Im 60. Jahr seit der Gründung des 20.700 km² großen Staates mit gegenwärtig rund 7,2 Millionen Einwohnern an der Ostküste des Mittelmeeres verweisen Kommentatoren des Landes gern auf herausragende Ergebnisse und Wachstumsraten der wirtschaftlichen Entwicklung: Die Bevölkerungszahl stieg seit 1948 auf das Achtfache, das BIP auf das Sechzigfache; pro Kopf beträgt das BIP heute etwa 24.000 US-Dollar und liegt teilweise höher als das der südlichen EU-Staaten. War zunächst das Israelische Pfund wie auch später der Israelische Schekel als Zahlungsmittel nur auf dem geographisch und auf die Kaufkraft bezogen vergleichsweise kleinen Binnenmarkt Israels akzeptiert, so wird der seit 1985 gültige Neue Israelische Schekel noch in diesem Jahr auf dem globalen Währungsmarkt neben dem Euro und dem Dollar als frei handelbar und völlig konvertierbar auftreten. Wissensintensive Zweige, insbesondere Entwicklungen der Hochtechnologie sind die Motoren der Exportwirtschaft. Führende Weltkonzerne wählen Laboratorien in Israel für ihre Entwicklungsaufträge aus, so erweitert Intel seine Präsenz und baut ein neues Werk in Jerusalem; Israels Regierung stellte Antrag auf Mitgliedschaft in der OECD.
Israel heute weist aber auch eine zunehmende wirtschaftliche Ungleichheit und sozioökonomische Polarisierung auf, eine immer sichtbarer werdende Verarmung, insbesondere Kinderarmut nicht nur in ethno-sozial benachteiligten Teilen der Gesellschaft, einen kontinuierlichen Rückgang staatlicher Versorgungsleistungen für die Gesellschaft und insgesamt eine rigorose Durchsetzung von neoliberalen Wirtschaftsstrukturen. Aber was steckt hinter diesen Meldungen; was sind die Grundzüge des israelischen Wirtschaftssystems und welche Veränderungen haben sie seit der Staatsgründung erfahren?
Konstante und Veränderungen in den Grundzügen des Wirtschaftssystems Israels
Im Wechselverhältnis von politischen und ökonomischen Faktoren wurde die Entwicklung der Wirtschaft Israels weniger von den natürlichen Reproduktionsbedingungen und ökonomischen Parametern als vielmehr von den politischen Rahmenbedingungen und polit-ökonomischen Vorstellungen von aschkenasischen zionistischen Eliten geprägt. Die politische Dominanz beeinflusste signifikant die Herausbildung spezifischer politisch-ökonomischer und volkswirtschaftlicher Strukturen, die darauf basieren, dass externe Faktoren (Ressourcen und Akteure) einbezogen sind. Zu diesen Spezifiken zählen u. a. die ökonomische Rolle des Staates und der Gewerkschaft Histadrut, der Zufluss finanzieller Übertragungen aus dem Ausland, die Bevölkerungszunahme durch eine dezidierte Einwanderungspolitik der Regierung, die Strukturen der Außenwirtschaft, die Außenwirtschaftspolitik und nicht zuletzt die seit der Staatsgründung betriebene Orientierung nicht auf den Regional-, sondern auf den Weltmarkt. Zwei Wesenszüge prägen die Wirtschaft bereits seit der britischen Mandatszeit und gelten als Charakteristika der israelischen Volkswirtschaft. Das sind erstens die Kapitalimporte, nunmehr mit Dominanz der USA, Überweisungen von jüdischen Organisationen und private Spenden sowie staatliche Kapitalanleihen.
Die natürlichen Bedingungen sind für die Wirtschaft Israels eher ungünstig: kein Vorhandensein von wirksamen Energieträgern, akuter Wassermangel, ungünstige Bodenverhältnisse und keine rentabel abbaubaren Rohstoffe. Abgesehen von wenigen Ausnahmen ist das Land damit vom Rohstoffimport abhängig. Israel musste also die Bereiche ausbauen, in denen es seinen komparativen Kostenvorteil – das Know how seiner Bevölkerung – einsetzen kann; das sind die wissens- und technologieintensiven Zweige der Volkswirtschaft.
