsentation des Sklavenhandels und koloniale und transkulturelle Konstruktionen der präkolumbianischen Frühgeschichte Nordamerikas (Decolonizing "Prehistory" und Embattled Excavations, 2021). Aktuell arbeitet sie zu Landraub, Vertreibung und Ökozid in anglo-amerikanischer Geschichte und Literatur.