Rohstofflieferant seit 500 Jahren
Afrikas Rolle in der Weltwirtschaft besteht seit jeher vor allem in seiner Bedeutung als Exporteur von Rohstoffen. Große Teile der bekannten Weltvorkommen strategisch bedeutender Rohstoffe befinden sich in Afrikas Lagerstätten. Metalle und andere Mineralien, Erdöl und Erdgas sowie eine breite Spanne nicht oder wenig verarbeiteter Agrarprodukte machten nach Angaben der Welthandels-
Organisation im Jahre 2003 rund zwei Drittel des afrikanischen Exporthandels aus. Der Reichtum an Ressourcen des Kontinents könnte eine Quelle von Entwicklung und Wohlstand sein; in der Realität jedoch ist die Abhängigkeit von Rohstoffexporten gleichermaßen Ursache und Folge von Unterentwicklung.
Afrika ist seit mehreren Jahrhunderten als Rohstoffexporteur in die Weltwirtschaft integriert. Seit dem ausgehenden 15. Jahrhundert exportierte der Kontinent im Transatlantikhandel vornehmlich Rohstoffe wie Gold, Elfenbein und Gewürze und bot einen Markt für den Quasi-Rohstoff menschliche Arbeitskraft: Sklaven. Im Gegenzug wurden verarbeitete Verbrauchsgüter, aber auch Alkohol und Waffen in großem Maßstab eingeführt.
Die koloniale "Inwertsetzung" Afrikas ging seit Ende des 19. Jahrhunderts in fast allen Teilen des Kontinents mit einem Ausbau des Bergbaus und der Agrarexport-Produktion einher. In Südafrika und Sambia, im Kongo und in weiteren Teilen des Kontinents entstanden Bergbauzentren. In anderen Gebieten vor allem im südlichen und östlichen Afrika wurden große Plantagen für den Anbau von Monokulturen angelegt. Kleinbauern wurden durch die Erhebung einer Kopfsteuer vom Kolonialstaat dazu gezwungen, Exportprodukte wie Kakao oder Baumwolle für den europäischen Markt herzustellen. In Ländern wie Ghana und Nigeria wuchs in der Kolonialzeit eine vergleichsweise wohlhabende Schicht einheimischer Kakao-Farmer heran.
Der geografische Fingerabdruck der Kolonialwirtschaft ist bis heute sichtbar. Die aus dieser Zeit übernommene Infrastruktur vieler afrikanischer Staaten orientiert sich primär an den Bedürfnissen der Exportwirtschaft, so dass auch heute noch Straßen- und Eisenbahnnetze vor allem das Hinterland mit großen Hafenstädten wie Lagos, Luanda oder Mombasa verbinden, während Querverbindungen innerhalb des Landes wenig ausgebildet sind.
Abhängigkeit statt Entwicklung?
Salz wird vom Grund des Sees geschürft (© Adelheid Hahmann)
Salz wird vom Grund des Sees geschürft (© Adelheid Hahmann)
Die Abhängigkeit afrikanischer Volkswirtschaften von Rohstoffexporten wurde bereits in der Unabhängigkeitsperiode Afrikas als eine Gefahr für die wirtschaftliche Entwicklung des Kontinents erkannt. Weltmarktpreise für Rohstoffe sind großen Fluktuationen ausgesetzt. Über lange Zeiträume haben sich Afrikas "Terms of Trade", d.h. das Austauschverhältnis zwischen den Importpreisen für verarbeitete Güter und den Exporterlösen für Rohstoffe, verschlechtert. Afrikanische Regierungen reagierten auf die Schwankungen der Rohstoffpreise auf dem Weltmarkt mit Mechanismen, die einen Preisverfall verhindern oder zumindest seine sozialen und ökonomischen Folgen abfedern sollten. Doch blieben diese von allenfalls kurzfristigem Erfolg.
Rohstoff-Kartelle nach dem Modell der OPEC scheiterten bei Gütern, die im Vergleich zu Öl eine geringere strategische Bedeutung besaßen, an der Konkurrenz unter den Produzenten. Stabilisierungsabkommen zwischen Erzeuger- und Abnehmerländern versagten bei längerfristigem Preisverfall. Vermarktungsagenturen zur Stabilisierung der kleinbäuerlichen Produzentenpreise degenerierten häufig zu ineffizienten Selbstbedienungsinstrumenten korrupter Eliten. Außerdem bildet der Agrarprotektionismus der EU und der USA ein wesentliches Hindernis für den Ausbau afrikanischer Exporte.