Der Standort Israel verfügt über ein international konkurrenzfähiges Industriepotential, eine moderne Landwirtschaft mit hoch entwickeltem Gartenbau sowie ein stark verzweigtes, gut funktionierendes infrastrukturelles Netz. Quantitativ entspricht die Struktur der Volkswirtschaft der einer modernen Dienstleistungsgesellschaft, das heißt geringer, tendenziell abnehmender Anteil der Landwirtschaft am Sozialprodukt, relativ hoher, in der Tendenz gleichfalls abnehmender Anteil der Industrie sowie deutlich zunehmendes Gewicht des gesamten Dienstleistungsbereiches. Die Anfänge dafür reichen bis weit vor 1948 in die Zeit des britischen Mandats zurück, als die Ausgangsbedingungen für den späteren israelischen Staat geschaffen wurden.
Die Entwicklung nach 1948 lässt sich grob in drei große Perioden einteilen: 1948 bis 1967 war gekennzeichnet von den Phasen der Fundierung, Konsolidierung und des rapiden Wachstums der Wirtschaft; von 1967 bis 1989 kam es zur Ausdehnung und Verlagerung israelischer Wirtschaftsstrukturen sowie zur Phase der Stagflation; ab 1989 erfolgte ein global orientierter systematischer Struktur- und Systemwandel mit technologiebasiertem Wirtschaftswachstum, aber auch der tiefsten Wirtschaftskrise Israels.
Von der Rationierung zur Entwicklungsökonomie
Nach der Staatsgründung sahen die Führungen der zionistischen Parteien die Chance, einen lebensfähigen jüdischen Staat mit den Kenntnissen und Vorstellungen der jüdischen Einwanderer aus der Diaspora zu etablieren. Es waren nicht nur Theodor Herzls Ideen aus dem "Judenstaat" und "Altneuland", die den Charakter der Wirtschaft des jüdischen Staates prägen sollten, sondern vielmehr die Vorstellungen der zu jener Zeit stärksten zionistischen Strömung, die sich in der Mapai unter David Ben Gurion sammelte, der das Konzept des Mamlachtijut (hebräisch, wörtlich "Staatlichkeit") vertrat. Im Konsens mit den anderen Strömungen verfolgten sie das Ziel, ein modernes Wirtschaftssystem ("mixed economy") mit regulierendem Staatsinterventionismus und kooperativen Sektoren, aber auch mit geschütztem Privateigentum und Unternehmertum zu errichten.
Bis 1952 hatte die israelische Wirtschaft zwei Hauptaufgaben zu erfüllen: einerseits die Versorgung der Bevölkerung mit Mitteln des Grundbedarfs, andererseits die Institutionalisierung eines eigenen Wirtschaftssystems. Angesichts des Krieges 1948/49 und seiner Folgen und der mehr als 700.000 Neueinwanderer, die 1948-1951 nach Israel kamen, arbeitete die Regierung zunächst nach einem Notstandsprogramm. Mit der "Neuen Ökonomischen Politik" 1952 reduzierte sie die Rationierung und die Preiskontrolle, blieb aber für die Entwicklungsrichtung der Wirtschaft der determinierende Faktor. Schwerpunkt war in dieser Zeit der extensive und intensive Ausbau der Landwirtschaft und des Bauwesens.
Nachdem die israelische Regierung im Korea-Konflikt eine enge Verbindung zu den USA eingegangen war, verfolgte sie auch die anfangs präferierten sozialistischen Trends nunmehr weniger intensiv. Kapitalinvestitionen aus dem Ausland wurden auf vielfältige Weise staatlich gefördert, so durch das Investitionsfördergesetz von 1959. Auf der Basis des 1952 mit der Bundesregierung abgeschlossenen Luxemburger Abkommens zur finanziellen Entschädigung erhielt Israel insgesamt 3 Mrd. D-Mark, die es ab 1955 zwölf Jahre lang in Form von Waren-, Dienstleistungs- und Fiskaltransfers abrufen konnte. Nachdem die Grundversorgung gesichert war, wurde die Produktionsbasis nach staatlichen Maßgaben nun insbesondere in der Industrie und im Dienstleistungsbereich erweitert. Besonders notwendig war der Ausbau der Infrastruktur.
