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Hitlers Jugendpropaganda | Rechtsextremismus | bpb.de

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Hitlers Jugendpropaganda Nationalsozialistische Jugendzeitschriften als eine ideologische Wurzel rechtsextremer Jugendkultur

Silke Dürrhauer

/ 8 Minuten zu lesen

Gezielt missbrauchten die Nationalsozialisten die Medien. Zahlreiche Jugendzeitschriften sorgten dafür, dass das nationalsozialistische Gedankengut bis in die Kinderzimmer hineingetragen wurde. Jungen sollten so zu brauchbaren Soldaten und Mädchen zu "Reinhalterinnen des Volkes" erzogen werden.

In modernen Neonazimedien finden sich Sprache, Stil und Ideologie von Hitlers Propagandablättchen wieder. (© H.Kulick)

Im Dritten Reich besaßen Printprodukte einen deutlich höheren Stellenwert als heute, da das Internet immer mehr zum Leitmedium der jungen rechtsextremen Neonazi-Szene avanciert. Zwar gibt es einzelne braune Fanzines und gelegentlich Schülerzeitungen in gedruckter Form. Deren Auflagen haben aber im Vergleich zu nationalsozialistischen Jugendmedien im Dritten Reich keine Relevanz. Damals bot sich das Medium der Kinder- und Jugendzeitschriften besonders zur Beeinflussung der Jugendlichen an. Denn seit seiner Entstehung im 18. Jh. war es eine Möglichkeit zum Zeitvertreib für Heranwachsende und vermittelte zugleich gesellschaftliches, praktisches und theoretisches Wissen.

Diese Funktion übernahm die Jugendpresse im Dritten Reich, allerdings unter nationalsozialistischem Vorzeichen. Die ersten nationalsozialistischen Publikationen für Jugendliche erschienen schon in der Weimarer Republik (z.B. "Nationaler Jungsturm", "Der junge Nationalsozialist"). Nach 1933 schwoll das Spektrum der Jugendschriften auf ca. 57 Titel an. Mehrheitlich handelte es sich dabei um Neugründungen, teilweise wurden aber auch bereits bestehende Titel übernommen. Jüdische sowie kommunistische und andere politisch oppositionelle Kinder- und Jugendzeitschriften verbot man dagegen rigoros.

Die nationalsozialistischen Jugendzeitschriften zielten auf verschiedene Gruppen innerhalb der staatlich verordneten Jugendkultur: "Der Feierabend" bzw. die "Jugend am Werk" waren z.B. für die Jungarbeiter und Berufsschüler gedacht, die "Hilf mit!" für Schüler zwischen zwölf und 17 Jahren, "Das Deutsche Mädel" für die im Bund Deutscher Mädel (BDM) organisierten Mädchen, die "Junge Welt" für die Hitlerjungen und "Die Quelle" für die Gehörlosen in der Hitlerjugend (HJ). Einige Zeitschriften waren in Gebietsausgaben unterteilt, z.B. gab es für die HJ-Illustrierte "Die Fanfare" Unterausgaben für die Gebiete Hessen-Nassau, Kurhessen, Mittelrhein, Ruhr-Niederrhein, Westfalen und Westmark.

Dabei fällt sofort ins Auge, dass man die nationalsozialistischen Jugendschriften sehr aufwändig gestaltete. Die Schrift für die Texte war zwar bis 1942 die Fraktur, doch für die Überschriften und Bildbeschriftungen nutzte man auch andere Schriften, z.B. die Sütterlin-Schrift. Es gab Sonderteile wie Anzeigen und eingefügte Gedichte. Daneben wurden die Zeitschriften auch mit auffällig vielen Fotografien bebildert, statt sie – wie in anderen Zeitschriften damals üblich – hauptsächlich mit Illustrationen anzureichern.

Die Fotografien waren meist inszeniert. Sie zeigten Symbole und Ideale des Nationalsozialismus, z.B. Hakenkreuzfahnen, unbesorgt spielende Kinder, fleißige Bauern, technisch begeisterte Hitlerjungen, würdevolle und volksnahe NS-Politiker, kräftige Arbeiter und kampfbereite Soldaten. Der übergeordnete Eindruck, der durch diese ästhetisch sehr anspruchsvollen Bilder entstand, war der eines gesunden Volkes, vereint in der nationalsozialistischen Volksgemeinschaft.