Honig wird zum Verkauf vorbereitet in der Republik Kongo. (© FAO/19184/M. Marzot)
Honig wird zum Verkauf vorbereitet in der Republik Kongo. (© FAO/19184/M. Marzot)
Versuche, der Abhängigkeit von Rohstoffexporten durch eine auf lokalen Ressourcen aufbauende Industrialisierungs-Strategie zu begegnen, scheiterten zu einem großen Teil trotz viel versprechender Ansätze in den 1960er Jahren in Nigeria, Kenia und der Côte d´Ivoire. Außer dem Sonderfall Mauritius gelang allein Südafrika nach dem Zweiten Weltkrieg die Transformation seiner ursprünglich vor allem auf dem Export von Gold, Diamanten und Agrarprodukten basierenden Ökonomie in eine diversifizierte Industrie- und Dienstleistungswirtschaft. Derartige Entwicklungen spiegeln sich auch in dem Anteil Afrikas am Welthandel wider. Dieser ist trotz des Reichtums an Ressourcen jahrzehntelang gefallen und beträgt heute nurmehr 2,5 Prozent. Lässt man Südafrika unberücksichtigt, liegt er für das subsaharische Afrika sogar unter einem Prozent.
Der "Ressourcenfluch"
Packungen von Caravane- und Sahara-Käse aus Mauretanien. (© FAO/18827/I. Balderi)
Packungen von Caravane- und Sahara-Käse aus Mauretanien. (© FAO/18827/I. Balderi)
Obwohl die arbeitsintensive Agrarexport-Produktion von Preisfluktuationen und Protektionismus betroffen ist, schafft sie jedoch zumindest Arbeits- und Einkommensmöglichkeiten für breitere Bevölkerungsschichten. Dagegen hat sich der Reichtum gerade an mineralischen Rohstoffen, dessen Förderung meist kapitalintensiv ist und wenig Arbeitsplätze schafft, in vielen Ländern (nicht nur) Afrikas geradezu in einen "Fluch" verwandelt. Dies gilt insbesondere für die Erdölförderung, die vor allem in Westafrika zur Zeit massiv ausgebaut wird.
Farmer testet Papaya-Früchte in Malawi. (© FAO/17763/A. Conti)
Farmer testet Papaya-Früchte in Malawi. (© FAO/17763/A. Conti)
Ein schneller, aus einem Produktionsausbau oder Preisanstieg resultierender Einkommenszuwachs im Rohstoffbereich bringt häufig eine Überbewertung der nationalen Währung mit sich, was zu Inflation führt und die Exportproduktion anderer Wirtschaftszweige gefährdet. Hinzu kommt, dass institutionell wenig gefestigte Staatsapparate einen plötzlichen Einkommenszuwachs kaum sinnvoll verarbeiten können. Es entstehen zuweilen schwere bis gewaltsame Verteilungskämpfe um die neu gewonnenen Einnahmen und ein Nährboden für Korruption in großem Maßstab. Nigeria, Afrikas bevölkerungsreichstes Land und zugleich der größte Ölexporteur des Kontinents, bietet seit Jahrzehnten ein markantes Beispiel. Die im Niger-Delta konzentrierte Erdölförderung brachte nicht nur Umweltschäden mit sich, sondern auch einen politischen und sozialen Dauerkonflikt, in dem lokale Dorfgemeinschaften, desillusionierte Jugendliche, bewaffnete Gruppen, Ölfirmen und der nigerianische Staat ein unübersichtliches Gemengelage von Frontlinien bilden. In Sierra Leone, im Kongo und in Angola hat der Rohstoffreichtum gar Bürgerkriege verursacht oder diese mitfinanziert. In diesem Zusammenhang wurde die Bezeichnung "Blutdiamanten" geprägt.
Olivenernte in Timoulet, Marokko. (© FAO/18026/I. Balderi)
Olivenernte in Timoulet, Marokko. (© FAO/18026/I. Balderi)
Angesichts der in jüngerer Zeit wieder wachsenden Rohstoffpreise und vor allem einer stark steigenden Erdölproduktion in einigen afrikanischen Ländern stellen Maßnahmen zur Bekämpfung dieses "Ressourcenfluchs" eine wesentliche Herausforderung der nächsten Jahre dar. Ein Anfang bilden die "Extractive Industries Transparency Initiative" (EITI) und die zivilgesellschaftlich getragene "Publish What You Pay"-Kampagne. Diese Initiativen zielen auf eine Eigenverpflichtung der Regierungen und Erdöl fördernden Unternehmen, staatliche Einnahmen aus dem Erdölgeschäft beziehungsweise entsprechende Zahlungen an den Staat zu veröffentlichen. Auf diese Weise sollen Entscheidungsträger angehalten werden, Rechenschaft über den Verbleib ihrer Einnahmen abzulegen. Größere Transparenz im Erdölgeschäft ist eine erste Voraussetzung dafür, dass ein Land und nicht nur eine kleine Elite vom Export des begehrten Rohstoffs profitieren kann.
Ressourcenfluch
Botswana, zur Zeit seiner Unabhängigkeit 1966 eines der ärmsten Länder der Erde, gehört heute zur Gruppe der Staaten mit mittlerem Einkommen und stellt damit im afrikanischen Vergleich eine bemerkenswerte Erfolgsgeschichte dar. Die Regierungen Botswanas haben den Reichtum aus dem Diamantenexport seit 1967 weise genutzt, indem sie langfristige Entwicklungspolitik betrieben und eine Explosion der Auslandsschulden vermieden. Voraussetzung dafür waren funktionierende Institutionen, Transparenz bei den Einnahmen, eine geringe Korruption und eine funktionierende Demokratie.