Neue Betriebe entstanden in dieser Zeit vor allem im staatlichen Sektor. Im Vergleich zu den eher Kleinbetrieben des privaten Sektors absorbierten diese Großbetriebe einen erheblichen Teil der Einwanderer. Die wachsende Nachfrage belebte die Wirtschaft. Das BSP wuchs 1955 bis 1965 im Durchschnitt jährlich um zehn Prozent, die Arbeitslosigkeit sank von 7,2 auf 3,6 %. Einen schnellen Aufschwung erlebten insbesondere die Textil-, die Lebensmittel-, die Baustoff- und die Elektroindustrie sowie die traditionelle Diamantenbearbeitung. Die Regierung schützte die inländische Produktion; durch eine Strategie der Importsubstitution und der Exportförderung sollte das permanente Außenhandels- und Zahlungsbilanzdefizit begrenzt werden. Dieser Wachstumsphase folgte jäh eine Phase der Stagnation, der Mitun (Mäßigung) mit geringem Wachstum (1967: 0,2 %, 1968: 2,2 %) und Anstieg der Arbeitslosigkeit (1967: 10,4 %).
Extensivierung israelischer Wirtschaftsstrukturen
Nach dem Krieg 1967 erhielt die Wirtschaft erneut einen Wachstumsimpuls. Israel dehnte seine Marktbeziehungen schrittweise auf die im Krieg okkupierten Territorien aus. So vergrößerte sich der Absatzmarkt für israelische Produkte ebenso wie die zur Verfügung stehenden Produktionsfaktoren. Palästinensische Arbeitskräfte wurden in den körperlich anstrengenden Wirtschaftsbereichen wie Landwirtschaft, Bauwesen und physisch intensiven Dienstleistungen in Israel zeitweilig unentbehrlich. Die Anzahl der registrierten palästinensischen Tagesarbeiter in Israel betrug 1970 bereits 20.600 und stieg auf 110.000 zu Beginn der ersten Intifada. Schrittweise lagerten israelische Unternehmer einzelne Produktionsabschnitte an palästi-nensische Subuntervertragspartner im Westjordanland und Gazastreifen aus, wie in der Tex-tilindustrie und in der Lederverarbeitung.
Israels Regierung orientierte auf die Förderung der rüstungsindustriellen Basis, nachdem Frankreich ein Waffenembargo über den israelischen Staat verhängt hatte. Damit hatte Israel seinen wichtigsten Lieferanten von Rüstungsmaterial, insbesondere für die Luftwaffe, verloren. Um die zahlenmäßige Überlegenheit der arabischen Staaten auszugleichen und bei strategisch wichtigen Waffengattungen die Abhängigkeit von externen Lieferanten zu reduzieren, aus nationalen und aus militärischen Gründen, wurden Eigenentwicklungen initiiert, die bis zu Großgeräten wie Panzer und Flugzeugen sowie zu hochleistungsfähigen Systemen v. a. in der Optoelektronik
Aus ökonomischen Gründen wurde die Rüstungsindustrie in den 1970er Jahren zum wichtigsten Exportbereich Israels. Mit der Extensivierung der Rüstungsindustrie entstanden neue Beschäftigungsmöglichkeiten in Unternehmen, die zuvorderst von staatlicher Seite finanziert wurden und sich schnell zu Großbetrieben entwickelten. So sank der Anteil der in den traditionellen Industriezweigen Textil und Bekleidung, Lebensmittel und Lederwaren be-schäftigten Personen von 1965 bis 1983 von 38,4 auf 32,2 %, der der Unternehmen von 37,8 auf 29,7 % und der Anteil der Wertschöpfung dieser Industriezweige von 32,1 auf 20,4 %. Demgegenüber arbeiteten in der Metallverarbeitung, Elektronik und Elektrotechnik sowie in der Chemiewarenindustrie 1965 insgesamt 25,5 und 1983 37,5 % aller Industriebeschäftigten und erbrachten 26,7 % (1965) bzw. 46 % (1983) der industriellen Wertschöpfung.