"Volksgemeinschaft" als roter "Faden"

Diese Volksgemeinschaft zieht sich wie ein roter Faden durch den Inhalt der Zeitschriften. Man idealisierte sie und erklärte den Kindern, dass sie ihr Blut rein und gesund halten müssten, indem man auf die Nutztierzucht verwies, wo ja auch kranke Tiere ausgesondert würden. Im "Feierabend" erläuterte man den Jugendlichen die "Rassenscheidung durch das Blutschutzgesetz". In der "Hilf mit!" wurden die Juden immer wieder als Volksfeinde dargestellt, die "das deutsche Volk vergifteten". Man beschrieb sie auch als rastlos umherwandernd und mutwillig zerstörend, wenn sie Fackeln "an die Strohdächer der Hütten" hielten.

Ansonsten zeichnete sich die NS-Jugendpresse durch wenig ideologiefreie Räume aus. An Themen stellte sie hauptsächlich Geschichtlich-Politisches, Militärisches sowie Nachrichten aus dem Dritten Reich, Berichte aus dem Alltag in HJ und BDM und in kleineren Dosen auch Wissenswertes aus aller Welt bereit. Speziell die Organe der HJ und des BDM traten als aggressive Schulungsblätter auf. Immer wieder forderten sie von den Jugendlichen Disziplin, Leistung und Kameradschaft.

Den Mädchen legte man in "Das Deutsche Mädel" ihre Verantwortung als zukünftige Mutter und "Reinerhalterin des Volkes" nahe: Ein deutsches Mädel sei ein gesundes Mädel. Es sei von der Sehnsucht besessen, dereinst die Mutter eines neuen Menschen zu sein, der gesund und schön und voller Anstand sei. Das Augenmerk in Das Deutsche Mädel lag also auf der weltanschaulichen Schulung, was letztlich bedeutete, dass die Mädchen fleißig sein und den Nationalsozialismus befürworten sollten.

Die Rolle, die die Nazis den Jungen zudachte, war die von Soldaten. Um sie dafür fit zu machen, nutzten die Zeitschriften die technische Begeisterung und die Abenteuerlust vieler Jungen. Über Anleitungen für Geländespiele, Segelflugzeugbau oder Funktechnik brachte man den Jungen Kenntnisse bei, die sie später für die strategische Kriegsführung, die Luftwaffe oder andere militärische Bereiche gebrauchen konnten. Den Jungen wurde die Begeisterung für das Soldatentum vorgegeben und das Soldatentum selbst als traditionsreich glorifiziert: Nach der Verabschiedung des Gesetzes über die Wehrhaftigkeit wurde im "Feierabend" beschrieben, dass die Jugend dem Führer dankbar dafür entgegenjubele und die Jungen nun wieder Soldaten würden, genauso wie es ihre Väter einst waren. Jeder, der ein Kerl sei, sehne sich "unendlich danach in Reih und Glied in einer Kolonne zu marschieren".

Ziel nach 1939: Kriegsbeschönigung

Der Kriegsausbruch 1939 stellte dann einen wichtigen Einschnitt für die Zeitschriften dar. Besonders die erst 1939 gegründete Hitlerjugend-Zeitschrift "Junge Welt" brachte ab Kriegsausbruch fast ausschließlich Berichte über Schlachten, Kriegshelden und andere militärische Bezüge, wie z.B. ein Preisausschreiben zum Thema Kriegsschauplatz: Innere Front! Die anderen Zeitschriften widmeten sich nun ebenfalls verstärkt kriegswichtigen Themen. Sie befürworteten den Krieg durchweg und forderten diese Haltung auch von der jugendlichen Lesergemeinschaft. Der Krieg wurde beschönigend als Bewährungsprobe für das deutsche Volk, als Abenteuer, als überlebenswichtig oder als heldenhaft beschrieben.

Nach Kriegsausbruch versuchte man auch, die Volksgemeinschaft zu stärken, indem man die anderen Nationen verunglimpfte. Großbritannien verspottete man durch Verse wie "Hule, hule, hule, John Bull macht nicht mehr rule" oder durch eine verzerrte Karikatur der britischen Identifikationsfigur John Bull, die nicht mehr liebenswert und dicklich, sondern altersstarrsinnig, korpulent, streit-, trink- und spielsüchtig dargestellt wurde. In dem Artikel "Deutscher Verwundeter in den Händen der Sowjets" machte man die Sowjets zu unsinnig grausamen Prüglern: "Ausgeplündert und sadistisch gequält. Bolschewistische Bestien hetzen Spürhunde auf verwundete Soldaten." Über Amerika berichtete man, dass es dort reihenweise Schwerverbrecher unter 18 Jahren gäbe. Dagegen erschienen die Deutschen in den Zeitschriften immer siegreich: Die Flugzeuge kehrten stets "nach erfolgreich durchgeführtem Angriff heimwärts".

