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Vernichten oder aufbewahren? - Stasi-Akten als politische Zeitbombe
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Erstmals filmt ein Fernsehteam in den Archiven des Geheimdienstes. Kontraste dokumentiert die Hinterlassenschaften des Überwachungsapparates, verschafft der Öffentlichkeit erste Einblicke in die Akten der Stasi.
Das öffentliche Interesse an den Unterlagen des MfS war 1989/90 riesig. Zum ersten Mal in der Geschichte wurden "Herz und Hirn" einer Geheimpolizei, das Archiv, geöffnet und der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Gerade die Auflösung einer Geheimpolizei könne, so die Meinung von Bürgerrechtlern und Bürgerkomitees, nur erfolgreich sein, wenn ihre Hinterlassenschaften restlos offen gelegt würden. Nur absolute Offenheit könne verhindern, dass mit dem früheren Geheimwissen Politik gemacht wird.
Die Abschaffung des MfS forderten 1989/90 die meisten Ostdeutschen. Zu lange hatte diese Geheimpolizei Angst und Schrecken verbreitet. Die DDR-Gesellschaft galt in einem Maße geheimpolizeilich überwacht, wie noch keine andere europäische Gesellschaft zuvor in der Geschichte.
Die Besetzungen der wichtigsten MfS-Zentralen in den Bezirkshauptstädten seit Anfang Dezember 1989 erfuhren am 15. Januar 1990 ihren Höhepunkt, als die Machtzentrale des MfS in Ost-Berlin von Tausenden Bürgerinnen und Bürgern besetzt wurde. Gewaltlos erzwangen sie das Ende der Geheimpolizei. Die Auflösung des MfS überwachten überall eigens gebildete Bürgerkomitees. Sie versuchten ohne jede demokratische Legitimation, die Auflösung gewaltfrei und transparent zu organisieren und den Auflösungsprozess öffentlich zu machen.
Vernichten oder aufbewahren?
In den ersten Monaten des Jahres 1990 war das MfS das überragende Thema in der Öffentlichkeit. Die Menschen wollten wissen, was mit ihnen und um sie herum in den vergangenen Jahren geschehen war. Ein Beispiel unter vielen belegt diesen Aufklärungsbedarf: Kurz vor den ersten freien Volkskammerwahlen am 18. März 1990 gab der von Oppositionellen gegründete BasisDruck-Verlag das Buch "Ich liebe euch doch alle" mit Lageberichten des MfS aus dem Jahre 1989 heraus. Dieser Quellenband verkaufte sich innerhalb weniger Wochen eine viertel Million Mal.
Umgang mit Stasi-Akten
Anfang 1990 war ein Konsens über den Umgang mit den Akten des MfS allerdings noch nicht erzielt. Zwar wusste kaum jemand, was wirklich in den Millionen Akten stand. Aber viele Menschen glaubten, dass es am besten sei, alle Akten zu vernichten, weil sie eine "Zeitbombe" darstellten und das Klima in der Gesellschaft nur vergiften würden. Viele befürchteten gar Racheakte, zu denen es aber niemals kam. Aus Unkenntnis über die wahren Vorgänge wurden allerdings mit Billigung des Runden Tisches die meisten elektronischen Datenspeicher des MfS vernichtet. Damals wurde befürchtet, diese würden vielleicht von anderen Geheimdiensten benutzt werden können. Das war nicht ganz abwegig, weil die CIA, der Geheimdienst der USA, tatsächlich eine ganze Reihe von Akten "erhielt", die die Bundesrepublik erst 2003 zurückbekam. Eine Vernichtung hat diese Angst historisch dennoch nicht gerechtfertigt. Ein zweites Argument, dass alle Angaben auf den Datenspeichern auch noch schriftlich überliefert seien, konnte auch nie überprüft werden.
Neben dieser angeordneten Vernichtung gab es innerhalb des MfS im Herbst 1989 bereits Vernichtungen im großen Stil, wobei vor allem "operative Handakten" betroffen waren, mit denen die Mitarbeiter noch arbeiteten. Außerdem wurden zielgerichtet Unterlagen von wichtigen IM und Vorgängen vernichtet. Viele Materialien wurden aber nur mit der Hand vorvernichtet, d. h. zerrissen und nicht mit dem Reißwolf endgültig zerstört. Bei den rekonstruierbaren Materialien handelt es sich allerdings immer noch um etwa 16.000 prall gefüllte Säcke mit Unterlagen. Bislang werden sie in mühevoller Handarbeit wieder zusammengesetzt. Diese Arbeit wird noch viele Jahre dauern.
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