Mit dem Warenangebot wuchsen auch Umfang und Diversifizierung im Außenhandel. 1960 deckte der Export nur 42,5 % der Importe Israels, 1970 waren es bereits 51,2 und 1980 schließlich 67,4 %. 1975 schloss die EG mit Israel als erstem nichteuropäischen Staat ein Freihandelsabkommen ab. Seither entfällt jährlich etwa ein Drittel des Außenhandels Israels auf die Nachbarregion, die zum wichtigsten Markt für israelische Waren und Dienstleistungen geworden ist. 1985 unterzeichnete auch die Regierung der USA mit Israel ein Freihandelsab-kommen. Damit hatte der Standort Israel ein Alleinstellungsmerkmal im transatlantischen Be-ziehungsgefüge.
Die ab 1977 von der konservativ-nationalen Likud-Partei geführte Regierung kehrte sich von der bisherigen Wirtschaftspolitik nicht völlig ab, doch setzte mehr als die Arbeitspartei auf liberale Ansätze. Mitte der 1980er Jahre stagnierte die Wirtschaft und die Inflation explodierte (Stagflation). Im Zuge der weltpolitischen Umwälzungen war der internationale Rüstungsmarkt eingebrochen. Gestiegene Weltmarktpreise für Rohstoffe, Abfluss von produktiv verwertbaren Mitteln durch anhaltend hohe direkte und indirekte Kosten für Militär und Rüstung, Subventionen für die Siedlungspolitik in den besetzten und annektierten Gebieten sowie unrentable Produktionskapazitäten erhöhten das Defizit Israels.
Die Regierung der Großen Koalition von Likud und MA´I (israelische Partei der Arbeitin) nahm 1985 das Stabilisierungsprogramm für die Wirtschaft an. Darin bekannte sie sich zur Liberalisierung, Marktöffnung und Privatisierung staatlicher Betriebe. So begann sie einen Prozess der Deregulierung, um die direkte Involvierung in die Wirtschaft zu verringern. Damit leitete sie eine weitere Modifizierung in der traditionellen zionistischen Auffassung von der wirtschaftpolitischen Orientierung Israels ein.
Integration in die Weltwirtschaft
Mit der regulierten Öffnung verfolgten die politische und die ökonomische Elite des Landes den Wandel und die Integration der Wirtschaftsstruktur und des Wirtschaftssystems Israel in die globalen Marktstrukturen. Alle zionistischen Parteien orientierten auf die kapitalistische Marktwirtschaft, differierten allerdings in ihren Ansichten zu Tempo und Bedingungen der Privatisierung sowie zum Ausmaß staatlicher Aufgaben, u. a. im sozialen Bereich. Die neue Einwanderungswelle übte einen starken Druck auf die Liberalisierungspolitik der Regierung aus. Mit der so genannten Ostalijah sind seit 1989 etwa eine Million Einwanderer nach Israel gekommen. Sie erhöhten die Binnennachfrage und belebten die Ende der 1980er Jahre wieder stagnierende Wirtschaft, insbesondere das Bauwesen und alle nachgelagerten Bereiche. Wurde in der zweiten Hälfte 1989 mit dem Bau von etwa 10.000 neuen Wohneinheiten begonnen, so waren es in der ersten Jahreshälfte 1991 bereits rund 40.000, von denen drei Viertel auf den öffentlichen Sektor entfielen und nur ein Viertel auf den privaten Wohnungsbau. Bedeutend für die weitere Wirtschaftsentwicklung war der hohe Anteil von eingewanderten Akademikern. Allein 1989 bis 1991 waren unter den Neueinwanderern aus der Sowjetunion mehr als 40 % Geisteswissenschaftler, Ingenieure, Künstler, Ärzte; weitere etwa 35 % waren in technischen und technisch relevanten Berufen beschäftigt gewesen. In gemeinsamen Förderprogrammen von Staat und Wirtschaft stellten sie einen signifikanten Input insbesondere für die wissensintensiven Bereiche der so genannten New Economy dar.