Man bemühte sich, diese komplexen politischen und gesellschaftlichen Themen durch altersgemäße Sprache und Darreichungsformen zu vermitteln. Die Schülerzeitung "Hilf mit!" formulierte die Themen oft in unterhaltsamen und spannenden Erzählungen, während in den Berufsschulzeitschriften hauptsächlich Aufsätze verwendet wurden. Die Organe der Hitlerjugend und des Bundes Deutscher Mädel arbeiteten hauptsächlich mit Überzeugungen vermittelnden Predigten und Ansprachen, aber auch mit Erzähltexten und Erfahrungsberichten. Dabei benutzte man jugendnahe Formulierungen wie "ein ganz echter Junge", "ein richtig knorker alter Mann" oder "Mädels". Allerdings verfielen die so genannten Schriftleitungen immer wieder in eine phrasenhafte Sprache, besonders wenn es um Dinge ging, die unbedingt von den Jugendlichen verinnerlicht werden sollten. So erklärte man, der nationalsozialistische Staat verlange "Unterordnung der Einzelpersönlichkeit unter die großen staatserhaltenden Gedanken und Ideen, die unser Volk wieder gesund, kräftig und mächtig machen". Die Beschwörung der Volksgemeinschaft erfolgte stilistisch hauptsächlich durch die Wiederholung des Wir. So hieß es z.B. in einer Herbstausgabe der "Hilf mit!": "Fuchsjagd, Geländespiele, Dauermärsche. Uns geht die Sonne nicht unter: Wir bleiben draußen. Wir lieben Regen und Sturm; denn wir sind Jungen." Unterordnung und Gehorsam forderte man in Form von Imperativen wie man muß, man soll, wir wollen etc.

Stellt man diese Aspekte in einen Wirkungszusammenhang, so zeigt sich die von den Nationalsozialisten beabsichtigte Funktion der Zeitschriften: Die jugendgerechte Sprache ermöglichte eine Identifikation mit der Zeitschrift und leichteres Verständnis. Die Auswahl der Textgattungen sorgte für eine altersgerechte Verbreitung der nationalsozialistischen Ideologie. Die positive Darstellung des eigenen Volkes und die Diffamierung der gegnerischen Kriegsparteien sorgten dafür, dass sich die Jugendlichen selbst den anderen Ländern überlegen fühlten und damit den Krieg unterstützten. Durch die Aufwertung der Jugend, die man zudem als "Träger der Zukunft" bezeichnete, bekam diese Generation das Gefühl, sie werde ernst genommen und gebraucht. Dadurch erreichten die Nationalsozialisten eine Bejahung ihrer Ideologie durch die Jugend.

Allerdings ist heute schwer zu sagen, inwiefern die Nationalsozialisten die Jugendlichen durch ihre Zeitschriften erreichen konnten. Einerseits gab es kleinere Jugendsubkulturen, die sich dem Einfluss der Nationalsozialisten entzogen, zum Beispiel die "Edelweißpiraten" oder die so genannten "Meuten". Andererseits existierten enorm viele NS-Jugendschriften mit zum Teil sehr hohen Auflagenzahlen, und zu Beginn des Dritten Reiches bestand eine Abnahmeverpflichtung für die HJ-Presse. Doch diese wurde aufgehoben und die Zeitschriften über den normalen Zeitschriftenmarkt, über Schulen und Berufsschulen oder über Abonnements vertrieben.

Die Preise für NS-Jugendpublikationen lagen zwischen 15 und 60 Pfennigen, was etwa mit dem Preis für einmal Straßenbahn oder zweimal Karussel fahren vergleichbar war. Aber nicht alle Jugendlichen verfügten über eigenes Geld, sondern waren finanziell auf ihre Eltern angewiesen. Es kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass in allen Haushalten, zum Beispiel wegen Zeit- oder Geldmangel, Zeitungen oder Zeitschriften regelmäßig gelesen wurden.

Es bleibt also ungeklärt, inwieweit die hier untersuchten Zeitschriften das Interesse der Jugendlichen auf sich lenken konnten. Schließlich zeichneten sich die Zeitschriften durch eine phrasenhafte Sprache und eine eintönige inhaltliche Ausrichtung aus, während die Konkurrenz der traditionellen und populären Kinder- und Jugendzeitschriften groß war - zumindest bis zur Gleichschaltung der Medien. Gudrun Wilcke erwähnt in ihren autobiografischen Notizen, dass ihr nie ein Kriegsschulkind begegnet sei, das von diesen Heften geschwärmt hätte. Allerdings fehlt bis heute eine repräsentative Studie bezüglich des Zeitschriftenkonsums Jugendlicher im Dritten Reich. Und noch weniger gibt es eine Studie über die Medien und Mediennutzung junger Neonazis heute.

Literatur/Quellen:

  • Giesecke: Rassenscheidung durch das Blutschutzgesetz, in: JaW, Jg. 29 (1938/39), H. 1, S. 5-6.

  • Henne, Hans H.: Deutscher Verwundeter in den Händen der Sowjets, in: JW, Jg. 3 (1941), H. 10, S. 14.

  • H. F.: Auch du bist wehrpflichtig!, in: Feierabend, Jg. 26 (1935/36), H. 1, S. 2-4.

  • K.A. Schenzinger (Hg.): Hitler-Jugend Illustrierte "die Fanfare", Jg. 1 (1934), H.1, S. 22-23.

  • M. J. Ttdick? (unlesbar): Die Bomben lagen richtig!, in: Jugend am Werk, Jg. 30 (1939/40), H. 12, S. 6.

  • Ohne Autor: Bilderbogen der Zeit, in: Hilf mit!, Jg. 6 (1938/39), H. 8, S. 330-331.

  • Ohne Autor: Britannia rule the waves?, in: Hilf mit!, Jg. 8 (1940/41), H. 1, S. 11.Ohne Autor: Deutscher Flachs, in: Hilf mit!, Jg. 3 (1935/36), H. 2, S. 56.

  • Ohne Autor: Die Geschichte vom ewigen Juden, in: Hilf mit!, Jg 6 (1938/39), H 4, S. 111.Ohne Autor: Ein Mädel lernt arbeiten, in: Hilf mit!, Jg. 4 (1936/37), H. 4, S. 102-103.

  • Ohne Autor: John Bull und der Viking. Eine Vision, in: Hilf mit!, Jg. 8 (1940/41), H. 4, S. 51.

  • Ohne Autor: Ohne Titel, in: Hilf mit!, Jg. 5 (1937/38), H. 1, S. 32.

  • Ohne Autor: Rolf erzählt seine Ferienerlebnisse, in: Hilf mit!, Jg. 2 (1934/35), H. 12, S. 379.

  • Ohne Autor: Schwerverbrecher unter 18 Jahren, in: JW, Jg. 3 (1941), H. 5, S. 4-5.

  • Peukert, Detlev: Edelweißpiraten, Meuten, Swing. Jugendsubkulturen im Dritten Reich, in: Herrmann, Ulrich (Hg.): "Die Formung des Volksgenossen". Der "Erziehungsstaat" des Dritten Reiches, Weinheim/Basel 1985, S. 216-231.

  • Schruttke, Tatjana: Die Jugendpresse des Nationalsozialismus. Köln 1997.

  • Thomalla, Curt Dr. med.: Kind und Mutter. Eine Plauderei zum Hilfswerk "Mutter und Kind", in: Hilf mit!, Jg. 1 (1933/34), H. 9, S. 278.

  • Wilcke, Gudrun: Die Kinder- und Jugendliteratur des Nationalsozialismus als Instrument ideologischer Beeinflussung. Liedertexte – Erzählungen und Romane – Schulbücher – Zeitschriften – Bühnenwerke, in: Hans-Heino Ewers u.a. (Hg.): Kinder- und Jugendkultur, -literatur und -medien. Theorie – Gesellschaft – Didaktik, Band 40, Frankfurt (Main) u.a. 2005.

Fussnoten

Silke Dürrhauer, Jahrgang 1980 hat in Berlin Neuere Deutsche Literatur und Spanisch studiert. Der Aufsatz basiert auf ihrer Magisterarbeit zum Thema Jugendmedien der Nazis.