Fortschritte im Nahostregelungsprozess und dezidiertes Aufweichen des arabischen Boykotts erleichterten israelischen Unternehmern die Penetration neuer Märkte, wie in Osteuropa, Afrika und Asien. Die internationale Kreditwürdigkeit des Standortes Israel stieg und einheimische Unternehmen wurden zu einem lukrativen Anlagemarkt, ob sie nun Eigentum des Staates, der Gewerkschaft Histadrut oder des Privatsektors betrafen. Die ausländischen Direktinvestitionen stiegen von lediglich 129 Mio. US-Dollar 1990 in den 1990er Jahren rapide an. Sie betrugen 1999 bereits 2,3 Mrd. US-Dollar, 2005 5,7 und im Folgejahr sogar 13,4 Mrd. US-Dollar. Einheimische Eigentümer zieht die Kapitalisierung ihrer Unternehmen vom relativ kleinen Finanzmarkt Israel auf den Weltmarkt. Ende 2005 wurden 129 israelische Unternehmen an der Börse in New York (NYSE) gehandelt; von den 332 an der NASDAQ ge-listeten Firmen, die nicht aus den USA kamen, waren allein 75 israelische Firmen.
Die Hochtechnologie ist der Wachstumsmotor der exportabhängigen Wirtschaft geworden. Während die Produktivität in den 1990er Jahren in traditionellen Bereichen sank, wie im Bauwesen um zwei Prozent, stieg die der Hochtechnologie um jährlich fünf Prozent. Sie kurbelte auch den Export an, der inzwischen zu mehr als drei Vierteln aus Produkten der Hochtechnologie besteht.
Nach dem extensiven Wachstum der Hochtechnologiebranche brach die Wirtschaft durch den Absturz an der NASDAQ im Jahre 2000 und die zweite Intifada tief ein. Fünf Jahren der tiefsten Krise folgten, bis die Wirtschaft sich wieder erholte. Heute liegt sie mit einer jährlichen Wachstumsrate von rund fünf Prozent weit über dem Wirtschaftswachstum der Bundesrepublik.
Wachstum und Differenzierung
Die israelische Wirtschaft hat den Wandel von den arbeitsintensiven hin zu wissensintensiven Bereichen mit Nachdruck vollzogen. Verbunden damit ist ein absoluter und prozentualer Rückgang der Landwirtschaft und eine Verringerung der Anbaufläche, aber ebenso eine Spezialisierung auf ausgewählte Nischenprodukte und hochwertige Einzelprodukte sowie Neuzüchtungen mit hohem Wertzuwachs. Zahlreiche Bereiche traditioneller Industriezweige wurden ausgelagert, so in umliegende arabische Nachbarstaaten, die Türkei und nach Asien. Regierung und Unternehmer präferieren die Zweige und Produkte, die, gemessen an deren Konkurrenzfähigkeit auf dem Weltmarkt, angesichts einerseits der vorhandenen Produktionsfaktoren und andererseits der politischen Zielstellungen und Realitäten in der Region, zu einem größtmöglichen Wertzuwachs führen sollen. Der Privatisierungsprozess wird fortgesetzt, nun geht es insbesondere um die großen Unternehmen, die auf ihrem Gebiet teilweise Monopolstellungen haben bzw. hatten.
Anteil der Beschäftigten in den Wirtschaftsbereichen Israels
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Dieser Strukturwandel und die schnelle Öffnung der Wirtschaft sowie die globale Integration sind aber auch mit Rückwirkungen auf gesellschaftliche Veränderungen verbunden. Der Arbeitsmarkt war Jahrzehnte lang ein wesentliches Instrument der sozialen Integration gewesen. Mit dem Verkauf von staatlichen und Histadrut eigenen Unternehmen, der Öffnung für ausländische nicht palästinensische Arbeitskräfte und der Ausdehnung des Niedriglohnsektors wurden die traditionellen und abgeschlossenen Strukturen des Binnenarbeitsmarktes aufgebrochen. Für 2007 hatte die Regierung rund 90.000 Genehmigungen für ausländische Lohnarbeiter, v. a. aus Südasien und Südosteuropa, erteilt; inoffiziell sollen sich mehr als doppelt so viele Arbeitsmigranten in Israel aufhalten.
Die öffentliche Hand senkte ihre Ausgaben drastisch. Dieser Rückgang trifft vor allem den sozialen Bereich, die Verringerung von Subventionen für Grundnahrungsmittel, den öffentlichen Transport und Bildungseinrichtungen. Ziel der Regierung ist es, die Staatsverschuldung in der Maastrichtnorm der EU zu halten. Immer mehr Beschäftigte werden nicht mehr auf feste Stellen, sondern projektgebunden oder in Zeitarbeit eingestellt. 2006 wurde der Anstieg der Beschäftigung im öffentlichen Sektor um fünf Prozent vollständig durch Teilzeitstellen abgedeckt, während die Zahl der Vollzeitstellen gefallen war.
Die neuen Möglichkeiten, die die geforderte Flexibilisierung und Individualisierung begleiten, kommen insbesondere den gut ausgebildeten israelischen Fachkräften zugute. So wurden das Angebot und die Differenziertheit der Beschäftigung erweitert, neue und moderne Arbeitsplätze vorrangig im Privatsektor geschaffen und durch neue Tätigkeitsfelder der Wert einheimischer Spezialisten erhöht.
Gestiegene Einkommen und materielle Individualisierung macht die zuvor eher latent vorhandene sozioökonomische Differenzierung deutlicher sichtbar. Die Autoren der jährlich erscheinenden Studie zur Armut im Lande stellen fest, dass das Wirtschaftswachstum seit den 1990er Jahren eben nicht zu einer "gleicheren" Verteilung in der Gesellschaft geführt, sondern die soziale Unsicherheit erhöht hat. Das durchschnittliche Monatseinkommen ist zwar gestiegen, doch reicht es nicht aus, um damit die Lebenshaltungskosten zu bestreiten. 1982 erließ Israels Regierung die Gesetzgebung über die Gewährung von Sozialhilfe. Damals erhielten weniger als 10.000 Haushalte diese Zahlung; 2003 waren es bereits 158.000 Haushalte. 2008 beträgt der Anteil der bedürftigen Familien ein Fünftel. Alarmierend für Regierungsparteien ist, dass 36 % aller Kinder unterhalb der Armutsgrenze leben, das ist Platz eins unter den westlichen Staaten. Demgegenüber kontrollieren allein 16 Familien etwa ein Fünftel der Einnahmen der 500 führenden Unternehmen (außer Diamanten). Auf diese 500 entfallen 40 % der Beschäftigten und 59 % der gesamten Einkommen des Unternehmenssektors. Damit ist die Konzentration in der israelischen Wirtschaft noch höher als in den USA, wo auf die Top 500 Firmen nur 38 % der Einnahmen dieses Sektors entfallen.
Perspektive
Bruttoaußenhandel Israels: Bruttoimport und -export in absoluten Zahlen, 1950 bis 2006
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Israels Wirtschaft sieht ihre Zukunft weiterhin in der Hochtechnologie und deren Export. Mit je einem Drittel bleiben die USA und die EU die Haupthandelspartner, gefolgt von Asien. Indien ist einer der engsten Partner Israels in Asien, insbesondere in der rüstungsindustriellen Zusammenarbeit. Neue Produkte der israelischen Technologieentwicklung finden heute weltweiten Absatz, aber ebenso gefragt sind die Unternehmen, deren Produktpalette und die Spezialisten, die quasi zu "Entwicklungsabteilungen" für ausländische, v. a. US-amerikanische Unternehmen geworden sind. Perspektivisch könnte durch weitere interregionale Kooperationen die Forschungskapazität, wie in der Biotechnologie, noch extensiviert werden.
Israel ist in der globalen Wirtschaft inzwischen integriert; die regionale Kooperation bleibt hingegen punktuell und auf ausgewählte Zweige und Staaten begrenzt.